Wir Liberale sind überzeugt, dass die Bundesrepublik Deutschland als stabile Demokratie auch extremistische Minderheiten zu ertragen vermag. Vor diesem Hintergrund müssen wir neben den erfreulichen Ereignissen auf dem Rathausmarkt leider einmal wieder auf Ereignisse im näheren Umfeld von Demonstration und Gegendemonstration eingehen und Folgendes festhalten: Notwendiges Engagement gegen Extremismus, aus welcher Richtung auch immer, kann und darf keine Legitimation für politisch motivierte Gewalt sein.
Es darf aber ebenso wenig ein Anlass beziehungsweise Auslöser für unpolitische Gewalt als Freizeitgestaltung sein, die sich gegen Zivilisten, Polizei und Sachwerte richtet. Ich finde, hierzu sollten sich alle Parteien dieser Bürgerschaft bekennen.
Angesichts der Ereignisse am 2. Juni in Hamburg und besonders in Wandsbek sollten sich alle Beteiligten fragen, ob die Verlautbarungen und öffentlichen Äußerungen in den vorangegangenen Wochen immer geeignet waren, um der erfolgten Eskalation im Umfeld der Nazi-Demonstration mäßigend entgegenzuwirken. Angesichts der hohen Aufmerksamkeit, die die Rechtsextremisten über Wochen erhielten und der zu erwartenden Reaktion von deren Zielgruppen kann man leider nicht ausschließen, dass es in Kürze zu ähnlichen Demonstrationen kommen könnte.
Bei der Bewertung der Ereignisse in Wandsbek, aber auch den diversen Vorfällen, zum Beispiel in Bahnhöfen, lange nach dem Ende der Demonstration, ist es auf jeden Fall angebracht, auch aus Sicht der FDP, den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu danken, die den demokratischen
Der durch unser Grundgesetz mit seinen politischen Grundrechten legitimierte gesetzliche Auftrag für die Polizei ist klar und deutlich: zu gewährleisten, dass alle Akteure ihr Recht auf friedliche Versammlung im Rahmen des rechtlich Zulässigen und Möglichen ausüben können. Diesen Auftrag hat unsere Polizei im Wesentlichen erfüllt mit einer angesichts der Ereignisse überraschend niedrigen, wenn auch natürlich immer noch zu hohen Zahl an Verletzten. Nach unserem Informationsstand traf es dabei aber überwiegend vorsätzliche Störer, die damit in einem Rechtsstaat auch rechnen mussten und müssen. Wir haben als FDP im Rahmen der Polizeirechtsnovelle erst kürzlich wieder deutlich gemacht, dass wir wild ausufernde Eingriffsbefugnisse für die Staatsorgane in die Grundrechte von Nicht-Störern ablehnen.
Genauso unterstützen wir aber konsequenterweise ein entschlossenes Vorgehen der Staatsgewalt gegen Störer und insbesondere gegen Kriminelle. Das befreit die Polizei, den Senat und das Parlament aber natürlich nicht davon, den Fällen nachzugehen, in denen die Anwendung von Gewalt durch Vollzugskräfte in Anlass oder Verhältnismäßigkeit begründet in Zweifel gezogen wird. Wir warten bei den laufenden Verfahren auf die dann zu bewertenden Ergebnisse und hoffen auf hilfreiche Darlegung des Senats und der Polizei in der anberaumten Sondersitzung des Innenausschusses in der nächsten Woche. Falls dort Fragen offen bleiben, bleibt es natürlich eine originäre Aufgabe dieses Hauses, dranzubleiben und seriös nachzuhaken.
Vor dem Hintergrund der Ereignisse am 2. Juni können wir nur wieder einmal unser Bedauern ausdrücken, dass sich die SPD in Sachen Kennzeichnungspflicht unserer Initiative widersetzt hat. Möglicherweise hätte eine solche im einen oder anderen Fall zur Aufklärung hilfreich sein können. Auch die überwiegende Mehrzahl der Beamten, die sich unzweifelhaft korrekt verhalten hat, könnte davon profitieren, da sie von kritischen Stimmen möglicherweise weniger in Kollektivhaftung für Einzelfälle genommen werden würden.
Wir hoffen, in der Sondersitzung natürlich auch Erkenntnisse zu dem offensichtlichen Terroranschlag auf eine große Anzahl der vor einem Hotel abgestellten Einsatzfahrzeuge der Polizei zu erhalten. Grundsätzlich scheint uns unter anderem auch diese Frage der Befassung wert und wir hoffen auf positive Ergebnisse dieses Ausschusses. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 2. Juni dieses Jahres haben wir erleben dürfen, dass Hamburg eine bunte, eine tolerante und eine demokratische Stadt ist. Wir haben in einem breiten, zivilgesellschaftlichen Konsens erlebt, dass sich Hamburg gegen Rassismus, gegen Rechtsextremismus und gegen Fremdenfeindlichkeit wendet. Dafür möchte ich auch im Namen des Senats an dieser Stelle Danke sagen.
Dank sagen will ich aber auch in zwei weitere Richtungen. Dank zum einen für den Verlauf und den Zungenschlag dieser Debatte, den ich als sehr angemessen empfinde, ohne mir anmaßen zu wollen, Kopfnoten zu verteilen. Aber wenn ich Dank sage, dann richte ich diesen Dank eben auch an die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, die mit ihrem Einsatz wesentlich dazu beigetragen haben, die Sicherheit in unserer Stadt auch angesichts der Herausforderungen des Aufmarsches der Rechtsextremisten in Hamburg zu gewährleisten.
Unsere Polizei war und ist verfassungsrechtlich und durch das Versammlungsrecht gezwungen, auch eine rechtsextreme Demonstration im Rahmen der gerichtlichen Vorgaben durchzusetzen. Gegen diese rechtsextreme Demonstration gab es friedliche und eindrucksvolle Gegendemonstrationen, die den unverbesserlichen Nazis gezeigt haben, dass sie und ihr Gedankengut in Hamburg keinen Platz haben.
Es gab allerdings auch Gegenveranstaltungen, die nicht friedlich angelegt waren und aus denen bereits im Vorfeld der Demonstration massive Gewalt gegen die eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ausgeübt wurde. Das Grundrecht aus Artikel 8 unseres Grundgesetzes steht aber eben nur denjenigen zu, die sich friedlich versammeln. Gewalt und Straftäter können sich für ihre Gewalthandlungen eben nicht auf dieses Grundrecht beziehen.
Unabhängig von der anstehenden Befassung im Innenausschuss – ich will auch als Senatsvertreter deutlich sagen, dass ich diese Befassung begrüße, denn es gibt die Möglichkeit, die aufgeworfenen Fragen in der Öffentlichkeit, aber auch die hier formulierten Fragen zu beantworten – möchte ich an dieser Stelle einige grundsätzliche Bemerkungen zur Rolle unserer Polizei bei Versammlungen machen.
In der Öffentlichkeit sind in Teilen Bewertungen sehr vorschnell vorgenommen worden, die mit unserem Grundgesetz und den Gesetzen und Vorschriften, aber auch mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unbedingt in Übereinstimmung zu bringen sind. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit steht jedem Mann und jeder Frau zu, also auch Rechtsextremisten. Als Bürger unserer Stadt bedauern wir das in diesem Fall gewiss, als Demokraten aber müssen wir es ertragen. Und der Satz des Bürgermeisters, den Herr Dressel zitiert hat, ist so richtig wie klar. Wir achten in Hamburg das Demonstrationsrecht, aber wir verachten die Rechtsextremisten.
Dabei ist es eben nicht Aufgabe unserer Polizei, Demonstrationen nach ihren Inhalten oder Teilnehmern zu bewerten. Friedliche Demonstrationen sind von der Polizei zu schützen und erforderlichenfalls durchzusetzen. Dass diese Tatsache vielen Menschen nicht gefällt, weil sie beispielsweise rechtsextreme, linksextreme, islamistische oder sonstige extremistische Auffassungen strikt ablehnen, ist mehr als nachvollziehbar, darf aber nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die Gesinnungspolizei, um es sehr deutlich zu sagen, ist im Mai 1945 und im November 1989 in Deutschland abgeschafft worden, und ich glaube, wir sind alle gemeinsam froh darüber.
Deshalb möchte ich es noch einmal sehr deutlich sagen: Unsere Polizistinnen und Polizisten bahnen nicht Rechtsextremisten den Weg, sondern sie bahnen unserer Verfassung, unseren Grundwerten und unserer Republik den Weg, das ist ihre Aufgabe und dafür verdienen sie Respekt und Anerkennung.
Das Verbot von Demonstrationen von Versammlungen ist an sehr, sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden gebunden. Der Staat ist bei angemeldeten Versammlungen oder Aufzügen zu strikter Neutralität verpflichtet. Und die Möglichkeit eines
Verbots des Aufzugs der Rechtsextremen am 2. Juni ist sehr, sehr konkret und auch sehr sorgfältig geprüft worden. Ich darf Ihnen versichern: Mir hätte nichts mehr Freude gemacht, als diese Veranstaltung zu verbieten.
Die Versammlungsbehörde war sich der besonderen Verantwortung bewusst, die sie im Umgang mit der Anmeldung des rechtsextremen Aufzugs hatte, und nahm auch den hohen Erwartungsdruck aus der Öffentlichkeit und auch des Senators deutlich wahr, diesen Aufzug zu verbieten. Einem solchen Erwartungsdruck auch aus dem politischen Raum stand und steht aber das Gebot der Neutralität des Staates entgegen. Und in Bezug auf den Marschweg hat es Auflagen der Versammlungsbehörde gegeben, die dann gerichtlich überprüft und in Teilen auch vom Gericht verändert wurden. Es ist unbestritten eine Kehrseite dieser Versammlungsfreiheit, dass die Gesellschaft dadurch auch verachtenswerte, falsche Ansichten zur Kenntnis nehmen muss. Daraus folgt aber auch, dass Anliegen, seien sie noch so verabscheuungswürdig, keine rechtswidrigen Maßnahmen rechtfertigen.
Um ein Beispiel zu nennen: Blockadeaktionen, die die gezielte Verhinderung einer anderen Versammlung zum Ziele haben, stellen eben eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit dar. Und wer die Absicht hat, eine nicht verbotene Versammlung und einen solchen Aufzug zu verhindern, kann sich damit strafbar machen, und solch eine Verhaltensweise ist mit Strafe bedroht. Mit der Gewährleistung der Versammlungsfreiheit geht aber auch die Intention unseres Grundgesetzes einher, das hat Herr Jarchow angesprochen. Wir vertrauen dabei auf die Fähigkeit der Bürgerinnen und Bürger, sich mit Kritik auseinanderzusetzen und sie gegebenenfalls auch durch Ablehnung oder Verachtung abzuwehren. Das haben in beeindruckender Weise viele Hamburgerinnen und Hamburger gemacht, die weit über 10 000 Menschen hier auf dem Rathausmarkt, aber auch viele Tausende in Wandsbek. Sie haben damit ein eindeutiges Signal für Hamburg und für die Offenheit unserer Stadt ausgesandt.
Ich will eine letzte Bemerkung machen. Unsere Hamburger Polizistinnen und Polizisten sind in ihrem Tun und Handeln für unsere Demokratie und für unsere Freiheit keine Gefahr. Sie sind aus meiner Sicht – ich glaube, auch aus Sicht des Parlaments, das ist in der Debatte heute deutlich geworden – Stütze und Garanten für unsere Freiheit und Sicherheit. Deshalb verdienen sie unsere Anerkennung, unseren Dank und auch unsere Wertschätzung. Das schließt ausdrücklich nicht aus, dass der Einsatz kritisch hinterfragt wird und Vorwürfe gegen Einzelne aufgeklärt werden müssen. Ich will ausdrücklich an dieser Stelle sagen, dass daran
Ich will aber daran erinnern, dass 50 Kolleginnen und Kollegen bei diesem Einsatz verletzt worden sind. Auch deshalb erwarte ich vom Parlament und von der Öffentlichkeit, dass wir eben nicht mit Unterstellungen arbeiten, mit Vorverurteilungen und politischem Meinungskampf. Sie können sich immer gern und jederzeit an mir und meiner Arbeit als Senator abarbeiten, aber ich erwarte, dass die Hamburger Polizei in diesem politischen Meinungskampf nicht instrumentalisiert wird. Das haben die Kolleginnen und Kollegen nicht verdient. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte den Fokus auf sehr persönliche Erfahrungen richten. Manchmal machen persönliche Begegnungen eine Situation deutlicher als die Anonymität allgemeiner Betrachtungsweise. Meine Begegnungen mit zwei jungen Hamburgern – der eine ist Sina Moslehi. Er war derjenige, der am vergangenen Freitag die Namen der ermordeten Bürgerschaftsabgeordneten vor dem Rathaus verlesen hat. Es war ihm, einem 17-jährigen Schüler iranischen Ursprungs, eine sehr große Ehre, diese Namen zu verlesen. Als Teilnehmer von "Jugend im Parlament" – dort war er Bürgerschaftspräsident – war es ihm eine besondere Ehre, diese Aufgabe zu übernehmen und damit an die Naziverbrechen zu erinnern. Ebenso war es für ihn und sehr viele andere junge Menschen mit Migrationshintergrund am 2. Juni ein besonderes Bedürfnis, hier auf dem Rathausmarkt Farbe zu bekennen und für Demokratie und Toleranz und gegen Rassismus zu demonstrieren.
Eine zweite Begegnung – und das ist auch für mich eine sehr wichtige Erfahrung gewesen – war die mit Katharina Jacob, der Enkelin von Franz Jacob, des ermordeten Bürgerschaftsabgeordneten und Widerstandskämpfers, die ich ebenfalls bei der Verlegung der Stolpersteine vor dem Rathaus traf. Für Katharina war es unstrittig und selbstverständlich wichtig, sich in Wandsbek der Nazi-Demonstration in den Weg zu stellen. Wo hätte ich denn sonst sein sollen, sagte sie mir.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese beiden jungen Menschen machen uns exemplarisch eines klar, dass nämlich beides am 2. Juni richtig und wichtig war.
Beide stehen für viele junge Menschen in der Stadt, die sich nicht auseinanderdividieren lassen wollen in die guten und die bösen, in die richtigen oder die falschen Demonstranten. Wenn wir das täten, würden wir die positive Kraft, die von diesem 2. Juni ausgeht, vergeben, eine positive Kraft, die von den engagierten jungen Leuten ausgeht, denn sie sind die Zukunft dieser Stadt. Und es ist unsere Aufgabe, sie einzubinden und sie nicht auszugrenzen.