Protocol of the Session on January 25, 2012

Wir haben inzwischen – manche von Ihnen kennen ihn vielleicht, ich habe ihn auch gelesen, Herr Czech offenbar noch nicht –

(Dr. Melanie Leonhard SPD: Sie haben ihn doch ins Internet gestellt!)

den Landesrahmenvertrag im Entwurf vorliegen, so, wie er am Freitag voraussichtlich unterschrieben werden soll. Was ergibt sich im Moment aus diesem Vertrag?

Erstens: Für die räumlichen und baulichen Probleme gibt es noch nicht ansatzweise vernünftige Lösungen. Die Senatsantwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage zu den Kantinen und Verpflegungen hat ergeben – schwarz auf weiß –, dass im Moment gerade einmal knapp 10 Prozent der Hamburger Grundschulen auch nur ansatzweise über Kantinenräume verfügen. Es sind dort 26 Schulen genannt, und auch die sind zum Teil so klein, dass die Kinder im Mehrschichtbetrieb essen müssen. Für alle anderen Schulen ist es im Moment praktisch nicht möglich. Es wird vom Senat nur darauf hingewiesen, man werde Übergangslösungen finden, Containeressen im Klassenraum oder in der Pausenhalle. Wer Kinder hat, weiß, was in der Pausenhalle mittags los ist. Die Vorstellung, dass dort dann die Kleinen im Schichtbetrieb essen und bei schlechtem Wetter die anderen drum herumtoben, ist schlichtweg unrealistisch und jedenfalls nicht im Interesse der Familien.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die rechtliche Struktur dieses Vertrags ist im Moment auch noch nicht zu Ende gedacht. Ein wichtiger Punkt ist die Frage der Aufsichtspflicht während des Mittagessens. Hier geht die Schulbehörde offenbar davon aus, dass künftig auch die Lehrkräfte die Aufsichtspflicht während des Mittagsessens ausüben müssen. Herr Czech, sehen Sie sich vor, neben der Aufsichtspflicht kommen auf Sie als Lehrer künftig möglicherweise auch noch das Abräumen der Teller und das Tellerwaschen hinzu.

(Lars Holster SPD: Bleiben Sie mal sach- lich!)

Denn von der Auswahl bis zum Einkauf, von der Abrechnung bis zur Essensausgabe, vom Geschirrspülen bis zur nachträglichen Reinigung sind die Aufgaben nach diesem Landesrahmenvertrag, den Herr Rabe durchzudrücken versucht, in der Schule angesiedelt. Und das heißt, sie kommen auf die Schulleitungen und die Lehrkräfte zu.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch lächerlich!)

(Matthias Czech)

Was Herr Rabe übersieht, ist, dass das Ziel der guten Idee der Ganztagsbetreuung doch nicht sein kann, einfach nur eine Verwahrung der Kinder am Nachmittag in der Schule vorzunehmen, sondern wir müssen, wie das Wort schon sagt, das von ganztägiger Betreuung und Bildung spricht, auch ein inhaltliches Angebot haben. Wir haben, das wissen Sie vielleicht, vor einigen Jahren angefangen mit einigen Pilotschulen, dies in Hamburg zu testen.

Frau Kutter von "der tageszeitung", die nun wirklich politisch unverdächtig ist, mit "Wir wollen lernen!" irgendwie gemeinsame Sache zu machen, hat diese Schulen besucht. Was schreibt nun Frau Kutter? Ich möchte Ihnen kurz einige Zeilen daraus vorlesen. Sie beschreibt die alltägliche Situation einer solchen Nachmittagsbetreuung gerade vorgestern in "der tageszeitung" – ich zitiere –:

"[Frau] Niemann steht an einem kleinen Tresen, sie ist 'Etagenerzieherin' und wacht in der Zeit von 13 bis 16 Uhr mit Handy und einer Liste über An- und Abwesenheit von über 60 Kindern. Auch im ersten Stock und im Erdgeschoss gibt es solche Tresen mit je einem Kollegen. Alle volle Stunde sammeln sich die Kinder hier und sprechen ab, was als nächstes zu tun ist.

[…] Das Angebot wirkt spartanisch. Mittags essen die Kinder in einem roten Container-Gebäude. Im Ruheraum gibt es kein Spielzeug, nur eine Kiste mit tausend Holzsteinen, die der Elternrat spendete."

Zitatende.

So stand es vorgestern in "der tageszeitung" über die Projekt- und Modellschule Schimmelmannstraße. Lassen Sie sich das einmal wirklich im Munde zergehen. Diese Form der Kinderverwahrung wollen wir nicht. Die Hamburger Eltern haben ein Recht darauf, dass das GBS-System nicht zu einer solchen Verwahrung verkommt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich möchte deshalb an alle Abgeordneten des Hohen Hauses appellieren, unseren Zusatzantrag zu unterstützen. Das gilt auch für die Eltern der Vorschulkinder, die jetzt angemeldet worden sind, bevor nachträglich vom Senat mitgeteilt wurde, dass das Ganze nun Geld kosten muss. Sie müssen ein Rücktrittsrecht haben, das ist eine Selbstverständlichkeit, aber es muss offiziell auch einmal ausgesprochen werden.

Außerdem brauchen wir klare Definitionen von Mindeststandards, was in diesem Betreuungssystem gelten soll, räumlich, pädagogisch und inhaltlich. Hier findet sich in dem Vertrag auch noch nichts. Wir brauchen vor allem, das ist mindestens genauso wichtig, eine Evaluation dieser Pilotschulen. Zehn bis 13 Schulen haben dies jetzt seit

zwei Jahren durchgeführt, aber warum wird nicht evaluiert, was dabei herausgekommen ist und geschaut, welche Folgerungen man daraus zieht?

Das sind die Hausaufgaben, die man machen muss, bevor man dies einführt und bevor man so einen Pauschal- und Blankovertrag abschließt, mit dem alle freien Hortträger möglicherweise auf der Straße bleiben.

Und schließlich brauchen wir die Flexibilität, die in diesen Pilotschulen zum Teil gewährt wird. Die kann man ohne Weiteres auch an allen GBS-Schulen den Eltern anbieten, es spricht überhaupt nichts dagegen. Die Hamburger Eltern wollen nicht nur eine Verwahrung ihrer Kinder, sondern sie wollen Qualität, Flexibilität und Freiwilligkeit. Darauf haben sie ein Recht und deswegen bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau von Treuenfels, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator Rabe, Ihre bis jetzt lückenhaft auf den Weg gebrachte Reform hat vor allem zu einem geführt, und zwar zur Verunsicherung – Verunsicherung bei den Schulen, den Hortträgern und auch bei den Eltern. Die Schulen stellen Anträge und erfahren erst nach deren Bewilligung, dass sie bei notwendiger Zusammenarbeit mit einem Hort für die aufwendige Organisation des Mittagessens zuständig sein werden. Was das umfasst, hat Dr. Scheuerl gerade gesagt.

Die Hortträger sind verunsichert, weil sie nicht wissen, ob und wie sie zukünftig noch in Anspruch genommen werden. Sie beginnen bereits jetzt, ihre Hortplätze in Krippenplätze umzuwandeln. Immer mehr Eltern wünschen sich zwar eine Ganztagsbetreuung für ihre schulpflichtigen Kinder, sie wissen aber nicht, was sie und ihre Kinder erwartet, wenn sie eine Schule wählen, die ein GBS-Standort wird. In der laufenden Anmelderunde müssen sie sich für eine Schule entscheiden, ohne die konkreten Rahmenbedingungen zu kennen. Und da die Träger schon beginnen, die Plätze abzubauen, wissen die Eltern auch nicht, ob sie noch einen Hortplatz bekommen werden. Kurzum: Wir befinden uns in einer Situation, die weder für die Schulen, Kinder und Eltern noch für die Hortträger zumutbar ist. Hier droht ein Ganztagsdesaster statt einer Ganztagsbetreuung.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

An jeder Ecke werden Baustellen aufgerissen, aber nicht wieder geschlossen. Auch nach der Einigung auf einen Landesrahmenvertrag bezie

(Dr. Walter Scheuerl)

hungsweise Kooperationsvertrag sind noch haufenweise Punkte ungeklärt. Dabei geht es um ganz praktische, aber entscheidende Dinge. Zum Beispiel ist die Frage nach den Räumlichkeiten nach wie vor offen, auch die nach der konkreten Organisation des Mittagessens. Nicht einmal die Hälfte der 54 Schulen, die gern eine Betreuung am Nachmittag anbieten, hat eine Kantine. In 29 Schulen müssen Kinder in den Pausenhallen der Aula oder in ihren Klassenräumen zu Mittag essen. Wann sie eine Kantine bekommen, ist nicht absehbar. Startschwierigkeiten sind bis zu einem gewissen Grad normal, aber wir haben die Befürchtung, dass aus diesen Anfangsproblemen ein Dauerprovisorium wird, und das werden wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei der FDP)

Das GBS-Angebot setzt auf Freiwilligkeit, wie Sie immer betonen. Dazu gehört aus liberaler Sicht auch ganz entscheidend eine Wahlmöglichkeit. Eltern müssen in der Übergangsphase entscheiden können, ob sie ihr Kind mittags abholen, es zum GBS-Angebot anmelden oder lieber auf die bewährte Form der Betreuung im Hort setzen wollen. Zurzeit verliert ein Kind aber seinen Anspruch auf einen Hortgutschein, wenn es an einer GBS-Schule angemeldet wird. Das ist aus unserer Sicht überhaupt nicht akzeptabel.

(Beifall bei der FDP)

Gerade in der Umbruchsphase ist es wichtig, dass Eltern ihren Anspruch auf einen Hortgutschein nicht verlieren, sondern behalten und weiterhin selbst über die Form der Betreuung entscheiden können. Das GBS-Angebot setzt, wie gesagt, auf Freiwilligkeit. Aber die Anwesenheit bis 16 Uhr an drei Tagen in der Woche soll Pflicht werden. Es heißt, das sei pädagogisch notwendig.

(Wolfgang Rose SPD: Stimmt auch!)

Ich bin davon überzeugt, dass auch die bisherigen Hortangebote pädagogisch sinnvoll und notwendig waren und noch immer sind. Dort galten flexible Abholzeiten, warum soll das in der GBS ein Problem sein?

Aus unserer Sicht ist die Reform noch nicht ausgereift. Eine Entscheidung wäre eigentlich wünschenswert gewesen. Aber wir können die Eltern auch nicht im Regen stehen lassen. Deshalb fordern wir Senator Rabe auf, die Bedenken und Sorgen der Eltern ernst zu nehmen und gemeinsam mit Schulen, Eltern und Trägern konkrete Lösungswege zu suchen. Die Runden Tische scheinen uns dabei ein guter Weg zu sein. Sie sollten nicht nur an einzelnen, sondern an allen GBS-Standorten eingesetzt werden. Nur dann wird diese neue, umfassende Hamburger Ganztagsbetreuung nicht zum Ganztagsdesaster. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Yildiz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind dafür, dass die Schulkinder einen Anspruch auf Bildung und Betreuung haben. Daher unterstützen wir das GBS-System, aber wir haben noch einige Kritik.

Aus unserer Großen Anfrage geht hervor – wie auch in der öffentlichen Diskussion –, dass einige Korrekturen stattfinden müssen. Auf unsere Frage nach den 28 laufenden Pilot- und Modellschulen gab es folgende Antworten: Erstens seien bis 2015 die Kantinen noch nicht fertig. Zweitens würden in sieben Schulen die Kinder im Klassenraum essen, davon in drei Schulen in Containern, in fünf Schulen würde in der Aula gegessen und, wie auch meine Vorredner sagten, in fünf Schulen in der Pausenhalle. Das Essen findet in drei Schichten statt. Unter diesen Verhältnissen würde ich die Mitarbeiter nicht kritisieren, das ist auch normal. Vielfach fehlen Räume für die versprochenen und geplanten Verköstigungsangebote.

In den KESS 1- und KESS 2-Bereichen haben im Durchschnitt über 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler einen besonderen Förderbedarf. Aber auch die Kooperation der GBS-Schulen mit dem Sozialbereich und der Jugendhilfe ist nicht zu Ende gedacht. Auch hier sind die Akteure an einen Runden Tisch zu bringen.

Die Pläne des Senats und des Sozialsenators zur GBS und die sozialräumlichen Hilfen und Angebote müssen aufeinander abgestimmt werden. Es wäre katastrophal, wenn in einem Stadtteil eine GBS-Schule mit der Arbeit beginnt und ein erfolgreich arbeitender Bauspielplatz schließen müsste. Die Meinung, dass mehr Qualität in das System muss, ist hier Konsens. Der Grundschulverband hat auch Eckdaten dazu vorgelegt. Das kann von Sozialdemokraten, auch von Herrn Rabe und Herrn Scheele, nicht einfach so hingenommen werden, sondern es muss in die Planung mit einfließen.

Ebenfalls muss ein sozial gerechtes Gebührenmodell, das erwähnten auch meine Vorredner, her.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit Herbst letzten Jahres hat der Senat dies versprochen, aber es ist immer noch kein Gebührenmodell da. Darauf warten alle Beteiligten, Eltern und Einrichtungen, aber auch wir im Parlament nun schon seit einem Jahr. Hier muss schnell etwas passieren. Daher unterstützen wir auch die Forderung der CDU, bis zum 31. März ein konkretes Konzept vorzulegen.

An der weiteren Auswertung und Planung sind die Eltern und Beschäftigten zu beteiligen, um die Mängel im System endlich in den Griff zu bekom

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

men. Im Bereich der Vorschulen sind unbedingt gleiche Bedingungen in diesem System herzustellen. Die Vorredner erwähnten auch, dass man im Hort bessere Bedingungen hätte als bei der GBS. Das muss verbessert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie es der Landeselternausschuss fordert – Herr Scheuerl, da sind Sie später eingestiegen –, bin auch ich für ein Rücktrittsrecht der Eltern, bis die genannten Kritikpunkte verbessert werden. Ein Gutachten des SOAL hat konkret dargelegt, dass der jetzige Personalschlüssel in den Kitas rechtswidrig ist. Hier schönzurechnen, dass der Personalschlüssel 1:13 Kinder betrage, ist nicht ganz richtig. Man muss nämlich die Vor- und Nachbereitungszeit in den Schulen berücksichtigen, was ich für richtig halte, was Herr Rabe und Herr Scheele den Trägern zugesagt haben. Hinzu kommt die Kooperationszeit mit dem Träger. Wir können von den Trägern nicht erwarten, dass sie dies jetzt in Personal umwandeln, sondern es muss der reine Personalschlüssel verbessert werden.