Protocol of the Session on May 10, 2012

(Sören Schumacher SPD: Danke!)

Das sind Punkte, die auch schon zuzeiten der Verantwortlichkeit der CDU-Senate vorangebracht wurden und die Sie richtigerweise auch fortführen. Es geht dort auch um eine stärkere Überwachung an Unfallschwerpunkten und so weiter. Das findet ausdrücklich unsere Unterstützung.

Aber der Kern dieses Antrags – darüber müssen wir heute sprechen – steht eigentlich in der Überschrift. Frau Koeppen, Sie haben es eben auch sehr deutlich gesagt, dass Sie ein Alkoholverbot am Steuer wollen und regelmäßige Untersuchungen, insbesondere für die Seniorinnen und Senioren. Darum geht es in Ihrem Antrag und darüber müssen wir heute reden, denn das ist Ihre Antwort auf steigende Verkehrsunfallzahlen und zeigt Ihre Hilflosigkeit und Konzeptlosigkeit in dieser Frage. Ich werde jetzt darstellen, warum diese populistischen Versuche nicht taugen, die Verkehrsunfallzahlen in unserer Stadt zu senken.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Koeppen?

(Martina Koeppen)

Herr Hesse, was wird von der SPD-Fraktion in Ziffer 2 gefordert? Könnten Sie das noch einmal ausführen?

Nein, ich lese Ihren Antrag nicht vor, ich verweise Sie auf den vierten Absatz Ihres Antrags, denn da befassen Sie sich sehr intensiv mit dem Thema Seniorinnen und Senioren im Straßenverkehr und der Zunahme angeblicher Unfälle. Sie zielen genau auf eine Personengruppe, die zu den sichersten Autofahrerinnen und Autofahrern unserer Stadt gehört und die nicht die Problemlage bildet, warum wir steigende Verkehrsunfallzahlen haben. Sie versuchen damit, ein öffentliches Schauspiel zu inszenieren, das diesen sicheren Autofahrerinnen und Autofahrern nicht gerecht wird.

(Beifall bei der CDU – Ekkehard Wysocki SPD: Das war populistisch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Regulieren, verbieten, vorschreiben, das ist hilfloses Reagieren auf die aktuellen Verkehrsunfallzahlen und es ist überzogen, insbesondere, was die Seniorentests angeht.

Ich möchte Sie ernsthaft fragen: Glauben Sie wirklich, Frau Koeppen, glauben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, dass 0,0 Promille wirklich zu weniger Unfällen führen? Glauben Sie das ernsthaft? Glauben Sie, dass die Menschen, die ein Bier oder einen Wein trinken und sicher mit ihrem Kraftfahrzeug nach Hause fahren, ernsthaft das Problem der gestiegenen Unfallzahlen in unserer Stadt sind? Das können Sie doch nicht ernsthaft mit Ja beantworten. Das sind nicht die Problemfälle, die wir haben. Das Problem sind diejenigen, die wissentlich betrunken fahren oder aggressiv fahren: Raser, Drängler, Rotlichtfahrer, die Vorschriften wissentlich missachten, die Risiken eingehen, weil sie sich sagen, ich trinke heute und nehme das Auto und fahre trotzdem nach Hause. Es ist nicht das Problem, dass sie es überhaupt tun, sondern es ist ein Problem der Kontrolldichte, dass wir nicht genügend kontrollieren, um diejenigen aus dem Verkehr zu bekommen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Da hat er recht!)

Und wenn sie glauben, dass sie damit durchkommen, dann werden sie es auch weiterhin machen. Das sind aber nicht diejenigen, die ein Bier oder einen Wein trinken und anschließend nach Hause fahren.

(Beifall bei der CDU)

Das "Hamburger Abendblatt" hat aus meiner Sicht richtigerweise in einem Kommentar zu Ihrem Vorschlag geschrieben, wer vernünftig sei, fahre schon jetzt nicht, wenn er trinkt, und wer unbedingt

fahren wolle oder müsse, trinkt eben nicht oder höchstens sehr geringe Mengen. Das funktioniert ganz gut, auch wenn noch Luft nach oben ist. Aber diejenigen, die diese Vernunft nicht aufbringen und unbedingt das Auto nehmen wollen, weil sie nicht mehr gehen können, die erreicht man auch über keine noch so scharfe Vorschrift; dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies wird im Übrigen auch belegt durch Ihren eigenen Antrag. Dort finden Sie am Ende Ihres zweiten Absatzes einen sehr interessanten Satz:

"So waren von allen 34 Unfalltoten 20 getötete Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer Hauptverursacher des Unfalls, auffallend viele hiervon Fußgängerinnen und Fußgänger."

Wenn das konsequent umgesetzt würde, dann müssten Sie, liebe Frau Koeppen, auch ein Alkoholverbot für Fußgängerinnen und Fußgänger fordern, wenn sie denn tatsächlich die Verursacher sind, wenn Sie die wirklich erreichen und aus dem Straßenverkehr ziehen wollen. Gelten im Übrigen Ihre Sehtests auch für Fußgängerinnen und Fußgänger, die Ihrem Antrag nach auch Verursacher von Unfällen sind? Sie entlarven sich mit Ihrem Antrag selbst und Sie wissen auch, dass Sie überziehen. Es ist eine populistische Aktion, die auf Bundesebene scheitern wird,

(Beifall bei Heike Sudmann DIE LINKE – Finn-Ole Ritter FDP: Eine Helmpflicht für Fußgänger!)

und deswegen werden wir ihr auch nicht zustimmen können.

Noch ein paar Worte zu den Seniorinnen und Senioren in unserer Stadt. Ich habe es schon gesagt, das Problem sind nicht die hohen Verkehrsunfallzahlen bei den Seniorinnen und Senioren. Die sind verschwindend gering und werden durch Ihre bürokratische und regulative Maßnahme auch nicht weniger. Entscheidend ist es, den Senioren – und das müsste unser aller Aufgabe sein und so müssten wir es auch verstehen – die Angst vor der Ausgrenzung bei der Mobilität im Alter zu nehmen und ihnen die Stadt Hamburg mit ihren vielfältigen Möglichkeiten im öffentlichen Personennahverkehr näherzubringen.

Ich habe vor zwei Jahren selbst darüber nachgedacht, wie man über Anreize Seniorinnen und Senioren dazu bringen kann, mit Bussen und Bahnen zu fahren. Ein Beispiel ist meine eigene Mutter. Die ist jetzt in einem Alter, wo sie nicht mehr so recht weiß, ob sie noch Auto fahren soll. Ich habe zu ihr gesagt, sie solle es versuchen. Aber der Anreiz war eben noch zu gering, also fährt sie weiter mit dem Auto, vielleicht nicht mehr so sicher.

Ich glaube wirklich, dass wir uns als Politiker und als Parteien Gedanken machen müssen, wie wir Anreize schaffen können, um genau diesem Kreis, der an der Schwelle ist, wo er nicht weiß, ob er noch fahren kann und fahren sollte, Angebote zu machen, die Mobilität anders in unserer Stadt kennenzulernen. Das ist Aufgabe von Politik, damit hätten Sie sich beschäftigen können. Da hätten Sie sicherlich etwas Sinnvolleres gemacht als mit diesen beiden populistischen Forderungen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Steffen, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nicht ganz so viel Redezeit wie gestern, aber da wir die gleiche Debatte schon letztens in der Aktuellen Stunde geführt haben, kann ich manche Dinge auch abkürzen. Es müssen nicht alle Argumente genannt werden, die bei diesem Thema eine Rolle spielen. Die Ausgangsfrage lautet in der Tat, was sind eigentlich die Hauptunfallursachen? In der Aktuellen Stunde hatten wir schon herausgearbeitet, dass Alkoholeinfluss bei Unfällen mit Personenschäden auf der Skala der Hauptunfallursachen an letzter Stelle steht. Das hatte ich Ihnen dargelegt, und dass das Thema der fahruntüchtigen älteren Mitmenschen auf dieser Skala nicht so sehr nach oben drängt, ist ebenfalls klar. Am oberen Ende, also bei den häufigen Unfallursachen, liegen Fehler beim Einfädeln in den fließenden Verkehr, geringer Sicherheitsabstand, überhöhte Geschwindigkeit.

Das alles hatte ich Ihnen im Hinblick auf Ihre bereits öffentlich gemachte Initiative entgegengehalten. Der Antrag, den Sie nun vorgelegt haben, hat im Grunde eine Zweigesichtigkeit. Er befasst sich sehr ausführlich mit der 0,0-Promille-Frage und der Überprüfung der Fahrtüchtigkeit; das ist die ausführliche Begründung. Dann kommen die entsprechenden Antragspunkte und dann die Petita, die sich auf verstärkte Kontrollen im Hinblick auf Geschwindigkeit und so weiter beziehen. Das haben Sie also angefügt, das ist auch gut und richtig. Ich habe schon letztens gesagt, dass ich die von Ihnen vorgeschlagene 0,0-Promille-Grenze bei Alkohol im Straßenverkehr und auch die Überprüfung der Fahrtüchtigkeit für vernünftig halte, aber wir setzen damit in der Debatte den falschen Schwerpunkt, weil wir nicht bei den Hauptunfallursachen ansetzen, und es ist natürlich ein Thema, über das wir gar nicht in Hamburg entscheiden können. Insoweit finde ich die Relativierung gut, aber nach wie vor stellen Sie etwas in den Vordergrund, was nicht unmittelbar bei den wichtigsten Unfallursachen ansetzt.

Nun hat Herr Hesse etwas zugespitzt gefragt, was das eigentlich soll. Meiner Meinung nach gibt es vernünftige Argumente für Ihre beiden Forderungen. Deswegen werden wir dem Antrag im Ergebnis auch zustimmen. Diese Argumente beziehen sich auf die Frage, welche Art von Kultur wir haben wollen, eine, in der es heißt, Mensch, man kann doch ein bisschen was trinken, wenn man im Straßenverkehr unterwegs ist, oder wollen wir lieber eine Kultur des Dedicated Driver etablieren, wie es Kampagnen in den USA formulieren, dass nämlich derjenige das Fahren übernimmt, der gar nichts getrunken hat. Ich halte alles andere eher für eine Einladung, sich selbst zu betrügen. Das ist ein wichtiges Argument, um Klarheit zu schaffen, Klarheit auch im Hinblick darauf, was man sich selbst zutraut und ob man sich betreffend der Auswirkung von Alkohol nicht verschätzt. Die 0,0-PromilleGrenze ist eine klare Sache und deshalb vernünftig.

(Beifall bei Antje Möller GAL, Dr. Monika Schaal und Karin Timmermann, beide SPD)

Auch die Überprüfung der Fahrtüchtigkeit ist eine sinnvolle Sache, auch wenn Statistiken Seniorinnen und Senioren nicht als Hauptverursacher von Unfällen nennen. Das hat natürlich etwas mit dem Mobilitätsverhalten zu tun. Ältere Menschen fahren nicht mehr so viel Auto, etwa weil sie nicht mehr berufstätig sind, und auch bei Dunkelheit fahren sie seltener als andere Altersgruppen. Sie passen ihr Verkehrsverhalten ihren Fähigkeiten an, das ist erforscht, aber das heißt nicht, dass man zu jeder Zeit in einer komplexen Situation reagieren kann, denn eine kritische Verkehrssituation kann natürlich auch am helllichten Tag und außerhalb der Hauptverkehrszeiten auftreten. Es wird nur als nicht so stressig empfunden, und deswegen ist die Verkehrssicherheit auch dann beeinträchtigt, wenn jemand in einer komplexen Situation nicht reagieren kann. Der Umstand, dass nicht alle 60-Jährigen fahruntüchtig sind, sagt natürlich überhaupt nichts über die Fahrtüchtigkeit des Einzelnen. Die von Ihnen vorgeschlagene Maßnahme richtet sich gezielt an die einzelne Person. Diejenigen, die ihre Fahrtüchtigkeit nachweisen können, können weiterhin fahren. Und weil Einschränkungen sich unterschiedlich schnell einstellen, gibt es dafür keine starren Altersgrenzen. Der Vorschlag ist durchaus vernünftig, man sollte das einführen.

Aber es gibt zu diesem Thema noch weitere Aspekte, die uns zum Handeln auffordern. Wir leisten einen Beitrag dazu, älteren Menschen – dem einen früher, dem anderen später – das Autofahren abzugewöhnen, wenn sie dazu nicht mehr in der Lage sind. Wir wissen gleichzeitig, dass das Auto bei älteren Menschen eine noch höhere Bedeutung hat als in vielen anderen Altersgruppen, weil Radfahren keine Alternative ist, weil weite Wege zu öffentlichen Verkehrsmitteln keine Alternative sind, weil auch volle Busse keine Alternative

(Klaus-Peter Hesse)

sind für Menschen, die nicht mehr gut stehen können. Das sind Faktoren, die ältere Menschen zum Autofahren bewegen. Wenn sich die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen durchsetzen, dann brauchen wir auch eine generationengerechte Verkehrspolitik.

(Beifall bei Anja Hajduk und Antje Möller, beide GAL)

Da sich die Altersverhältnisse verändern werden, müssen wir mehr tun, als ein paar Aufzüge einbauen. Solche Maßnahmen können natürlich immer nur für den Einzelnen funktionieren und nicht für einen großen Teil der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Es sind vernünftige Vorschläge, die Schwerpunktsetzung kommt langsam an die richtige Stelle, wobei natürlich Punkt 4 des Petitums bezüglich der Geschwindigkeitskontrollen noch ein bisschen unspezifisch bleibt. Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns im Ausschuss das Thema einmal anschauen und uns berichten lassen, wie viel die Polizei nach welchen Kriterien unternimmt. Das wäre vernünftig gewesen, aber wir werden das sicher auch in Anfragen noch stärker herausarbeiten können

(Beifall bei der GAL)

Herr Dr. Schinnenburg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hesse, seien Sie doch nicht so streng mit Frau Koeppen. Wir wissen doch alle, dass es in Hamburg eigentlich nur einen gibt, der sich so richtig mit Verve für 0,0 Promille und für ständige Sehtests und was es so alles gibt einsetzt, und der ist nicht mehr hier im Raum, Senator Neumann. Der will es und deshalb muss die arme Frau Koeppen die UnfallKassandra geben.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen und Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Das können Sie ihr doch wirklich nicht vorwerfen. Herr Hesse und Herr Steffen haben schon vieles gesagt, daher kann ich meine Ausführungen ein bisschen abkürzen. Die Punkte 1 und 2 sind nicht das Problem; die FDP wird das ablehnen. Es gibt weder im Verkehrsbericht noch sonst einen Hinweis darauf, dass ein absolutes Alkoholverbot nennenswert Unfälle verhindert. Es gibt auch keinen Hinweis dazu, dass Unfälle in nennenswertem Maß durch schlechtes Sehen verursacht wurden. Das finden wir in der Statistik nicht, Sie haben auch nichts in der Richtung vorgelegt.

(Karin Timmermann SPD: Aber natürlich! Man muss sich nur damit beschäftigen!)

Hauptursache sind Unaufmerksamkeit und Rüpeleien, aber nicht Alkohol und schlechtes Sehen. Herr Kollege Hesse hat schon aus einem Kommentar im "Hamburger Abendblatt" zitiert, ich darf noch einmal eine andere Stelle zitieren, ein durchaus interessanter Gedanke. Da steht:

"Und wie viel Nachwuchs wurde nicht schon unbeabsichtigt im Zustand der rauschhaften Unzurechnungsfähigkeit gezeugt. Brauchen wir eine Promille-Grenze im Bett?"

Ich bin der Meinung, das brauchen wir nicht, das ist etwa ähnlich sinnlos wie Ihr Antrag.

(Beifall bei der FDP)

Die Petita 3 bis 4 sind in Ordnung, deshalb werden wir denen zustimmen. Ich persönlich hätte es gut gefunden, das Ganze im Verkehrsausschuss zu diskutieren. Schade, dass Sie es nicht tun. Wir werden also die Ziffern 1 und 2 ablehnen und den Ziffern 3, 4 und 5 zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Sudmann, Sie haben das Wort.