Sie haben sich das bei Antragstellung sicher auch ein bisschen anders vorgestellt, als diesen Antrag an einem Tag diskutieren zu müssen, an dem von der Bundesebene verkündet wird, dass wir die geringste Arbeitslosigkeit seit 20 Jahren haben.
Das vorweggeschickt, weiß ich natürlich, dass erwartungsgemäß finanzielle Kürzungen und Umstrukturierungen keinen Jubel auslösen, und auch ich finde, dass gerade im Sozialbereich nicht mehr gespart werden sollte als nötig, und auch ich gehe nicht mit jeder Entscheidung, die die Bundesregierung trifft, konform. Diese Reform war jedoch nötig, weil bislang leider nicht alle vorhandenen Arbeitsmarktinstrumente den gewünschten Erfolg erzielt haben.
Ich möchte Ihren Antrag einmal absatzweise aufdröseln, damit klar wird, warum wir ihn leider nicht annehmen können. Erst im zweiten Absatz wird es so richtig interessant. Da beklagen Sie sich – das hat Herr Schwieger auch gerade erwähnt – über die Ermessensentscheidung beim Gründungszuschuss. Herr Schwieger, ich hoffe, Sie sitzen gut, erschrecken Sie nicht: Da gebe ich Ihnen in Teilen recht.
Es ist auf dem aktuellen Stand auch meiner Meinung nach Schwachsinn, eine Ermessensentscheidung beim Gründungszuschuss einzuführen, wenn es hierfür nicht ausreichend geschultes Personal in den Jobcentern gibt. Ich persönlich kann mir bei dem aktuellen Wissensstand des Personals nicht vorstellen, dass der überwiegende Teil der Mitarbeiter weiß, wie ein Businessplan beziehungsweise eine Geschäftsidee auszusehen hat, damit sie erfolgreich ist. Meine Schlussfolgerung ist jedoch eine andere als Ihre. Das Personal muss geschult werden, dann kann die Ermessensentscheidung bei den Jobcentern gerne bleiben. Denn seien wir einmal ehrlich, die aktuelle Lage kann so auf keinen Fall bleiben. Es gibt mittlerweile schon Berater, die sich nur darauf spezialisieren, Businesspläne genau so zu gestalten, dass sie beim Jobcenter nachher durchkommen. Eine Reform durch die Bundesregierung war also absolut richtig und muss nur noch etwas gezielter auf die Schulung des Personals angewendet werden.
Danach folgen in Ihrem Antrag ein wenig Blabla und ein sehr großer Abschnitt mit Selbstbeweihräucherung und dann wird es in Abschnitt 8 wieder spannend. Da schreiben Sie, die Instrumentenreform sehe eine Kürzung der Trägerpauschale für die Betreuung eines Langzeitarbeitslosen vor. Herr Schwieger, Sie haben es schon erwähnt, deswegen brauche ich Sie da nicht mehr zu korrigieren, denn diese Trägerpauschale wird es so nicht geben. Die Jobcenter der Kommunen sollen zukünftig selbst entscheiden, wie viel Geld ein Träger erhält. Somit wird mehr Entscheidungskompetenz zu den Jobcentern vor Ort gegeben, was in meinen Augen absolut richtig ist.
Natürlich ist das für Sie suboptimal, weil Sie dann nicht mehr alles wie bisher auf die Bundesebene schieben können, aber daran, da bin ich mir sicher, werden Sie und auch der zuständige Senator Herr Scheele sich schon gewöhnen.
Eine weitere Neuerung ist die Regelung des Vermittlungsgutscheins. Die ursprünglich geplanten Änderungen beim Vermittlungsgutschein wird es so auch nicht geben. Die Entscheidung, dieses ermessensbedingt zu vergeben, wurde zurückgenommen und die Vergütung erfolgt wie bisher. Den von Ihnen kritisierten Kahlschlag kann ich somit leider nicht feststellen. Die Reform dient dazu, mehr Selbstbestimmung durch die Kommunen zu gewährleisten, also effektive dezentrale Entscheidungskompetenzen für den Einsatz von Instrumenten zu schaffen. Sie dient der Beschleunigung der Integration in den ersten Arbeitsmarkt, sie dient der Neuordnung der öffentlich geförderten Beschäftigung und sie dient dazu, mehr Flexibilität und Passgenauigkeit zu schaffen durch mehr Spielraum bei der freien Förderung und durch zusätzliche Kombinationsmöglichkeiten unterschiedlicher Instrumente.
Verehrte Kollegen von der SPD, sozial ist nicht unbedingt der oder die – Frau Sudmann ist gar nicht da –, die am lautesten schreit oder wie Sie mit diesem Antrag überflüssige Arbeit schafft. Sozial ist insbesondere der, der in unserem Land Arbeitsplätze schafft, und wenn Sie sich die aktuellen Zahlen anschauen, dann haben Sie heute alle schon gesehen, dass Sie da auf dem Holzweg sind. Von daher können wir diesen Antrag leider nicht annehmen und bitten Sie, diese Zahlen auch in Zukunft bei Ihren Redebeiträgen zu berücksichtigen. – Vielen Dank.
Frau Abgeordnete, ich bitte Sie, künftig an den parlamentarischen Sprachgebrauch zu denken. – Ich gebe das Wort Frau Demirel.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal darauf eingehen, dass die Arbeitslosenquote zwar insgesamt sinkt, aber nicht bei den Langzeitarbeitslosen. Diese Zahl steigt bekanntlich ständig.
Als ich diesen Antrag der SPD gelesen habe, dachte ich, das müsse wohl ein Scherz sein. Der erste Petitumspunkt lautet fast wortgleich wie unser GAL-Antrag, der im Juni zusammen mit dem Antrag der LINKEN an den Sozialausschuss überwiesen wurde. Und beim zweiten Petitumspunkt wird es noch lustiger, das muss ich vorlesen. Die Forderung lautet:
"[Der Senat wird ersucht,] (…) der Bürgerschaft rechtzeitig vor Inkrafttreten des 'Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt' über die Folgen für die Hamburger Arbeitsmarktpolitik zu berichten."
Wissen Sie wirklich nicht, meine Damen und Herren von der SPD, welche Folgen dieses Gesetz für die Hamburger Arbeitsmarktpolitik haben wird? Worüber diskutieren wir hier eigentlich seit Monaten, haben Sie von den Debatten im Parlament überhaupt nichts mitbekommen?
Dann müssen Sie mir aber eine Frage beantworten. Auf welcher sachlichen Grundlage hat Ihr Senator dieses Arbeitsmarktprogramm für Hamburg erstellt, wenn Sie hier überhaupt nichts wissen und erst per Antrag einfordern, dass Sie darüber informiert werden wollen und die Bürgerschaft davon in Kenntnis zu setzen ist? Senator Scheele hat sich monatelang hinter den Kürzungen der Bundesregierung versteckt und damit argumentiert, dass ihm die Hände gebunden seien. Jetzt wollen Sie aber plötzlich energisch gegen die Kürzungen agieren, meine Damen und Herren von der SPD. Dafür ist es jetzt zu spät, das Gesetz ist am 23. September verabschiedet worden und da können Sie jetzt nur noch einen Scherbenhaufen vorfinden. Aber Ihr Vorgehen ist so scheinheilig, liebe Genossinnen und Genossen. Sie wissen ganz genau, welche Folgen diese Instrumentenreform für den Arbeitsmarkt und die Arbeitsmarktpolitik in Hamburg haben wird. Sie wissen ganz genau, welche gravierenden Folgen diese Reform für Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende und ältere Arbeitslose hat, und Sie wissen, was Ihr neues Arbeitsmarktprogramm für Langzeitarbeitslose bedeutet. Es geht Ihnen nicht darum, langfristige Lösungen für die Arbeitslosigkeit und insbesondere für die Langzeitarbeitslosigkeit zu finden. Sie verfolgen nur schnelle Erfolge, die die Statistiken schönen. Ihnen geht es nicht darum, sich gegen Sparmaßnahmen des Bundes einzusetzen, Sie wollen nichts ändern an den Strukturen der Langzeitarbeitslosigkeit und an der Situation der älteren Arbeitslosen und der alleinerziehenden Frauen.
(Andy Grote SPD: Frechheit! – Dirk Kien- scherf SPD: Sie müssen sich mal informie- ren, bevor Sie so einen Blödsinn erzählen!)
Sie haben keine Integrationsstrategie für besonders benachteiligte Personengruppen. Mit Ihrem neuen Arbeitsmarktprogramm haben Sie diese Gruppen schon längst abgeschrieben.
Die Bundesregierung hat jetzt einige wenige Verbesserungsvorschläge in ihr Arbeitsmarktpaket aufgenommen. Eine wichtige Nachbesserung ist der Verzicht auf die Kürzung der Trägerpauschale, maximal auf 150 Euro. Aber auch ohne diese Kürzung müssen 1-Euro-Jobs unverändert arbeitsmarktkonform gestaltet werden. Auch hier haben Sie kein Konzept, liebe SPD. Weder in Ihrem Antrag noch in Ihrem vollmundig angekündigten Arbeitsprogramm ist die Rede von existenzsichernden, sozialversicherungspflichtigen öffentlich geförderten Beschäftigungen, obwohl Ihre Bundestagsfraktion genau diese in einem Antrag im Juli schon gefordert hatte. Stattdessen wollen Sie die knappen Mittel des Eingliederungstitels für arbeitsmarktnahe Menschen nach einem nicht vertretbaren oder ungerechten Verteilungsschlüssel ausgeben. Dabei wäre es möglich, mit den vorhandenen Mitteln einen sozialen Arbeitsmarkt zu gestalten, der auch Perspektiven für Langzeitarbeitslose anbietet.
Sie verschießen die Mittel aber lieber, zum Beispiel 8 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren für extern angesiedelte Beratungsstellen, für welchen Träger auch immer. Mit diesem Antrag unterschreiben Sie selbst, liebe SPD, den Kahlschlag der Bundesregierung. Der Antrag ist ein Zeichen von Desinteresse und von höchster Ignoranz gegenüber allen Betroffenen, die bei der Bekämpfung ihrer Langzeitarbeitslosigkeit gerade auf Ihre Unterstützung angewiesen sind.
diesen Antrag zurückzuziehen, weil das Bundesgesetz jetzt beschlossen ist und weil unser Antrag und der Antrag der LINKEN vom Juni 2011 inhaltlich weitgehender sind. In der Oktobersitzung des Sozialausschusses können wir auf Grundlage dieser beiden Anträge kreative Lösungen entwickeln. Liebe SPD, nutzen Sie diese energische Haltung
lieber für kreative Lösungen und nachhaltige Perspektiven zugunsten aller Betroffenen. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In seltener Übereinstimmung mit Frau Demirel stellt sich auch mir die Frage, was dieser Antrag eigentlich soll.
Die Antwort auf diese Frage ist genauso einfach, wie sie klar ist, zumindest nach der Rede von Herrn Schwieger. Der Deutsche Bundestag hat, es ist bereits erwähnt worden, am 23. September das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt verabschiedet, und Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, versuchen jetzt, diese Debatte in der Hamburgischen Bürgerschaft zu wiederholen, um von Ihren eigenen arbeitsmarktpolitischen Unzulänglichkeiten mit einer Scheindebatte abzulenken. Das ist der wahre Grund dieses Antrags.
Daher finde ich es auch ziemlich unerträglich, wie Sie hier versuchen, die Öffentlichkeit über die reale Lage am Arbeitsmarkt zu täuschen.
(Beifall bei der FDP – Andy Grote SPD: Wenn Sie nicht an der Bundesregierung be- teiligt wären, würden Sie auch so argumen- tieren?)
Ich will auf die reale Lage noch einmal deutlich hinweisen. Dafür zitiere ich eine Meldung aus dem Handelsblatt – Zitat –:
"Der starke Konjunkturaufschwung in der ersten Jahreshälfte drückt die Arbeitslosigkeit in Deutschland noch kräftiger als erwartet. Erstmals seit 1991 sind derzeit weniger als 2,8 Millionen Menschen ohne Arbeit."
Frau Wolff hat zu Recht die heute veröffentlichten Arbeitslosenzahlen berichtet. Der aktuelle Arbeitslosenstand ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr, er beträgt 2,74 Millionen. Das ist die Realität am Arbeitsmarkt.
Diese Realität ist ein Erfolg der Bundesregierung. Das ist die Wahrheit und es ist eben nicht ein Erfolg von Rot-Grün. Als Sie, meine Damen und Herren von der SPD, noch in der Verantwortung waren, gab es 5 Millionen Arbeitslose, und auch wenn man sich die Details der Arbeitslosenstatistik ansieht, dann stellt man fest, dass die Situation heute wesentlich besser aussieht als früher. Konkretes Beispiel: Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist die niedrigste aller großen Industrienationen in Europa. Frankreich und auch Schweden haben eine doppelt so hohe Jugendarbeitslosigkeit wie wir in Deutschland. So wird eines klar: Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig und in einer guten Verfassung.
Herr Grote, Sie wollen hier doch nicht ernsthaft sagen, die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen von 5 Millionen auf 2,74 Millionen solle uns keine Veranlassung geben, über eine Aktualisierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente nachzudenken.