Protocol of the Session on August 16, 2012

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der LINKEN)

Das wird durch nichts deutlicher als dadurch, dass zu diesem Thema der Wirtschaftssenator spricht.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Du beschäftigst dich heute zum ersten Mal mit dem Thema, oder?)

Ich rede als jemand, der in der letzten Legislaturperiode dieses Projekt vorgeschlagen hat, um Haushaltsproblemen der Kultureinrichtungen abzuhelfen. Ich bin wirklich entsetzt, dass ihr etwas daraus macht, ähnlich wie die Mövenpick-Steuer, was nur dazu dient, der Hotellerie und dem Tourismusverband noch ein bisschen mehr Geld zuzuschanzen.

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der LINKEN)

Das wird an nichts deutlicher als daran, dass der Wirtschaftssenator dazu geredet hat. Wenn diese Taxe nicht das Wort "Kultur" in ihrem Namen hätte – Sie müssen sich einmal die Rede des Senators anhören –, dann wäre das Wort "Kultur" in seiner Rede gar nicht gefallen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU und der LINKEN)

Der Senator hat mit keinem Wort über Kulturförderung geredet, nur wenn er den Namen der Taxe genannt hat, kam das Wort einmal vor. Dann ging es darum, was diesem Senat wirklich wichtig ist, nämlich der Branche und den Unternehmen nicht zu viel zuzumuten und ihnen bessere Einnahmen

(Dr. Andreas Dressel)

zu verschaffen. Das ist aber nicht der Sinn und Zweck dieser Kulturtaxe.

(Beifall bei Dietrich Wersich und Jörg Ha- mann, beide CDU)

Das ist kein vernünftiger Mittelweg, das ist schlichtweg Verrat an der ursprünglichen Idee. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Vielleicht kann die FDP noch mal klarstellen, dass das kein Geld für die Hotels ist!)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Da der Senatsantrag bereits im Vorwege an die Fachausschüsse überwiesen wurde, bedarf es hierüber heute keiner weiteren Abstimmung.

Punkt 88 der Tagesordnung, Drucksache 20/4803, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Den Mieterschutz der eingesessenen Gewerbetreibenden verbessern!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Den Mieterschutz der eingesessenen Gewerbetreibenden verbessern! – Drs 20/4803 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD und der LINKEN an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen. Mir ist dazu mitgeteilt worden, dass der Abgeordnete Heinemann an den Beratungen und Abstimmungen nicht teilnehmen werde.

Wer wünscht das Wort? – Frau Sudmann, bitte.

Wir haben gerade viel über Touristinnen und Touristen gesprochen und kommen nun zu einem Thema, das langsam im Bewusstsein der Hamburgerinnen und Hamburger und hoffentlich auch in der Politik zu einem Problem wird. Es gibt mittlerweile immer weniger alteingesessene kleine Läden und Gewerbetreibende. Im April 2012 hat eine Hamburger Tageszeitung festgestellt:

"Kleinere Läden haben es immer schwerer. Neun von zehn haben binnen drei Jahrzehnten geschlossen. Handel sieht 'Amerikanisierung'."

Nun werden einige von Ihnen vielleicht denken, das ist halt so in der Marktwirtschaft. Viele Läden haben Kundinnen und Kunden verloren. Vielleicht gehören wir selbst auch zu denen, die nicht mehr bei dem kleinen Höker um die Ecke einkaufen, sondern lieber im Supermarkt oder zum Beispiel im Internet. Dazu kann man noch sagen, okay, dazu

könnten die Gewerbetreibenden sich Gegenmaßnahmen überlegen, könnten ihr Angebot vielleicht verändern, könnten selbst Internetangebote machen. Aber mittlerweile haben wir es mit einem Problem zu tun, das Gewerbetreibenden und kleinen Ladeninhabern keine Chance lässt. Es gibt in einigen Stadtteilen, wie bei uns vor der Haustür in St. Georg, Vermieter und Vermieterinnen, die, ohne einen Handschlag zu tun, außer einer Unterschrift unter einen Vertrag zu setzen, von ihren Mietern und Mieterinnen mehr Geld verlangen – so aktuell geschehen in St. Georg, wo die Buchhandlung Wohlers statt 1400 Euro im Monat jetzt 4100 Euro zahlen soll. Das ist kein Zahlendreher, das ist eine Verdreifachung der Miete. Ich würde gern von allen hier im Raum hören, was wir auch bei der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte gehört haben: So geht es nicht, Eigentum verpflichtet. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hat einstimmig einen Antrag beschlossenen, auch die FDP hat zugestimmt.

(Dirk Kienscherf SPD: Von wem war der An- trag, Frau Sudmann?)

Der Antrag war von der SPD, DIE LINKE hat ihn erweitert und selbst die FDP hat beiden Anträgen komplett zugestimmt.

Im Antrag steht:

"Vermieter und Vermieterinnen müssen sich über das Umfeld, in dem sie agieren, bewusst sein und sozialverträgliche und verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen."

Das ist ein schöner Appell, allein, ich glaube noch nicht daran. Diejenigen, die immer sagen, der Markt werde das schon richten, müssen mittlerweile feststellen, dass der Markt kleine Gewerbetreibende auslöscht. Das wollen wir nicht mehr hinnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will aber nicht nur über die Marktwirtschaft schimpfen, ich will auch über uns selbst, das heißt die Mehrheit der Politiker, schimpfen. Warum kommt es zu solchen Entwicklungen? Über die Veränderungen in St. Georg diskutieren wir seit 10, 15 Jahren – über die Aufschickung, über den Zuzug von Menschen mit immer mehr Geld, weil günstige Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Die Forderung nach einer sozialen Erhaltungsverordnung ist fast ein Jahrzehnt lang von der Mehrheit in der Bezirksversammlung verhindert worden. Und wer hatte in der Bezirksversammlung die Mehrheit? Die SPD.

(Dirk Kienscherf SPD: Was? Nee, nee, nee!)

Sie ist auch vom Senat verhindert worden. Die SPD hat sich vor Ort immer gesträubt, die soziale Erhaltungsverordnung frühzeitig einzuführen. Jetzt erst, im vorigen Jahr, ist eine Meinungsänderung

(Jens Kerstan)

eingetreten, aber das ist, ehrlich gesagt, relativ spät,

(Dirk Kienscherf SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

denn mittlerweile sind sehr viele einkommensstarke Menschen nach St. Georg gezogen und entsprechend verändert sich das Umfeld. Kein Wunder, dass dann Vermieterinnen und Vermieter glauben, jetzt könnten sie ordentlich abzocken.

Unsere Forderung ist, dass wir als Bürgerschaft gemeinsam mit dem Senat schauen, welche Möglichkeiten es im bestehenden Recht, im Baugesetzbuch, im Mietrecht und so weiter gibt, und überlegen, was der Senat auf Bundesratsebene bewegen kann, welche Gesetzesinitiative sich auf Bundesebene – Wirtschaftsstrafgesetz, Baugesetz – einbringen lässt. Wir wollen erreichen, dass es mehr Bewusstsein für dieses Problem gibt. Gestern habe ich in der Presse gelesen, dass der Bezirksamtsleiter, unser ehemaliger Kollege Andy Grote, einen Runden Tisch für St. Georg einrichten will. Wir fordern in allen gefährdeten Stadtteilen Runde Tische, an denen sich die Bezirksverwaltung, die Bezirksversammlung und die Gewerbetreibenden zusammensetzen. Wir wollen auch eine Erhebung darüber haben, wie es eigentlich ist. Ich habe anfangs gesagt, neun von zehn kleinen Läden mussten dicht machen. Wie ist der Ist-Zustand? Was ist mit Ladenketten und Filialen, die sich immer weiter ausbreiten? Ich freue mich, dass wir all diese Themen im Stadtentwicklungsausschuss diskutieren können. Doch eine Frage werden wir uns immer wieder stellen müssen. Für wen ist die Stadt eigentlich da? Der einfache Slogan heißt, die Stadt ist für alle da. Das stimmt, aber ich glaube, dass wir präzisieren sollten. Für alle heißt nicht für alle, die viel Geld haben, und es heißt erst recht nicht, dass die Stadt nur für renditegeile Vermieter und Vermieterinnen da.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hoffe auf gute Beratung im Ausschuss und ich hoffe noch viel mehr, dass wir Lösungen finden. Heute um 19 Uhr sind die Einwohnerinnen und Einwohner von St. Georg wieder vor Ort und versuchen, Druck auf einen völlig uneinsichtigen Vermieter zu machen, damit die Buchhandlung Wohlers nicht dicht macht. Sie haben einen sehr schönen Slogan, der heißt:

"Bücher öffnen Welten – Spekulanten zerstören sie!"

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Kienscherf.

Kollegin Sudmann, das war ein bisschen klassenkämpferisch. Ich will zwei,

drei Anmerkungen machen. Wir wollen den Antrag überweisen. Wir halten das auch für ein wichtiges Thema und wollen uns im Stadtentwicklungsausschuss damit beschäftigen. Nur, das eine oder andere, was Sie gesagt haben, ist natürlich falsch. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass die SPD-Bezirksfraktion für die soziale Erhaltungsverordnung in St. Georg jahrelang gekämpft hat und dass wir jahrelang darüber verwundert waren, dass es auf Senatsebene nicht voran ging. Wenn wir jetzt soweit sind, dass die soziale Erhaltungsverordnung kommt, dann hat dazu die Sozialdemokratie einen Großteil beigetragen.

(Beifall bei der SPD)

Zum zweiten Punkt, den Sie ansprechen, dem Strukturwandel im inhabergeführten Einzelhandel: Wir wissen, dass dieser Einzelhandel heute nur noch einen Umfang von 10 Prozent gegenüber dem von vor 20 Jahren hat. Dafür sind viele Gründe ausschlaggebend, auch jene, die Sie genannt haben. Richtig ist auch, dass wir alle oder doch viele von uns zum Problem beitragen, indem wir nämlich nur noch vor Ort in kleinen Lebensmittelgeschäften oder anderen Läden einkaufen, wenn es unbedingt notwendig ist und man beispielsweise woanders etwas vergessen hat. Viele in dieser Stadt tragen dazu bei, dass sich der Strukturwandel im Einzelhandel verstärkt. Gerade weil das so ist, ist es umso wichtiger, dass wir diejenigen, die noch übrig geblieben sind, stärken, damit wir sie nicht auch noch dadurch verlieren, dass verantwortungslos handelnde Vermieter Mietforderungen durchsetzen wollen, die gegen Vielfalt im Quartier sprechen und dazu führen, dass der Rest dieses Einzelhandels stirbt. Das können wir nicht zulassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist es richtig und gut, dass die SPD-Bezirksfraktion – wir als Sozialdemokraten haben uns in der letzten Legislaturperiode schon damit beschäftigt –

(Olaf Ohlsen CDU: Wir Sozialdemokraten!)

jetzt diesen ersten Schritt in St. Georg tut und den sogenannten Runden Tisch einsetzt. Das ist ein Wahnsinnsaufwand. Man hat alle Grundeigentümer herausgesucht, der Bezirksamtsleiter wird jetzt mit den Grundeigentümern sprechen wollen. Der eine oder andere will das nicht, aber ich glaube, es ist wichtig und ein Zeichen an die Stadt insgesamt, dass wir uns um die Vielfalt in den Quartieren kümmern müssen. Deshalb begrüßen wir das, was in Hamburg-Mitte und in St. Georg passiert ausdrücklich und hoffen, dass es zu einem guten Ergebnis führt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Gleichwohl wissen wir alle, dass es aufgrund der verschiedenen Eigentümer – das ist etwas ande