Protocol of the Session on May 23, 2012

mittlerweile breiter Konsens über die Bedeutung dieses Engagements im Allgemeinen und seine Förderwürdigkeit im Besonderen. Von der Jugendmannschaft im Sportverein bis zur Pfadfindergruppe der Kirchengemeinde, von der Freiwilligen Feuerwehr bis zu den Bachpatenschaften des NABU, von der Hamburger Tafel bis zu den Besuchsdiensten im Krankenhaus, von den Elternräten in den Schulen bis hin zu den Fachschaftsräten an der Uni – alle diese Bereiche könnten nicht überleben, wenn sich nicht viele Hamburgerinnen und Hamburger freiwillig dafür engagieren würden.

(Beifall bei der CDU)

Unser Land und unsere Stadt brauchen das freiwillige Engagement und die Ehrenamtlichen. Und in Anbetracht des demographischen Wandels tun wir gut daran, dieses Engagement zu fördern. Die Bundesregierung hat dies erkannt und deshalb bereits im Jahr 2009 die Nationale Engagementstrategie ins Leben gerufen. Viele Hamburger Ehrenamtliche beklagen allerdings, so zeigt der Freiwilligensurvey von 2009, ihre Arbeit werde in den Medien zu wenig wahrgenommen. Insofern, und dies zeigt der zweite Blick, kann die heutige Debatte dazu beitragen, die Arbeit dieser Hamburgerinnen und Hamburger stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken, auch wenn die Besetzung der Pressebänke schon sehr ausgedünnt ist.

Ein dritter Blick auf den Inhalt der Großen Anfrage und die Antworten des Senats offenbart indes Verwunderliches. Er zeigt, dass der SPD-Senat vor allem die ehrenamtlichen Früchte erntet, die von den Vorgängersenaten gesät wurden. Von der alljährlichen Freiwilligenbörse über den "Hamburger Nachweis" bis zur Landesinitiative "Hamburg engagiert sich!", vom AKTIVOLI-Netzwerk und dessen Internetangeboten bis hin zum Modellprojekt "FSJ 4 YOU – Freiwillig aktiv sein!", von der Haftpflicht- und Unfallversicherung für Freiwillige bis zu den Aktionstagen "Nachbarschaft verbindet!" – all das wird dort aufgezählt und all das wurde zu Zeiten der CDU beziehungsweise von CDU und GAL eingeführt oder ausgebaut.

(Beifall bei der CDU und bei Karin Timmer- mann SPD)

Zahlreiche Hamburger Projekte mit vielen Ehrenamtlichen, wie etwa die Mehrgenerationenhäuser, wurden überdies auf Bundesebene von CDU-Familienministerinnen initiiert und werden vom Bund zu erheblichen Teilen finanziert.

(Jan Quast SPD: Aber deswegen ist es doch nicht schlecht!)

Nein, Herr Quast, es ist zunächst erfreulich, dass der SPD-Senat, der doch so vieles anders machen wollte, diese vielen guten und erfolgreichen Maßnahmen beibehalten hat.

Schließlich hat die SPD selbst in ihrem Regierungsprogramm, wenn auch etwas versteckt im Kapitel über ältere Menschen auf Seite 23, versprochen – ich zitiere –:

(Ksenija Bekeris SPD: Das haben Sie aber genau gelesen!)

Ich habe genau gelesen, ich hoffe, Sie lesen unsere Leitlinien auch so gut.

"Wir wollen das nachbarschaftliche Engagement und Ehrenamt fördern und ausbauen."

Wie das allerdings geschehen soll, dazu bleiben die Antworten auf die Große Anfrage sehr zurückhaltend. Natürlich ist es begrüßenswert, dass die ehrenamtliche Hilfe für Demenzkranke und Pflegebedürftige nun verstärkt gefördert und dass weitere Freiwilligenagenturen eingerichtet werden sollen. Doch schon die Innenbehörde plant zwar, die Ausbildung für den ehrenamtlichen Katastrophenschutz in den Bildungsurlaub einzubeziehen, nennt aber keinen Zeitpunkt. Und der Schulbehörde fällt zum Thema ein, man wolle die Zusammenarbeit etwa mit Stiftungen und Unternehmen weiterentwickeln und die Träger des ehrenamtlichen Engagements für Bildung stärker in die regionalen Bildungskonferenzen einbeziehen. Angesichts der Sorgen vieler Vereine, wie sie künftig beim Ausbau der Ganztagsschulen und von GBS überhaupt weiterarbeiten sollen, ist das eine überaus wegweisende Antwort aus dem Hause Rabe. Immerhin erklärt der Senat in seiner Antwort auf die Große Anfrage, er messe – Zitat –:

"dem ehrenamtlichen Engagement in Hamburg einen hohen Stellenwert bei."

Viel interessanter allerdings – und deshalb lohnt die Debatte heute doch – ist das, was der Senat in der Großen Anfrage nicht erklärt. Wenn ihm das bürgerschaftliche Engagement so viel wert ist, wieso wurden dann in den Haushaltsjahren 2011 und 2012 die Mittel genau dafür drastisch abgesenkt?

(Jan Quast SPD: Das hatten wir aber schon diskutiert!)

Gewisse wichtige Dinge muss man immer wieder sagen.

Wenn das nachbarschaftliche Ehrenamt gefördert werden soll, wieso stehen dann die Stadtteilbeiräte in vielen Quartieren mittelfristig vor dem Aus, weil die Regelfinanzierung von meist wenigen Tausend Euro für eine hauptamtliche Kraft nicht gewährt wird?

(Ksenija Bekeris SPD: Wo haben Sie das denn her?)

Warum will man mit den aktuellen Kürzungsplänen vielen Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit die Luft abschnüren, wo jeder weiß, dass in zahlreichen dieser Einrichtungen auch Ehrenamtliche tätig sind? Wenn doch bekannt ist,

dass überregionale Jugendverbände nur dann Jugendliche als Gruppenleiter gewinnen und schulen können, wenn sie über eine sichere personelle Grundlage verfügen, warum soll dann gerade bei den Jugendverbänden gespart werden? Antworten auf diese Fragen stehen in der Großen Anfrage nicht. Wir werden diese zentralen Fragen im Sozialausschuss jedoch weiter stellen und sind auf die Antworten des Senats gespannt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Fegebank.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ganz interessant, dass der Senat der Beantwortung der Großen Anfrage den gewichtigen Satz vorwegschickt, er messe dem Ehrenamt in Hamburg einen hohen Stellenwert bei. An einigen ausführlicheren Antworten zu den sehr vielfältigen Themenkomplexen – Frau Kaesbach hat es dargestellt und die nachfolgende Rednerin fand auch, dass es ein mannigfaltiges Potpourri ist, was da abgefragt wird – wird dort auch deutlich, dass es natürlich Engagement vor Ort gibt und dass dies auch gefördert wird.

Aber ich möchte gerne das aufgreifen, was Frau Föcking eben angesprochen hat. Wenn wir in den Bereich der Zuwendungen kommen – auch wieder im Hinblick auf die anstehende Debatte um den Haushalt und den von Herrn Senator Scheele schon mehrfach angesprochenen extremen Druck auf den Sozialetat –, dann interessiert mich natürlich, was zukünftig mit der AKTIVOLI-Freiwilligenbörse passiert. Das war schon einmal kurz thematisiert worden, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem angekündigten Auslaufen der Stellen für die Integrationsbeauftragten in den Bezirken beziehungsweise mit den Stadtteilbeiräten.

(Doris Müller SPD: Was hat denn das mit dem Freiwilligenetat zu tun?)

Das hat durchaus, Frau Müller, auch etwas damit zu tun, wie Ehrenämter gefördert werden. Wenn Sie nämlich nachschauen, wo die Schwachstellen sind beziehungsweise wo man Menschen noch nicht entsprechend erreicht, gehören dazu als vorderste Zielgruppe die Migrantinnen und Migranten.

Das sind also drei Aspekte, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob zu der vollmundigen Ankündigung, dass Sie dem Ehrenamt einen hohen Stellenwert beimessen, auch die entsprechende Bereitschaft kommt, bestimmte Strukturen, die von der Stadt bereitgestellt wurden, künftig zu fördern.

Ich habe sowohl an die SDP-Fraktion als auch an den Senat eine weitere Frage: In der letzten Legislaturperiode ist im Zusammenhang mit dem Ausbau des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres auch über die Ein

(Dr. Friederike Föcking)

richtung eines Freiwilligen Politischen Jahres nachgedacht worden.

(Sören Schumacher SPD: Ihr habt darüber nachgedacht!)

Da würde mich interessieren, ob der Senat weiterhin daran festhält und ob das auch für die SPDFraktion von Interesse ist oder ob dieser Vorstoß versandet.

Zusammengefasst: Es besteht – das haben alle gesagt – ein ganz großer Konsens in diesem Hause darüber, wie wichtig ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement sind. In meinen Augen ist das ein entscheidender Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Ehrenämter dürfen allerdings nicht dazu führen, dass staatliche Grundfunktionen ausgehebelt werden oder dass an irgendeiner Stelle sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen ersatzlos gestrichen werden und durch Ehrenamtliche ersetzt werden.

(Ksenija Bekeris SPD: Anderer Haushaltsti- tel, Frau Fegebank!)

Auch das ist eine Debatte, die wir zu einzelnen Themenfeldern immer wieder geführt haben. Dazu kommt noch die Frage, wie es mit staatlichen Zuwendungen in einzelnen Bereichen aussieht, ich wiederhole das noch einmal, also AKTIVOLI-Freiwilligenbörse, Integrationsbeauftragte, die da sicherlich auch unterstützend wirken könnten, und Stadtteilbeiräte. Es stellt sich auch noch einmal die Frage nach den Aufwandsentschädigungen, das sprach auch Frau Kaesbach an. Das war ein großes Thema beim Seniorentag. In der Debatte um das Seniorenmitwirkungsgesetz wird uns sicherlich die Frage begleiten, inwiefern diejenigen, die zum Ehrenamt und zum Engagement motiviert werden sollen, zumindest Aufwandsentschädigungen für Fahrgelder et cetera erhalten sollen. Ich glaube aber, das alles sind Diskussionen, die dann auch im Ausschuss geführt werden können. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der FDP)

Das Wort bekommt Frau Özdemir.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Natürlich umfasst bürgerschaftliches Engagement viel mehr als Ehrenamt und Freiwilligendienste und ist deshalb tragende Säule der Demokratie. Es geht dabei um das freiwillige Engagement in allen gesellschaftlichen Bereichen. Auch der Freiwilligensurvey spricht von einer Selbstorganisierung von Menschen.

Nun hat sich die FDP in ihrer Großen Anfrage auf Ehrenamt und Freiwilligendienste beschränkt, interessiert sich aber ganz besonders für die Beteili

gung von Menschen mit Migrationshintergrund. Hier hält der Senat sehr richtig fest, dass diese überwiegend informell engagiert sind, also weniger ein Teil der hiesigen Vereinsmeierei sind. Aber etliche Migranten-Vereine leisten unverzichtbare ehrenamtliche Arbeit ohne die geringste Förderung.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sind aktiv in der Schüler- und Jugendarbeit, in der Familien- und Elternarbeit, in frauenpolitischer Arbeit sowie in politischer Bildung und in Sport und Kultur. Der Freiwilligensurvey erfasst nur deutschsprachige Menschen. Die ehrenamtlichen Tätigkeiten, die Menschen ohne Deutschkenntnisse in ihrer jeweiligen Community leisten, finden dort also gar keine Berücksichtigung.

Die FDP thematisiert in ihrer Großen Anfrage auch die Aufwandsentschädigungen. Eine Gruppe, die dabei nicht erwähnt wird, sind die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer. Diesen steht als Aufwandsentschädigung ein Erfrischungsgeld zu. Sie leisten ehrenamtlich eine wichtige, verantwortungsvolle und gesellschaftlich bedeutende Aufgabe und bekommen dafür das Erfrischungsgeld. Aber bei Menschen, die Leistungen nach SGB II beziehen, wird dieses Geld voll angerechnet. Während also Wahlhelfer, die ohnehin genug Geld haben, um sich bei der ehrenamtlichen Tätigkeit zu erfrischen, diese Aufwandsentschädigung steuerfrei erhalten, wird Hartz-IV-Empfängern dieses Geld wieder abgezogen. Das ist ungerecht und muss geändert werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GAL)

Werfen wir noch kurz einen Blick auf die Zahlen, die sich aus der Anfrage beziehungsweise der Hamburger Studie ergeben. Demnach ist der Anteil der ehrenamtlich Engagierten bei qualifizierten und hochqualifizierten Beschäftigten wesentlich höher als bei den niedrig qualifizierten Beschäftigten; bei den Niedrigqualifizierten sind es im Jahr 2011 17,4 Prozent, bei den Qualifizierten 37,1 Prozent. Aber gerade bei Arbeitslosen kann ehrenamtliche Tätigkeit dazu beitragen, Perspektivlosigkeit zu verhindern. Sie kann auch dazu beitragen, die Vermittlungsfähigkeit zu verbessern und damit die berufliche Wiedereingliederung zu erleichtern. Bei vielen Arbeitgebern werden die in der ehrenamtlichen Tätigkeit erworbenen Qualifikationen bei der Einstellung anerkannt und gewürdigt. Und für bestimmte berufliche Tätigkeiten im sozialen Bereich sind einschlägige Erfahrungen durch privates ehrenamtliches Engagement von großem Vorteil. Es müssen also zusätzliche Förderprogramme des Landes Hamburg aufgelegt werden, um das ehrenamtliche Engagement auch von gering qualifizierten Arbeitslosen zu fördern.

Auch beim schulischen Abschluss besteht eine große Diskrepanz. So sind nur 12,7 Prozent der

(Katharina Fegebank)

Erwerbstätigen ohne Schulabschluss ehrenamtlich tätig, während dies für 32,2 Prozent derjenigen mit Abitur zutrifft. Das kann natürlich nicht verwundern, weil Menschen ohne Schulabschluss oft um die tägliche Existenz kämpfen müssen und somit keine Kapazitäten für ein ehrenamtliches Engagement übrig haben.

Wir stimmen der Überweisung an den Ausschuss natürlich zu und freuen uns auch auf eine interessante Debatte.

(Beifall bei der LINKEN)