Warum ist das so erschreckend ahnungslos? Wenn man sich vor Augen hält, wie schwierig es war, die norddeutschen Bundesländer zusammenzubekommen – gerade bei den großen, wichtigen Infrastrukturprojekten –, um sich in Deutschland überhaupt durchsetzen zu können, auch gegen den starken Süden, dann versteht man doch, dass eine Äußerung wie die, man brauche die A 20 über die A 7 hinaus jetzt nicht zu verlängern, und eine solche Vereinbarung im Koalitionsvertrag ein schwerer Rückschlag für alle norddeutschen Bundesländer und unsere Zusammenarbeit ist.
(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Wer hat denn diese Äußerung so ge- macht? Das steht da so gar nicht drin!)
Wir wissen alle – da können Sie auch den Wirtschaftssenator fragen, der bringt doch wirtschaftlichen Sachverstand mit –, wie wichtig die Fehmarnbeltquerung auch für Hamburg ist. Auch hier ist das Ausscheren Schleswig-Holsteins eine Versündigung an den Zukunftsinteressen Norddeutschlands.
Meine Damen und Herren! Der Bürgermeister Olaf Scholz ist jetzt gefordert zu zeigen, ob er an das, was Ole von Beust in Norddeutschland geleistet hat, anknüpfen kann und ob er in der Lage ist, diese gute Zusammenarbeit wiederherzustellen. Er ist dringend gefordert, Schadensbegrenzung zu betreiben im Sinne der norddeutschen Interessen, insbesondere, was die Verkehrsinfrastrukturprojekte angeht. Und ich bin gespannt, ob es ihm unter der neuen Konstellation gelingt, auch so einfache Probleme wie den Konflikt um die Windmesse zu lösen.
Herr Bürgermeister, Sie sind jetzt gefordert, für Hamburgs Interessen auf die neue Regierung in Schleswig-Holstein zuzugehen und das Schlimmste zu verhüten. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Schleswig-Holstein ein Regierungsbündnis, das eine Premiere darstellt. Eine Dreierkoalition haben wir schon öfter gehabt,
unter Beteiligung des Südschleswigschen Wählerverbandes noch nicht. Dreierkoalitionen waren in aller Regel nicht besonders tragfähig. Aber diese drei Parteien haben es unter großem Vertrauen zueinander geschafft, eine tragfähige Vereinbarung hinzubekommen, die wirklich große Hoffnung zu
lässt, dass sie über die gesamte Wahlperiode reichen wird. Das wäre auch in Schleswig-Holstein einmal etwas Neues.
Der Trick dabei war der ganz strenge Blick auf das Machbare. Das war die Maxime, das hat die drei Parteien, die unterschiedliche Programme haben – das hat Herr Wersich richtig herausgearbeitet –, in der Sache zusammengebracht.
Von Frau Suding und Herrn Wersich ist die Ahrensburger Liste angeführt worden. Diese Ahrensburger Liste, auf die sich die norddeutschen Regierungschefs geeinigt haben, ist in Wahrheit nicht die Lösung, sondern sie ist das Problem. Hintergrund ist, dass wir einen Bundesverkehrswegeplan haben, der auf über die Hälfte überzeichnet ist. Das heißt, dort sind wahnsinnig viele Projekte benannt, die definitiv nicht finanziert werden, weil nicht genug Geld da ist, egal ob man sich noch irgendwelche Verrenkungen zur Finanzierung ausdenkt oder nicht. Sie werden nicht finanziert werden.
Was machen vor diesem Hintergrund die norddeutschen Regierungschefs? Die fahren eine Superstrategie. Jeder darf sein Lieblingsprojekt auf die Liste schreiben, dann haken sich alle unter und sagen: Wir sind uns alle einig, das alles ist ganz wichtig und das sagen wir jetzt ganz laut. Dabei besteht die Hoffnung beziehungsweise wird glauben gemacht, dass man sich so durchsetzen kann. Wenn man sagen würde, alles sei wichtig, könne man sich in einer Situation, in der man mit Argumenten gegen wirtschaftsstarke Regionen kämpfen muss, die natürlich auch mit ihren Steuergeldern argumentieren, durchsetzen. Aber was passiert tatsächlich? Diese Argumentation wird natürlich beiseite gewischt und das merken die Bundesländer. Und jedes auch wiederum relativ kleine norddeutsche Bundesland kämpft in Berlin für sein Lieblingsprojekt: Hamburg kämpft für die Hafenquerspange, Mecklenburg-Vorpommern für die A 14 von Schwerin nach Süden, Niedersachsen für die Küstenautobahn, damit Wilhelmshaven schön angebunden ist, Schleswig-Holstein für die A 21 von Kiel nach Süden und Bremen für die YpsilonTrasse. Jeder kämpft für sein Projekt und ist im Ergebnis gleichermaßen erfolglos. Das sollte einmal zu denken geben.
und überlegen, welche Projekte länderübergreifende Bedeutung haben. Dazu gehören so bescheidene Projekte wie die Ertüchtigung der Schienenan
bindung unseres Hafens. Davon profitieren nicht nur wir, davon profitiert auch Niedersachsen, weil nicht so viele Lkws über niedersächsische Autobahnen rauschen. Das wäre wirklich eine sinnvolle Prioritätensetzung.
Diese schleswig-holsteinische Landesregierung ist die erste, die gesagt hat, der Kaiser ist ja nackt, es ist gar kein Geld da. Wir müssen umschichten, wir dürfen solchen Quatsch, der nie fertig werden wird, nicht mehr finanzieren. Wie war denn die Strategie bei der A 20? Man weiß, die Elbquerung ist viel zu teuer und wird gar nicht kommen. Man versucht, das zu erzwingen, indem man quasi als Allererstes ein Teilstück irgendwo zwischen der A 23 und der Elbe baut, also ohne weiteren Autobahnanschluss, um dadurch Tatsachen zu schaffen, die einen Weiterbau notwendig machen. Das war die Strategie und das ist wirklich schon der Spitzenkandidat für das nächste Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler. Diesen Quatsch hat die Regierung in Schleswig-Holstein beendet und gesagt, wenn wir Geld für die A 20 haben, dann wollen wir es doch bitte da einsetzen, wo es schon ein bisschen von der A 20 gibt, nämlich irgendwo zwischen der A 1 und der A 7, damit man auch einmal weiterkommt und ein verkehrlicher Effekt erzielt werden kann.
Genau darum geht es. Wir brauchen verkehrliche Effekte, damit zum Beispiel vom Norden fließende Verkehre nicht auf den Elbtunnel zufahren müssen, sondern bei Staus über die A 20 nach Osten ausweichen können. Das wird vielleicht ein bisschen eher der Fall sein, wenn sich die schleswig-holsteinische Landesregierung durchsetzt. Deswegen bin ich froh, dass dieser Realismus einkehrt, und ich finde, er sollte Schule machen.
Die heutige Debatte hat ein bisschen etwas von einer öffentlichen Therapiesitzung. Die einen betreiben Trauerarbeit. Die FDP ist tieftraurig, dass sie trotz ihrer Lichtgestalt Kubicki nicht wieder in der Landesregierung ist.
(Dietrich Wersich CDU: So einen hätten Sie auch gern! – Dr. Andreas Dressel SPD: Und wo ist die LINKE?)
Aber wir machen keine Trauerarbeit. Vor allem hat es mich sehr irritiert, dass Herr Wersich von Regierungsinhabern spricht. Sind Sie enteignet worden? Das ist wirklich ein schrecklicher Begriff. Die SPD strotzt vor Glückseligkeit, der neue Ministerpräsident wurde im ersten Wahlgang gewählt – Wahnsinn, wie leicht Sie zu erheitern sind. Auf diesem Niveau hat sich die angemeldete Debatte bewegt.
Frau Suding, ich weiß nicht, ob Sie den Koalitionsvertrag gelesen haben. Ich habe es mir nicht angetan, denn ich will gar nicht alles sehen. Aber ich habe gemerkt, dass Sie noch nicht einmal den Verkehrsteil gelesen haben. Sie setzen auf alte Rezepte und sagen, hier wird ein Anti-Hamburg-Kurs gefahren. Sie müssen mir einmal erklären, wieso es ein Anti-Hamburg-Kurs ist, wenn alte, angeblich wirtschaftsfreundliche Rezepte fortgeführt werden.
Sie haben gesagt, Probleme dürften nicht geleugnet und der Kopf dürfe nicht in den Sand gesteckt werden. Damit meinten Sie die Vertreter und Vertreterinnen der Dänen-Ampel. Ich habe das Gefühl, dass zumindest Ihre Partei, vielleicht auch Sie selbst, den Kopf immer noch im Sand stecken haben und gar nicht erkannt haben – das ist ja auch schwer, wenn Sie nicht rausgucken können –, dass es mittlerweile neue Rezepte braucht für die Wirtschaft. Sie sind es, die eine wirtschaftsfeindliche Politik betreiben, wenn Sie immer noch glauben, wir müssten mehr Flächen ausweisen und mehr Straßenverkehr schaffen. Sie werden irgendwann am Straßenverkehr ersticken. Sie können noch so viele Straßen bauen, das wird nicht helfen; Sie müssen anfangen zu überlegen, wie es anders geht und wie man Transportwege anders organisieren kann.
Da muss ich den Koalitionsvertrag schon fast verteidigen, Sie haben es nicht gelesen. Da gibt es auch Überlegungen anderer Art, da steht sogar etwas zum Wasserstraßen- und Schienennetzausbau. Das sagt sogar unser Senator hier in Hamburg.
Aber Sie haben hier eine einmalige Chance, anstatt zu sagen, hier werde ein Anti-Hamburg-Kurs gefahren. Jetzt, wo die A 20 nicht weiter gebaut wird – das begrüße ich sehr – und wo die anderen Verkehrsprojekte auf Eis gelegt werden, haben Sie die einmalige Chance zu überlegen, wie eine umweltfreundliche Politik aussehen kann, die nicht wirtschaftsfeindlich ist, und wie eine Politik aussehen kann, von der alle Menschen etwas haben, und nicht nur die, die die FDP unterstützen will.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Jedes Bundesland formuliert sein Regierungspro
gramm oder seinen Koalitionsvertrag im Bewusstsein einer hohen Verantwortung und der Verpflichtung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. In Schleswig-Holstein ist das ebenso. Über Schleswig-Holstein ist in diesen Tagen sehr viel in Artikeln, Kommentaren und auch Gastkommentaren zu lesen gewesen. Ich warne ausdrücklich vor Pauschalurteilen, vor allem zwischen SchleswigHolstein und Hamburg.
Ministerpräsident Albig hat in seiner heutigen Regierungserklärung Hamburg als Premiumpartner für Schleswig-Holstein bezeichnet.
Auch hat der Koalitionsvertrag selbst eine klare Botschaft, die lautet: Schleswig-Holstein bekennt sich zur Kooperation mit Norddeutschland und ganz besonders mit Hamburg. Ich nenne nur ein Beispiel und zitiere wörtlich:
"Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes stärken. Durch die Zusammenarbeit in der Metropolregion Hamburg, mit unseren norddeutschen Nachbarländern, unserem nördlichen Nachbarn Dänemark […].