Protocol of the Session on June 14, 2012

(Beifall bei der SPD)

Gleiches gilt für die wirtschaftlichen und sozialen Folgen, denn alteingesessene Unternehmen und die dort Beschäftigten könnten auf diese Art verdrängt werden. Im Übrigen schränken bestehende Mietverträge auch diese Handlungsspielräume ohnehin stark ein. Und wer könnte es ernsthaft wollen, dass die wichtigste Säule des Standorts so beschädigt wird? Mit mir ist dies im Hamburger Hafen jedenfalls nicht möglich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir nun zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/3890 an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft die Große Anfrage aus Drucksache 20/3890 zur Kenntnis genommen hat.

Ich rufe den Punkt 58 auf, das ist die Drucksache 20/4321, Antrag der FDP-Fraktion: Verkehrssicherheit erhöhen, Verkehrsüberwachung sinnvoll gestalten.

[Antrag der FDP-Fraktion: Verkehrssicherheit erhöhen, Verkehrsüberwachung sinnvoll gestalten – Drs 20/4321 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/4465 ein Antrag der GAL-Fraktion vor.

[Antrag der GAL-Fraktion: Verkehrssicherheit erhöhen – bevor sich ein Unfall ereignet – Drs 20/4465 –]

Die FDP-Fraktion möchte die Drucksache 20/4321 an den Verkehrsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Schinnenburg, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Keine Frage, Verkehrssicherheit ist wichtig, und es ist auch eine wichtige staatliche Aufgabe, für Verkehrssicherheit zu sorgen. Es geht um viele Verletzte oder gar tote Menschen und um viele Sachschäden. Aus Sicht der FDP-Fraktion gibt es vor allem drei Mittel, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Das ist einmal die Verkehrserziehung, nicht nur an Schulen, die technische Ausstattung von Straßen und Fahrzeugen und drittens die Verkehrsüberwachung. Die Verkehrsüberwachung ist dann sinnvoll, wenn sie so durchgeführt wird, dass sie die eigentlichen Probleme angeht. Herr Senator Neumann hat, aus welchen Gründen auch immer, ein Steckenpferd: Er möchte gern die Alkoholsünder verfolgen, obwohl sie nur 3,6 Prozent der Unfälle verursachen. Aus unserer Sicht ist es wesentlich wichtiger, Geschwindigkeitssünder zu verfolgen oder zumindest zu überprüfen, ob Geschwindigkeitsüberschreitungen stattfinden. Unsere Erfahrung ist nun nach den zwei Schriftlichen Kleinen Anfragen 20/2692 und 20/2724, die ich gestellt habe, dass eine Überprüfung zwar erfolgt, aber zu einem erheblichen Teil völlig unzureichend ist. Und in diese Richtung geht unser Antrag, für den wir um Unterstützung bitten. Lassen Sie mich die wichtigsten Punkte aus den Schriftlichen Kleinen Anfragen zitieren.

Es gibt 20 stationäre Blitzer in Hamburg und kein einziger von ihnen steht vor Schulen, Kitas oder Senioreneinrichtungen, also vor besonders schützenswerten Orten. Für meine Begriffe ist das ein totaler Fehler. Jetzt könnte man sagen, das seien Standorte, an denen besonders viele Geschwindigkeitsüberschreitungen stattfinden, deshalb solle da ruhig geblitzt werden, aber auch das ist nicht der Fall. Es gibt dort Unfälle, das wurde auch ausgezählt, aber fast fünfmal so viele Unfälle an den

(Senator Frank Horch)

Orten, an denen stationäre Blitzer stehen, haben andere Ursachen als überhöhte Geschwindigkeit. Die genauen Zahlen: 149 Unfälle erfolgten durch überhöhte Geschwindigkeit und 572 durch andere Ursachen. Also aus diesem Grunde stehen die stationären Blitzer an den falschen Stellen.

(Beifall bei der FDP)

Dann stellt sich natürlich die Frage, warum die da stehen. Das wird der Senat uns vielleicht nicht so direkt mitteilen, aber es gibt gewisse Indizien hierzu aus den beiden Schriftlichen Kleinen Anfragen. Sie stehen nämlich bis auf eine alle an zwei- und mehrspurigen Straßen. Sie wissen, dass an zweiund mehrspurigen Straßen die Neigung, etwas schneller zu fahren als erlaubt, besonders groß ist, weil es nicht so gefährlich aussieht. Möglicherweise ist das ein Grund, warum man dort Blitzer aufstellt, weil die Wahrscheinlichkeit, damit möglichst viele Autofahrer zu erwischen, die dann ein Bußgeld bezahlen müssen, an diesen Stellen wesentlich größer ist als an anderen Stellen. Ergebnis auf jeden Fall: Es stehen 20 stationäre Blitzer in Hamburg, die zusammen 5,5 Millionen von 14 Millionen Euro Einnahmen erwirtschaften, aber sie nützen praktisch überhaupt nicht der Verkehrssicherheit. Offenbar nützen sie anderen Zwecken, die den Finanzsenator freuen, aber nicht die Verkehrssicherheit erhöhen.

(Beifall bei der FDP)

Das ist die eine Erkenntnis aus diesen Schriftlichen Kleinen Anfragen.

Die zweite ist fast genauso erschreckend: Der Senat war nicht in der Lage mitzuteilen, wo denn die mobilen Blitzer stehen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Es sind ja auch mobile!)

Die Antwort auf Frage 3 der Anfrage 20/2692 lautete, es gebe keinen Standortkatalog für mobile Blitzer. Offenbar werden die mobilen Blitzer dort aufgestellt, wo man lokal gerade das Gefühl hat, sie stünden da ganz gut. Deshalb kommt die Vermutung auf, dass auch diese vor allem dort stehen, wo sie Geld einbringen und nicht da, wo besondere Gefahrenlagen sind. Zumindest werden offenbar auch die mobilen Blitzer ohne vernünftiges System eingesetzt, und dieses muss dringend geändert werden. Wir beantragen deshalb eine Analyse. Die Unfallschwerpunkte und -ursachen müssen analysiert und bewertet werden und daraus muss eine Strategie entwickelt werden für eine bessere Positionierung der stationären wie auch der mobilen Blitzer.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiterer Punkt, der aus unserer Sicht sinnvoll erscheint, ist die Veröffentlichung der Standorte. Die stationären Standorte sind bekannt und es wäre auch angemessen, die der mobilen Blitzer be

kanntzugeben. Da werden einige sagen, dass diese dann doch ihre Wirkung verlören. Aber welche Wirkung sollen denn Geschwindigkeitsüberwachungen haben? Antwort: dass die Menschen nicht zu schnell fahren. Und wenn Blitzer dort stehen, wo sie stehen müssen, nämlich an Unfallschwerpunkten, dann besteht doch ein großes Interesse daran, dass die Orte bekannt gegeben werden, damit die Leute genau an diesen Unfallschwerpunkten langsamer fahren oder zumindest die Geschwindigkeit einhalten. Aus diesem Grund gebietet die Fairness gegenüber den Verkehrsteilnehmern auch die Mitteilung der Standorte von mobilen Blitzern. Heimlichkeit mag vielleicht die Einnahmen erhöhen, sie nützt aber nicht der Verkehrssicherheit. Ich bitte um Unterstützung für unseren Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Koeppen, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten in der Bürgerschaft über viele Anträge, aber es gab selten Anträge, die sich schon mit dem Begründungstext widersprechen. Heute haben wir so ein seltenes Exemplar hier, das wir debattieren. So wird in dem FDP-Antrag ausgeführt:

"Die Unfallstatistik 2011 zeigt deutlich, dass ein Großteil aller Verkehrsunfälle auf Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr, Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren […] geschehen,…"

so weit ist die Aussage auch noch richtig, aber dann führen Sie den Satz weiter –

"… also insbesondere bei geringen Geschwindigkeiten im nachgeordneten Streckennetz."

Diese Behauptung ist mit keiner Statistik zu belegen. Woher wissen Sie, dass die aufgezählten Verkehrsunfallursachen insbesondere im nachgeordneten Streckennetz stattfinden? Das ist reine Spekulation.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan, Dr. Till Steffen, beide GAL und Heike Sud- mann DIE LINKE)

Dann wird noch weiter ausgeführt:

"Demgegenüber wurden allein im Jahre 2010 hamburgweit 470 199 Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung, hauptsächlich an zwei- und mehrspurigen Straßen, eingeleitet."

Diese Behauptung, meine sehr verehrten Damen und Herren der FDP, suggeriert, dass die überwiegende Zahl der Verkehrsüberschreitungen auf

(Dr. Wieland Schinnenburg)

Hauptverkehrsstraßen gemessen wurde. Sie berufen sich dabei auf die vom Senat genannten Zahlen aus einer Anfrage, die Sie zu diesem Thema gestellt haben. Aber warum geben Sie die Zahlen aus der Anfrage nicht ordnungsgemäß wieder? Von den insgesamt 470 199 festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen im Jahre 2010 wurden 223 366 an den 20 stationären Anlagen und die restlichen 246 000, also die überwiegende Zahl, an 44 mobilen Blitzanlagen gemessen. Das heißt, nur die Hälfte der Überschreitungen wurde an den stationären Anlagen, die sich tatsächlich meist an zwei- oder mehrspurigen Straßen befinden, gemessen. Aber auch dort befinden sich Schulen, Kitas und Seniorenanlagen. Seien Sie sicher, dass auch diese stationären Anlagen einem regelmäßigen Überprüfungsprozess unterliegen. Bei allen jetzt noch vorhandenen Standorten führte diese Überprüfung regelmäßig zu dem Ergebnis, dass ein Erhalt der Anlage erforderlich ist.

Außerdem fordern Sie in Ihrem Antrag nachvollziehbare Kriterien, klare Datengrundlagen und ein Konzept für die Geschwindigkeitskontrollen. Auch diese Punkte werden in der Anfrage vom Senat deutlich genannt. Ich zitiere aus der Anfrage:

"Für das Jahr 2010 weist das interne Controllingverfahren der Polizei aus, dass 88 Prozent der Messungen an Unfallhäufungsstrecken und im Bereich besonders schützenswerter Objekte durchgeführt wurden."

Sie drehen und wenden die Wahrheit also so, wie es Ihnen passt.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan, Dr. Till Steffen, beide GAL und Heike Sud- mann DIE LINKE)

Ihr Antrag ist purer Populismus und die tatsächlichen Zahlen und Fakten widersprechen Ihren Aussagen und Forderungen. Daher werden wir Ihren Antrag ablehnen und auch nicht überweisen.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL und Heike Sudmann DIE LINKE)

Noch zwei Anmerkungen zum GAL-Antrag, den wir leider heute auch ablehnen müssen,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Oh, das ist aber schade!)

denn eine polizeiliche Verkehrsüberwachungsstrategie für die von Ihnen genannten Stellen gibt es bereits. Auch hierzu ein paar Zahlen. Im Jahr 2010 wurden 2291 Geschwindigkeitskontrollen an Unfallhäufungsstrecken durchgeführt und im Bereich besonders schützenswerter Objekte wie Schulen, Kitas und Senioreneinrichtungen erfolgten 1876 Kontrollen.

Bleibt noch die Forderung nach der Veröffentlichung der Standorte von Überwachungsgeräten

und -maßnahmen. Dies ist bundesweit strittig. In Berlin wurde im März 2007 ein solcher Versuch wieder eingestellt und in Nordrhein-Westfalen wurden beim Blitzermarathon im Februar 2012 nicht alle Kontrollstellen veröffentlicht und genannt. In Hamburg sind die stationären Anlagen im Internet und in den Stadtplänen bereits veröffentlicht. Eine Nennung oder Veröffentlichung der temporären Kontrollen halten wir dagegen für kontraproduktiv, insbesondere der dadurch entstehende zeitliche Mehraufwand bei der Polizei ist nicht zu rechtfertigen. Daher lehnen wir diese Forderung ebenfalls ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Herr Hesse, Sie haben das Wort.