Protocol of the Session on May 9, 2012

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig muss die Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte so verbessert werden, dass der zwingende Konsolidierungsbedarf nicht dazu führt, dass heute Spielräume so verengt werden, dass eine zukunftsorientierte Politik für Kinder und Jugendliche unzuträglichen Belastungen ausgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Denn wir wissen doch aus Beispielen, dass die Sozialpolitik immer Verlierer in Haushalten mit überbordender Verschuldung ist. Und vor diesem Hintergrund einer generationenorientierten Verteilungsgerechtigkeit setzt der Hamburger Senat seine Prioritäten. Sie wissen, Kinder-, Jugend- und Familienpolitik ist der Schwerpunkt des Senats, dies deshalb, weil eine gute Politik in diesem Bereich die Grundlage für Chancengleichheit junger Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ist. Dieser Aspekt der Chancengleichheit ist mithin der Kern der Ausrichtung der Politik für Kinder und Jugendliche des Senats und meiner Behörde.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb steigen – darauf wurde mehrfach hingewiesen, ich finde es auch nicht spaßig, es ist anstrengend, das zu erreichen – die Ausgaben für Kinder- und Jugendhilfe von 780 Millionen Euro auf 890 Millionen Euro zwischen 2011 und 2013. Ich bitte zu beachten, dass der Haushalt insgesamt nur um 0,88 Prozent wächst. Es ist deshalb einfach irre und bloße Polemik, hier von Kahlschlag oder Ähnlichem zu reden, denn das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Yildiz?

Nein.

Wir setzen Prioritäten im quantitativen wie qualitativen Ausbau der Krippenplätze. Der Rechtsan

(Mehmet Yildiz)

spruch ab zwei Jahren kommt ab dem 1. August. Dies gibt es nirgendwo in Deutschland, und die Erzieher-Kind-Relation wird zum 1. Januar 2013 in den Stadtteilen, in denen die Belastung am größten ist, deutlich verbessert.

(Beifall bei der SPD)

Das Angebot an Kitas ist vorbildlich. Ab 2014 werden wir die fünfstündige Betreuung in Kitas und Krippen kostenfrei stellen. Die Umstellung der Hamburger Grundschulen auf Ganztagsschulen ist in vollem Gange, auch hier sind wir bundesweit Vorreiter mit der gemeinsamen Gestaltung der Ganztagsbetreuung von Schule und Jugendhilfe in der GBS.

Wir kümmern uns außerdem ganz besonders um den Übergang von der Schule in den Beruf, denn hier verlieren wir zurzeit zu viele junge Menschen. Deshalb werden wir allen Jugendlichen, die die Stadtteilschule verlassen, in diesem Herbst ein Angebot zur Berufsorientierung in Kooperation mit Betrieben anbieten, das ihnen auch über das Ende der Schulpflicht hinaus bis zum 25. Lebensjahr offensteht. Wir schaffen eine Jugendberufsagentur.

(Beifall bei der SPD)

Es wird im Rahmen dieses Systems für jeden eine zweite, dritte und vierte Chance geben, denn wir werden mittels Hausbesuchen auch jene freundlich belagern, die im Moment durch die Maschen des Systems rutschen. Niemand soll ohne aktive Hilfe bleiben und seine Chancen zu früh verspielen.

Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche ist, was im Mittelpunkt der Politik des Senats und meiner Behörde steht. Aber Neues kann nur entstehen, wenn Bekanntes auf den Prüfstand gestellt wird und wenn wir konsequent fragen, ob Angebote, die vor Jahren entstanden sind, heute noch die richtigen sind. Gleichzeitig ist zu vermeiden, dass explosionsartige Vermehrung gesetzlicher Leistungen alle zuwendungsfinanzierten Leistungen erdrosselt. Freiwillige Leistungen sind nicht unnötig oder wirkungslos, manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall.

Meine Behörde kehrt rund 85 Millionen Euro an Zuwendungen jährlich aus. Wenn die gesetzlichen Leistungen weiter so explodieren, wie es die vergangenen Senate zugelassen haben, dann gibt es spätestens 2015 keine zuwendungsfinanzierten Systeme in der Sozialbehörde mehr. Auch deshalb ist eine Umsteuerung zwingend notwendig.

(Beifall bei der SPD)

Es ist richtig, wir haben in diesem Zusammenhang den Bezirken mitgeteilt, dass wir die Rahmenzuweisungen um rund 10 Prozent, von 33,6 Millionen Euro auf 30,1 Millionen Euro, reduzieren. Grundlage dafür sind die Haushaltsbeschlüsse des Senats mit Blick auf die Vereinbarung zur Schuldenbremse und den Haushalt 2013/2014. Aber es

handelt sich in Wahrheit um keine Kürzung, sondern um eine Umsteuerung zugunsten der eingangs genannten Prioritäten unter dem Aspekt der Chancengleichheit. Wer sich dieser Umsteuerung verweigert, kapituliert vor den explodierenden Kosten gesetzlicher Leistungen und will nicht ernsthaft etwas für die verbesserte Chancengleichheit zukünftiger Generationen aufwenden, weder Geld noch Anstrengung.

(Jens Kerstan GAL: Das gilt doch überhaupt nicht für die Kinderkuren!)

Wir brauchen eine Umsteuerung der in bestimmten Bestandteilen wenig wirkungsvollen gesetzlichen Leistungen in den Sozialraum, damit die Wirkung besser wird und die Leistungen finanzierbar bleiben. Und diesen Umsteuerungsprozess gilt es gut zu flankieren.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GAL: Und das trifft alles auf die Kinderkuren zu?)

Die Träger nämlich, die sich nun bedroht fühlen, müssen dies keineswegs, denn wer bisher gute Arbeit gemacht hat, soll das auch weiter tun können.

(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Und wo gestrichen wird, der hat also schlechte Arbeit gemacht?)

Was wir daher jetzt brauchen, ist eine neue aktuelle Jugendhilfeplanung, die auf diese veränderten Rahmenbedingungen eingeht, eine Jugendhilfeplanung, die nach allen Regeln der Kunst, so wie es das SGB VIII vorsieht, auch bestehende Strukturen und Angebote hinterfragt und sie nicht einfach immer fortschreibt.

(Beifall bei der SPD)

Eines haben wir in den letzten Wochen bei der Debatte dieses Themas gelernt: Eine solche Planung hat in den letzten Jahren nur sehr vereinzelt stattgefunden.

(Dietrich Wersich CDU: In jedem Bezirk!)

Jugendhilfeplanung heißt – Herr Ritter, ich komme auf Ihre Rede zurück –, den Rasenmäher im Schuppen zu lassen und ihn nicht anzuwenden, sondern sich der Beschwernis auszusetzen, Prioritäten zu setzen, einzelne Schwerpunkte zu setzen und dafür den Mut aufzubringen.

(Katja Suding FDP: Dann legen Sie mal ein Konzept vor!)

Es heißt nicht, einfach allen etwas wegzunehmen und damit in der Tat viele zu gefährden. Es heißt, Schwerpunkte zu setzen, und hierfür schaffen wir vernünftige Rahmenbedingungen.

(Beifall bei der SPD)

Erstens: Wir sorgen für eine vernünftige Mittelausstattung. Die den Bezirken in diesem Jahr zur Verfügung stehenden Mittel belaufen sich inklusive

(Senator Detlef Scheele)

der sozialräumlichen Angebote auf 46,5 Millionen Euro und liegen damit um 13 Millionen Euro über dem Ansatz von 2010. Es sind also mehr Mittel, nicht weniger.

(Beifall bei der SPD)

Auch im Doppelhaushalt 2013/2014 werden noch mehr Mittel als 2010 zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ist vorgesehen, die Mittel für die Hilfen zur Erziehung im Doppelhaushalt um rund 14 Millionen Euro gegenüber 2012 zu erhöhen. Von Kahlschlag ist hier keine Spur.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Wir öffnen die Mittel der Hilfen zur Erziehung für die Träger der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Dazu machen wir die Mittel aus den gesetzlichen Leistungen der Hilfen zur Erziehung erstmals in vollem Umfang den Trägern der offenen Kinder- und Jugendarbeit zugänglich, wenn sie ihre Angebote so umsteuern, dass sie zur Vermeidung förmlicher Hilfen führen.

(Beifall bei der SPD)

Kinder- und Familienzentren halten solche Angebote heute teilweise bereits vor. Hier sind den Mittelvolumen faktisch nach oben überhaupt keine Grenzen gesetzt.

Drittens: Durch Deckungsfähigkeit werden wir die Flexibilität erhöhen. Dazu stellen wir innerhalb der Rahmenzuweisung an die Bezirke die volle Deckungsfähigkeit her. Und wir werden die Mittel aus der Zweckzuweisung für Spielhäuser, immerhin 780 000 Euro, ebenfalls in die Rahmenzuweisung einbinden,

(Dietrich Wersich CDU: Die wird auch noch gestrichen, oder wie?)

um insgesamt die planerische und gestalterische Flexibilität vor Ort deutlich zu verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Viertens: Wir werden das Bildungs- und Teilhabepaket noch besser nutzen. Wir beraten gern, wie die Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket effektiver mobilisiert werden können. Die Spielräume sind bei Weitem nicht ausgeschöpft, wie man aus dem Zwischenbericht meiner Behörde deutlich sehen kann.

(Finn-Ole Ritter FDP: Wir haben einen An- trag eingebracht, den können Sie umset- zen!)