Protocol of the Session on December 14, 2011

Das Wort hat die Abgeordnete Rugbarth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Aus der Großen Anfrage der CDU hat sich, Frau Prien, obwohl brav gefragt und von der Behörde auch sehr brav beantwortet, wenig Neues für uns in den Fachausschüssen ergeben. Ich habe mir die Frage gestellt, wie denn die Wirtschaftspolitik der letzten zehn Jahre war.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Erfolgreich!)

Dazu komme ich gleich.

Sie haben eine Menge Fragen zu den Mittelstandsvereinbarungen I und II gestellt, die die Behörde auch brav beantwortet hat: welche Projekte es gab, welche Institute es gibt und dergleichen mehr. Was nicht abgefragt wurde, ist die spannende Frage, was in der Wirtschaft eigentlich tatsächlich angekommen ist. Welche Maßnahmen haben gegriffen, welche Maßnahmen haben unsere Wirtschaft vorangebracht? Dass es da nicht so viel gab – einiges ist passiert, aber nicht viel –, ist einer der Gründe dafür, dass Sie im Februar abgewählt worden sind.

(Roland Heintze CDU: Was? – Klaus-Peter Hesse CDU: Dafür?)

Finanzen und die Wirtschaft haben nicht gestimmt.

(Zurufe von der CDU)

Da haben Sie Federn gelassen, da können Sie noch so sehr schreien.

(Beifall bei der SPD)

(Karin Prien)

Insofern finde ich es äußerst sportlich von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, dass Sie zehn Jahre Ihres teilweisen Versagens in diesem Bereich zur Debatte anmelden.

(Dennis Gladiator CDU: Das ist völliger Un- sinn!)

Kommen wir einmal zu den Punkten, die im Einzelnen in der Anfrage aufgeführt sind. Ich will gar nicht auf alle Institute und Förderprogramme eingehen. Eines ist auf jeden Fall Fakt: Wir haben nicht zu wenig an Instituten, die sich um Förderung bemühen, und auch nicht zu wenig an Programmen. Sie haben in Ihrer Regierungszeit ganz einfach versäumt, die Spreu vom Weizen zu trennen und zu prüfen, was die Wirtschaft wirklich voranbringt. Ich erinnere nur an den Feuerwehrfonds, den wir zu Anfang des Jahres abgelehnt haben. Er war schon zu dem Zeitpunkt, als er verlängert wurde, eigentlich ein Auslaufmodell. Alle wussten, dass das nicht funktionieren würde, weil die EU Rahmenbedingungen gesetzt hatte, die wir gar nicht erfüllen konnten. Es gab auch de facto keine Förderung irgendeiner Firma in Hamburg, aber das Ding ist mit einem riesigen Getöse durch die Medien gegangen. So wurde Wirtschaftspolitik gemacht. Das kann es ganz einfach nicht sein. Sie haben versäumt, das auszudünnen und auf die Programme zu reduzieren, die wirklich erforderlich sind.

Sie sind auch auf die Gewerbeflächenversorgung eingegangen, Frau Prien. Da gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht, ich wundere mich nur, dass Sie sagen, das dass alles nicht optimal gelaufen sei. Das ist eine Selbstkritik, die durchaus berechtigt ist. Die Gewerbeflächenversorgung wurde von der Wirtschaft heftig kritisiert. Insbesondere kleine Firmen konnten nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt werden. In Streulagen vernünftige Grundstücke zu bezahlbaren Preisen zu finden, war einfach nicht drin, weil es ein Höchstgebotverfahren gab oder aus welchen Gründen auch immer. Insbesondere in der letzten Phase Ihrer Regierungszeit wurden Gewerbeflächen in Wohnflächen umgemünzt, allerdings ohne Kompensation für die Wirtschaft. Das kann es nicht sein, Sie haben es auch angesprochen, das muss natürlich verändert werden. Insofern gebe ich Ihnen recht, dass wir uns im Wirtschaftsausschuss sicherlich noch über Gewerbehöfe und dergleichen mehr unterhalten müssen. Und sicherlich wird dazu auch etwas in der Mittelstandsvereinbarung III stehen. Sie haben allerdings nicht recht, wenn Sie sagen, dass die Innovation fehle. Wir haben gerade bei den Haushaltsberatungen einen Antrag verabschiedet, zusätzliche Gelder für Innovationen bereitzustellen.

Eines wurde in dieser Drucksache nicht abgefragt, aber das haben Sie auch angesprochen, nämlich der Fachkräftebedarf. Es geht nicht nur darum,

dass wir unsere Fachkräfte weiterbilden und entsprechende Angebote bereitstellen, sondern es geht auch darum, dass wir für diese Fachkräfte, die Hamburg dringend benötigt, Wohnraum bereitstellen, denn sonst kommen sie nicht.

(Beifall bei der SPD)

Dafür werden wir sorgen, das ist allseits bekannt. Auch Ihre Forderung eines aktiven Flächenmanagements wird von uns vorangebracht. Ich denke, dass wir uns auf einem guten Weg befinden in Richtung Mittelstandsvereinbarung III und freue mich schon auf weitere Diskussionen zum Mittelstand; das erwärmt das Herz jedes Mal. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat Herr Dr. Tjarks das Wort.

(Dirk Kienscherf SPD: Was ist mit den Klas- senarbeiten?)

– Die sind alle fertig.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der deutsche Mittelstand ist immer wichtig. Und wenn man in die Mühen der Ebene kommt, sind die Reihen selten voll. Heute sind sie eher gut besucht und das, obwohl es – Frau Rugbarth sagte es – eigentlich wenig Neues gibt.

Wenn man sich die Große Anfrage anschaut, müssten eigentlich mit den Gewerbeflächen – 100 Hektar gefragt, 100 Hektar sind da – alle zufrieden sein. Ich möchte an dieser Stelle einmal für eine etwas realistischere Betrachtungsweise werben, denn zum einen sind viele dieser Flächen lange in den 100 Hektar und werden scheinbar nicht richtig abgefragt.

(Jens Kerstan GAL: Und werden da auch lange bleiben!)

Zum anderen wollen alle Parteien in diesem Parlament auch den Wohnungsbau vorantreiben. Und drittens – das ist dann der grüne Punkt – müssen wir uns eingestehen, dass die Flächen in Hamburg endlich sind. Deswegen würde ich mir an dieser Stelle eine Debatte wünschen, die stärker in die Richtung geht, wie viel Wertschöpfung wir eigentlich auf städtischen Flächen in Hamburg betreiben wollen, anstatt sich immer sklavisch an dieser Zahl von 100 Hektar festzuhalten.

(Beifall bei der GAL)

Auf die Gefahr hin, dass man sich wiederholt, möchte ich doch zwei Dinge ansprechen, nämlich die Investitions- und Förderbank, denn das macht eigentlich die Mittelstandsfinanzierung aus. Ich finde es gut und positiv, Herr Senator, dass Sie auch die Opposition in nächster Zeit stärker mit einbinden wollen, denn ich glaube, gerade wenn man solche großen Strukturveränderungen machen will,

(Andrea Rugbarth)

ist es immer gut, wenn sie möglichst breit getragen werden, denn große Strukturveränderungen sollte man nicht dauernd wieder ändern.

Ich finde auch gut, dass Sie sagten, dass die Kooperation mit der Investitionsbank Schleswig-Holstein vorangehe. Sie ist aber in bestimmten Punkten begrenzt, denn wenn sich zwei Bundesländer in Standort- und Einwohnerkonkurrenzen bewegen, ist eine Kooperation derjenigen Institute, die genau diese Konkurrenzen ausleben, begrenzt.

Uns stellt sich noch die Frage, welche Instrumente zur Strukturpolitik Sie anwenden wollen. Wir sind gerade mit dem Fall Sietas-Werft beschäftigt. Mich hat es ein bisschen nervös gemacht, als Herr Völsch einmal sagte, Sietas wäre ein gutes Beispiel für gelungene Strukturpolitik. Strukturpolitik ist eine Chiffre für nicht-marktgängige Kredite, und wenn dann noch politischer Einfluss dabei ist, dann ist man schnell dabei, viel Geld zu versenken. Und gepaart mit der Frage, wie groß und wie umfangreich diese Bank eigentlich sein soll, entstehen natürlich auch einige Kosten bei der Stadt.

Uns ist wichtig, dass in dieser Investitionsbank, wenn denn viele Institutionen dort aufgehen, zwei Dinge passieren. Zum einen gehen nicht alle Institutionen dort auf. Wir werben dafür, die Innovationsstiftung, die eine gute und effiziente Arbeit macht, beizubehalten. Wir würden uns wünschen, dass Sie sich dafür entscheiden könnten, die Innovationsstiftung aus diesem Konzept herauszunehmen. Wir wünschen uns auch – der Kollege Kluth hat es vorgerechnet, es gibt etwa 38 Wirtschaftsförderungsprogramme in Hamburg, bei der Zahl können Sie mich noch korrigieren –, dass mit diesem neuen Institut auch Effizienzsteigerungen verbunden sind.

Wir sollten in nächster Zeit die Debatte um diese Investitions- und Förderbank führen. Das ist die eigentlich spannende Debatte, um den Mittelstand in dieser Stadt voranzubringen. Ich freue mich auf diese Debatte, wenn Sie das Konzept vorgelegt haben. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL)

Herr Dr. Kluth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat hat in seinem Arbeitsprogramm das Ziel formuliert, die Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen stärker ins Blickfeld zu nehmen. Das finden wir gut, diese Zielsetzung teilen wir ausdrücklich. Es verdient an dieser Stelle, bei der Debatte über die Große Anfrage der CDU zur Mittelstandspolitik erwähnt zu werden, dass unter dem schwarz-grünen Vorgängersenat der Mittelstand weder als Begriff im Koalitionsvertrag Erwäh

nung fand, noch der Mittelstand selbst als Adressat von Wirtschaftspolitik in der praktischen Senatsarbeit vorkam – und das unter Beteiligung der angeblichen Wirtschaftspartei CDU.

Großen Teilen des Mittelstands waren unter Schwarz-Grün die Ansprechpartner in Verwaltung und Politik schlicht verlorengegangen. Aber viel weitergekommen ist nun der SPD-geführte Senat im vergangenen Dreivierteljahr auch nicht; ich darf einige Beispiele nennen. Weite Teile des gewerblichen Güterverkehrs beispielsweise hatten die Hoffnung, dass mit der Verlagerung des Verkehrsressorts in die Wirtschaftsbehörde mehr Tempo auf die Straßen kommt. Das Gegenteil ist der Fall. Verkehrspolitik findet seit Amtsantritt des SPD-Senats vor allem in Form von Ankündigungen statt. Der Stau auf den Straßen spiegelt dabei letztlich den Stau an Innovationen und Aktivitäten in der zuständigen Behörde wider.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiteres Beispiel ist die Mittelstandsvereinbarung III, von der wir bislang außer Absichtserklärungen von Senator Horch wenig gesehen haben. Dass die Kammern in diesem Punkt Druck machen, ist gut, aber wann, Herr Horch, wird der Senat die Weichen stellen für die zukünftigen Leitlinien der Mittelstandspolitik? Das erscheint uns offen.

Das haben sich die Kollegen von der CDU offenbar auch gefragt, und weil für die FDP die Mittelstandspolitik eine Herzensangelegenheit ist, begrüßen wir die Initiative und begrüßen die Große Anfrage und die Möglichkeit, heute eine Debatte darüber zu führen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

In vielen Punkten haben wir durch die Antwort des Senats nunmehr eine Bestandsaufnahme hinsichtlich des Erreichten und der noch offenen Zielsetzungen der Mittelstandsvereinbarung II erhalten. Sehr geehrter Herr Horch, jetzt heißt es aber in Sachen Mittelstandspolitik vor allem eines: loslegen. Ich möchte an dieser Stelle vier Punkte nennen, die für die FDP-Fraktion in dieser Diskussion wichtig sind.

Erster Punkt: Neben Handelskammer und Handwerkskammer fordern wir den Senat auf, auch die freien Berufe endlich als wichtigen Motor für Wachstum und Beschäftigung in unserer Stadt anzuerkennen. In Hamburg gehören rund 30 000 überwiegend selbstständige Freiberufler dem "Verband Freier Berufe" an. Sie beschäftigen etwa 80 000 Arbeitnehmer und es gibt 4000 Auszubildende. Diese Freiberufler sind in aller Regel nicht der Handels- oder der Handwerkskammer angeschlossen oder dort organisiert. Aber sie sind deshalb nicht weniger wichtig für die mittelständische Wirtschaft. Herr Horch, beziehen Sie deshalb den "Verband Freier Berufe" endlich als gleichberech

(Dr. Anjes Tjarks)

tigten Partner in die Mittelstandsvereinbarung III ein.

(Beifall bei der FDP)

Zweiter Punkt: Wir haben in Hamburg eine umfangreiche Förderlandschaft, aber es stellt sich die Frage, ob die Institutionen und Ansprechpartner bei den mittelständischen Unternehmen überhaupt ausreichend bekannt sind. Unsere Analyse und Antwort lautet: nein. Es ist daher höchste Zeit, dass der Senat Licht in das Dickicht der – 48, Herr Kollege Tjarks, nicht 38 – Förderprogramme bringt. Es muss auch über die Institutionen besser informiert werden. Die Firmen müssen in Fragen rund um die Förderprogramme besser und wirksamer begleitet werden.

Die Hamburger Handelskammer hat dazu eine Umfrage unter mittelständischen Unternehmen gemacht. Das Ergebnis der Umfrage kann nicht befriedigen, denn rund drei Viertel der Hamburger Unternehmen weiß nämlich überhaupt nicht, wer die jeweiligen Ansprechpartner im Bereich der Mittelstandsförderung sind und wo man diese finden kann.