Protocol of the Session on April 18, 2012

(Anja Hajduk)

Dass sich die Aufgaben, die die Stadt Hamburg zu erledigen hat, in diesem Umfang erhöht hätten, darüber wissen wir nichts. Wir wissen auch nichts darüber, dass sich die Leistungsfähigkeit oder die Produktivität der städtischen Beschäftigten in diesem Zeitraum verringert hätte. Offen bleibt also die Frage, warum der Hamburger Haushalt und damit auch der Steuerzahler mit so vielen zusätzlichen Beschäftigten belastet werden musste.

Meine Damen und Herren! Einen Grund zur Euphorie gibt es natürlich auch nicht für die Kollegen von der SPD. Seit Ihrer Regierungsübernahme im März 2011 ist der Personalbestand absolut um 445 vollzeitäquivalente Stellen angestiegen. Der Schaffung von 714 neuen vollzeitäquivalenten Stellen stand lediglich die Reduzierung um ganze 269 Stellen gegenüber. Herr Tode, wenn Sie da auf Beschlüsse der vergangenen Legislaturperiode verweisen, dann retten Sie sich damit natürlich nicht. Sie haben den Anträgen damals zugestimmt, das haben Sie auch eingeräumt. Sie und allen voran der Bürgermeister wussten schon im Wahlkampf und in den Monaten danach, dass Sie versprochen haben, 250 Stellen abzubauen, dass Sie jedoch Beschlüsse gefasst haben, die dem entgegenstehen. Dazu haben Sie nichts gesagt. Sie haben die Bürger ganz bewusst getäuscht und ganz eindeutig ein sehr zentrales Wahlversprechen gebrochen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen irritiert es mich und ärgert mich umso mehr ein Satz in der Beantwortung der ersten Frage – ich zitiere –:

"Mit der Personalreduzierung um 269 Vollzeitäquivalente wurde der in der Größenordnung von 250 Vollzeitäquivalenten angestrebte Personalabbau mehr als erreicht."

Diese Aussage ist schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall bei der FDP und bei Anja Hajduk GAL)

Der Personalaufwuchs seit Regierungsübernahme betrug 714 Vollzeitäquivalente, abgebaut wurden nur 269. Folglich ist der Personalkörper um 445 Vollzeitäquivalente angestiegen. Erklärtes Ziel des Senats und der Mehrheitsfraktion war aber ein Abbau, und dieses Ziel haben Sie klar verfehlt.

(Beifall bei der FDP)

Dabei war schon dieses Ziel ziemlich wenig ambitioniert. Die FDP-Fraktion hat mehrfach erklärt, dass eine Rückführung des Personalbestands auf das Niveau von 2007 möglich und sogar auch notwendig gewesen wäre.

In 2011 betrug der durchschnittliche statistische Personalbestand 58 419, und damit 3 000 Stellen mehr als 2007. Ein Teil des Zuwachses, wir haben es gehört, sind Lehrer und Sozialarbeiter. Dennoch

wurde der Personalbestand der Stadt systematisch ausgeweitet, ohne dass klar wurde, welche zusätzlichen Aufgaben denn wahrgenommen wurden.

Wenn wir über Personalabbau wirklich ernsthaft reden wollen, dann muss auch klar sein, dass wir eine konsequente und ehrliche Kritik aller staatlichen Aufgaben brauchen. Wir müssen den Mut haben zu definieren, welche Aufgaben die Stadt Hamburg in Zukunft wahrnehmen soll und welche nicht. Wir können den Personalbestand nur dann langfristig zurückführen, und nur dann wird es uns auch gelingen, den Haushalt langfristig auf eine solide Grundlage zu stellen.

Wir als FDP-Fraktion haben in den letzten Haushaltsberatungen und auch mit unseren Anträgen beispielsweise zum Verkauf von HAMBURG ENERGIE oder von weiteren Anteilen an der HHLA bereits gute und sehr sinnvolle Vorschläge gemacht. Von der SPD, übrigens auch von allen anderen Fraktionen, haben wir dazu bisher ziemlich wenig gehört.

Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU liefert uns in erster Linie viele Informationen und viele Zahlen, neue Erkenntnisse oder gar Lösungsansätze sind erst einmal nicht erkennbar. Fakt ist, dass der Personalbestand der Freien und Hansestadt seit Jahren ansteigt. Dabei können wir keinen Unterschied zwischen der CDU- und der SPD-Regierung erkennen.

(Jan-Hinrich Fock SPD: Was?)

Nicht erkennbar sind leider entsprechende Konzepte, wie der Senat den vollmundig angekündigten Personalabbau mit Leben erfüllen will. Fakt ist auch, dass wir auf der Stelle treten und hier viel Zeit verlieren. Beim Personalabbau muss der SPD-Senat endlich einmal die Karten auf den Tisch legen und sagen, wo die Reise hingehen soll. Wenn die Große Anfrage dazu einen kleinen Beitrag leisten kann, dass die Debatte sich weiterentwickelt, dann hat sich das schon gelohnt. Allein daran fehlt mir noch der Glaube. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Schneider, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gerade bei Ihrer Rede, Frau Suding, hatte ich den Eindruck, dass sich nicht alle Kolleginnen und Kollegen bewusst sind, worüber wir eigentlich sprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind uns darüber einig, dass es in Hamburg eine schwierige Haushaltssituation gibt und dass deren Bewältigung eine Herkulesaufgabe ist. Wie eine Konsolidierung des Haushalts zu erreichen ist, in welchem Tempo und mit welchen Zielen, ob vor

(Katja Suding)

allem zulasten der sozialen Infrastruktur und damit die soziale Spaltung verschärfend oder durch Erhöhung der Einnahmen, das ist die große Auseinandersetzung, die wir führen, seit wir in der Bürgerschaft sind, und die wir auch im nächsten Jahrzehnt führen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Senat hat neben den Streichungen oder Kürzungen bei den öffentlichen Leistungen und Einrichtungen als weitere wesentliche Maßnahme die jährliche Streichung von 250 Stellen im öffentlichen Dienst angekündigt und, das sehe ich anders als einige meiner Vorredner, bereits eingeleitet. Nebenbei bemerkt ist im Haushaltsjahr 2011 der Ansatz bei den Personalausgaben um 86,6 Millionen Euro unterschritten worden, und zwar vor allem durch Minderausgaben in den dezentralisierten Personalausgabenbudgets der Behörden und Ämter und bei den Versorgungsbezügen der Beamtinnen und Richter. Aktuell hat der Finanzsenator vor wenigen Tagen angekündigt, dass bei Übernahme des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst durch die Länder über die 250 Stellen hinaus weitere Stellen gestrichen werden.

Ich habe ein Zitat von Herrn Wersich gefunden, er ist leider nicht mehr da.

(Dietrich Wersich CDU: Natürlich! – Heiter- keit im Plenum)

Sie wurden vor fast einem Jahr am 5. Mai 2011 im "Hamburger Abendblatt" mit der Äußerung zitiert, dass die Ankündigung der 250 jährlichen Stellenstreichungen eine "beispiellose Drohung" – so Ihr Zitat – gegen die Mitarbeiterinnen der Stadt und ihre Gewerkschaften darstelle.

(Beifall bei der LINKEN)

Recht hatten Sie, aber das ist für die CDU längst das Geschwätz von gestern. Sie haben heute ein bisschen schamhaft hinter dem Berg gehalten, aber wenn ich Ihre Verlautbarungen aus der letzten Zeit lese, dann wollen Sie sehr viel mehr als 250 Stellen streichen.

(Glocke)

Frau Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte jetzt nicht, nein.

Sie wollen sehr viel mehr als 250 Stellen streichen und Ihre Große Anfrage dient keinem anderen Zweck, als Druck zu entfalten. Der Rechnungshof, darauf will ich hinweisen, geht davon aus, dass der Senat nicht nur 250, sondern weitere 700 Vollzeitstellen jährlich streichen muss, wenn er das angegebene Ziel, die Steigerung der Personalausgaben auf jährlich 1,36 Prozent zu begrenzen, erreichen

will. Hier bleibt der Senat stumm und damit setzt er sich gehörig dem Druck aus. Wir sind also mit der ernsten Frage konfrontiert, ob die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und die Menschen, die von guten öffentlichen Dienstleistungen abhängig sind, die sie dann nicht mehr in der Qualität erhalten können, in der sie sie benötigen, den Großteil der Konsolidierungslasten tragen müssen. Ein solcher Kurs wirft die Bestrebungen und Kämpfe für soziale Gerechtigkeit um Dekaden zurück.

(Beifall bei der LINKEN – Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Wenn Sie, wie vom Rechnungshof vorgerechnet und von Ihnen verlangt, jährlich 950 Vollzeitstellen streichen, dann werden Sie in einer Dekade jede fünfte bis sechste Vollzeitstelle beseitigen und den öffentlichen Dienst um 15 bis 20 Prozent zusammengestrichen haben. Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Auf welches Niveau soll denn der öffentliche Dienst zurückfallen in Zeiten, in denen die Abhängigkeit vieler Menschen von öffentlichen Dienstleistungen und Gütern zunimmt? Welche Leistungen und Funktionen sollen gestrichen werden und wie soll die Stadtgesellschaft überhaupt noch zusammengehalten werden?

(Katja Suding FDP: Wie lief das denn im Jahr 2007?)

Ein solcher Kurs kann überhaupt nicht zum Ziel führen, denn er ist letztlich teuer. Lassen Sie mich das ganz prägnant sagen: Für jede Sozialarbeiterstelle, die gestrichen wird, brauchen Sie zwei Stellen bei der Polizei und vielleicht eine halbe im Justizvollzug.

(Katja Suding FDP: Fangen Sie doch ein- fach mal an der richtigen Stelle an!)

Über die nachhaltigen, auf lange Zeit irreversiblen Folgen für den öffentlichen Dienst, für Verwaltung und Dienstleistung müssen Sie sich im Klaren sein. Schauen Sie sich doch einmal den Personalbericht an und werfen Sie einen Blick auf die Altersstruktur. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten steigt seit Jahren. Bei den Lehrkräften werden bis 2018 fast 30 Prozent altersbedingt aufhören, in den sozialen Berufen 25,8 Prozent, und im Durchschnitt werden bis 2018 23,2 Prozent aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufhören. Wenn, jedenfalls statistisch, die Stellen nach Ihren Vorstellungen weitgehend gestrichen werden, also Stellen nur noch intern besetzt werden und niemand mehr neu eingestellt wird, dann blutet der öffentliche Dienst absehbar aus. Der zunehmende Arbeitsdruck auf die Verbleibenden, die die Ausscheidenden nie und nimmer ersetzen können, wird, das ist absehbar, die Fehlzeiten in die Höhe treiben. Das ist eine Abwärtsspirale ohne Ende, die Sie – der Senat etwas langsamer, die Opposition schneller – in Gang setzen wollen. Von Zielsetzungen wie der interkulturellen Öffnung, die nur durch externe Besetzun

gen zu erreichen ist, braucht dann niemand mehr zu sprechen. Damit hätte der öffentliche Dienst in Hamburg bei einer seiner großen Herausforderungen, die sich in der Zukunft stellen, versagt, und auch das käme teuer.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Auswirkungen eines solchen Kurses auf die Lebenssituation eines Großteils der Bevölkerung werden sich erst nach und nach abzeichnen. Das Schlimme ist, dass die Folgen des Streichungskurses dann nur noch beklagt und nur sehr schwer und mit großen Anstrengungen behoben werden können. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Senator Dr. Tschentscher.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Keine unserer Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung ist so plausibel und löst trotzdem so heftige Reaktionen aus wie die Steuerung der Personalentwicklung.

(Robert Heinemann CDU: Sparen Sie doch mal eine Senatorin ein!)