Protocol of the Session on March 29, 2012

Auf eines möchte ich noch hinweisen. Das Petitum des Antrags lautet:

"[…] zu prüfen, wie der Inklusionsgedanke als regelhafter Prüfpunkt im Rahmen der Erstellung von Mitteilungen des Senats an die Bürgerschaft vorgesehen […] werden kann".

So weit, so gut. Aber es darf natürlich nicht sein, dass die Prüfung übermäßig viel neue Bürokratie

zur Folge hat, ohne dabei echte Vorteile für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Da aber erst einmal die Ausgestaltung der Prüfung geprüft werden soll, unterstützen wir den Antrag.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, das ist doch gut!)

Das Wort bekommt Frau Özdemir.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist natürlich erfreulich, dass sich der SPD-Senat

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und die Frakti- on!)

zu den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention bekennt. Aber noch schöner wäre es, Herr Dressel, wenn er endlich für die Umsetzung sorgen würde.

(Beifall bei der LINKEN)

Es braucht eigentlich gar kein Bekenntnis, denn die Konvention ist seit dem Jahr 2009 ohnehin geltendes Recht. Wir brauchen auch nicht schon wieder neue Beschlüsse zur Prüfung des Inklusionsgedankens, und wir müssen auch nicht lernen, die Welt so wahrzunehmen wie die Menschen mit Behinderung, Frau Jäck, denn Menschen mit Behinderung sind ebenso unterschiedlich in ihrer Wahrnehmung wie Sie und ich und alle anderen hier.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel und Heidrun Schmitt, beide GAL)

Inklusion als Politikansatz erfordert ein neues Denken, das ist richtig. Darin enthalten ist aber auch der Gedanke, dass die Menschen nicht behindert sind, sondern durch Barrieren in ihrem Umfeld behindert werden. Diese Barrieren gilt es abzubauen, da sind wir uns einig.

Der nationale Aktionsplan zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention liegt nun schon eine Weile vor. Viele Organisationen und Verbände von Menschen mit Behinderung haben dieses bereits massiv kritisiert. Es fehlt neben der menschenrechtspolitischen Ausrichtung insbesondere an einer klaren Struktur mit deutlichen, auch zeitlichen Zielvorgaben und gesetzgeberischen Initiativen. Das sind grundsätzliche Anforderungen, die ein Aktionsplan erfüllen muss. Der Hamburger Landesaktionsplan befindet sich weiterhin in Arbeit, die Beschlussfassung ist für Ende dieses Jahres vorgesehen. Es bleibt zu hoffen, dass damit ein verbindliches konkretes Konzept vorgelegt wird.

Trotz aller Kritik an dem SPD-Antrag stimmen wir diesem zu. Möge er dazu beitragen, dass Barrieren in Hamburg abgebaut werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel und Christa Goetsch, beide GAL)

(Martina Kaesbach)

Das Wort bekommt Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Cornelia hat heute Großkampftag!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die UN-Behindertenrechtskonvention meint mit Inklusion volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft. Umfassender wäre dieser Anspruch kaum zu formulieren. Deshalb ist die Antwort auf die Frage, wer im Hamburger Senat eigentlich für Inklusion zuständig ist: alle. Inklusion ist kein Thema für Spezialisten, sondern zieht sich als Querschnittsthema durch alle Politikbereiche und geht alle Politikbereiche an. Und diesen Anspruch wollen wir als Senat einlösen.

(Beifall bei der SPD)

Entsprechend haben alle Behörden diesen Gedanken als Leitidee und als Ziel genommen, als sie Vorschläge für den Hamburger Landesaktionsplan erarbeitet haben. Dieser Entwurf liegt vor, er wird im Moment breit diskutiert mit allen gesellschaftlichen Gruppen. Ich gehe davon aus, dass er nach dieser Diskussion noch besser werden wird, und er wird dann auch der Bürgerschaft vorgelegt werden. Zentrale Aspekte sind Inklusion als Auftrag zur Gestaltung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, Abbau von Barrieren in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens und Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt.

Der Landesaktionsplan bezieht die gesamte Gesellschaft ein. Das Gelingen dieses Prozesses setzt auch voraus, dass sich möglichst alle daran beteiligen, genauso wie alle, nicht nur behinderte Menschen, davon profitieren werden. Barrierefreie U-Bahn-Stationen nützen auch alten Menschen, Menschen mit Kinderwagen oder Menschen, deren Mobilität aufgrund eines Unfalls eingeschränkt ist. Texte in leichter und verständlicher Sprache kommen auch allen zugute, die nicht Experten in einem bestimmten Bereich sind. Deshalb ist Inklusion etwas, von dem die Gesellschaft insgesamt profitieren will.

(Beifall bei der SPD)

Für Politik und Verwaltung heißt das in erster Linie, liebgewonnene Denkmuster, insbesondere die einengende Frage nach der eigenen Zuständigkeit, zu verlassen und das Denken zu erweitern. Belange von Menschen mit Behinderung von vornherein zu berücksichtigen, ist Aufgabe in allen Politikbereichen. Und das setzt die Bereitschaft von Menschen in der Verwaltung und in der Politik voraus, deren Perspektive einzunehmen und auch im Alltag behindernde Situationen kennenzulernen.

Der Senat hat diesem Aspekt schon bei der Vorbereitung der Vorschläge für den Landesaktionsplan Rechnung getragen. Das gesamte Kollegium der Staatsräte ist Lenkungsgremium für den Landesaktionsplan und hat den Prozess der Umsetzung in seine Hände genommen. Es gibt keine Behörde, die exklusiv für Inklusion zuständig ist, und es gibt keine Behörde, die damit nichts zu tun hat. Mindestens einmal jährlich werden sich die Staatsräte mit den Vertretern und Vertreterinnen der Selbsthilfe behinderter Menschen treffen und austauschen und so soll auch der Prozess der Umsetzung des Landesaktionsplans, der Umsetzung der Inklusion, begleitet werden. Auch die Beschäftigten der Stadt müssen von vornherein in die Lage versetzt werden, den Anspruch, Inklusion zu denken, auch tatsächlich umsetzen zu können. Dafür werden sie informiert und geschult und dafür wird es klare Vorgaben der Personalverwaltungen geben.

Der Senat plant ganz konkret, das Vorblatt für Drucksachen neu zu gestalten. Hier wird in Zukunft bei allen Verfahren deutlich gemacht werden, ob und wie die Belange von Menschen mit Behinderung im Sinne der Inklusion berücksichtigt worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Das Ganze wird begleitet durch ein Vorhaben der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen, die die Umsetzung der Inklusion in der Verwaltung im Sinne des Mainstreaming untersuchen lassen und daraus neue Handlungserfordernisse und -vorschläge ableiten wird. Ich hoffe, dass sich an der Debatte über den Landesaktionsplan viele beteiligen, ich hoffe auf eine rege Diskussion und darauf, dass wir Ihnen bald ein gutes Ergebnis vorlegen können. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer dem Antrag der SPD-Fraktion aus Drucksache 20/3501 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 62, Drucksache 20/3533, Antrag der SPD-Fraktion: Artenvielfalt erhalten – Biotopverbund umsetzen.

[Antrag der SPD-Fraktion: Artenvielfalt erhalten – Biotopverbund umsetzen – Drs 20/3533 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 20/3646 und 20/3675 Anträge der Fraktionen der FDP und der LINKEN vor.

[Antrag der FDP-Fraktion: Artenvielfalt erhalten – Biotopverbund umsetzen – Drs 20/3646 –]

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Erhaltung der biologischen Vielfalt in Kooperation mit den Umweltverbänden – Drs 20/3675 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Buschhüter, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die GAL erhebt gerne den Vorwurf – hören Sie gut zu –, Naturschutz spiele in Hamburg keine Rolle mehr, seitdem die SPD regiert. Und das werden wir bestimmt auch gleich wieder hören. Was für ein Unsinn.

(Beifall bei der SPD)

Diese Behauptung wird auch nicht dadurch wahrer, dass Sie sie ständig wiederholen. Aber die Strategie der GAL ist ganz subtil: Sie suggeriert nämlich, dass es um den Naturschutz besser gestellt war, solange die GAL mitregierte.

(Jan Quast SPD: Das hat da schon nicht ge- klappt!)

Bei unserem heutigen Thema merken wir, dass auch diese Behauptung jeder Grundlage entbehrt und pure Legendenbildung darstellt.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GAL: Butter bei die Fische!)

Es geht heute um den Schutz der Artenvielfalt und den Biotopverbund. Rund 20 Prozent unserer Landesfläche sind als Landschaftsschutzgebiete und über 8 Prozent als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Damit nimmt Hamburg einen Spitzenplatz in Deutschland ein. Zusammen mit den landwirtschaftlich genutzten Flächen sind 40 Prozent der Hansestadt grüne Freiräume. Damit wird die Stadt Hamburg einerseits ihrem Ruf als grüne Metropole und andererseits ihrer Verantwortung für die Stadtnatur gerecht.

(Beifall bei der SPD – Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

Aber die Artenvielfalt ist auch in Hamburg stark gefährdet, denn durch die Ausweisung getrennter Schutzgebiete können nur etwa 30 bis 40 Prozent der schutzwürdigen seltenen Arten erhalten werden. Die übrigen Arten brauchen zum Überleben die räumliche Verbindung zwischen ihren Habitaten. Diese räumlichen Verbindungen schafft ein Biotopverbund und darum geht es heute.

Mit sehr markigen Worten wurde im Zuge der Beratungen des Hamburgischen Gesetzes zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes im Frühjahr 2010 von CDU und GAL beschlossen, in Hamburg nicht nur 10 Prozent, wie es das Bundesnaturschutzgesetz vorsieht, sondern sogar 15 Prozent der Landesfläche als Biotopverbund auszuweisen. Dieser Auftrag des Landesgesetzgebers an den Senat wurde aber unter Schwarz-Grün nicht umgesetzt, schlimmer noch: Der Vorgängersenat war nicht einmal in der Lage, im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens einen Sachstandsbericht dazu abzugeben. Das hat dann aber der Rechnungshof nachgeholt. In seinem Jahresbericht 2010 stellte er fest, dass der schwarz-grüne Senat weder eine Fachkonzeption Arten- und Biotopschutz erarbeitet noch nennenswerte Fortschritte beim Biotopverbund erzielt hatte.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die vollmundige Ankündigung erwies sich als heiße Luft.