Zum anderen soll sich der Senat für eine Neuordnung des Korruptionsstrafrechts einsetzen, für eine grundsätzliche Erweiterung des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung. Dazu liegen im Bundestag bekannterweise zwei Gesetzentwürfe vor und dem Gerücht nach soll es auch von der SPD-Fraktion Vorbereitungen dazu geben.
Ich gehe davon aus, dass dieser Antrag ansonsten eher nicht gestellt worden wäre, weil Sie der Opposition im Bund natürlich nicht in den Rücken fallen wollen.
Wir fragen uns natürlich, warum dort nicht gesagt wird, ob wir jetzt eine Bundesratsinitiative unterstützen wollen oder ob wir eine Entschließung im Bundesrat unterstützen wollen, sondern nur, der Senat solle geeignete Maßnahmen ergreifen. Das ist ein bisschen nebulös
Weiterhin stellt sich die Frage, welche Regelungen hier konkret gefordert werden. Hier wird erstens die Ausweitung auf alle Handlungen und Unterlassungen im Rahmen von Mandatspflichten genannt, die als Gegenleistung für einen ungerechtfertigten Vorteil erfolgen, und zweitens die Erfassung von Vorteilen, die an Dritte, zum Beispiel Verwandte und Freunde, geleistet werden. Warum hat es denn, auch durch jahrelange Diskussion, keine Anpassung des Strafrechts gegeben? Es wurde teilweise schon erwähnt, dass es rechtliche Probleme gibt. Insbesondere das Bestimmtheitsgebot von Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz steht hier im Mittelpunkt. Die beiden Gesetzentwürfe von der LINKEN und den Grünen im Bundestag sind zum Teil schlicht verfassungswidrig.
Schon im Jahr 2006 stellte der Bundesgerichtshof bei der Art des Aufgabenbereichs der Abgeordneten fest, dass es ist nicht möglich ist, dies begrifflich in einem abgegrenzten Tatbestand zu erfassen. Die Tätigkeit von Abgeordneten reicht über das eigentliche parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen,
wo scharf abgegrenzte Verhaltensvorschriften fehlen; da stimme ich dem Abgeordneten Trepoll in vollem Umfang zu. Diese Tatsache verhindert einfache Lösungen, auch wenn man ganz einfach sagen möchte, wir sind alle gegen Korruption. Das ist sehr schön, wir können auch Gesetze machen, in denen das steht. Aber am Ende müssen wir prüfen, was es überhaupt bringt.
Meine Damen und Herren! Aus den genannten Gründen sieht die FDP-Fraktion derzeit keine Notwendigkeit, diesen SPD-Antrag zu unterstützen. Auch den GAL-Zusatzantrag lehnen wir ab. Das ist reine Symbolpolitik. Es ist in weiten Politikfeldern hier üblich, Symbolanträge zu stellen, die hinterher höchstens in der Presse für Aufmerksamkeit sorgen.
Stattdessen sollten wir in Hamburg vor der eigenen Haustür kehren und unser Hamburger Abgeordnetengesetz an die maßgeblichen Regelungen im Gesetz des Abgeordnetenhauses des Deutschen Bundestags angleichen. Dazu haben Sie einen Zusatzantrag erhalten. Ansonsten wünsche ich, dass wir in diesem Hause einmal an die Korruption nicht
nur in Bezug auf Abgeordnete denken, sondern in Bezug auf den gesamten Verwaltungsapparat. Dazu sollten wir auch arbeiten und das ist ein Punkt, der im Mittelpunkt der Korruptionsbekämpfung in diesem Lande stehen sollte. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Wir hatten schon im April über einen Antrag der SPD zum Korruptionsregister gesprochen und ich hatte damals in meiner Rede darauf hingewiesen, dass das Problem der Abgeordnetenbestechung mit einem Korruptionsregister nicht erledigt ist.
Ich hatte in der damaligen Rede auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2006 hingewiesen – ich zitiere –:
"Angesichts des gewandelten öffentlichen Verständnisses der besonderen Sozialschädlichkeit von Korruption (…) [sieht der Bundesgerichtshof insoweit] gesetzgeberischen Handlungsbedarf."
Das Urteil war eine Aufforderung an den Gesetzgeber. Die jeweiligen Regierungsfraktionen, und dazu gehörte die SPD, hielten sich allerdings die Ohren verstopft. Das ist schon ein gewisses Problem, da die Abgeordneten hier Ihre Ohren in eigener Sache verstopfen.
So ist es zwar folgerichtig, aber darum nicht weniger skandalös, dass die Bundesrepublik Deutschland die UN-Konvention gegen Korruption aus dem Jahr 2003 bis heute nicht ratifiziert hat, die eine Verschärfung der entsprechenden Strafrechtsvorschriften verlangt. Bislang ist hierzulande nur der Stimmenkauf verboten, und zwar durch Paragraf 108e StGB, eine Strafvorschrift, die – Herr Müller hat es erwähnt – im Jahr 1994 ins Strafgesetzbuch eingeführt wurde. Erst im Jahr 2007, also 13 Jahre später, wurde zum ersten Mal ein Mandatsträger aufgrund dieser Vorschrift verurteilt. Man kann daraus leider nicht den Schluss ziehen, dass Abgeordnete hierzulande ziemlich unbestechlich und dass Parlamente, Land- und Kreistage sowie Kommunen korruptionsfreie Zonen sind. Das würden kein Wähler und keine Wählerin glauben.
Grund ist vielmehr, dass der Paragraf 108e StGB nur die Fälle besonders plumper Bestechung erfasst, Fälle, die im politischen Alltag so gut wie nie vorkommen, nämlich den direkten Stimmenkauf. Die cleveren Fälle hingegen bleiben außen vor: der
Beratervertrag ohne Beratung, der gut bezahlte Stuhl im Aufsichtsrat, auf dem der Abgeordnete nur selten Platz nimmt, die All-inclusive-Einladung zur Konferenz, bei der man sich unter südlicher Sonne am Swimmingpool bespricht, und so weiter.
(André Trepoll CDU: Was kriegen Sie denn für Einladungen? – Robert Heinemann CDU: Ich würde da auch gerne mal hinfahren! – Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Sozial- neid!)
Um die Durchsetzung dieses oder jenes wirtschaftlichen Interesses geht es nicht erst bei Plenarabstimmungen im Parlament, sondern weit vorher, etwa in der Ausschussarbeit oder in den Fraktionsabstimmungen. In solchen Fällen greift der Paragraf 108e eben nicht. Und schon gar nicht taugt er dazu, Licht in die Grauzonen zu werfen und suspekte Praktiken unter Beobachtung zu stellen und zu ächten.
Ich jedenfalls halte es für bedenklich, wenn ein Hamburger Bundestagsabgeordneter Wahlkampfspenden des Rüstungskonzerns Rheinmetall in Höhe von mehreren 10 000 Euro annimmt und dann am 8. Juli 2011 als einziger Oppositionspolitiker gegen den Antrag "Keine Genehmigung zur Lieferung von Kriegswaffen an Saudi-Arabien" stimmt.
Leider haben die Regierungsfraktionen im Bundestag erst im April einen Antrag der Fraktion der LINKEN und der Grünen, den Paragrafen 108 StGB zu ändern und um die Formulierung – ich zitiere –:
"(…), dass alle Handlungen und Unterlassungen, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Mandats erfolgen, vom Tatbestand erfasst und auch Drittzuwendungen einbezogen werden."
zu erweitern, abgelehnt. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, der CDU-Abgeordnete Kauder, verstieg sich dabei zu der Behauptung, Politik sei ein eigenes Geschäft und der Sachverhalt der Abgeordnetenbestechung juristisch nicht in den Griff zu bekommen. Peinlicher geht es nicht.
Wir unterstützen deshalb das Anliegen des SPDAntrags, die offensichtlichen Regelungslücken zu schließen und damit klarzustellen, dass das Parlament eben kein Marktplatz und politische Entscheidungen keine Waren sind. Wir unterstützen auch den Antrag der GAL. Noch ein Wort zum FDP-Antrag: Das Ansinnen der Transparenz finde ich gerechtfertigt. Aber der Antrag ist so offensichtlich eine Ausrede, ein Feigenblatt für die Verhinderung klarer Strafrechtsvorschriften, dass wird dem nicht unsere Zustimmung geben wollen. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Interessant, Herr Trepoll, fand ich Ihre Bemerkung zu den Vereinten Nationen. Es gibt 150 Länder – ich glaube, es sind jetzt schon mehr –, die einen Regelungsbedarf erkennen und den auch umsetzen, und in Deutschland soll das aus rechtlichen Bedenken, die Sie hier vortragen, nicht möglich sein.
Das soll noch jemand verstehen und glauben. Diese Ausrede können wir Ihnen politisch nicht durchgehen lassen.
Dann haben Sie rechtliche Ausführungen gemacht zum Verständnis von Amt und Mandat. Wenn man das konsequent weiterdenkt, würde es heißen, dass man diesen Paragrafen 108e ganz abschaffen müsste, weil schon diese Regelung gegen das freie Mandat verstößt. Das ist aus meiner Sicht ein ganz schwieriges Verständnis und ich muss wirklich einmal sagen – das ist jedenfalls unser Verständnis in diesem Haus –, dass freies Mandat nicht bedeutet, dass wir über dem Gesetz stehen. Das muss man an der Stelle auch als Parlamentarier gemeinsam einmal feststellen.
Wir haben jetzt die skurrile Situation, dass in Deutschland die Bestechung von ausländischen Abgeordneten strafbar ist, von inländischen Abgeordneten nicht. Das ist das Ergebnis auch Ihrer Rechtspolitik. Deswegen muss an der Stelle etwas getan werden.
Vorhin kam die Frage, weshalb noch nichts passiert ist. Für die jetzige Amtsperiode von SchwarzGelb trägt diese Seite des Hauses keine Verantwortung. Man kann in der Tat fragen, warum vorher nichts passiert ist. Bei Rot-Grün war das – das weiß ich, ich habe mich erkundigt – in Vorbereitung und dann war da die Legislaturperiode zu Ende.