Protocol of the Session on February 8, 2012

(Beifall bei der LINKEN)

Viel beschrieben wird auch der Fachkräftemangel – von meinen Vorrednern viel zu wenig erwähnt –, doch sind nach Meinung der Linksfraktion sowohl die Zustandsbeschreibungen wie auch die Lösungsansätze wenig hilfreich zur Behebung der Situation. Was im "Masterplan Industrie" mit familienfreundlicher Gestaltung der Arbeitswelt gemeint ist oder mit der Integration der Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt, bleibt nämlich nebulös und wirkt eher wie pflichtgemäße Prosa.

(Beifall bei der LINKEN)

2007 ist noch nicht so lange her. Wie rückständig in diesem Masterplan mit gleichstellungspolitischen Zielsetzungen umgegangen wird, hat mich erschreckt. Wo sind die Maßnahem zur Anhebung des Frauenanteils in der Industrie? Wo werden interkulturelle Maßnahmen beschrieben und eingeleitet? Darüber lese ich leider nichts.

(Zuruf von Finn-Ole Ritter FDP)

Herr Ritter, gerade hört das Parlament Ihnen zu; vielleicht sollten wir uns entscheiden, wer redet.

In Forschung und Entwicklung investieren Hamburger Unternehmen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt äußerst wenig. Das wird auch im Masterplan festgestellt und sollte angehoben werden, die Zahlen sind nämlich ernüchternd. Insgesamt steigerte sich Hamburg, aber der Anteil der Privatwirtschaft ist noch mehr gesunken. Und keinesfalls ansteigend sind die Drittmittel, die Hamburger Hochschulen von der gewerblichen Wirtschaft erhalten. Dabei wurde doch festgestellt – ich zitiere –:

"Exzellente akademische und nichtakademische Ausbildungsangebote sind […] wesentlich für die Attraktivität eines Standorts."

Weiter heißt es dort:

"Die Industrie hat gerade im technischen und ingenieurwissenschaftlichen Bereich hohe Ansprüche an den Fachkräftenachwuchs."

Den Fachkräftemangel hat sich die Privatwirtschaft, die Industrie, zu einem nicht unerheblichen Teil also offenbar selbst zuzuschreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

Gar nicht abgefragt hat die CDU-Fraktion leider die Energiekosten. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen und dazu ein paar Sätze sagen. Ziel des Masterplans sollte unter anderem sein – ich zitiere –:

"[…] dass Verbraucher und Unternehmen Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen erhalten und daher die wirtschaftliche Effizienz der einzelnen Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Rahmen der anstehenden Novelle überprüft wird."

Hierfür wollte sich die Freie und Hansestadt Hamburg auf Bundesebene einsetzen. Was ist nun das Ergebnis? Die Haushalte müssen am Ende blechen, denn die Industrieunternehmer wurden um Milliarden Euro entlastet. Sie müssen nämlich keine Gebühren für das Stromnetz zahlen und keinen Zuschlag für die Förderung von Strom aus Wind, Wasser und Sonne. Die Kosten tragen Privathaushalte und kleine Betriebe.

Der "Masterplan Industrie", das kann ich für die Linksfraktion feststellen, enthält viel Prosa und viel Gewünschtes.

(Beifall bei der LINKEN – Erster Vizepräsi- dent Frank Schira übernimmt den Vorsitz.)

Er taugt ganz sicher nur zum Teil, um die Probleme, die die Industrie ganz real hat, zu bewältigen, und richtet sich nicht unerheblich gegen die Interessen der auf Arbeit angewiesenen Menschen. Es bedarf daher dringend einer Neuausrichtung und Überarbeitung des Masterplans.

(Beifall bei der LINKEN)

Senator Horch hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir sagen es in Hamburg oft genug: Den wirtschaftlichen Erfolg verdankt der Standort Hamburg dem ungemein günstigen Branchenmix der gesamten Hamburger Wirtschaft. Ich als Hamburger Wirtschaftssenator bekenne mich natürlich ausdrücklich zum Industriestandort Hamburg. Nur mit einer starken und leistungsfähigen Industrie – wir haben das heute schon wiederholt gehört – kann sich die Hansestadt zu einer großen europäischen Metropole weiterentwickeln.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Industrieverband und Handelskammer haben es in ihrem ersten Konjunkturbarometer 2012 für Hamburg auf den Punkt gebracht: Höhere Investitionen in Hamburg, mehr Personal, insgesamt positive Aussichten, das sind die aktuellen Trends der Hamburger Wirtschaft.

Die Industrie zählt in Hamburg zu den wichtigsten Arbeit- und Auftraggebern. Sie ist unverzichtbar bei der Ausbildung und Qualifizierung der dringend benötigten Fachkräfte. Haben Sie es heute schon gehört? Günter Butschek, Vorsitzender der Geschäftsführung von Airbus Deutschland, bringt es für die Luftfahrtindustrie auf den Punkt, wenn er sagt:

"Die Luftfahrtindustrie wird auch 2012 wieder ein echter Wachstumsmotor sein. […] Dafür suchen wir in diesem Jahr allein für unsere norddeutschen Standorte mehr als 1000 hoch qualifizierte neue Mitarbeiter, den größten Teil davon sicherlich für den Standort Hamburg."

Wir sind in Hamburg in der glücklichen Lage, viele dieser Industrieunternehmen zu haben, die mutig sind, in die Zukunft zu investieren, und sich eindeutig zum Standort bekennen. Das führt dazu, dass die Industrie immer mehr auch für die Entwicklung und den Einsatz zukunftsweisender Innovationen steht. Sie ist die wesentliche Quelle des wirtschaftlichen Wohlstands am gesamten Standort Hamburg. Um nur eine Zahl zu nennen: Weit über 90 Prozent der F&E-Aufwendungen der Hamburger Wirtschaft entfallen auf das verarbeitende Gewerbe. Hamburgs Industrie nimmt damit deutschlandweit eine absolute Spitzenstellung ein. Deshalb ist es das erklärte Ziel des Senats, die Industrie zu stärken und ihre Zukunftsfähigkeit am Standort Hamburg sicherzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem "Masterplan Industrie" steht hierzu ein umfassendes Handlungskonzept zur Verfügung. Er bildet das sogenannte Dach für alle wirtschaftspolitischen Handlungsfelder, die für die Industrie von besonderer Bedeutung sind. Hierzu zählen unter anderem die Bereiche Verkehrsinfrastruktur, Flächenmanagement, Technologie, Umweltpolitik und das breite Feld der Clusterpolitik. Sämtliche Maßnahmen des "Masterplans Industrie" sind letztlich darauf ausgerichtet, Beschäftigung, Wirtschaftsleistung und Investitionen der Industrie am Standort Hamburg noch weiter zu steigern.

Mir als Wirtschaftssenator – und ich darf sagen, auch als früherem Initiator des "Masterplans Industrie" – ist deshalb die Umsetzung und die Weiterentwicklung dieses Masterplans äußerst wichtig. Er hat sich als ein hervorragendes Instrument der Zusammenarbeit zwischen Industrie, Kammern und Verwaltung etabliert.

Bei der Fortschreibung des "Masterplans Industrie" sind die fachlich zuständigen Behörden, die Handelskammer und der Industrieverband Hamburg die ganz engen Partner der gesamten Hamburger Industrie. Ein solcher Masterplan kann nur dann erfolgreich sein, wenn das Ergebnis im Konsens erzielt und damit auch von einer großen Akzeptanz

(Kersten Artus)

getragen wird. In einigen Handlungsfeldern, zum Beispiel dem Flächenmanagement, der Umweltpolitik, der Technologiepolitik und der Clusterpolitik, existieren bereits intensive Arbeitsgruppen, die kontinuierlich tagen. Für andere Handlungsfelder, für die Verkehrsinfrastruktur und auch die Modernisierung der Verwaltung und vor allem für die neuen Themen Energiepolitik und Fachkräftesicherung, werden gerade entsprechende Arbeitsstrukturen neu gestaltet.

Die Fortschreibung des "Masterplans Industrie" mit der weiteren Nennung von Einzelmaßnahmen wird im Jahr 2012 erfolgen. Ich bin sicher, dass wir dieses Ziel gemeinsam erreichen werden, und ich setze dabei auf eine insgesamt konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten.

Erlauben Sie mir zum Abschluss noch einige Worte zur Unternehmensentscheidung von Tesa, die in diesen Zusammenhang passen. Sie haben alle gehört, dass der Beiersdorf-Aufsichtsrat entschieden hat, die Zentrale und das Forschungs- und Technologiezentrum von Tesa nach Norderstedt zu verlagern. Die Produktion verbleibt in Hausbruch. Selbstverständlich, das ist gar keine Frage, hätten wir dieses Unternehmen mit der dahinterstehenden Tradition gern in Hamburg behalten und natürlich hätte sich auch der Finanzsenator gerne weiter über die Gewerbesteuern gefreut.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ja, aber die Arbeitsplätze!)

Wir müssen jedoch diese unternehmerische Entscheidung respektieren. Wichtig ist letztendlich, dass das Unternehmen und die Arbeitsplätze in der gesamten Metropolregion Hamburg verbleiben. Wir wissen, dass der neue Standort am Hamburger Flughafen großes Erweiterungspotenzial hat, das dem Wachstum von Tesa auch in Zukunft gerecht wird. Das wird langfristig aber auch zur Stärkung unseres gesamten Wirtschaftsraums in der Metropolregion beitragen. So sehen wir das als Hamburger Wirtschaft in Zusammenhang mit einem erfolgversprechenden Entwicklungsprozess für die gesamte Metropolregion und als eine reale Kooperation zwischen den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein. Sie verstehen, was ich damit auch zum Ausdruck bringen möchte.

Wir haben für Tesa mehrere umfassende Angebote ausgearbeitet und der Firma unterbreitet. Darum möchte ich mich ganz besonders auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Behörde und in den Bezirken Eimsbüttel und Altona bedanken, die ganz schnell Alternativen auf den Weg gebracht haben. Leider muss man feststellen, dass es am Ende bei der Entscheidung des Aufsichtrats von Beiersdorf nicht gereicht hat. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Katharina Wolff CDU)

Herr Stemmann hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch einige kurze Anmerkungen. Herr Kluth, dass die FDP es heute nicht so mit den Parteinamen hat, hat Herr Jarchow vorhin schon gesagt. Aber 2011 ist leider kein CDU-Alleinsenat ins Amt gekommen, sondern ein SPD-Senat; da sollten Sie noch einmal auf Ihr Manuskript schauen.

(Beifall bei Dorothee Martin und Dr. Monika Schaal, beide SPD – Arno Münster SPD: Gott sei Dank! – Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Das habe ich auch nicht behauptet!)

Dass Sie nicht wirklich zugehört haben, hat man dann auch im Anschluss an Ihre Rede gemerkt, aber wenigstens haben Sie das Industriebarometer richtig zitiert.

Da mangelte es bei Ihnen ein bisschen, Herr Balcke. Es ist leider nicht so, Herr Balcke, dass die Investitionen um 31 Prozent steigen. 31 Prozent der Unternehmen planen höhere Investitionen. Und auch die Beschäftigtenzahlen steigen nicht um 18 Prozent, wie Sie ausgeführt haben, sondern 18 Prozent der Betriebe wollen ihr Personal erhöhen, wenn sie es denn finden, denn Ihr Chef hat ausgeführt, dass gerade im Bereich des Flugzeugbaus Arbeitskräftemangel herrscht. Und da liegt ein Fehler im neuen Zuschnitt der Behörden, dass die Arbeitsmarktpolitik zur Sozialbehörde übergegangen und nicht in der Wirtschaftsbehörde verblieben ist. Das bedauern wir sehr und das macht sich jetzt nachteilig bemerkbar.

Ihre Ausführungen zu Tesa, Herr Balcke, klangen leider so, als ob der Senat das Unternehmen freiwillig hätte ziehen lassen. Ich bin froh, dass Herr Horch das eben richtiggestellt und aufgezeigt hat, welche Mühen man sich im Hintergrund gemacht hat.

(Beifall bei der CDU)

Frau Artus, lassen Sie mich noch kurz auf einen Ihrer Einwände eingehen. Sie haben sich gefragt, warum wir nicht die Energiekosten abgefragt haben. Gucken Sie bitte in die Drucksache 20/2123, unsere Große Anfrage zu Energiekosten und Energiearmut. Dort werden Sie finden, was wir wissen wollten und worauf auch Sie vielleicht gewartet haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage aus Drucksache 20/2452 in der Neufassung Kenntnis genommen hat.