Protocol of the Session on October 26, 2011

Das Wort hat nun Herr Tabbert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Ritter, ich habe auch gut recherchiert. Die Hauptstadt von Tschechien ist Prag und nicht Bratislava, aber das nur am Rande.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL – Heiterkeit bei allen Fraktionen – Glocke)

Herr Tabbert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schinnenburg?

– Nein, an dieser Stelle nicht.

Ich gehe aber dafür auf den Kollegen Ritter ein, der den Senat dafür kritisiert, dass er zuerst die Öffentlichkeit informiert und erst dann die Parlamentarier. Gleichzeitig fordern Sie eine Verbesserung zugunsten des Bürgers im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes. Darin sehe ich einen gewissen Widerspruch. Einen noch größeren Widerspruch sehe ich allerdings darin, dass Sie genau dieses Verhalten, das Sie dem Senat vorwerfen, selbst praktizieren. Heute um 14.37 Uhr konnte man Ihre Rede schon im Internet lesen.

(Beifall bei der SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist doch transparent!)

Insofern fällt diese Kritik auf Sie selbst zurück.

(Finn-Ole Ritter)

Als ich das Thema, das Sie heute angemeldet haben, gesehen habe, habe ich mir erst einmal die Augen gerieben, denn die FDP-Fraktion hat in den letzten Bürgerschaftssitzungen so ziemlich alles, was in Richtung auf mehr Transparenz geht, abgelehnt. Ich nenne nur die Themen Korruptionsregister sowie Verschärfung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung. Und nun sind Sie zu diesem Thema offensichtlich eine Koalition mit Transparency International und Mehr Demokratie e.V. eingegangen. Beide Initiativen sind nicht gerade natürliche Verbündete der FDP, das war jedenfalls mein bisheriger Eindruck. Ferner liest man von einer Fraktionsgemeinschaft von FDP und Piraten in Bergedorf. Da kann ich mich nur fragen: Quo vadis FDP?

(Beifall bei der SPD)

Die FDP bemängelt fehlende Transparenz des Senats und hebt damit offensichtlich auf das Informationsfreiheitsgesetz ab. Seit einigen Wochen gibt es eine Kampagne von Mehr Demokratie und Transparency International, die eine Volksinitiative zur Fortentwicklung des bestehenden Informationsfreiheitsgesetzes auf den Weg bringen wollen unter dem Titel: "Öffentliches Handeln muss grundsätzlich öffentlich sein." Ziele sind unter anderem die Einführung eines zentralen elektronischen Informationsregisters, ein Lobbyregister der Bürgerschaft und dass Verwaltungsakten und Gutachten der Freien und Hansestadt Hamburg so geführt werden, dass sie jederzeit veröffentlichungsfähig sind, um nur einige Punkte zu nennen.

Meine Damen und Herren! Das Informationsfreiheitsgesetz ist in Hamburg im Jahr 2009 vollkommen neu gefasst worden, nachdem das Vorgängergesetz aus dem Jahr 2006, also zu CDU-Zeiten, im Wesentlichen ein Verweis-Gesetz auf das Bundesinformationsfreiheitsgesetz war, mit dem die FDP im Übrigen nie etwas zu tun gehabt hat. Die FDP hat sich damals bei der Verabschiedung enthalten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Die aktuelle Fassung des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes aus dem Jahr 2009 zeichnet sich durch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs und des Kreises der Anspruchsberechtigten aus, eine Zurückführung der Ausnahmetatbestände sowie eine Verbesserung der Rechtsdurchsetzung. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern aller Behörden und dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten hat gerade erst nach monatelanger Arbeit eine neue Handreichung für den Umgang der Behörden mit dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz erarbeitet. Ich weiß nicht, ob das der FDP bekannt ist.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Offensichtlich nicht!)

Zunächst müsste man aus unserer Sicht die Frage beantworten, ob das Gesetz seinen Zweck bislang erfüllt hat beziehungsweise aus welchen Gründen die praktische Umsetzung eventuell hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Ob das nach zweieinhalb Jahren schon möglich ist, kann man jedenfalls hinterfragen. Ich habe vom Kollegen Niedmers von der CDU eine Schriftliche Kleine Anfrage dazu gesehen, von der FDP allerdings wiederum nichts.

Bei einer möglichen Fortentwicklung des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes wäre es natürlich nicht mit einer einfachen gesetzlichen Regelung getan, das wissen auch Sie. Die damit einhergehende Schaffung einer Informationszugangsplattform würde erheblichen technischen und organisatorischen Aufwand erfordern, die gesamte Hamburger Verwaltung betreffen und demzufolge die Entwicklung einer Gesamtstrategie zu Open Data in der Verwaltung – dazu wird der Kollege Hansjörg Schmidt später noch etwas sagen – und zum E-Government erfordern. Man gelangt damit in Bereiche, die weit über das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz hinausgehen und die auch Auswirkungen zum Beispiel auf das Hamburgische Verwaltungsverfahrensgesetz haben und höchst komplex sind.

Einen Umbau des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes in Richtung eines Informationsveröffentlichungsgesetzes muss man sehr sorgfältig diskutieren. Die finanziellen Auswirkungen können an dieser Stelle noch nicht eingeschätzt werden.

Die SPD-Fraktion steht dem Thema "Mehr Transparenz in der Hamburgischen Verwaltung" generell positiv gegenüber. Dies zeigt sich unter anderem an der Fortsetzung des PUA Elbphilharmonie.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Herr Tabbert, auch bei Ihnen blinkt es.

(Olaf Ohlsen CDU: Schalt ab! – Robert Blä- sing FDP: Abschalten!)

Der jüngst gebildeten Initiative stehen wir als SPD abwartend freundlich gegenüber, vor allem im Hinblick darauf, ob sie den Ernsthaftigkeitstest besteht.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt nun Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe FDP und lieber Herr Ritter, ich glaube, Sie haben zwei Dinge miteinander verbunden, die nun wirklich nicht zusammengehören.

(Urs Tabbert)

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Zum ersten Teil Ihrer Rede: Sicherlich werden Ihnen alle Oppositionsparteien zustimmen. Ich bin jetzt seit 14 Jahren Mitglied dieses Parlaments und muss Ihnen sagen, Sie haben recht. Ich habe selten erlebt, mit welcher Missachtung der Senat im Moment auf Kleine und Große Anfragen reagiert.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben zehn Jahre geschlafen!)

Herr Dr. Dressel, ich glaube, Sie waren der Kaiser der Anfragen in der letzten Legislaturperiode, Sie haben die meisten Anfragen gestellt. Die Verwaltung fürchtete Ihre Anfragen, aber sie sind meistens relativ gut beantwortet worden; Sie haben sich nicht beklagt.

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Was wir zurzeit erleben, wie jetzt gemauert und vertagt wird, ist einmalig. Da wird mitgeteilt, es sei ein Konzept in Arbeit, und dann wird es plötzlich nur eine Woche später veröffentlicht. Die Ausschüsse werden hingehalten, es wird verzögert, Selbstbefassungen werden abgelehnt. Auch dies ist einmalig. Das kann man einmal machen, aber bei Ihnen ist das System. Gutes Regieren sieht anders aus.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Formel "gutes Regieren" ist bei Ihnen reines Marketing. Sie mauern und regieren mit einer Intransparenz sondergleichen.

(Beifall bei der CDU – Jan Quast SPD: Frau Spethmann, das ist Amnesie, was Sie da haben!)

Aber liebe FDP und lieber Herr Ritter, Transparenz im Parlament hat nichts mit dem IFG zu tun, Transparenz im Parlament ist ein Verfassungsrecht. Ich würde mir wünschen, dass wir als Oppositionsparteien dieses Thema noch einmal anmelden würden, aber nicht kombiniert mit dem IFG. Wenn Sie das vermischen, entwerten Sie ein Recht mit Verfassungsrang, das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU)

Hinsichtlich der Verfassungsrechte müssen wir uns als Oppositionsparteien in den nächsten Wochen mit der Parlamentspräsidentin zusammensetzen und im Zweifel auch das Verfassungsgericht anrufen, wie der Kollege Petersen es in der letzten Legislaturperiode gemacht hat. Vielleicht bekommen wir da die entsprechende Hilfe, hier bekommen wir sie von der SPD-Fraktion nicht.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der GAL und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Aber ich muss sagen, die FDP verwirrt mich. Sie hatte sich in den letzten Jahrzehnten immer auf die Fahnen geschrieben, wirtschaftsfreundlich zu sein.

Ihre Ausführungen, Herr Ritter, zum Thema IFG – Vorlage von Geschäftsverträgen und von Gutachten in der Öffentlichkeit – waren komplett wirtschaftsfeindlich. Wissen eigentlich Ihre Kollegen, was Sie da gesagt haben?

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der LIN- KEN und bei Jens Kerstan GAL)

Was Sie vorgebracht haben, ist wirklich ein Skandal.

(Beifall bei Thomas Kreuzmann CDU)

Sie wollen Wirtschafts- und Geschäftsgeheimnisse vorlegen lassen. Laut geltendem IFG ist es ausgeschlossen, dass Geschäftsgeheimnisse vorgelegt werden, wenn es dem Unternehmen schadet. Nach Artikel 12 Grundgesetz dürfen Geschäftsgeheimnisse nicht verbreitet werden. So hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Ihre Intention ist verfassungswidrig. Sie vermischen hier Sachverhalte, die nicht vermischbar sind. Das kann so nicht hingenommen werden.

(Beifall bei der CDU)

Es war die CDU, die im Jahr 2006 einen Paradigmenwechsel eingeleitet hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das war Murks, das Gesetz!)

Zuvor galt das Amtsgeheimnis. Mit der Gesetzesänderung im Jahr 2006 wurde grundsätzlich alles offengelegt und es gibt nur wenige Ausnahmetatbestände. Das heißt, die CDU hat mit der Transparenz und der konsequenten Bürgerorientierung angefangen, denn sie hat das Gesetz damals eingebracht.