Außerdem handelt es sich nur um Sozialpädagogen und Erzieher. Es ist sehr wichtig, dass viele Sozialpädagogen und Erzieher an die Schulen kommen, das wissen wir, aber es geht auch nicht, dass wir die Inklusion ohne zusätzliche Sonderpädagogen umsetzen. Herr Heinemann hat auf die Klemm-Studie hingewiesen; dort werden harte Zahlen genannt.
Herr Rabe, Sie weisen gern darauf hin, dass Hamburg die beste Finanzierung der Inklusion von allen Bundesländern habe. Nun weiß ich nicht, ob die anderen Bundesländer unbedingt der Maßstab sind, weil wir im Verhältnis zum europäischen Ausland insgesamt in Deutschland mit der Inklusion Schwierigkeiten haben; darauf komme ich gern noch zurück. Der Punkt ist aber, dass Hamburg seit über 20 Jahren führend im gemeinsamen Un
terricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern mit den I- und IR-Klassen war. Das war vorbildlich, und einige Schulen haben sich da wirklich hineingekniet, wie Herr Heinemann schon gesagt hat. Warum waren die IR- und die I-Klassen so erfolgreich? Weil sie gut ausgestattet waren, und das ist für uns der Maßstab, wie man Inklusion umsetzen muss. Unter diese Standards kann es nicht zurückgehen, denn dann wird die Inklusion scheitern. Das haben die GEW sowie die Demonstration gestern noch einmal deutlich gemacht.
Wir haben etwa 900 oder 1000 Kinder, die von den Sonderschulen jetzt in die allgemeinbildenden Schulen gehen, und plötzlich haben wir an den allgemeinbildenden Schulen 2000 Kinder mit besonderem Förderbedarf. Es wird ein wenig unterstellt, dass die Schulen durch Diagnostik versuchen würden, sich Ressourcen zu erschleichen. Ich habe es im Ausschuss auch schon ein paar Mal gesagt, aber Sie wiederholen das immer wieder:
Es war an den Schulen Hamburgs pädagogischer Konsens, Kinder nur dann auf eine Sonderschule zu schicken, wenn es absolut nötig war. Man hat immer versucht, sie pädagogisch einzubeziehen, und deswegen war der Anteil an diagnostizierten Kindern für die Sonderschule relativ gering.
Als 2009 die ersten Kinder, die sogenannten Paragraph-12-Kinder, an die allgemeinbildenden Schulen gekommen sind, haben viele Lehrkräfte gesagt: Wenn das ein LSE-Kind ist, dann habe ich noch sechs andere in der Klasse. Dann sind sie getestet worden und man hatte diese Situation. Herr Rabe, Sie haben im Ausschuss gesagt, dass es nicht sein könne, dass wir plötzlich so viel mehr Kinder mit Förderbedarf haben, denn die Kinder veränderten sich nicht. Doch, die Kinder verändern sich. Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, die soziale Spaltung in dieser Stadt nimmt immer mehr zu, und auch der soziale Druck in den Familien nimmt immer mehr zu. Der Druck wird an die Kinder weitergegeben, und deswegen haben wir immer mehr Kinder, die sonderpädagogischen Bedarf haben. Das ist die Ursache für dieses ganze Dilemma.
Nun haben wir heute wieder gehört, dass bei dem Vorschlag für den Haushalt auf jeden Fall 250 sogenannte Vollzeitäquivalente im öffentlichen Dienst eingespart werden sollen, nicht in der Bildung, nicht bei der Polizei und auch nicht beim Steuervollzug, aber in der Bildungsbehörde sollen natürlich trotzdem 80 Stellen eingespart werden, und zwar in der Behörde selbst und im LI.
Ich war vor Kurzem zu einer Auswertung, einer dreitägigen Tagung in der Universität, wie es mit der Lehrerbildung weitergeht. Dort wurde deutlich gemacht, dass in Zukunft alle Lehrerinnen und Lehrer, die sich ausbilden lassen, über Erfahrung mit Inklusion verfügen müssen und fähig sein müssen, inklusiv zu unterrichten. Das ist aber ein Zeitraum von ungefähr zehn Jahren. In etwa zehn Jahren werden die ersten Lehrer von den Universitäten kommen, die das überhaupt können. Was müssen wir also tun, um die Lehrkräfte an den Schulen auch in die Lage zu versetzen, inklusiv unterrichten zu können? Sie müssen Fortbildung bekommen, und wer macht die Fortbildungen? Das LI. Und jetzt beim LI kürzen zu wollen, ist ein Anschlag auf die Inklusion; das geht überhaupt nicht.
Ein grundlegendes Problem, warum man sich in allen Bundesländern und auch in Hamburg so schwer mit der Umsetzung der Inklusion tut, ist systemische bedingt. Wir wollen nämlich Inklusion in einem nicht-inklusiven und stark selektierenden Bildungssystem umsetzen. Das ist eine Riesenherausforderung, und die Frage ist, ob das überhaupt gelingen kann. Ich hege große Zweifel. In der Schule Rellinger Straße, wo es ein inklusives System bis zur 6. Klasse gibt, funktioniert alles sehr gut. Aber wenn wir dieses stark selektierende Schulsystem beibehalten, dann wird die Inklusion sehr schwierig.
Das zweite Problem betrifft die Verteilung der Inklusion. Keineswegs schreiben sich alle Schulen die Inklusion gemeinsam auf die Fahnen. 98 Prozent der Inklusionen ab Klasse 5 übernehmen die Stadtteilschulen, das ist bereits angesprochen worden und stellt ein zusätzliches Problem dar. Bei den Stadtteilschulen führen aber auch nur 6 Prozent den überwiegenden Teil von inklusivem Unterricht durch. Die Eltern werden darauf reagieren, und wir werden Probleme bei den Stadtteilschulen bekommen, die sich der Inklusion besonders verschreiben. Darum müssen die Ressourcen verbessert werden, wenn Inklusion funktionieren soll.
Heute fand eine Pressekonferenz des Bürgermeisters und des Finanzsenators statt. Wir werden genau wie vor zwei Jahren deutlich sagen, dass die Steuermehreinnahmen zur Hälfte in die Schuldentilgung fließen sollen und dass wir die andere Hälfte für soziale und kulturelle Projekte brauchen. Wir brauchen sie auch für die Umsetzung der Inklusion, diesen Antrag werden wir auch stellen. Deshalb müssen wir mehr Ressourcen haben, das ist unser Finanzierungsvorschlag.
Der CDU-Antrag, den ich mehrfach interessiert gelesen habe, läuft darauf hinaus, dass die Inklusion erst einmal ausgesetzt werden soll. Wir sind absolut dagegen und werden deshalb dem CDU-Antrag nicht zustimmen, dem SPD-Gesetzentwurf aber auch nicht.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Heinemann hat richtig dargestellt, dass alle Fraktionen 2009 einen wegweisenden Beschluss gefasst haben. Kinder und Jugendliche, die bisher zur Sonderschule geschickt wurden, können ab dem Schuljahr 2010 jede allgemeinbildende Schule besuchen. Das war ein mutiger Beschluss, und allen war klar, dass sich dadurch Hamburgs Schulwelt gewaltig verändern wird. Dennoch haben wir damals gemeinsam so gehandelt, Herr Heinemann, denn wir waren in diesem Parlament davon überzeugt, dass Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Begabung zusammen besser lernen können und dass schwächere Schülerinnen und Schüler in einer lernaktiven Umgebung von leistungsstarken Schülern angeregt und mitgerissen werden. Stärkere Schülerinnen und Schüler durchdringen das Gelernte tiefer, wenn sie es ihren Mitschülerinnen und Mitschülern auch erklären können. Zusammen lernen beide, was in Gesellschaft und Wirtschaft dringend gebraucht wird: Rücksicht, Verantwortung und Gemeinschaftssinn. Deshalb war der damalige Beschluss richtig und wichtig.
Wir sind also alle für die Inklusion gewesen, und das heißt, wir müssen auch handeln. Die Vorgängerregierung – ich will daran erinnern, Herr Heinemann, dass Sie daran beteiligt waren –
hat noch in ihrer Regierungszeit die Türen der allgemeinbildenden Schulen weit aufgerissen und gesagt, Sonderschülerinnen und Sonderschüler können hineinspazieren. Das haben diese mit Begeisterung getan, und mittlerweile gehen 60 Pro
zent der Schülerinnen und Schüler, die früher zur Sonderschule gingen, an allgemeinbildende Schulen, viermal so viele wie vorher. Es stellte sich aber heraus, dass die Vorgängerregierung vergessen hatte, hinter die Türen der allgemeinbildenden Schulen auch Lehrer zu stellen. Dort liegt das Problem, mit dem wir uns jetzt nachträglich auseinandersetzen müssen.
Hinter einigen Schultüren fanden sich sogenannte IR-Klassen mit einer hohen Ausstattung, bis zu 12 Stunden doppelt besetzter Unterricht pro Kind. In anderen Schulen hatten wir Integrationsklassen mit 7 bis 9 doppelt besetzten Unterrichtsstunden. Die CDU selbst hatte unter der Vorgängerregierung ein weiteres Modell mit vier doppelt besetzten Unterrichtsstunden erfunden. Nun war die Frage, was die Regierung mit so vielen unterschiedlichen Förderkonzepten tun würde und ob es reine Glückssache bleiben sollte, ob ich mich bei der einen Schule anmelde und gut gefördert werde oder bei der nächsten und schlecht gefördert werde. Die Grünen und die CDU haben damals statt einer Vereinheitlichung ein viertes Förderkonzept erfunden. Die doppelt besetzte Zahl der Unterrichtsstunden, Herr Heinemann, betrug 1,6 Stunden pro Förderkind. Und jetzt fordern Sie eine herzhafte Umsetzung, eine durchgehende Doppelbesetzung. Sie hätten das alles machen können, und als Sie dran waren, haben Sie anstelle der durchgehenden Doppelbesetzung nicht mal ein Zehntel dessen zur Verfügung gestellt, was für die durchgehende Doppelbesetzung nötig wäre.
Herr Senator, ich habe in meiner Rede gesagt, dass wir damals Fehler gemacht haben und heute klüger geworden sind.
Die Frage ist völlig richtig und ich werde Ihnen sagen, was wir daraus gefolgert haben. In der Tat haben wir jetzt vier
Fördersysteme. Das Schwierige ist übrigens, dass sich mehr als die Hälfte der Kinder in dieser MiniFörderung befinden, die CDU und GAL uns hinterlassen haben. Das ist unvernünftig. Man braucht keinen Taschenrechner und kann relativ klar sagen, dass wir jetzt eine einheitliche Förderung brauchen. Wohin ein Kind geht, darf keine Glückssache sein, sondern für das einzelne Kind muss eine passgenaue Ressource vorhanden sein. Wir haben gefragt, wie hoch diese sein soll, und da gibt es, wohin ich in der Stadt auch schaue, Hunderte von Antworten. Die letzte Antwort hat mich ein wenig überrascht. Herr Heintze, es wurde schon gefragt, wo die CDU 500 Stellen hervorzaubern will.
Diesen Antrag haben Sie zusätzlich gestellt. Man fragt sich, warum Sie das damals nicht selbst gemacht haben, aber Sie haben schon gesagt, dass das ein Fehler war. Was also ist genug? Ich habe zwei Kriterien genannt, die für uns maßgeblich sind.
Erstens haben wir gesagt, dass das keine Sache des Glaubens ist, sondern dass wir Fachleute fragen. Wir haben nicht nur die besten Bildungswissenschaftler eingeladen, wir haben auch sämtliche Gutachten durchgesehen. Bildungswissenschaftler zu fragen ist für Politiker schwierig. Sie geben meistens so weit entfernte Ziele vor, dass man in der Regel dreimal so viel Geld bräuchte, was man nicht hat, um sie zu erreichen. Trotzdem habe ich gesagt, was die Bildungsforscher vorschreiben, macht Hamburg.
Zweitens haben wir uns die anderen Bundesländer angeschaut. Wir sind nicht ganz allein auf der Welt, auch wenn einige Hamburger es manchmal glauben. Es gibt auch in anderen Bundesländern Schulen, es gibt sogar in anderen Bundesländern Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Wie machen die es also? Unser Maßstab war, die beste Ausstattung von allen Bundesländern zu bekommen. Das heißt, heute legen wir ein Förderkonzept vor, das für alle Kinder gilt, an jeder Schule gilt, das beste Förderkonzept von ganz Deutschland auf dem Niveau, das die Wissenschaftler uns empfehlen. Das ist wirklich eine einmalige Leistung, die man keineswegs schlecht, sondern ausgezeichnet finden kann.