Protocol of the Session on February 29, 2012

Und jetzt sagt der Bürgermeister, er möchte 420 Millionen Euro zusätzlich ausgeben. Auf die Frage, was wir für diese 420 Millionen Euro zusätzlichen Geldes bekommen, kann man nur eines antworten: gar nichts.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch nicht die Frage!)

Nichts über das hinaus, was wir auch jetzt schon haben. Wenn der Bürgermeister sagt, in der finanziell schwierigen Situation der Stadt wolle er dieses Geld ausgeben, dann braucht es schon ein paar mehr gute Begründungen als die kargen Sätze, mit denen er vor dieses Haus getreten ist; das war eindeutig zu wenig.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Was ist eigentlich so schlimm daran – diese Frage haben weder der Bürgermeister noch Sie, Herr Dressel, mit einer belastbaren Begründung beantwortet –, wenn ein ausländisches Unternehmen die Mehrheit an Hapag-Lloyd übernimmt? Nordex, ein großer Windanlagenbauer in Hamburg, gehört zu 100 Prozent einem indischen Unternehmen. Unilever mit seiner Zentrale in Hamburg gehört Holländern. Das ist alles überhaupt kein Problem. Was passiert denn, wenn ein ausländischer Konzern Hapag-Lloyd übernimmt? Für den Hauptsitz, für die Arbeitsplätze und für die Schiffe: gar nichts.

(Arno Münster SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

(Dr. Andreas Dressel)

Das ist so, meine Damen und Herren.

Die Zerschlagung und die Abwanderung kann Hamburg, ohne auch nur einen einzigen Cent zusätzlich zu investieren, verhindern.

(Jan Quast SPD: Sie wissen es doch eigent- lich besser!)

Vielleicht fragen Sie auch einmal ein paar Mitglieder Ihrer Fraktion, wie die das sehen.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Erster Vizepräsident Frank Schira übernimmt den Vorsitz.)

Dies war damals das Argument, warum wir uns engagiert haben. Jetzt kommt ein neues. Wenn nämlich ein ausländischer Konzern die Mehrheit übernimmt, dann würde er ungefähr 2 Milliarden Euro auf den Tisch legen. Es gibt übrigens auch eine Change-of-Control-Klausel beim Kapitalbedarf von Hapag-Lloyd bei der Finanzierung. Bei wechselnder Mehrheit haben die Banken ein Sonderkündigungsrecht. Ein neuer Investor müsste also wahrscheinlich auch die Finanzierung neu auf den Tisch legen und noch einmal 1 Milliarde Euro. Und all das macht ein Investor, um danach mit den Schiffen nicht mehr nach Hamburg zu fahren, obwohl er gleichzeitig einen Anteil am Containerterminal Altenwerder von 25 Prozent erwirbt?

Jetzt müssen Sie mir die wirtschaftliche Logik erklären, warum jemand 3 Milliarden Euro auf den Tisch legt und dann seinen Kunden, die ihren Container nach Hamburg liefern wollen, mitteilt, dass er dort nicht hinfahre.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das ist so, als ob Sie am Hauptbahnhof in ein Taxi steigen würden, nach Altona wollen und der Taxifahrer Ihnen dann sagt, er fahre nur nach Harburg. Dann fahren Sie nicht nach Harburg, sondern steigen aus und suchen sich einen anderen Taxifahrer.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Deshalb ist dieser Grund nicht belastbar. Es stellt sich die Frage, warum dieser Bürgermeister Hapag-Lloyd retten will, wenn Hapag-Lloyd gar nicht mehr gerettet werden muss, weil es schon längst gerettet ist und der Hauptsitz und der Verkehr im Hafen gesichert sind.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist eben nicht der Fall, das ist eben falsch!)

Es gibt einen anderen Grund, und diesen formuliere ich nicht in so schönen staatstragenden Sätzen, wie wir sie eben gehört haben. Der Senat ist angetreten und hat gesagt, dass der Hafen jetzt wichtig sei, wichtiger als alles andere in der Wirtschaftspolitik.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das war in der Tat nie Ihre Überzeugung!)

Der Wirtschaftssenator hat seit einem Jahr in diesem Bereich nichts zustande bekommen und den Stillstand verwaltet. Der alte Hafenentwicklungsplan wurde gestoppt, und auch ein Jahr später gibt es keinen neuen. Es gibt keinen Landstrom, beim zentralen Projekt dieses Senats, der Elbvertiefung, zeigen sich Kostenexplosionen, die langsam in die Dimensionen der Elbphilharmonie geraten, die Zeitpläne verschieben sich nach hinten. Das alles ist kein Grund für einen Kauf von Hapag-Lloyd. Aber so kann der Bürgermeister Aktivität vortäuschen und suggerieren, dass etwas passiere. Er kann sich als Mann der Wirtschaft profilieren, der den Konzernen und Gewerkschaften hilft und den Hafen rettet.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das hatte die GAL in der Tat nie vor, das stimmt!)

Das ist billige Symbolpolitik, die leider sehr teuer für die Stadt ist und unabsehbare finanzielle Risiken für den Steuerzahler mit sich bringt. Das ist kein gutes Regieren, sondern hochriskantes Spekulieren mit Steuergeldern.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Und dann diese arroganten Sätze von Ihnen, Herr Dressel, es gehe doch nicht um den Haushalt, sondern um die Kredite der HGV. Sie selber wissen, dass die HGV in diesem und im letzten Jahr Verluste gemacht hat. Die Finanzierung für diese 420 Millionen Euro wird der HGV direkt von der Stadt über den Verlustausgleich zur Verfügung gestellt werden müssen. Insofern würde ich mir wünschen, dass mehr Argumente von Ihrer Seite kommen statt billiger Polemik.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Dr. An- dreas Dressel SPD: Billige Polemik, das ist ein guter Hinweis! – Karin Timmermann SPD: Und das von Ihnen!)

Interessant ist, dass der Beifall aus der Wirtschaft, der das eigentliche Ziel Ihrer Aktion ist, ausbleibt. Beim letzten Mal gab es eine große Unterstützung, weil die Gefahr konkret war. Der Konzern NOL wollte kaufen und alle wussten, was dann passiert. Darum hat es eine große und breite Unterstützung aus der Wirtschaft gegeben. Aber haben Sie jetzt, wo der Bürgermeister sagt, ich rette Hapag-Lloyd zum zweiten Mal, eine einzige Stellungnahme der Handelskammer gehört? Gar keine. Oder haben Sie irgendeinen Reeder in der Öffentlichkeit vernommen, der gesagt hat, dass man das jetzt machen muss? Ich habe keinen einzigen gehört.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Drei sind Part- ner!)

Es würde mich interessieren, ob Sie mit Reedern gesprochen haben.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Meine Damen und Herren! Dieses betretene Schweigen aus der Wirtschaft ist eine sehr laute und deutliche Botschaft, dass selbst dort niemand versteht, warum diese Stadt 420 Millionen Euro ausgeben soll für etwas, wovon sie überhaupt keinen Nutzen hat. Das sollte Ihnen zu denken geben, anstatt in dieser Frage so rotzig und arrogant zu argumentieren, Herr Dressel.

(Beifall bei der GAL, der CDU und bei Anna- Elisabeth von Treuenfels FDP)

Das ist die Wirtschaftspolitik von Olaf Scholz, so war es doch auch bei den Netzen. Das war ein steuerfinanzierter Rettungsschirm für notleidende Atomkonzerne. Das einzige Unternehmen, das sich über diesen Deal freut, ist TUI, das schon seit fünf Jahren aussteigen will und bisher niemanden gefunden hat, der ihm die Mehrheit abkauft, das jetzt heilfroh ist, dass ein Bürgermeister ihm mit Steuergeldern wenigstens einen Teil abnimmt. Das finde ich schon bedenklich: 420 Millionen Euro, um die Aktionäre von TUI glücklich zu machen, und 15 Millionen Euro für die Banken. Dafür hat dieser Bürgermeister Geld, der gleiche Bürgermeister, der bei wichtigen Aufgaben Hamburgs sagt, dass wir uns diese nicht mehr leisten können. 40 Millionen Euro, damit sich die Universitäten im Exzellenzwettbewerb beteiligen können – dafür ist kein Geld da. 420 Millionen Euro für die Aktionäre der TUI – dafür hat er Geld. 30 Millionen Euro für einen Speicher der Historischen Museen für Einlagerungen, der dringend notwendig wäre, damit Betriebsmittel endlich in gute Ausstellungen gesteckt werden können – dafür hat die Stadt kein Geld, sagt der Bürgermeister. 420 Millionen Euro für die Aktionäre der TUI – dafür haben Sie Geld. Für Arbeitsmarktpolitik in benachteiligten Stadtteilen, 20 Millionen Euro haben Sie vom Bund gar nicht abgefordert – dafür haben wir kein Geld. 420 Millionen Euro für die Aktionäre der TUI – dafür haben Sie Geld.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Du warst doch mal im Haushaltsausschuss!)

Für Jugendcamps, Pfadfindergruppen und Bauspielplätze im Rahmen der Haushaltsaufstellungen – dafür haben wir weniger Geld.

(Dirk Kienscherf SPD: Dann stell' doch jetzt mal einen Antrag dafür, die 420 Millionen Euro umzuschichten!)

Aber 420 Millionen Euro für die Aktionäre der TUI – dafür haben Sie Geld. Herr Bürgermeister, verstehen Sie das unter gutem Regieren?

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Ich stehe zu diesem Satz und komme zu dem ganz entscheidenden Punkt, Herr Dressel, was damals anders war.

Bevor das Geschäft abgeschlossen wurde, haben wir mit der Opposition geredet, und es gab Einver

nehmen. Jetzt hat der Finanzsenator mit uns geredet, als es schon in der Zeitung stand, und zwei Stunden später haben die Gremien der TUI das Geschäft beschlossen. Dieser Senat hat noch nicht einmal versucht, Einvernehmen in diesem Haus herzustellen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dreimal Info im Ausschuss öffentliche Unternehmen!)

Für die Hast, in der jetzt entschieden wird, gibt es keinen Grund. Im September läuft die Andienungspflicht aus. Noch Anfang des Jahres hat der Finanzsenator gesagt, dass er sich nicht unter Druck setzen lasse und wir genügend Zeit hätten. Nun auf einmal muss mitten in den Ferien ein Sonderausschuss angesetzt werden, weil der Senat diesen Vertrag bis März durchhaben will. Das lässt eine sorgfältige Beratung und eine ernsthafte Einschätzung dieses Geschäfts nicht zu. Herr Bürgermeister, Sie vernachlässigen die soziale Infrastruktur in dieser Stadt, weil Sie dafür kein Geld haben, wollen aber 420 Millionen Euro ausgeben, um Reeder zu spielen. Mit diesem Projekt verlieren Sie jedes Maß und jede Mitte, und wir Grüne werden für dieses abenteuerliche und unverantwortliche Geschäft keine Verantwortung übernehmen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der GAL und verein- zelt bei der CDU)

Frau Suding hat das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

"Diese staatskapitalistische Schutzübung hat an der Elbe […] Tradition."

Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern ist ein Zitat aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 16. Februar. Er beschreibt die Lage in Hamburg ganz gut, denn wir sehen in der Tat bedrohliche Tendenzen hin zu einer Staatswirtschaft, die man schon fast eine Planwirtschaft nennen kann.

(Beifall bei der FDP)