Protocol of the Session on June 14, 2012

Herr Hesse, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Koeppen, ich hatte eigentlich die Hoffnung, mich hier ein bisschen intensiver mit Herrn Schinnenburg und seinen tatsächlich nicht ganz nachvollziehbaren Schlüssen auseinandersetzen zu können,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das lohnt nicht!)

aber nachdem Sie hier eben gesprochen haben, Frau Koeppen, muss ich mich doch leider mit Ihnen auseinandersetzen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Denn was wohl unstrittig sein müsste – und deswegen bin ich der FDP auch sehr dankbar, dass sie diese Debatte angemeldet hat –, ist, dass wir regelmäßig in diesem Parlament überlegen müssen, wie wir die Verkehrssicherheit an und auf unseren Straßen verbessern können. Nichts anderes haben diese Anträge von CDU, FDP und Grünen vor und nichts anderes versuchen wir mit einer Überweisung an den Verkehrsausschuss zu erreichen. Da verweigern Sie sich, das heißt, Sie haben kein Interesse daran, die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen im Parlament zu diskutieren und zu verbessern, und dafür habe ich kein Verständnis.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn man sich die Petita der Anträge aller drei Fraktionen ansieht, dann geht es gar nicht gegen die SPD oder gegen die Politik der Überwachung des ruhenden und fließenden Verkehrs. Es geht lediglich darum, dass wir das machen, was wir schon seit vielen Jahren machen, nämlich regelmäßig überprüfen, wo Unfallschwerpunkte sind und wo wir und mit welchen Maßnahmen Unfälle vermeiden können. Diese drei Fraktionen sagen, dass schon eine gute Arbeit bei der Überwachung des ruhenden und fließenden Verkehrs stattfindet,

(Martina Koeppen)

was aber nicht heißt, dass man es nicht noch optimieren kann. Genau das fordern wir und dem verweigern Sie sich. Das finde ich sehr schade.

Lieber Herr Schinnenburg, wenngleich Ihre Debatte richtig gemeint und auch gut angemeldet ist, wenngleich eine Ausschussüberweisung richtig wäre und wenngleich Ihr Petitum in allen vier Punkten unsere Unterstützung findet, liegen Sie bei der Analyse der fest installierten Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen trotzdem falsch. Wir haben uns zumindest seit 2001, seit wir die Regierungsverantwortung in dieser Stadt übernommen haben, sehr oft mit dem Thema beschäftigt, und es war eines der Lieblingsthemen auch der 2001 zustande gekommenen Koalition mit der FDP.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Und Herrn Schill!)

Wir haben uns in der Koalition mit Ihnen, Herr Schinnenburg, alle fest installierten Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen in der Innenbehörde angeschaut und festgestellt, dass diese Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen an den richtigen Stellen stehen. Es gab dann noch einen Vorgänger von Herrn Neumann, der eine abgedeckt hat,

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

aber alle anderen fest installierten Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen hatten und haben ihre Rechtfertigung. Sie stehen an wichtigen Standpunkten, führen dazu, dass die Autofahrer dort langsamer fahren, senken an diesen Stellen auch die Unfallzahlen und deswegen haben sie ihre Berechtigung und sollten dort auch bleiben.

(Beifall bei Dietrich Wersich CDU)

Deswegen habe ich auch, lieber Herr Schinnenburg, Ihre Pressemitteilung heute nicht verstanden. Es geht bei Geschwindigkeitsüberwachungen nicht darum, die Autofahrer nur – Sie haben es tatsächlich so geschrieben – zur Kasse zu bitten. Ich frage Sie ganz klar, was Sie sich davon versprechen, fest installierte Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen, die natürlich erhebliche Investitionskosten darstellen, vor Schulen und Kindergärten zu stellen. Das Problem ist doch vielmehr – das habe ich aus allen Wortbeiträgen von Ihnen herausgehört und auch im GAL-Antrag habe ich es gelesen –, dass wir die Köpfe der Autofahrer erreichen müssen. Es gibt immer einen bestimmten Prozentsatz von Autofahrern, die schnell fahren, weil sie schnell fahren wollen. Die interessiert es auch nicht, ob sie kontrolliert oder erwischt werden. Die trinken auch, lieber Herr Senator Neumann, egal ob Sie 0,0 Promille einführen, und fahren trotzdem wie die Sau durch die Stadt. Die werden wir damit nicht erreichen. Wen wir aber erreichen können, das sind diejenigen, die sich vielleicht Gedanken über die Konsequenzen des schnellen Fahrens machen. Deswegen wurden unter den CDU-geführten Senaten TempoSys-Geräte angeschafft,

die ohne Bestrafung einfach signalisieren: Du fährst jetzt mit der und der Geschwindigkeit und das ist eindeutig zu hoch. Wir haben Aktionen vor Schulen gemacht, bei denen Kinder eingebunden waren, die die Autofahrer angesprochen haben: Onkel, warum fährst du hier vor meiner Schule so schnell, bist du dir eigentlich bewusst, was das für Konsequenzen haben könnte? Das sind die Maßnahmen, die helfen, die Köpfe der Autofahrer zu erreichen und dafür sorgen, dass sie langsamer durch unsere Stadt fahren.

Deswegen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, hat die CDU-Fraktion heute auch ihren Antrag gestellt, weil wir das, was die Stadt hier sowieso schon macht, weiterentwickeln müssen. Wir müssen transparenter werden und das Thema Geschwindigkeitsüberwachung offen mit den Menschen diskutieren. Wir müssen die Standorte – Sie haben es auch gesagt, Herr Schinnenburg – veröffentlichen. Die fest installierten sind bekannt, aber, liebe Frau Koeppen, auch die mobilen kann man durchaus bekannt geben. Mir ist es lieber, wenn die irgendwo stehen und wir sagen können, wir seien hier nicht Wegelagerer, die nur die Kasse auffüllen wollen, sondern wir machten es bewusst, um die Verkehrssicherheit zu steigern. Wir brauchen Kampagnen, die in die Köpfe gehen. Ich freue mich immer, wenn ich auf Autobahnen oder großen Bundesstraßen fahre, wo es so schöne Kampagnen gibt wie "Fahr nicht so schnell" oder "Raser des Jahres" und Ähnliches. Das geht in die Köpfe, da machen sich die Autofahrer Gedanken, wenn sie so etwas sehen, und sagen sich: Was mache ich hier eigentlich, muss ich so rasen, muss ich so schnell fahren, gefährde ich vielleicht andere Verkehrsteilnehmer?

(Heike Sudmann DIE LINKE: Und was ma- chen sie dann?)

Insofern müssen wir raus aus der Abzocke, aber auch raus aus der Stigmatisierung, dass Leute sagen, der Stadt ginge es nur darum, Geld einzunehmen. Der Stadt geht es darum, die Sicherheit auf unseren Straßen zu verbessern. Dazu gehört Geschwindigkeitsüberwachung mit fest installierten und auch mit mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen. Ich finde es schade, dass die SPD-Fraktion sich dieser Diskussion, wie man diese Konzepte weiterentwickeln könnte, versagt und keinen dieser Anträge an einen Ausschuss überweisen will. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Lieber Herr Hesse, halten Sie sich bitte auch an den parlamentarischen Sprachgebrauch. Vergleiche mit rasenden Nutztieren sind unangebracht. – Herr Dr. Steffen, Sie haben das Wort.

(Klaus-Peter Hesse)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe diesen Antrag gelesen und gedacht, irgendetwas ist komisch damit und bin dann drauf gekommen: Herr Schinnenburg, Sie sind schlicht in der falschen Partei. Sie haben sich nämlich durch diesen Antrag als notorischer Radfahrer geoutet, der das Pech hat, in der Autofahrerpartei FDP gelandet zu sein, und jetzt überlegen Sie sich, was man für eine Autofahrerpartei machen kann und haben diesen Antrag hier entwickelt. Sie haben auch ganz fleißig Anfragen gestellt und viele Dinge in Erfahrung gebracht, aber Sie sollten lieber mal ein bisschen Auto fahren in der Stadt, dann würden Sie schlauer werden hinsichtlich dessen, was Sie in Ihren Anträgen vorgebracht haben. Ich nehme Sie gerne einmal mit, denn wenn Sie mit dem Auto auf den Strecken fahren würden, über die Sie hier reden, dann wüssten Sie, was los ist; anders ist dies nicht zu erklären. Sie wüssten dann, wie es ist, wenn man auf der Autobahn Richtung Elbbrücken fährt, wie der Verkehr sich dort verhält. Die ganze Stadt weiß, dass da so eine Blitzanlage steht, und Sie haben herausgefunden, wie lukrativ diese Blitzanlage ist. Und wie ist das da mit dem Verkehr? Schlagartig fahren alle 60 km/h und das natürlich genau wegen der Blitzanlage und nicht, weil da nur das Schild steht. Schilder gibt es an vielen Stellen und derartige Effekte sind an anderen Stellen nicht zu beobachten. Aber an anderen Stellen ist zu beobachten, wie es ist, wenn ein Autobahnende einfach in einer normalen Stadtstraßenkreuzung endet und derartige Maßnahmen nicht vorhanden sind. Das sind dann ganz massive Unfallschwerpunkte wie etwa das Autobahnende in Kiel von der A 215. Mitten im Stadtverkehr endet dort die Autobahn und es kommt dort regelmäßig zu schweren Unfällen.

Und was wäre los, wenn diese Blitzanlage dort nicht stünde? Der Verkehr würde mit Tempo 100 in ganz normale Kreuzungen des städtischen Straßenverkehrs einmünden und wir würden schwere Unfälle haben. Es ist nicht so, dass diese Blitzanlagen an Stellen stehen, wo keine Unfälle passieren, sondern diese Blitzanlagen stehen an Stellen, wo sonst schwere Unfälle passieren würden, weil wir unangemessen hohe Geschwindigkeiten haben. Und im Hinblick auf die Stresemannstraße, wo wir alle wissen, was der Ausgangspunkt dieser Verkehrsbeschränkungen dort war, finde ich diese Haltung schlicht zynisch.

(Beifall bei der GAL)

Frau Sudmann, Sie haben das Wort.

Ich möchte es gleich zu Anfang auf eine ganz kurze Formel bringen, die alle, auch die FDP, verstehen werden: Blitzer in der Stadt sind gut gegen schnelle Flitzer. Und da

für brauchen wir sie auch weiterhin. Ansonsten habe ich selten Frau Koeppen so oft zugestimmt wie in ihrer Rede vorhin. Sie haben sehr schön dargestellt, dass die FDP nur mit starken Behauptungen aufgewartet, aber noch nicht einmal schwache Beweise geliefert hat, sie hat gar keine Beweise geliefert. Sie haben völlig ausgeblendet, was ein sicherer Straßenverkehr eigentlich heißt. Ein sicherer Straßenverkehr heißt auf jeden Fall, dass die Geschwindigkeit in dieser Stadt nicht immer weiter steigt, weil selbst da, wo wir Geschwindigkeitsbegrenzungen haben, diese nicht eingehalten wird. Und ein sicherer Straßenverkehr heißt auch, dass ein Fehler, den ein Fahrer oder eine Fahrerin macht, nicht sofort zu einem Unfall führt. Sie haben das Abbiegen oder das Einfädeln auf die Hauptverkehrsstraßen angeführt; das hat nichts mit hoher Geschwindigkeit zu tun und ist gelinde gesagt Schwachsinn.

(Zuruf von der CDU: Parlamentarischer Sprachgebrauch!)

Schwachsinn darf man hier sagen. Darf man nicht? Dann ist es gelinde gesagt nicht sinnvoll.

Wenn Sie aus Nebenstraßen, in denen Sie hoffentlich langsam gefahren sind, auf die Hauptverkehrsstraße einbiegen, passieren genau deshalb Unfälle, weil Sie unterschätzen, wie hoch dort die Geschwindigkeit ist, und das unterschätzen Sie deswegen, weil Sie sich vielleicht darauf verlassen, dass die anderen auch nur Tempo 50 fahren, was erlaubt ist.

Es gibt einen großen Denkfehler bei der FDP und teilweise auch immer noch bei der CDU, Herr Hesse. Ihr Denkfehler besteht darin, dass derjenige, der nicht erwischt wird, auch nicht zu schnell fährt. Herr Schinnenburg sprach von Verkehrssündern, da sind Sie Ihrer Partei sehr treu geblieben. Bei Ihnen sind auch die Steuersünder nur die, die erwischt werden. Es geht uns aber darum, dass sich alle erst einmal an die Regeln halten, sprich, dass auch im Verkehr nicht zu schnell gefahren wird. Herr Schinnenburg, ist es nicht die beste Prävention, wenn Unfallschwerpunkte gar nicht erst entstehen? Und sie entstehen gar nicht erst, wenn langsam gefahren wird.

(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Und wenn es keine Autos mehr gibt!)

Da, Herr Ritter, liegen Sie völlig falsch, weil es auch mit Autos keine Unfälle geben muss, wenn die Leute langsamer und vernünftig fahren.

Dann bin ich ganz irritiert von Herrn Hesse, weil er diese Diskussion schon vor zwölf Jahren in der Bürgerschaft geführt hat; ich habe die alten Reden nachgelesen. Ich bin deswegen irritiert, weil Sie zum einen hier sagen, es ginge nicht um Abzocke, da sei die FDP auf dem falschen Weg. Genau das haben Sie vor zwölf Jahren behauptet, genau das sagen Sie in Ihrem Antrag, der nachher noch zur

Abstimmung steht. Es wird nicht abgezockt, denn die Autofahrer müssen es nicht nur im Kopf haben, sondern sie haben es im Fuß, ob sie abgezockt werden. Jeder, der zu schnell fährt, läuft Gefahr, Strafe zu zahlen. Wenn ich nicht zu schnell fahre, muss ich nicht zahlen, also werde ich auch nicht abgezockt – eine ganz einfache Logik, auch für Männer zu verstehen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Tim Golke DIE LINKE – Zurufe aus dem Plenum: Oh, oh!)

Das ging an die Männer der FDP, warum schreien denn alle auf? Aber ich merke jetzt, dass ich Ihre Aufmerksamkeit habe. Es waren nicht alle Männer gemeint, ist ja gut.

DIE LINKE ist weiterhin dafür, dass wir einen Verkehr haben, der zivilisiert ist. Und bevor Sie jetzt meinen, es sei völlig absurd, möchte ich jemanden aus der Debatte zitieren, die vor fast genau zwölf Jahren hier geführt wurde. Sie dürfen einmal raten, um welche Partei es sich handelt.

"Lassen Sie mich eins sagen: Generell gilt, dass wir im Straßenverkehr mehr Gelassenheit, Ruhe und Rücksicht brauchen."

(Dr. Martin Schäfer SPD: Herr Hesse?)

Das war nicht Herr Hesse, das war Herr Lange von der SPD und da hat er ausnahmsweise auch einmal recht gehabt.

Was mich noch viel mehr erstaunt hat, ist, dass ich mittlerweile selbst beim ADAC Verbündete finde. Im "Hamburger Abendblatt" hat der ADAC vor zwei Tagen sehr deutlich gesagt, dass er den Vorwurf, den die FDP erhebe, nicht richtig finde. Auch der ADAC sagt, wir bräuchten Geschwindigkeitskontrollen in Hamburg, um dafür zu sorgen, dass die Leute nicht zu schnell fahren. Und wenn Sie meinen, dass wir mit einer Veröffentlichung nach dem Motto "Heute wird da geblitzt und morgen dort" geringere Geschwindigkeiten in der Stadt erzielen, dann liegen Sie völlig falsch. Es ist eben schon gesagt worden, dass überall, wo die Blitzer stehen, 100 Meter vorher der Fuß vom Gas genommen wird und 100 Meter weiter der Fuß wieder voll drauf geht. Das ist keine gute Politik. Ihren Antrag kann man nur ablehnen.

Über den GAL-Antrag könnte man sprechen, weil es ein Prüfantrag ist. Wir werden ihm auch zustimmen. Ich hätte zwar auch ihn lieber im Ausschuss gehabt, aber alles andere, was CDU und FDP vorgeführt haben, ist nur abzulehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Dr. Schinnenburg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Bürgerschaftsdebatten gibt es bisweilen doch überraschende Erkenntnisse und Vorwürfe. Herr Steffen, mir ist noch nie vorgeworfen worden, ich würde zu sehr Radfahrer sein und die Perspektive der Autofahrer nicht kennen. Schließen Sie sich einmal mit Frau Sudmann kurz, die mir immer wieder das Gegenteil vorgeworfen hat. Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich a) öfter mit dem Fahrrad fahre, b) zugegebenermaßen noch häufiger mit dem Auto fahre und c) an vielen dieser stationären Blitzer oft vorbeifahre. Erste Bemerkung.

Zweite Bemerkung: Frau Sudmann, überlegen Sie bitte noch einmal, ob Sie wirklich das meinen, was Sie gerade gesagt haben.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ja!)