Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Holster, dass Sie auf den Deutschen Schulpreis hingewiesen haben. Ich habe die Plakette mitgebracht, ich war gestern in Berlin und es war ein bewegender Moment. Das ist Schule, wie sie sein muss, damit Inklusion gelingen kann.
Ich würde mir sehr wünschen, dass wir von der reinen Ressourcenfrage, die durchaus eine wichtige ist, zu einem pädagogischen Gelingen und einer Umsetzung dieser Herkulesaufgabe kommen.
Dass das eine Herkulesaufgabe ist, haben wir schon mehrfach gesagt. Nicht umsonst wird dieses Thema hier so oft debattiert. Das Thema treibt in Hamburgs Schullandschaft alle um und lässt niemanden in dieser Stadt unberührt. Die Stadtteilschulen stehen vor der größten Herausforderung, denn sie müssen den größten Anteil der Kinder mit Förderbedarf als weiterführende Schule tragen.
Das kann so nicht weitergehen, denn die Schulen stehen mit dem Rücken zur Wand. Ich höre nur eines: große Not, und ich höre nicht, dass Senator Rabe diese Not wirklich ernst nimmt und aufgreift. Bei der Dienstbesprechung der Schulleiter und Schulleiterinnen der Stadtteilschulen soll er gesagt haben, dass wir keine Probleme haben und dass man aufhören solle, die Probleme größer zu machen, als sie tatsächlich sind. Die Schulleiter und Schulleiterinnen sollten endlich ihre Arbeit machen, eine Kultur des Helfens und Förderns in ihre Schulen einbringen und so das Image verbessern. Das fand ich zynisch.
dann frage ich, mit wem Sie eigentlich sprechen? Bei der Debatte zur Profiloberstufe und zur Ganztagsschule habe ich manchmal den Eindruck, dass wir in unterschiedlichen Städten leben.
(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- mann, Dr. Walter Scheuerl, beide CDU und Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)
Aber zurück zur Ressourcenfrage. Sie versuchen, diese im Moment mit dem Argument zu lösen, dass es die 1000 zusätzlichen Kinder schon immer gegeben habe. Diese hätten damals keine Ressourcen gebraucht und deswegen bräuchten sie auch jetzt keine. Die vielen Förderpläne und Diagnosen seien reine Ressourcenhascherei. Das unterstellt den Kolleginnen und Kollegen mangelnde Fachkompetenz und ist wenig wertschätzend.
Deswegen müssen wir nach vorn schauen. Wir brauchen eine personelle Umsteuerung, und zwar keine zaghafte, sondern eine herzhafte Umsteuerung der freiwerdenden Ressourcen von den Sonderschulen an die Regelschulen. Nicht nur Herr Heinemann hat viele Anfragen gestellt, auch ich habe einen Stapel Anfragen gestellt. Ein Beispiel ist, dass eine Förderschule 39 Vollzeitstellen, aber nur 106 Kinder hat. Das ist eine bequeme Ausstattung, während die Stadtteilschulen wirklich mit dem Rücken zur Wand stehen.
Wir brauchen auch ein Unterstützungs-, Beratungs- und Coachingsystem für die Lehrkräfte, die das erste Mal inklusiv unterrichten. Was passiert stattdessen? Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung wird immer weiter zusammengestrichen. Wir brauchen Kooperationen für Klassenteams und, das ist eine ganz wichtige Auf
gabe, eine Umsteuerung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch an die Gymnasien. Das darf kein Tabu mehr sein.
Dieses ist in der Drucksache zu wenig vorgesehen, und da muss dringend nachgesteuert werden. Ich möchte deutlich sagen, dass sich die Gymnasien dieser Aufgabe stellen wollen. Es geht auch nicht nur um körperbehinderte Kinder – Herr Scheuerl sagt gern, dass es viele Gymnasien gebe, die sich diesen widmen würden, körperbehinderte Kinder bringen schon sehr viele Ressourcen mit –, sondern auch um die Kinder mit LSE.
Ich kann mir nicht vorstellen, warum Gymnasien nicht auch im Bereich Sprache und emotional-soziale Entwicklung tätig sein können.
Wir brauchen außerdem eine andere Bemessungsgrundlage. Ich glaube nicht, dass wir mit den 5 Prozent auskommen, sondern dass wir letztendlich bei 7 Prozent landen werden, und hier muss dringend nachgesteuert werden. Als Zweitletztes brauchen wir eine stimmige KESS-Einstellung. Wenn ich jetzt lese, dass sich die SPD mit vielen Ressourcen für KESS-1-Stadtteilschulen brüstet, tatsächlich aber gar keine KESS-1-Stadtteilschulen da sind, dann ist das politisch eine Farce und pädagogisch falsch.
Nicht zuletzt brauchen wir für die Zukunft hervorragend ausgebildete junge Lehrkräfte. Stattdessen müssen Referendarinnen im Moment noch mehr unterrichten als vorher, werden überlastet und kommen dementsprechend schon fast mit einem Burn-out in der Schule an. Das darf nicht sein, insbesondere bei Lehrkräften, die für die Inklusion ausgebildet werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir mit vielen Punkten in der Drucksache nicht einverstanden sind. Es ist jedoch eine Geschäftsgrundlage und eine Sicherheit für die Schulen, und wir müssen alle gemeinsam daran weiterarbeiten. Wir werden weder zustimmen noch ablehnen, sondern uns enthalten. Ich verbinde das mit der Ankündigung, dass wir im Rahmen der Haushaltsberatungen konstruktiv an die Veränderung dieser Drucksache gehen werden beziehungsweise an die Umsetzung der Inklusion. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In einer Sache sind wir uns einig. Das Nebeneinander der verschiedenen Förderkonzepte in allgemeinbildenden Schulen zu vereinheitlichen, das es bisher in dieser Stadt gegeben hat, ist grundsätzlich richtig. Hier hören die Gemeinsamkeiten aber leider auch schon auf. Herr Rabe, Sie haben in Sachen Inklusionskonzept angekündigt, dass Sie – ich zitiere –
"das Durcheinander der ersten beiden Jahre […] beenden und die gute Idee vernünftig und handwerklich sauber umsetzen [wollen]".
Danke schön. Das hört sich gut an, ist aber leider überhaupt nicht gelungen. Das finden wir nicht gut und sind enttäuscht und mit uns sehr viele andere. Die Schulen brauchen eine passgenaue Ressourcenausstattung, das heißt, keine Pauschale, sondern eine bedarfsgerechte Zuweisung. Sie ignorieren mit Ihrer systemischen Zuweisung die realen Gegebenheiten an den Schulen, und es ist weiter völlig unklar, wie die Förderung bei den Kindern, die sie benötigen, eigentlich ankommen soll. Statt einer individuellen Förderung der Kinder organisieren Sie eine institutionelle nach dem Gießkannenprinzip, und das Ganze beruht auch noch auf Schätzwerten.
Das wird weder den Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf noch den anderen Kindern gerecht. Auch die Kinder ohne Förderbedarf brauchen Aufmerksamkeit, und sie kommen zu kurz, wenn die Ressourcenausstattung nicht stimmt.
Meine Damen und Herren! Funktionierende Inklusion braucht einen stimmigen Schülermix. Den muss die Behörde steuern, indem nicht mehr als vier Kinder mit Förderbedarf in einer Klasse sitzen. Die Umsetzung der Inklusion soll von multiprofessionellen Teams gemacht werden. Diese brauchen aber Zeit, um sich abzustimmen und auszutauschen, umso mehr, wenn die Lehrerschaft an einer Schule bisher noch kaum Erfahrung mit der Umsetzung der Inklusion gemacht hat. Diese Zeiten sollen über das Lehrerarbeitszeitmodell abgedeckt werden. Das wird nicht klappen. Es fehlt schlichtweg die Zeit, sich abzusprechen und Förderung zu planen. Das hat die fatale Folge, dass die persönliche Beziehung zu den Kindern zu kurz kommt. Genau darauf wird es bei der Umsetzung der Inklusion aber ankommen. Das darf nicht passieren, hiervor kann nur gewarnt werden.
Ein weiterer Punkt, der für die FDP wichtig ist: Wir müssen die Wahlfreiheit der Eltern sicherstellen, denn der Besuch einer allgemeinbildenden Schule muss nicht für jedes Kind unbedingt der richtige Weg sein. Die Drucksache sieht zwar den Erhalt von Förderschulen beziehungsweise eine Beschulung in einem neu gegründeten regionalen Bildungs- und Beratungszentrum vor. Die Wahlfreiheit muss aber auch langfristig sichergestellt sein. Es muss die Möglichkeit geben, sich für eine Förderschule zu entscheiden. Das geht aber nur, wenn die Förderschulen nicht vorher ausbluten. Leider haben Sie den ersten Schritt schon getan, indem Sie dort die zusätzliche Sprachförderung gestrichen haben.
Meine Damen und Herren, liebe SPD! In seltener Einigkeit wird Ihr Konzept aufs Heftigste von GEW, DLH, den Sonder- und Sozialpädagogen und auch von den Eltern kritisiert. Nicht wenige Lehrer und Schulleiter berichten, dass die Schulen insgesamt, aber auch sie selbst an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angekommen sind. Diese kritischen Rückmeldungen von engagierten Pädagogen, die das Konzept der Inklusion nicht infrage stellen, sondern es in der Praxis eigentlich gern umsetzen wollen, sollten Sie wachrütteln, Herr Senator. Aber Sie nehmen das nicht ernst. Sie erklären, die Forderungen nach mehr Doppelbesetzungen seien maßlos. Sie sind nicht maßlos, sondern sinnvoll und durchaus erforderlich.
Es reicht nicht aus, sich auf Gutachten von Professoren zu berufen und die Praktiker zu ignorieren. Herr Senator, im Rückblick auf die Primarschulpolitik der letzten Jahre sollten Sie eigentlich wissen, dass Schulpolitik nur unter Mitnahme aller Beteiligten funktioniert. Also nehmen Sie diese Kritik ernst. Bessern Sie nach, sonst fährt die Inklusion gegen die Wand zum Schaden der Kinder, Eltern, Lehrer und Schulen dieser Stadt. Das wollen wir nicht. Deshalb lehnt die FDP-Fraktion diese Drucksache ab. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestern auf dem Rathausmarkt hat der GEW-Vorsitzende Klaus Bullan gesagt, dass die Inklusion die größte Schulreform sei, die Hamburg zu schultern habe. Wir haben – da haben Sie recht, Herr Holster – sowohl im Ausschuss als auch im Plenum sehr intensiv über dieses Thema diskutiert. Wir hatten eine Expertenanhörung und eine öffentliche Anhörung. Das Inter
essante bei der öffentlichen Anhörung war, dass alle, die sich dort zu Wort gemeldet haben – Eltern, Schüler, Schulleiter und Lehrer –, dafür waren, dass die Inklusion jetzt mit Volldampf umgesetzt wird, aber das Sparkonzept von Herrn Rabe hat niemand unterstützt. Das müsste einem doch eigentlich zu denken geben, Herr Rabe.
Diese Meinung ist in der ganzen Stadt verbreitet. Wir hatten gestern eine historische Demonstration, zusammen mit der GEW und "Wir wollen lernen!" haben wir gegen die Umsetzung der Inklusion demonstriert, und eine Kundgebung fand statt. Wir haben in der Schule die Situation, dass sowohl Schüler als auch Lehrer und Eltern verzweifelt sind, weil die Inklusion so, wie sie jetzt angelegt wird, nur ein Misserfolg werden kann. Das bedeutet für viele Schülerinnen und Schüler große Leiden, und das können wir niemandem zumuten.
Die Inklusion ist sächlich und personell zu gering ausgestattet, das ist die Frage der Ressourcen. Der Senator hat zunächst versucht, die Inklusion, die alle wollen und an der wir auch gar nicht vorbeikommen, kostenneutral umzusetzen. Nach einer gewissen Zeit hat Senator Rabe dann gemerkt, dass das nicht funktioniert, und hat 123 Erzieher und Sozialpädagogen eingestellt. Acht von diesen hat Senator Rabe aus einer fremden Kasse finanziert, nämlich aus dem Bildungspaket. Die Mittel in diesem Bildungspäckchen sind nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil ausschließlich für Kinder von Transferempfängern gedacht. Herr Rabe ist also wohl der Auffassung, dass Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf fast ausschließlich Kinder von Hartz-IV-Empfängern sind. Diese Stigmatisierung geht überhaupt nicht.