Protocol of the Session on October 26, 2011

Ich glaube, Herr Dressel oder Herr Völsch hatten verzichtet.

(Thomas Völsch SPD: Verzichtet habe ich nicht! Ich habe mich nur noch nicht gemel- det!)

Kommt noch, ich erahne es.

Ich würde gern zwei Dinge ergänzen. Einmal sagte Frau Hajduk, es sei gefährlich, nur der Politik die Schuld zu geben. Das habe ich nicht getan, sondern ich habe gesagt, es gab eine politische Mentalität, die Schuldenmachen als ein opportunes Instrument zum Erhöhen des Handlungsspielraums vorgesehen und lange so begriffen hat. Das gilt parteiübergreifend.

Wenn wir uns das anschauen, so wurde dies sehr spät erkannt. Wir haben 2002 bis 2005 auch als Bundesrepublik noch kontinuierlich jedes Jahr wieder gegen die Defizitgrenzen verstoßen. Auch in der Politik gab es Fehler. Dass Banken eine eigene Rolle, auch als Brandbeschleuniger, spielen und die Frage nach der Finanztransaktionssteuer

durchaus sinnvoll ist, habe ich nicht bestritten und möchte so auch nicht verstanden werden. Ich möchte dennoch deutlich auf die Verantwortung der Politik hinweisen, die sie nicht einfach abgeben kann. Politik muss jetzt zu ihren Fehlern stehen und bekennen, dass es in der Tat auch eine Schuldenkrise von Staatshaushalten und von Landeshaushalten gibt. Wir stehen zu dieser Verantwortung und rufen nicht nur "haltet den Dieb". Das wäre der falsche Weg und deswegen finde ich es richtig, dass wir das hier so klar sagen.

(Beifall bei der CDU)

Der Finanzsenator sagt, der Haushalt sei auf dem Weg. Ich bitte, ohne die Haushaltsdebatte vorzuziehen, die Diskussion in diesen Kontext zu stellen. Wir bekommen zur strukturellen Entlastung der Länderausgaben aus Bundesmitteln die Übernahme der Grundsicherung. Das sind in diesem Jahr, sofern es beschlossen wird, vermutlich 80 Millionen Euro und dann aufwachsend. Diese Übernahme soll insbesondere den Haushalten der Kommunen strukturelle Hilfe geben. Nun ist das in Hamburg immer auch der Landeshaushalt. Wir als CDU haben den dringenden Appell an die Regierungsfraktion und an Sie: Nutzen Sie diese Chance, die Schuldenaufnahme von Hamburg zu reduzieren. Natürlich gibt es das Risiko, dass unser jährlicher Schuldendienst von derzeit 980 Millionen Euro demnächst wieder über 1 Milliarde Euro liegt. Dieses Risiko sollten wir systematisch minimieren. Für mich ist das Einhalten Ihrer 0,8- oder 1-ProzentRegel ein zentraler Bestandteil. Tun Sie uns einen Gefallen, enttäuschen Sie die Menschen nicht dadurch, dass Sie Mehreinnahmen, woher auch immer die kommen, einfach verfrühstücken.

(Beifall bei der CDU)

Denn dann fallen wir in die alte Attitüde zurück und nutzen die Chance nicht, die wir jetzt haben.

Hier ist auch Konsens hergestellt und der Bundestagsbeschluss hat das heute noch einmal gezeigt: Wir helfen, wir sind solidarisch in Europa, wir wissen aber auch, dass wir in unserem Staatshaushalt ein Problem haben und daran arbeiten wir gemeinsam, weil wir es auch gemeinsam verschuldet haben. Deshalb hier noch einmal der Appell: Sehen Sie zu, dass wir früher aus der Neuverschuldung herauskommen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Bischoff hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist richtig, ich gehöre einer Partei an, deren Bundestagsfraktion heute nicht zugestimmt hat. Ich denke, dass wir das nicht gemacht haben, weil wir schlechte Europäer sind oder weil wir den Gedanken der europäi

schen Einigung gering schätzen. Ich will Ihnen mit zwei Argumenten kurz versuchen zu verdeutlichen, warum wir nicht zugestimmt haben.

Der erste Punkt betrifft die Ursachen, Herr Völsch. Die Ursache hat doch sehr viel mit einer Immobilienkrise zu tun, die aus den USA kam, aber selbstverständlich auch Spanien, Italien und Frankreich umfasst hat. Dieses Platzen der großen Immobilienblase und der Kreditblase hat sofort ein Bankenproblem aufgeworfen, weil die Werthaltigkeit vieler Anlagen nicht mehr gewährleistet war. Das ist durch massive Intervention abgefedert worden. Ein Teil dieser massiven Intervention haben wir in Hamburg vorgenommen, indem wir auf den SoFFin zurückgreifen mussten, um die Pleite der HSH Nordbank zu verhindern. Mit 500 Milliarden Euro war das eine große Summe. Meines Erachtens hat die Bundeskanzlerin zu Recht gesagt, dass die Rettungsaktion im Jahr 2008 zu wenig mit Regulierungsschritten untersetzt worden sei, was die Banken und so weiter betreffe. Es wäre einiges zu den Defiziten in verschiedenen Bereichen zu sagen.

Zweiter Punkt. Wir reden nicht nur über Griechenland, sondern wir reden auch über eine mögliche Gefährdung Spaniens, Italiens oder Frankreichs. Mit der Rettung von Griechenland oder Portugal ist das Problem der Werthaltigkeit vieler Dinge im Bankensystem noch keineswegs gelöst.

(Anja Hajduk GAL: Und deswegen hätten Sie heute zustimmen müssen! – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Gerade nicht bei dieser Scheiße! – Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Hackbusch, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

Frau Hajduk, ich will das Argument gern aufgreifen. Was bedeutet Sanierung für Griechenland und Portugal und eingeschränkt für Irland? Sie können, das ist unsere tiefe Überzeugung, eine solche schwere Krise der Überschuldung – und nicht nur der Überschuldung öffentlicher Finanzen, sondern auch der privaten Haushalte und der Unternehmen – nicht lösen, indem Sie die Lasten auf die breite Bevölkerung abwälzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das funktioniert nicht. Wir haben im vergangenen Jahr erlebt, was Lohnkürzungen, Rentenkürzungen – und einiges machen wir ja auch –, die Kürzungen bei Bildung und Gesundheit bewirken. Das ist kein Ausweg aus der Situation. Man kann sich nicht raussparen.

(Beifall bei der LINKEN)

(Roland Heintze)

Das ist der Streitpunkt, auch für Hamburg. Es geht nicht darum, wie Herr Heintze sagt, schnell noch Steuermehreinnahmen zu verfrühstücken. In einer solch zugespitzten Situation geht es um die Frage, wie man da herauskommt. Der Absturz der Konjunktur ist doch mit Händen zu greifen. Da müssen Sie aus unserer Sicht drei Dinge machen.

Erstens: Sie müssen die Realökonomie stabilisieren. Das geht nicht, indem Sie so in Lohn- und Rentenverhältnisse eingreifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens: Sie müssen den Finanzsektor regulieren.

(Olaf Ohlsen CDU: Verstaatlichen, Herr Bi- schoff!)

Wir haben keine Differenz, Herr Völsch, in Fragen der Finanztransaktionssteuer und ein paar anderer Dinge, aber Sie müssen das mit Einnahmepolitik verknüpfen. Der Staat braucht vernünftige Einnahmen.

Drittens: Wir müssen vor diesem Hintergrund auch eine Redimensionierung im Umbau öffentlicher Sektoren vornehmen. Sie müssen alle Punkte gleichzeitig umsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Völsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Drei kurze Bemerkungen. Herr Dr. Bischoff, wir sind uns völlig einig in der Frage, dass ein großer Teil der Probleme dadurch entstanden ist, dass viele Staaten 2008 eingreifen mussten, eingegriffen haben und sich stark verschuldet haben. Sie hatten aber, so ehrlich sollte Politik sein, vorher schon ein Schuldenproblem. Auch das wäre jetzt zum Tragen gekommen und hätte uns die gleichen, vielleicht nicht ganz so massiven Probleme gemacht.

Zweite Bemerkung: Glücksfälle, Herr Bläsing. Ein Glücksfall war sicher gestern das Tor von Aogo für den HSV in der Verlängerung.

(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Das war kein Glück, das war hochverdient! Unpatriotisch!)

Ein Glücksfall wäre es aber auch, wenn die FDP in Berlin dafür sorgen würde, dass diese unselige Steuersenkungsdiskussion beendet wird.

(Beifall bei der SPD)

Dritte Bemerkung. Herr Heintze, es hilft uns nichts, wenn wir so schnell wie möglich einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Wir müssen ihn nachhaltig erreichen.

(Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

Herr Wersich, melden Sie sich doch gleich bei der nächsten Debatte zu Wort. Dann können wir über das Thema Geldausgeben oder Nichtgeldausgeben diskutieren.

(Dietrich Wersich CDU: Streuen Sie den Leuten doch keinen Sand in die Augen!)

Der entscheidende Punkt ist, wir müssen ab dem Jahr 2020 jedes Jahr diesen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Dazu brauchen wir einen langen Atem, und es hilft uns überhaupt nicht, wenn wir mit irgendwelchen hektischen und kurzfristigen Sparprogrammen arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Hajduk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der LINKEN, Herrn Bischoff war es ja wichtig, dazu Stellung zu beziehen, warum DIE LINKE heute im Bundestag der Lösungsmöglichkeit mit der Hebelung nicht zugestimmt hat. Ich habe in meinem ersten Redebeitrag deutlich gemacht, dass ich neben dem wichtigen Thema der Haushaltskonsolidierung das Thema der deregulierten Finanzmärkte als ein zentrales sehe und die politische Schwäche eher darin ausmache, dass wir dafür noch keine Regeln gefunden haben und in den vergangenen Jahren teilweise die politische Sprache beziehungsweise die Überzeugung gefehlt hat. Aber gerade, wenn Sie auf die dramatische Situation in Griechenland hinweisen, sollte klar sein, dass man heute vor der Frage stand, wie wir andere, viel größere Länder, Italien zum Beispiel, vor Ansteckung schützen, was uns dann noch viel größere Probleme bringen würde; und danach wurde heute gefragt. Auch wenn man unterschiedliche Meinungen darüber haben kann, wie man ein Konsolidierungsprogramm vernünftig auflegt – auf der Zeitschiene auf der Ebene der Zumutung oder durch wirtschaftliche Impulse –, ich kann es aber nicht verstehen, dass eine Fraktion wie DIE LINKE sich weigert, einem Modell zuzustimmen, das Probleme einhegen kann, Probleme, die sonst andere Länder ereilen werden, wahrscheinlich dann wieder mit Diskussionen um Sparprogramme. Sie beteiligen sich nicht an einem notwendigen Lösungsschritt, der heute zu gehen war. Das ist nicht durchargumentiert, auch wenn ich zubillige, dass Sie darauf hinweisen wollen, wie dramatisch Sie die jetzigen Auswirkungen in Griechenland sehen. Sie verweigern sich einer Lösung, das ist verantwortungslos.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist ja keine! Das ist die falsche Methode!)

Ich kann darauf verzichten zu sagen, ich hätte die ganz große Lösung mit Sicherheit parat. Sie wollen

(Dr. Joachim Bischoff)

doch nicht behaupten, Frau Heyenn, dass Sie sie hätten.

(Beifall bei der GAL, der SPD, der CDU und der FDP)