Protocol of the Session on September 29, 2011

Herr Grote, Sie wollen hier doch nicht ernsthaft sagen, die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen von 5 Millionen auf 2,74 Millionen solle uns keine Veranlassung geben, über eine Aktualisierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente nachzudenken.

(Andy Grote SPD: Das machen wir auch!)

Das kann doch keine ernsthafte Überlegung von Ihnen sein, selbst von Ihnen nicht, Herr Grote.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie kritisieren, es würden finanzielle Kürzungen vorgenommen. Wie ist die Realität? Im Jahre 2007 hatten wir im SGB-II-Rechtskreis 2,5 Millionen Arbeitslose zu vermelden und im Jahr 2011 sind wir bei 2 Millionen angelangt. Das heißt, dass wir eine halbe Million Arbeitslose weniger haben. Im SGB-III-Rechtskreis hatten wir im Jahr 2007 1,25 Millionen Arbeitslose, im Jahr 2010 waren es 900 000 und Ende 2011 werden es noch weniger sein. Das zeigt eines ganz deutlich: Auch wenn der Bund die Mittelansätze im Haushalt reduziert, steht trotzdem für jeden Fall mehr Geld zur Verfügung. So wurden im Jahr 2007 für jeden Fall etwa 2000 Euro aufgewandt und im laufenden Jahr werden es ungefähr 2500 Euro sein.

(Beifall bei der FDP)

Das bedeutet, dass die Bundesregierung ihrer Verantwortung gegenüber den Arbeitslosen in unserem Land gerecht wird und sie konsequent in den ersten Arbeitsmarkt integriert.

(Beifall bei der FDP)

Trotz der guten Lage am Arbeitsmarkt – oder wie der neue Leiter der Arbeitsagentur Hamburg, Herr Fock, es formuliert hat, die hohe Dynamik des Hamburger Arbeitsmarktes sei ungebrochen – will ich an dieser Stelle aber auch auf die Schwierigkeiten eingehen. Die SPD warnt in ihrem Antrag zu

(Phyliss Demirel)

Recht vor einer Spaltung des Arbeitsmarktes. Das ist in der Analyse richtig, jedoch bleiben Sie die Antwort dafür schuldig, wie Sie denn diese Spaltung des Arbeitsmarktes lösen wollen. Ich kann Ihnen dazu sagen, was das Rezept der FDP ist, um eine solche Spaltung zu überwinden, es heißt nämlich, in Qualifikation zu investieren.

(Beifall bei der FDP)

Der Arbeitsmarkt wird nämlich nicht durch die von Ihnen so kritisierte Flexibilität gespalten, sondern durch mangelnde Qualifikation. Auch hier sprechen die Zahlen eine klare Sprache. Trotz über 2 Millionen Arbeitslosen weniger als 2005 gibt die Bundesregierung 1 Milliarde Euro mehr für Qualifikation aus, als dies unter Rot-Grün in ihrem letzten Regierungsjahr geschehen ist.

(Beifall bei der FDP)

Von wegen schlechter Perspektive und gespaltener Arbeitsmarktpolitik, das war die Politik von RotGrün. Schwarz-Gelb macht eine andere, eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Lassen Sie mich auch auf das Gesetz selbst eingehen. Wir müssen den Instrumentenkasten aufräumen und auf die Instrumente verzichten, mit denen die Menschen nicht in Arbeit gebracht werden. Deshalb ist es eine gute und keine schlechte Nachricht, dass zum Beispiel das Instrument ABM wegfällt, welches nie ein erfolgreiches Instrument gewesen ist, und dass wir uns gleichzeitig auf diejenigen Instrumente konzentrieren, durch die Menschen wirklich wieder in Arbeit gebracht werden und durch die den Menschen eine Perspektive gegeben wird.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Das notwendige Aufräumen des alten rot-grünen Instrumentenkastens der Arbeitsmarktpolitik war gerade im Sinne der Arbeitsuchenden selbst notwendig und wichtig, um diejenigen Maßnahmen auszusortieren, die nicht zu einer besseren Integration in den ersten Arbeitsmarkt geführt haben. Das berührt unumgänglich auch die Belange der Träger dieser Maßnahmen. Die Debatte um die 1-Euro-Jobs hat gezeigt, dass dabei nicht die Interessenlage der Träger bestimmend sein darf. Trotzdem ist festzustellen, dass den Interessen der Träger Rechnung getragen wurde, denn auch die Träger erhalten für die durchgeführten Maßnahmen die angefallenen Kosten erstattet. So werden Aufwendungen für das erforderliche Ausbildungs- und Betreuungspersonal einschließlich seiner regelmäßigen fachlichen Weiterbildung sowie für das erforderliche Leitungsund Verwaltungspersonal und die angemessenen Sachkosten selbstverständlich in voller Höhe er

stattet und das schafft für die Träger auch in Zukunft Planungssicherheit.

Schwarz-Gelb wird darüber hinaus bei den öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnissen dafür sorgen, dass diese nicht das Instrument erster Wahl sind, zum Beispiel für junge Menschen, sondern dass es um Qualifikation geht und dass wir uns in der öffentlich geförderten Beschäftigung auf die konzentrieren, die sie wirklich brauchen, damit diese sie in diesem Bereich auch wirkungsvoll erhalten.

Wir haben in Berlin insoweit einen wirklichen Paradigmenwechsel bei der Forderung nach der Weiterbildung von beschäftigten Arbeitnehmern herbeigeführt. Wir stellen uns mit diesem Gesetz auch der Aufgabe, den Arbeitsmarkt der Zukunft zu bauen. Die zentrale Frage lautet hier, wie wir auf den Fachkräftemangel reagieren. Wir schaffen hier wirklich einen Paradigmenwechsel. Erstmals wird nicht nur die Möglichkeit geschaffen, die Weiterbildung von beschäftigten Arbeitnehmern, von Geringqualifizierten und Älteren weiterzufinanzieren, sondern auch die Möglichkeit, dass alle Arbeitnehmer von kleinen und mittleren Unternehmen in diesem Land, bei denen die Weiterbildungsquote nämlich nicht so hoch ist wie bei den Konzernen, durch die Bundesagentur für Arbeit teilgefördert werden.

Meine Damen und Herren! Jedem Anwesenden ist eines in dieser Debatte wohl klar geworden: Die SPD versucht nur, mit einem durchsichtigen Manöver ihre eigene Konzeptionslosigkeit zu vertuschen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Kluth. – Das Wort hat Herr Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Über die Motive der SPD für diesen Antrag möchte ich nicht spekulieren. Herr Kluth, fest steht jedoch, dass Sie ein Traumtänzer sind.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Herr Kluth, Sie sind ein gefährlicher Traumtänzer. Wissen Sie, was Sie gemacht haben? Sie wollten mit Ihrem vorgelegten Zahlensalat den Eindruck erwecken, dass es überhaupt kein Problem gäbe.

(Robert Bläsing FDP: Aber die Fakten kann man doch nicht wegdiskutieren!)

Und das ist in hohem Grade unseriös. Natürlich sind wir, Frau Wolff, alle erfreut über die Zahlen, die wir heute gehört haben. Aber, Herr Kluth, haben Sie sich angeschaut, wie sich das Bruttoinlandsprodukt entwickelt hat? Haben Sie sich angeschaut, wie es in Hamburg steht? Und meinen Sie

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

im Ernst, wir können uns einfach alle schlafen legen und im nächsten Jahr sind dann alle Probleme gelöst, weil die Wirtschaft so weiterläuft?

(Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Die niedrig- ste Arbeitslosenquote seit 20 Jahren! Bitte nehmen Sie die Fakten zur Kenntnis!)

Das macht doch nicht einmal die FDP auf Bundesebene. Das Problem in diesem Lande ist doch, dass wir eine große Wirtschaftskrise haben. Sie können diese Angelegenheit nicht einfach fortschreiben, das heißt doch, die Abgeordneten für dumm zu erklären.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Selbst Ihr Parteivorsitzender sagt eindeutig, dass wir in einer gefährlichen Situation sind. Oder muss ich noch die Bundeskanzlerin zitieren?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, soweit kommt das noch!)

Sie sagen, die aktuellen Zahlen seien gut und alles darum herum interessiere nicht. Insofern hätten Sie sich Ihren Beitrag schenken können.

Es geht darum, wie wir mit der Arbeitslosigkeit umgehen, ob das der Markt allein regelt oder ob wir dazu gezielte Maßnahmen brauchen und wie diese aussehen sollen. Über diesen Punkt diskutieren wir.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Insofern haben wir es – Sie mögen die Überschrift nicht goutieren – mit einem Kahlschlag der Mittel in der Arbeitsmarktpolitik zu tun haben; das ist ein Faktum. Hamburg, das haben wir Ihnen in den Debatten schon ein paar Mal vorgebetet, ist sehr stark betroffen von diesen Kürzungen. Das Gesetz, das am 23. September verabschiedet worden ist, der sogenannte Instrumentenkasten, wird wiederum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben.

(Robert Bläsing FDP: Positive hoffentlich!)

Und was die Arbeitsagentur angekündigt hat, dass sie jetzt auch noch die Ausgestaltung der Arbeitsagentur selbst auf den Prüfstand bringt, wird früher oder später Auswirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt haben. In der Summe ist das eine Kürzungspolitik.

Es ist eine Herausforderung, wie wir damit umgehen. Es ist schwierig, weil in dem Bereich der Kahlschlag so gewaltig ist, dass wir eine sehr schlechte Ausgangsposition haben. Ich sage dies, obwohl mir der Antrag in einigen Punkten nicht gefällt; deshalb haben wir auch einen Gegenantrag gestellt. Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Senator sich in diese Auseinandersetzung auf Bundesebene eingeschaltet hat. Das haben Sie nicht getan, Sie hätten doch auch diese Möglichkeiten gehabt. Ich finde dies sehr in Ordnung und ich denke – der Antrag kommt ein bisschen spät –, dass die Aus

einandersetzung über die Arbeitsmarktpolitik, Frau Demirel, sicherlich mit der Verabschiedung des Gesetzes letzte Woche noch nicht zu Ende ist. Es muss weitergehen und wir müssen auch auf Bundesebene einen Paradigmenwechsel herbeiführen.

(Beifall bei der LINKEN – Katja Suding FDP: Den hatten wir ja!)

Ja, Sie haben einen herbeigeführt.

Ich bin mir relativ sicher, dass wir im nächsten Jahr über ganz andere Rahmenbedingungen diskutieren. Leider haben wir nicht mehr so viel Zeit, sonst hätte ich Ihnen noch ein paar andere Sachen gesagt, aber noch drei Argumente. Es ist gekürzt worden und es wird weiter gekürzt. Es ist gut, dass Hamburg sich hier einmischt. Hamburg ist nicht allein auf weiter Flur, das wurde schon gesagt. Es gibt viele Akteure wie die Gewerkschaften und die Sozialverbände, die alle sagen, dass es so nicht bleiben kann, wie es jetzt aufgestellt wurde.

Richtig in Ihrem Antrag ist – das möchte ich auch unterstreichen –, dass Hamburg das fehlende Geld nicht ausgleichen kann. Nur, Herr Dressel, nicht ausgleichen heißt nicht, dass man nicht doch ein bisschen mehr tun kann; das ist immer der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen jetzt mit Ihrer Haushaltspolitik, dass Sie 2020 anvisierten und dann einmal schauen wollten. Ich bin davon überzeugt, dass dies so nicht geht. Wir müssten heute – das gilt für den Arbeitsmarkt wie für die Wirtschafts- und Strukturpolitik generell – gegen die sich abzeichnende Entwicklung angehen.