Protocol of the Session on September 12, 2012

Gerade im Bereich Wirtschaft, Bauen und Umwelt sollen viele neue Zuständigkeiten auf die Bezirke verlagert werden. In der Drucksache, über die wir hier sprechen, nimmt dieser Bereich Pi mal Daumen 80 Prozent aller Aufgabenverlagerungen ein. Aber bekommen die Bezirke mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese Aufgaben erledigen sollen? Nein, das bekommen sie nicht.

(Jan Quast SPD: Woher wissen Sie das?)

Ich habe in den Haushaltsplan gesehen.

Im Bereich Wirtschaft, Bauen und Umwelt erhalten alle sieben Bezirke zusammengenommen gegenüber 2011 gerade einmal 8,5 Vollzeitäquivalente zusätzlich. Das entspricht einer Zunahme von einem halben Prozent. Wissen Sie eigentlich, wie es in den Bezirken heute schon zugeht? Als der Planungsausschuss in Altona am Mittwoch letzter Woche die soziale Erhaltungsverordnung für das Schanzenviertel beschlossen hat, ist etwas eigentlich Unerhörtes passiert. Der zuständige Baudezernent ist aufgestanden und hat erklärt, dass man das Vorhaben nicht durchführen könne, da der Personalbestand für den Vollzug dafür nicht ausreichend sei. Hier kollidiert die jetzt schon äußerst angespannte Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung mit elementaren Interessen von Anwohnerinnen und Anwohnern, die Schutz gegen sogenannte Luxusmodernisierung und Vertreibung brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Senat hat außerdem entschieden, auf das Vorkaufsrecht an einer 45 000 Quadratmeter großen Fläche in der Neuen Mitte Altona zugunsten von ECE zu verzichten.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ich finde, das ist zu laut hier!)

Nicht nur das "Hamburger Abendblatt" mutmaßt heute, dass es der Stadt unter anderem an Personal fehle, die Neue Mitte Altona zu entwickeln. In der Sitzung des Altonaer Planungsausschusses am letzten Mittwoch, von der ich eben schon sprach, erklärte der Fachamtsleiter Stadt- und Landschaftsplanung, er könne einen Einleitungsbeschluss des Bezirks nicht bearbeiten, da sich bei

(Robert Bläsing)

ihm 40 Bauanträge stapelten und sein Amt mit den fünfeinhalb Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mehr hinterherkäme. Eine Mitarbeiterin auf einer dieser fünfeinhalb Stellen sei seit mindestens zwei Jahren nahezu ausschließlich mit dem Zukunftsplan Altona befasst. Hier zeigt sich, dass eine solche Politik des knappen Personals letztlich teuer kommt

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Dr. Steffen hat das wirklich schon sehr eindrücklich dargestellt –, teuer für die Stadt, die die Bodenwertsteigerung nicht selber realisieren wird, und teuer für die Bürgerinnen und Bürger, die auf bezahlbare Wohnungen angewiesen sind, die ein privater Investor nicht im benötigten Umfang bereitstellen wird und die wir in ECE-Stadt nicht finden werden.

Jetzt soll Altona zwar neue Aufgaben im Bereich Wirtschaft, Bauen und Umwelt erhalten, aber gegenüber 2011 gerade einmal zwei Vollzeitäquivalente zusätzlich, 0,6 Prozent mehr als bisher.

(Finn-Ole Ritter FDP: Fachliche Diskussion für den Ausschuss!)

Da bahnt sich, das kann jeder und jede sehen, ein Desaster an.

In den anderen Bezirken ist es nicht anders. In Hamburg-Nord wirbt ein verzweifelter Fachamtsleiter Stadt- und Landschaftsplanung darum, mit ehrenamtlichen Kräften fehlendes Personal für städtebaulichen Denkmalschutz auszugleichen. Nichts gegen ehrenamtliche Arbeit, ganz im Gegenteil, aber sie kann nicht die Löcher stopfen, die eine verfehlte Personalpolitik und die Politik der Kürzungen reißen.

(Beifall bei der LINKEN)

So wird ehrenamtliches Engagement nicht gefördert, sondern untergraben.

In Hamburg-Nord, um dieses Beispiel zu vervollständigen, gibt es für das Projekt Langenhorner Markt,

(Finn-Ole Ritter FDP: Da gehe ich immer einkaufen!)

aktive Stadt- und Ortsteilzentren und den städtebaulichen Denkmalschutz genau eine halbe Stelle. Und auch Hamburg-Nord soll für die zusätzlichen Aufgaben im Bereich Wirtschaft, Bauen und Umwelt gerade einmal zwei Vollzeitäquivalente mehr erhalten, das ist eine Steigerung von 0,7 Prozent gegenüber 2011.

Es ist zu befürchten, dass die Fachbehörden im Zuge der Entflechtung jedoch weit mehr Aufgaben an die Bezirke übertragen, als es, um bei diesem Beispiel zu bleiben, diesen 8,5 Vollzeitäquivalenten für den Bereich Wirtschaft, Bauen und Wohnen entspricht. Tatsächlich geht es, das atmet die gan

ze Drucksache aus, um das große Ziel des Senats, jährlich mindestens 250 Vollzeitäquivalente im öffentlichen Dienst zu streichen,

(Finn-Ole Ritter FDP: Mindestens!)

egal wie und koste es, was es wolle. Der Senat sieht, das befürchten wir, von den Kosten dieser Personalkürzungspolitik ab. Wir von der LINKEN wollen von den Kosten der beabsichtigten und eingeleiteten Stellenstreichungen jedoch nicht absehen. Wir wollen die Fakten schonungslos auf den Tisch bekommen und erwarten deshalb, dass in der Beratung dieser Drucksache im Fachausschuss und im Haushaltsausschuss beziehungsweise dem entsprechendem Unterausschuss Vertreterinnen und Vertreter der Bezirksämter darlegen können, welche Auswirkung die Verlagerung zusätzlicher Aufgaben in die Bezirke für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Bürgerinnen und Bürger und für die Qualität der öffentlichen Leistungen hat, wenn sie ohne zureichende personelle Verstärkung stattfindet.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat Senator Dr. Tschentscher das Wort. – Aber, meine Damen und Herren, es ist zu laut. Es wäre schön, wenn Sie für Ihre Gespräche nach draußen gingen und hier ein bisschen mehr Ruhe herrschte; es ist anstrengend, der Debatte zu folgen. – Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielen Dank für die positiven Kommentierungen der Drucksache. Zu den kritischen Hinweisen darf ich sagen, dass wir mit dieser Drucksache den derzeitigen Stand der Entflechtung darstellen. Wir wissen, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen – es gibt seit einigen Jahren gute Ansätze –, und wir sind noch nicht am Ende.

Es geht im Zusammenhang mit dieser Drucksache um drei Punkte. Erstens: Was sind die konkreten Maßnahmen und Wirkungen? Zweitens: Welche Folgen ergeben sich für den Haushaltsplan 2013/14 – das hat gestern im Haushaltsausschuss eine Rolle gespielt. Und drittens: Wie steht das im Zusammenhang mit der Personalreduzierung, die der Senat beabsichtigt?

Ich darf noch einmal den Grundsatz nennen. Wir möchten gerne, dass sich in unserer Stadt mit jeder Frage möglichst nur eine Stelle befasst, und zwar möglichst die, die am dichtesten an dem Problem dran ist.

(Beifall bei der SPD)

Das sind in den meisten Fällen die Bezirksämter, deren abschließende Entscheidungen dann möglich sind, wenn die grundsätzlichen Linien klar sind.

(Christiane Schneider)

Die Vorgabe solcher Entscheidungsleitlinien, die sogenannte ministerielle Steuerung, sehen wir bei den Fachbehörden beziehungsweise dem Senat.

Herr Steffen, ich habe Ihren Vergleich mit den komplexen Kapitalmarktprodukten und der HSH Nordbank zwar nicht verstanden,

(Finn-Ole Ritter FDP: Hat er selber nicht! – Christiane Schneider DIE LINKE: Aber Sie haben doch die Parallelen!)

gut, wenn alle anderen das verstanden haben –, aber es geht doch eigentlich um den Punkt, wie das Thema bei den Bezirken ankommt; das war Ihre Frage. Und da hoffe ich zunächst einmal, dass sich die Bezirksamtsleiter in den letzten anderthalb Jahren nicht völlig allein gelassen fühlten mit den Problemen, die dieses Thema auslöst. Meine Wahrnehmung ist aber, dass die Probleme der Bezirksämter nicht darin bestehen, dass sie die Durchführungsaufgaben abarbeiten sollen. Probleme bereitet es, wenn ihnen bei dieser Arbeit ständig irgendeine Behörde noch einen Zustimmungsvorbehalt oder ein Mitspracherecht vor Augen führt, was die Abarbeitung anstrengend und aufwendig macht. Das ist ein Konfliktfeld, das wir versuchen zu bearbeiten.

Ich möchte einige konkrete Punkte nennen, Herr Heintze, die in der Drucksache durchaus enthalten sind. Im Bereich Baugenehmigung werden zahlreiche Zustimmungsvorbehalte des Oberbaudirektors und des Wohnungsbaukoordinators durch eine Informationspflicht ersetzt, die nicht zwangsläufig zu einer weiteren Abstimmung in der Sache führen wird. Die Bezirksämter übernehmen die selbstständige Verantwortung für Projekte der integrierten Stadtteilentwicklung, die Programmsteuerung erfolgt durch die BSU.

Auch wenn wir es gestern noch nicht weiter konkretisiert haben, die Entscheidung über Investitionen in die bezirklichen Sportstätten wird von der Behörde für Inneres und Sport auf die Bezirke übertragen, die das Sportstättenmanagement wiederum an einer Stelle, nämlich im Bezirk HamburgMitte, zusammenführen. Die Zuständigkeiten für Hauptverkehrsstraßen und Ingenieurbauwerke werden der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation und den Bezirken plausibler zugeordnet. Die örtliche Straßenverkehrsbehörde, also im Grunde das Polizeikommissariat vor Ort, soll in Zukunft – Herr Steffen, auch ein Punkt von Ihnen – in vielen Fällen ohne Zustimmungserfordernis einer zentralen Dienststelle der Innenbehörde entscheiden und dadurch auch besser die bezirklichen Belange vor Ort berücksichtigen können. Denn der Polizeibeamte, der vielleicht sogar im bezirklichen Ausschuss sitzt, kann das bisher in vielen Fällen gar nicht selber entscheiden, sondern muss mit der oberen Straßenverkehrsbehörde, also einer zentralen Dienststelle der Innenbehörde, Rücksprache halten.

(André Trepoll CDU: Jetzt wissen wir, wer schuld ist!)

Das muss oftmals nicht sein, deswegen wollen wir das anders regeln.

Einige der Entflechtungsthemen können und sollen sich auf die Zuordnung finanzieller Ressourcen, also auf den Haushaltsplan, auswirken. Dort, wo das noch nicht berücksichtigt ist, werden wir es in das dafür vorgesehene Haushaltsverfahren einbringen; so habe ich gestern auch Ihre Fragen im Haushaltsausschuss verstanden. Aber nicht jede Maßnahme der Drucksache muss zu einer Veränderung von Haushaltstiteln führen. Die Entscheidungen können sich auch so auf das Verwaltungshandeln auswirken, dass wir mit den vorhandenen Mitteln besser auskommen oder mehr abarbeiten können als ohne Entflechtung. Mit anderen Worten: Dadurch, dass sich mit den gleichen Sachverhalten weniger Dienststellen und weniger Mitarbeiter der Hamburger Verwaltung befassen, sparen wir finanzielle und personelle Ressourcen. Das ist auch die Grundannahme, die den Bezug zur beabsichtigten Reduzierung des Personalbestands herstellt, die auf unterschiedlichen Instrumenten beruht, aber eben auch – und das ist in dieser Drucksache beschrieben – auf der Entflechtung und Vermeidung von Aufwand und Doppelarbeit.

Über all diese Fragen und unterschiedlichen Themen werden wir weiter reden müssen. Es wird auch weitere Konkretisierungsschritte und konkretere Umsetzungen geben. Ich freue mich über das konstruktive Diskussionsklima, das ich jedenfalls aus dieser Debatte mitnehme. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Hajduk, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Konstruktiv ist sicher immer gut, zumal wir überweisen und die Diskussion fortsetzen wollen. Vielleicht darf ich zur Vorbereitung auf die Diskussion, die wir im Haushaltausschuss und auch im Verfassungsausschuss führen werden, noch einen Wunsch von unserer Seite an den Senat äußern.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Wir sind grundsätzlich überzeugt davon, dass es möglich ist, Verantwortlichkeiten zu verlagern, und dass es sinnvoll ist, Zuständigkeiten zu bündeln. Wir haben an einigen Stellen aber den Eindruck, dass es bei der Verlagerung der Verantwortlichkeit, wo sie eine Aufgabenverlagerung ist, keine ausreichende Ressourcenverlagerung gibt. Das wäre in dem Fall vielleicht verantwortungslos.

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

Ich möchte Ihnen, Herr Dr. Tschentscher, zu der Fragestellung, ob wir so weit gehen müssen – um bei dem Modell meines Kollegen Dr. Steffen zu bleiben –, Probleme zu produzieren, die auf bezirklicher Ebene hochkochen, im Grunde aber eine Gesamtentscheidung auf haushalterischer Ebene des Senats sind, eine Sache mitgeben. Bei dieser Operation der Verlagerung von Aufgaben auf die Bezirke oder der Bündelung von Zuständigkeiten muss man als Maßstab anlegen, ob die Qualität für Bürgerinnen und Bürger wirklich gesichert ist. Auf die beispielhafte Frage meines Kollegen Dr. Steffen hinsichtlich der allgemeinen Zielsetzung, Straßenund Wegeinstandsetzungen abzuarbeiten, sind die komplett gegensätzlichen Aussagen des für die Bezirke zuständigen Staatsrates und des für die Verkehrspolitik zuständigen Staatsrates ein gewichtiger Hinweis, dass die Sicherstellung der Qualität der Aufgabenabarbeitung nicht gewährleistet ist. Wir müssen vielmehr um die Art von Entflechtung streiten, denn ohne Ressourcenausstattung ist es keine Entflechtung, sondern eine Verschiebung ohne Preisschild, und das kann nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)