sen Diskussionen vergegenwärtigt, dann konnte man gelegentlich den Eindruck haben, dass in den letzten Jahren eine Privatisierungswelle durch Hamburg gefegt ist und die Stadt deshalb kaum mehr in der Lage ist, auch nur die elementarsten Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrzunehmen. Das ist nichts anderes als eine Märchengeschichte.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Wahrheit lautet, dass wir seit 2004 einen kontinuierlichen Aufwuchs an staatlichen Unternehmen, an Beteiligungen, an Tochter-, Enkelund Urenkelunternehmen der Stadt haben.
Ich schaue mir dazu die Beteiligungsberichte an. Zum 31. Dezember 2004 gab es genau 70 direkte und 172 indirekte Beteiligungen. Drei Jahre später, am 31. Dezember 2007, gab es inzwischen 76 direkte und 245 indirekte Beteiligungen. Und wieder drei Jahre später, am 31. Dezember 2010, gab es einen neuen Höchststand, nämlich 89 direkte Beteiligungen und inzwischen 260 indirekte Beteiligungen. Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung und erstaunlicherweise eine Entwicklung ausschließlich unter der Verantwortung von CDU-Finanzsenatoren; ich nenne die Namen Peiner, Freytag, Frigge.
Meine Damen und Herren! Die FDP hat zu öffentlichen Unternehmen einen klaren Standpunkt. Wir halten sie für vertretbar, wenn sie zur elementaren Daseinsvorsorge unverzichtbar sind.
Wo da genau die Linie verläuft von dem, was unverzichtbar ist und was nicht, müssen wir in der Tat politisch diskutieren. Ob zum Beispiel Reisebusunternehmen, Fährbetriebe, Fahrzeugwerkstätten oder Stromhändler dazu gehören, da habe ich meine Zweifel. Wenn sich die Stadt aber als Unternehmer aufführt, möglicherweise noch in Konkurrenz zu mittelständischen Unternehmen, oder wenn sich Beamte, die immer nur mit fremdem Geld hantieren, als Unternehmer aufspielen, dann halten wir das nicht nur für einen unfairen Wettbewerb, sondern wir halten es auch für höchst gefährlich.
Ich rufe das Thema HSH-Nordbank-Desaster in Erinnerung, das uns immer noch beschäftigt mit ungewissem Ausgang. Ich nenne aktuell die Situation bei der HADAG, der Hamburger Arbeit oder beim Berufsförderungswerk, die allesamt nur mit finanzi
eller Hilfe der Stadt über Wasser gehalten werden. Bei jedem privaten mittelständischen Unternehmen käme stattdessen der Insolvenzverwalter, bei städtischen Unternehmen zahlt der Steuerzahler die Zeche.
Auch wenn wir einen klaren, ordnungspolitischen Kurs haben, so wollen wir die Diskussion über städtische Beteiligungen dennoch nicht ideologisch, sondern pragmatisch führen.
(Anja Hajduk GRÜNE: Wenn das nicht ideo- logisch ist, was Sie da machen, dann weiß ich auch nicht mehr!)
Die Landeshaushaltsordnung gibt uns dazu auch eine ganz praktische Anleitung. Es steht dort nämlich zur Frage, wann sich die Stadt an der Gründung eines städtischen Unternehmens beteiligen darf oder eine Beteiligung eingehen kann, relativ eindeutig:
"Die Freie und Hansestadt Hamburg soll sich […] an der Gründung eines Unternehmens […] nur beteiligen, wenn 1. ein wichtiges staatliches Interesse"
"vorliegt und sich der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt."
Meine Damen und Herren! Das ist entgegen Ihrer vielleicht jetzt spontanen Vermutung kein blanker Ordoliberalismus,
sondern das ist die seit 1971 geltende Landeshaushaltsordnung, wie sie den Senat, alle Fachbehörden und die gesamte Verwaltung unmittelbar bindet.
Im Umkehrschluss bedeutet Paragraf 67 Landeshaushaltsordnung, dass alle städtischen Beteiligungen, wenn eben kein wichtiges staatliches Interesse mehr ersichtlich ist oder sich der Beteiligungszweck auf andere Weise wirtschaftlicher oder einfacher erreichen lässt, ganz pragmatisch und ganz unideologisch auf den Prüfstand gehören.
Der Senat hat dies schon einmal gemacht, nämlich 2004 mit der sogenannten Peiner-Liste. Der Senat hat damals die städtischen Unternehmen in vier Kategorien aufgeteilt. Ich darf Sie erinnern: Es sind erstens Unternehmen, die für die Infrastruktur zwingend erforderlich sind, zweitens Unternehmen, die für den Wirtschaftsstandort von besonderer Bedeutung sind, drittens Unternehmen, die für die Erreichung von besonderen Fachzielen von Bedeu
tung sind, und schließlich viertens Unternehmen, die unter keine der drei vorgenannten Kategorien fallen.
Wir halten es aus drei Gründen – und das ist der Gegenstand unseres Antrags – für erforderlich, ein Update der Peiner-Liste vorzunehmen: erstens, damit der Senat Transparenz über die Strategie seiner zukünftigen Beteiligungspolitik schafft, zweitens, weil sich das Portfolio der städtischen Beteiligungen in den letzten Jahren erheblich erweitert hat, und drittens, weil sich natürlich auch das wirtschaftliche Umfeld geändert hat.
Nach unserer Auffassung muss nach der Vorlage eine Verminderung der Beteiligungen bei den Unternehmen der zweiten und dritten Kategorie sowie eine vollständige Privatisierung der Unternehmen der vierten Kategorie angegangen werden. Wir können es uns angesichts des verfassungsrechtlichen Gebots der Schuldenbremse sowie der notwendigen Ausgaben in Schule, Hochschule, Verkehr und Hafen gar nicht leisten, dieses nicht zu tun.
Im Gegensatz zu den Privatisierungen unter SPDund CDU-Senaten sind wir jedoch der Auffassung, dass jeder Euro und jeder Cent, den wir dabei erlösen, in die Schuldentilgung gehört und nicht im Betriebshaushalt versickern darf. – Vielen Dank.
Der Antrag der FDP, Herr Kluth, klingt auf den ersten Blick harmlos, ja fast bürokratisch. Sie wollen eine Kategorisierung der öffentlichen Unternehmen entsprechend ihrer öffentlichen Beteiligung. Doch der eigentliche Sinn, die eigentliche Stoßrichtung dieses Begehrens wird dann in Ziffer 3 Ihres Antrags, im Petitum, deutlich. Sie fordern den Senat auf, Anteile öffentlicher Unternehmen zu verkaufen beziehungsweise sie vollständig zu privatisieren. Und in der Tat, zu einem anderen Zweck braucht man eigentlich auch keine Kategorisierung,
in der dann die verschiedenen Schubladen nach dem Motto "kann bleiben oder kann weg" festgestellt werden. Nicht umsonst beziehen Sie sich auf die legendäre Einteilung des früheren CDU-Privatisierungsexperten und Finanzsenators Peiner aus dem Jahr 2003, deren einziger Sinn damals auch nur darin bestand, den Ausverkauf des öffentlichen Eigentums aller Hamburgerinnen und Hamburger
waren Sie schon einmal deutlich mutiger. Da haben Sie den Bürgerinnen und Bürgern in Hamburg klaren Wein eingeschenkt – Zitat –:
Und gleich danach kam Ihre Verkaufsliste: Hamburger Hafen und Logistik AG, Hamburger Hochbahn, Pinneberger Verkehrsgesellschaft, Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein, Hamburg Messe und Congress GmbH, SAGA/GWG, Sprinkenhof AG, Stadtreinigung Hamburg und Müllverbrennungsanlagen, um nur die Wichtigsten zu nennen. Wenn Sie von Daseinsvorsorge reden, dann sind diese Unternehmen offensichtlich nicht gemeint. Es wäre auch heute sehr viel ehrlicher und glaubwürdiger, wenn Sie Ihre Absichten nicht in Prüfanträgen an den Senat versteckten, sondern klar und deutlich auf den Tisch legen würden. Wir lassen uns jedenfalls davon nicht täuschen und werden diesen Antrag ablehnen, Herr Kluth.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr Antrag hat auch etwas Gutes. Er gibt uns nämlich die Möglichkeit, unsere Positionen zur Privatisierung in einem kurzen Meinungsaustausch zu klären. Es hat sich einiges verändert in den Köpfen und in unserem Land und auch in einigen Medien.
Vor neun Jahren, also zur Zeit von Peiner, war die öffentliche Debatte in Deutschland noch von einer neoliberalen Privatisierungseuphorie getragen, beherrscht von der Maxime "Privat vor Staat" und von den funkelnden Versprechen, private Unternehmen könnten sowieso alles besser und auch billiger. Schon damals konnte man mit Blick auf andere Länder wie Großbritannien oder die USA längst wissen, dass in aller Regel das Gegenteil der Fall ist.