Protocol of the Session on December 15, 2011

Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP (fortfah- rend): Wir Liberale sind daher der Ansicht, dass die Schaffung eines Auszubildendenwerks und ei

nes Wohnheims für viele der circa 39 000 Jugendlichen, die momentan ihre duale Berufsausbildung in unserer Stadt absolvieren, ein guter und wichtiger Schritt ist.

Wir stimmen dem Antrag der SPD-Fraktion inhaltlich in allen Punkten zu, allerdings sind wir durch die neuen ungeklärten Hintergründe für eine Überweisung an den Wirtschaftsausschuss und würden uns freuen, wenn Herr Balcke den Sachverhalt aufklären könnte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Frau Artus, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Die Wohnungsnot in Hamburg und fehlender günstiger Wohnraum betrifft ganz besonders junge Erwachsene, die sich von ihren Eltern emanzipieren wollen. Der sehr lange Titel des Antrags der SPD wirkt auf mich daher etwas bemüht. Aus der Sicht meiner Fraktion kann die Schwerpunktsetzung nicht der Fachkräftenachwuchs sein. Es geht vielmehr darum, dass junge Erwachsene selbstständig leben können.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christiane Blömeke GAL)

Fachkräftenachwuchs ist in diesem Kontext für mich ein Begriff, der rein unternehmenskonzentriert und personalwirtschaftlich das Thema angeht. Als Gewerkschafterin befremdet mich dieses Herangehen der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der LINKEN)

In erster Linie geht es doch wohl darum, dass die Wohnungsnot und die steigenden Mieten es fast unmöglich machen, dass junge Leute für eine Ausbildung nach Hamburg kommen. Wir reden übrigens über kein neues Phänomen. Als ich 1982 für meine Ausbildung nach Hamburg kam, fand ich ein Zimmer zur Untermiete bei einer alten Dame in Lurup. Aber die ersten drei Monate, nachdem ich meine Ausbildung begonnen hatte, musste ich jeden Tag pendeln. Es war von Bremen nach Hamburg und zurück zwar nicht das große Problem, aber es erschwerte die Integration erheblich.

Wie demokratisch soll ein Auszubildendenwerk organisiert sein, das als private Stiftung organisiert ist und fungiert? Diese Frage drängt sich uns ganz wesentlich auf.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wird in dem Antrag leider nicht beantwortet. Wir fordern daher, dass diese Stiftung wenigstens ein transparentes Berichtswesen pflegt. Fakt ist zudem, dass mit einem Wohnheim nur ein kleiner Teil des Problems gelöst wird. So, wie das Auszu

bildendenwerk und das Auszubildendenwohnheim geplant sind, kann DIE LINKE dem nicht zustimmen.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Warum soll ein geeignetes Grundstück seitens der Stadt und eines städtischen Unternehmens bereitgestellt und als Zustiftung in das Vermögen der Stiftung übertragen werden? Warum soll die Stadt einen einmaligen städtischen Beitrag zur Finanzierung des Starts der Stiftung aufbringen? Warum sollen nur die städtischen Unternehmen, die selbst ausbilden, einen Beitrag für das Auszubildendenwerk leisten? Angeblich sollen sich, so heißt es im SPD-Antrag, die Zuschüsse der Wirtschaft auf 10 Millionen Euro belaufen; Zusagen über siebenstellige Beträge aus der Wirtschaft sollen bereits vorliegen – sollen, sollen, sollen.

(Dietrich Wersich CDU: Höchst nebulös!)

Sehr wohl, Herr Wersich.

Es gibt noch eine Menge weiterer Fragen. Wie viel soll das Auszubildendenwohnheim eigentlich kosten? Soll Herr Fronczek, der schon als Juso aktiv im SPD-Wahlkampf mit dem Thema unterwegs gewesen ist, auch Herbergsvater werden? Wer bestimmt, welcher Bewerber und welche Bewerberin ins Auszubildendenwohnheim aufgenommen werden?

(Dietrich Wersich CDU: Johannes Kahrs!)

Wer bestimmt, wie hoch die Miete für die Auszubildenden sein soll? Wer sind die Mitglieder der im SPD-Antrag genannten Initiative? Wer trägt die laufenden Kosten? Ich denke, diese Fragen berechtigen, dass die drei jetzt vorliegenden Anträge dringend an den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden müssen, denn das muss diskutiert werden, sehr geehrte Herren und Damen.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU)

Die LINKE sagt, keine Staatsknete für private Investoren. Wir brauchen ein Auszubildendenwohnheim, aber eines in öffentlich-rechtlicher Hand. Und wir brauchen eine demokratische Leitung und Kontrolle des Auszubildendenwerks und des Auszubildendenwohnheims.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Balcke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen die Furcht vor der roten Front, oder wie Sie es nennen wollen, nehmen. Nennen Sie mir, liebe GAL, LINKE, FDP oder CDU, eine Initiative, die zum Beispiel von der Jungen Union oder von den Grünen initiiert wird.

(Zurufe von Christiane Schneider DIE LINKE und Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP)

Ich will Ihnen sagen, woher diese Initiative kommt, mit der beispielsweise Herr Duge seit Monaten im Gespräch ist: Es ist eine Initiative aus der DGB-Jugend.

(Zuruf von Birgit Stöver CDU)

Und diese Initiative aus der DGB-Jugend wird von der SPD unterstützt, und zwar ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Um es noch ein wenig unverdächtiger zu machen: Wir sind für Vorschläge dankbar, her damit.

(André Trepoll CDU: Das wird immer ver- dächtiger!)

Die Handelskammer und die Handwerkskammer unterstützen dieses Projekt seit vielen Monaten. Aber diejenigen, die sich jetzt besonders laut zu Wort melden, sind offensichtlich an der inhaltlichen Diskussion nicht interessiert.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Sie über- weisen das jetzt ja auch!)

Wir werden den Überweisungsanträgen nicht zustimmen und diese Anträge heute beschließen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Heintze.

Herr Balcke, ich möchte auf zwei Dinge hinweisen und ich glaube, wir müssen jetzt ein bisschen vorsichtig sein. Es geht hier nicht um 10 000 Euro zum Beispiel für ein Projekt des Rings Politischer Jugend oder darum, einmal einem Sportverein zu helfen oder einer Initiative mit Sondermitteln etwas Gutes zu tun. Es geht darum, einer Stiftung – zu der es zu Recht Fragen gibt – ein Grundstück zu geben und ein Großvorhaben mit auf den Weg zu bringen, bei dem nicht einfach nur ein paar Menschen, die für Jugendliche etwas organisieren wollen, unterstützt werden sollen. Sie wollen hier einen richtig großen Träger aus dem Boden stampfen und das, entschuldigen Sie bitte, im Eilverfahren.

Wenn wir dann dort Namen haben wie den des Erfinders des Ganzen, Olaf Schwede von der SPD, der demnächst in diesem Haus sitzt, wenn von der SPD wieder eine Position in der öffentlichen Verwaltung besetzt wird, die ein Bürgerschaftsmandat ausschließt, der also an dieser Stelle auch ein selbst Betroffener ist. Wenn Sie in dieser Diskussion zu diesem an sich guten Thema Transparenz verweigern, dann müssen Sie sich nicht wundern, dass Ihnen vorgeworfen wird, Sie versuchten hier unter dem Deckmantel eines richtigen Anliegens ordentlich Filz zu produzieren.

(Kersten Artus)

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Wenn Sie selber Interesse daran haben, dieses gute Anliegen nicht zu beschädigen, dann tun Sie alles dafür, dass dieser Eindruck nicht entsteht. Sonst leisten Sie allen, die dieses Ausbildungswerk in Anspruch nehmen wollen, einen Bärendienst. Und da zieht die CDU nicht mit. Wir ziehen mit, wenn wir inhaltlich sachlich diskutieren, wenn Strukturen transparent gemacht werden und wenn dann die Idee auch noch gut ist. Wenn Sie einer Überweisung nicht zustimmen wollen, dann leisten Sie dem Filzverdacht mit Ihren eigenen Stimmen Vorschub und das kann nicht das Ziel einer Regierungsfraktion sein.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der GAL und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Wenn in dem Antrag nur stünde, es solle geprüft werden, ob es im bürgerlichen Umfeld, bei der JU, bei der FDP, bei der LINKEN oder den Grünen ähnliche Träger gibt, und wenn dort stünde, Sie wollen ein Auszubildendenwerk und es solle geprüft werden, ob es Träger gibt, die das schnell umsetzen können, dann wäre das eine völlig andere Formulierung, als wenn Sie ins Petitum schreiben, der Senat wird aufgefordert, für einen bestimmten Träger im Detail das und das zu tun. Wenn Sie Ihre Anträge so formulieren, aber etwas anderes meinen, dann formulieren Sie sie das nächste Mal anders, aber fördern Sie nicht gezielt einen SPD-Träger, um mit dem Geld der Steuerzahler Filzstrukturen zu schaffen.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL, Finn-Ole Ritter FDP und Dora Heyenn DIE LINKE)

Es war Ihr Erster Bürgermeister, der eine Transparenzoffensive und gutes Regieren angekündigt hat; er will sogar Verträge mit Vattenfall und E.ON öffentlich machen. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass in den Reihen der Regierungskoalition noch nicht angekommen ist, was der Bürgermeister wirklich will. Denn eines kann er nach meinem Verständnis nicht wollen, nämlich dass gutes Regieren in dieser Stadt mit SPD-Filz übersetzt wird. Das kann nicht sein Anliegen sein.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es noch eines Belegs bedarf – ich glaube, in der Fraktion haben noch nicht alle den Antrag gelesen, zumindest wird gerade heftig gelesen –, so steht dort:

"Der Senat wird aufgefordert, […] zu prüfen, wie die Schaffung eines ersten Auszubildendenwohnheimes in Trägerschaft der Stiftung "Auszubildendenwerk" insbesondere dadurch unterstützt werden kann, dass ein geeignetes Grundstück seitens der Stadt oder

eines städtischen Unternehmens bereitgestellt […] wird."