Protocol of the Session on June 14, 2012

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ja!)

Sie haben gesagt, es gebe doch gar keine Abzocke, denn man müsse nicht zu schnell fahren und sich dann auch nicht blitzen lassen. Das war fast wörtlich Ihre Aussage, richtig?

(Barbara Duden SPD: Ist ja auch total rich- tig!)

Frau Sudmann, das ist eine Aussage, die ich so vom rechten Flügel der CSU erwartet hätte nach dem Motto "Die Strafen können gar nicht hoch genug sein, du musst dich ja nicht gegen die Gesetze verhalten". Das ist in der Tat eine Äußerung, die mit einem modernen liberalen Rechtsstaat nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.

(Beifall bei der FDP)

Mit solchen Bemerkungen können Sie jede Art von völlig unverhältnismäßigen Strafen rechtfertigen. Sie meinen doch nicht im Ernst, dass das eine Rechtsstaatspartei akzeptieren kann. So weit die beiden Vorbemerkungen.

Nun aber zu dem interessanten Punkt: Sowohl Frau Koeppen als auch Herr Hesse meinten mitteilen zu müssen, die stationären Blitzer ständen doch an den richtigen Stellen, insbesondere an Unfallschwerpunkten, und Herr Steffen hat auch einen erwähnt. Fangen wir mit dem von Herrn Steffen an, das waren die Elbbrücken. Sie haben gesagt, es sei ganz toll, dass an den Elbbrücken die Blitzer stehen, damit die Leute auf Tempo 60 abbremsen; das war ungefähr Ihre Äußerung. Schauen Sie bitte einmal nach in der Schriftlichen Kleinen Anfrage 20/2724. In der Antwort zu Frage 6 ist aufgeführt, wie viele Unfälle und welche Unfallursachen es an den neuen Elbbrücken gegeben hat. Es waren genau sieben Unfälle in drei Jahren, von 2008 bis 2010, wegen überhöhter Geschwindigkeit.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das sind ge- nau sieben zu viel!)

Genau, sieben zu viel.

(Heike Sudmann)

Aber, Frau Sudmann, fehlerhafter Fahrstreifenwechsel führte zu 156 Unfällen.

(Glocke)

(unterbre- chend) : Herr Dr. Schinnenburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Steffen?

Ist es Ihnen tatsächlich gelungen, den Senat dazu zu bringen, die hypothetische Frage zu beantworten, wie viele Unfälle es geben würde, wenn es dort keine wirksame Durchsetzung des Tempolimits gäbe?

(Vereinzelter Beifall bei der GAL, der SPD, der CDU und der LINKEN)

Herr Dr. Steffen, Sie kennen doch die Antwort darauf: Auf hypothetische Fragen gibt der Senat keine Antwort. Es wäre sinnlos, so eine Frage zu stellen.

Das war Ihr Beispiel, sieben Unfälle durch erhöhte Geschwindigkeit und 156 aufgrund von Fahrstreifenwechsel, und dann meinen Sie uns einreden zu müssen, dass das ein Unfallschwerpunkt, bezogen auf Geschwindigkeitsüberschreitung, sei. Da liegen Sie falsch.

Ein weiteres Beispiel ist die Bramfelder Chaussee: ein Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit, elf durch andere Fehler beim Fahrzeugführer. Langenhorner Chaussee: zwei Unfälle durch überhöhte Geschwindigkeit, 13 durch andere Fehler beim Fahrzeugführer. Osterfeldstraße: vier Unfälle durch überhöhte Geschwindigkeit, 18 durch ungenügenden Sicherheitsabstand und so weiter und so fort. Das waren keine hypothetischen Fragen, es waren präzise Fragen, die der Senat präzise beantwortet hat. Und er hat damit bestätigt, dass Ihre Behauptung, Frau Koeppen, dass nämlich 80 Prozent dieser stationären Blitzer an Unfallschwerpunkten aufgestellt seien, genau falsch ist. Sie stehen eben gerade nicht an Unfallschwerpunkten und deshalb stehen sie falsch. Sie stehen da, wo man viel Geld verdienen kann, aber nicht da, wo es aus Verkehrssicherheitsgründen geboten ist. Deshalb unser Antrag, der keine Forderungen nach sofortiger Änderung beinhaltet. Wir wollen doch von Ihnen und vom Senat nur, dass eine Analyse gemacht wird. Sie wollen nicht einmal wirklich analysieren, vielleicht kämen Sie dann zu anderen Ergebnissen. Sie verweigern sich einer Diskussion, Sie wollen weiterhin die Blitzer an den falschen Stellen stehenlassen, das bringt Geld, aber gefährdet die Gesundheit unserer Bürger. Und das ist in der Tat der Skandal, nicht, dass die Blitzer an falschen Stellen stehen, sondern dass Sie sich weigern,

überhaupt nur darüber zu diskutieren. Das ist peinlich und das ist schlimm. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Barbara Duden SPD: Das ist peinlich für Sie!)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/4321 an den Verkehrsausschuss zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Hier zunächst zum Antrag der GAL-Fraktion aus Drucksache 20/4465.

Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Nun zum FDP-Antrag aus Drucksache 20/4321.

Wer möchte diesen beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 42, das ist die Drucksache 20/4339, Bericht des Kulturausschusses: Deserteursdenkmal.

[Bericht des Kulturausschusses zum Thema: Deserteursdenkmal (Selbstbefassungsangele- genheit) – Drs 20/4339 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/4467, Neufassung, ein interfraktioneller Antrag vor.

[Interfraktioneller Antrag: Deserteursdenkmal – Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz in Hamburg – Neue Formen des Gedenkens, vernachlässigte Aspekte, Fortentwicklung des Gesamtkonzeptes für Orte des Gedenkens an die Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 in Hamburg – Drs 20/4467 (Neufassung) –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Hackbusch, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich, Ihnen heute diesen fraktionsübergreifenden Antrag darstellen zu dürfen. Er ist etwas kompliziert formuliert, wie es häufig der Fall bei fraktionsübergreifenden Anträgen ist. Deswegen will ich den Titel kurz vorlesen:

(Dr. Wieland Schinnenburg)

"Deserteursdenkmal – Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz in Hamburg – Neue Formen des Gedenkens, vernachlässigte Aspekte, Fortentwicklung des Gesamtkonzeptes für Orte des Gedenkens an die Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 in Hamburg"

Dieser Antrag ist das Ergebnis einer, wie ich übrigens finde, ausgezeichneten Expertenanhörung. Alle, die sich mit diesem Thema ausführlicher beschäftigen wollen, sollten sich das Wortprotokoll durchlesen. Ich finde, es ist ein tolles Beispiel dafür, wie gut dieses Parlament solche Fragen aufzuarbeiten vermag.

In Hamburg gibt es mehr als 150 Kriegs- und Kriegerdenkmale, aber kein Denkmal für Deserteure und andere Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz, kein Denkmal für diese zum Teil sehr mutigen Menschen, die sich dem menschenverachtenden System entgegengestellt haben und auch keine Erinnerung an Wolfgang Borchert, einen der berühmten Söhne dieser Stadt, der an den Folgen der Misshandlung im Militärgefängnis gestorben ist. Er wurde wegen Wehrkraftzersetzung verurteilt.

Hamburg war ein Zentrum der Militärjustiz. Es wurden Hunderte von Menschen wegen unerlaubten Entfernens von der Truppe und Fahnenflucht meist am Höltigbaum in Rahlstedt oder im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis hingerichtet. Es ist beschämend für uns alle, dass die Forschung zu diesem Thema noch völlig unterentwickelt ist.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und der GAL)

Unabhängig von dem, was wir nun mit diesem Antrag gemeinsam versuchen zu heilen, gilt es auch, die Erinnerung daran wachzuhalten, dass diese mutigen Menschen und ihre überlebenden Familienmitglieder noch jahrzehntelang nach der Niederlage des Faschismus diskriminiert wurden. Die Witwen und Waisen erhielten im Unterschied zu den Hinterbliebenen der Gefallenen keine Kriegsopferversorgung zugesprochen. Erst im Jahr 2002 hob der Deutsche Bundestag alle wegen Fahnenflucht und Zersetzung der Wehrkraft ergangenen Urteile auf. Ludwig Baumann, einer dieser Wehrkraftzersetzer, hat uns in der Expertenanhörung nicht nur seinen Leidensweg als Deserteur dargestellt, sondern auch seinen Leidensweg in Hamburg nach dem Krieg, als er nicht nur von Nachbarn, sondern auch von der Hamburger Polizei als Fahnenflüchtling beschimpft und zusammengeschlagen wurde. Er schilderte die lange Auseinandersetzung um die Anerkennung als Opfer der Militärjustiz in der Bundesrepublik. Einige Tage vor der Expertenanhörung war Ludwig Baumann in der Ida-Ehre-Schule in Eimsbüttel und hat dort als Zeitzeuge mit den Schülerinnen und Schülern geredet. Diese haben in sehr bewegenden Briefen an den Bürgermeister geschrieben, dass sie den größten Wunsch von

Ludwig Baumann, die Errichtung eines Deserteursdenkmals am Kriegsklotz am Dammtorbahnhof zu erleben, mit aller Kraft unterstützen wollen. Die Bürgerschaft nimmt mit dem Antrag diese Aufgabe, die auch uns von den Schülern gegeben worden ist, gern an.

(Beifall bei der LINKEN, der GAL und der FDP)

Meine Damen und Herren! Das tun wir sicher zur Ehre von Ludwig Baumann und seinen Kameraden, aber wir tun es im Wesentlichen auch für uns. Nur eine Gesellschaft, die mit ihrer Geschichte im Reinen ist, wird in der Lage sein, die Aufgaben der Zukunft zu meistern.

(Beifall bei der LINKEN, der GAL und verein- zelt bei der SPD)

Wir bahnen mit diesem Antrag den Weg für die Bildung eines Beirats, der die Entscheidungsgrundlage für ein Deserteursdenkmal schaffen soll. Übereinstimmend befanden die Mitglieder des Kulturausschusses, dass es nicht die beste Lösung sei, irgendwo einen weiteren Stein aufzustellen. Wir wünschen uns einen Ort, der sich durch kreative Lösungen und durch Lebendigkeit insgesamt auszeichnet, weil wir glauben, so am besten das Gedenken organisieren zu können. In der Expertenanhörung wurden viele Beispiele für ein öffentliches, lebendiges Gedenken genannt, etwa in Köln, München und vielen anderen Orten. Schon die ersten Andeutungen und Diskussionen dazu im Kulturausschuss geben mir die Sicherheit, dass uns etwas Gutes einfallen wird und dass auch die Auseinandersetzung damit uns allen neue Aspekte und Ideen aufzeigen werden, sodass wir gemeinsam diesen Weg beschreiten können.

Nicht eindeutig festlegen mochte sich der Antrag auf die Frage des Standorts. Allerdings sprach sich so mancher für den Standort Dammtor mit dem 76er-Denkmal, dem Kriegsklotz, aus. Meine Auffassung dazu ist eindeutig. Dieser Kriegsklotz im Zentrum ist eine Schande für diese Stadt.

(Beifall bei der LINKEN, der GAL und verein- zelt bei der SPD)

Die unvollendeten Arbeiten von Herrn Hrdlicka, die dazugestellt wurden und es mit dem Denkmal aufnehmen sollten, haben den kriegsverherrlichenden, selbstbewussten und kräftigen Auftritt nicht gebrochen. Dieser Kriegsklotz ist nicht nur unheimlich und vermittelt Ankömmlingen in dieser Stadt einen schlechten Eindruck, schlimm ist auch, dass Nazis das Denkmal für ihre Werbung nutzen. Das jüngste Beispiel dafür sind die Aufrufe zur Demonstration in Hamburg am 2. Juni dieses Jahres. Immer wieder haben sie in You-tube-Videos auf dieses Denkmal hingewiesen und damit aufgezeigt, dass eine Stadt, wo an so wichtiger Stelle so etwas steht, Nazis einen guten Platz haben. Ich finde, das ist der beste Grund, einvernehmlich darauf

hinzuwirken, die Aussage von diesem Kriegsklotz zu brechen.

(Beifall bei der LINKEN, der GAL und verein- zelt bei der SPD)