Protocol of the Session on September 28, 2011

(Wolfgang Rose SPD: Welche denn?)

Die Qualität der Dienstleistungen an den Flughäfen hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Dennoch konnten im gleichen Zeitraum die Flugpreise um 34 Prozent gesenkt werden. Davon haben Sie und wir alle profitiert, ganz gleich, ob als Urlaubsreisende oder als Geschäftsreisende.

(Beifall bei der FDP)

Der entscheidende Punkt ist aber, dass vor allem die Beschäftigten an den Flughäfen von dieser Liberalisierung profitiert haben. Es ist nämlich völlig unstrittig, dass in den vergangenen Jahren, auch angestoßen durch die Bodenverkehrsrichtlinie, die Entwicklung der Passagierzahlen von Jahr zu Jahr zugenommen hat. Noch nie bestanden in der Hamburger Flughafenwirtschaft – Herr Balcke hat es richtig angegeben – so viele Beschäftigungsverhältnisse wie heute. Gegenwärtig sind es knapp 14 500 Menschen. Die Unternehmen haben zudem Schwierigkeiten, noch genügend Menschen für die vorhandenen Jobs zu finden. Mit anderen Worten: Eine Mindestlohndebatte, liebe Kollegen, war gestern, Fachkräftemangel ist die Realität von heute.

(Beifall bei der FDP)

Sie können in der Fachpresse nachlesen, dass sich auch Michael Eggenschwiler, der Chef des Hamburger Flughafens, und Wilhelm Bender, der Chef von Fraport AG Frankfurt, gegen eine weitere Liberalisierung der Bodenverkehrsrichtlinie ausgesprochen haben. Dies könnte in der Tat verunsichern, die Bosse der Flughafengesellschaften stehen Seite an Seite mit ver.di gegen die EU-Kommission.

(Phyliss Demirel)

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das sollte einen ja nachdenklich stimmen!)

Herr Rose nickt. Ich habe heute gleich geprüft, ob Herr Rose möglicherweise im Aufsichtsrat der Hamburger Flughafen GmbH sitzt. Ich habe festgestellt, dass das nicht der Fall ist.

(Andy Grote SPD: Sonst haben Sie keine Probleme?)

Aber das, was ich eben beschrieben habe, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Denn in der Realität sind die Flughafenbetreiber heute zugleich auch Gesellschafter der meisten Dienstleistungsgesellschaften. In Hamburg sind es zum Beispiel die Firmen CATS, STARS, GROUNDSTARS oder SecuServe. Die vermeintlichen Bündnispartner sind also eigentlich die Adressaten der Beschwerden von ver.di über angeblich prekäre Arbeitsverhältnisse oder Lohndumping. Dass nun die Flughafen Hamburg GmbH oder die Fraport GmbH als Alleinoder Mehrheitsgesellschafter der meisten Flughafendienstleister die jetzigen Wettbewerbsverhältnisse zementieren wollen, liegt doch auf der Hand. Oder, wie es im Antrag der SPD-Kollegen etwas kultivierter heißt, man halte die jetzige Struktur der Bodenverkehrsdienste auf dem Hamburger Flughafen für angemessen.

Meine Damen und Herren! Wer Wettbewerb will, der darf nicht die Monopolisten nach ihrer Meinung fragen.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP hält dies für eine unkluge Strategie. Der Hamburger Flughafen ist kein Reservat und für das heutige Passagieraufkommen besteht keine Garantie, sondern es besteht erheblicher Wettbewerb, nicht nur mit anderen deutschen, sondern auch mit anderen europäischen Flughäfen. Ob eine weitere Liberalisierung der EU-Bodenverkehrsrichtlinie kommt oder nicht, steht – jedenfalls nach dem, was man gegenwärtig aus Brüssel hört – noch in den Sternen.

Von daher ist es aus unserer Sicht falsch und auch unehrlich, bereits heute politische Beschlüsse auf unsicherer Faktenlage zu fassen. Wer dies macht, der gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Flughafens und damit zugleich auch die Arbeitsplätze von vielen Menschen, und zwar gerade auch von denjenigen, die vielleicht nach langer Arbeitslosigkeit wieder ein Arbeitsverhältnis bei einem der sehr personalintensiven Flughafendienstleister gefunden haben. Die FDP-Fraktion wird dem Antrag nicht zustimmen, sondern ihn ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Hackbusch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass es hier sehr einvernehmlich läuft und diese zusätzlichen Liberalisierungen, die in dem Bereich vorgesehen sind – Liberalisierung passt mir in diesem Zusammenhang als Begriff gar nicht –,

(Finn-Ole Ritter FDP: Neoliberalismus!)

im Wesentlichen abgelehnt werden.

Herr Dr. Kluth, an Ihrer Argumentation stimmt einfach nicht, dass Liberalisierung nur Vorteile gebracht hätte. Dann müssen Sie alle befragen, denn diejenigen, die für die Beschäftigten da sind, stellen eindeutig fest, dass es Verschlechterungen gebracht hat; das ist im SPD-Antrag auch richtig dargestellt. Dementsprechend müssen Sie das zumindest einmal konstatieren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Es stimmt außerdem nicht an Ihrer Argumentation, dass hierdurch mehr Arbeitsplätze entstehen, lediglich die Bedingungen an den Arbeitsplätzen werden schlechter durch diese Liberalisierung. Darin bestehen keine Vorteile und dementsprechend ist es richtig, dies abzulehnen. Ich freue mich, dass bis auf eine kleine Minderheit dieses Haus das einvernehmlich einsieht.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und der GAL – Andy Grote SPD: Die FDP steht kurz vor der absoluten Mehrheit!)

Meine Damen und Herren! Herr Balcke und Frau Demirel haben die wesentlichen Argumente sehr gut benannt und ich will sie nicht wiederholen, damit möchte ich niemanden langweilen. Ich möchte aber besonders auf zwei Punkte hinweisen, die ich für sehr wichtig halte, und ich möchte gern, dass wir uns damit etwas genauer beschäftigen.

Gestern erschien in meiner Lieblingszeitung, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", ein Artikel, der überschrieben war auf der Titelseite mit der Überschrift "Deutsche halten nichts vom Binnenmarkt". Es wurden in einer überall erhobenen Umfrage zwei Dinge festgestellt. Es kam zunächst heraus, dass 65 Prozent aller Menschen in dieser Republik der Meinung waren, dass der Binnenmarkt im Wesentlichen eigentlich nur den Großunternehmen genützt hat.

(Jörg Hamann CDU: Großkapitalisten!)

27 Prozent waren nicht dieser Meinung.

Etwas anderes, das ich sehr entscheidend finde, ist, dass 64 Prozent sagten, dass das Land mit billigen Arbeitskräften überschwemmt worden wäre und 56 Prozent sagten, dass der Binnenmarkt den Lebensstandard insgesamt verschlechtert habe. Und sie haben – Herr Balcke hat es deutlich ausgeführt – in weiten Bereichen recht. Wir müssen

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

uns mit der EU und ihren Entwicklungen sehr viel kritischer auseinandersetzen.

(Beifall bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Denn das Ergebnis darf nicht sein, dass wir eine EU haben, die im Wesentlichen dafür steht, ein Sozialdumping zu betreiben und zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen beizutragen. Das müssen wir einvernehmlich ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist wichtig, dass wir daran anknüpfend eine Europadiskussion führen müssen. Herr Balcke, es ist gerade entscheidend, diese Frage genauer zu diskutieren. Wir haben in den politischen Kreisen die Tendenz, im Allgemeinen schön über die EU zu reden, ohne jedoch die konkreten Bedingungen und die konkreten Veränderungen zu diskutieren. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass die Liberalisierung nicht zu mehr Arbeitsplätzen geführt hat und auch nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu einer Verschlechterung und zu einem Sozialdumping. Das ist genau das, was wir hier ablehnen.

Meine Damen und Herren! Das bedeutet, dass wir die EU sozialer aufstellen müssen. Das sind Anforderungen an uns und die EU insgesamt.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Eine ähnliche Diskussion werden wir auch noch bekommen. Ich bin gespannt, ob die FDP da die gleiche Meinung hat, nämlich im Zusammenhang mit Port Package III, den Arbeitsbedingungen bei den Häfen. Dort werden wir auch das Problem haben, inwieweit die EU-Liberalisierung auf dem Rücken derjenigen, die dort arbeiten, ausgetragen wird. Ich hoffe, dass es hier auch gelingt, eine solche breite Mehrheit, wie sie sich jetzt ergibt, zu finden, um das zurückzuweisen.

Ich bin nicht ganz zufrieden mit dem, was die SPD uns serviert, wie das meist so ist bei einer Opposition. Sie sollten zumindest im Nachhinein, wie Frau Demirel auch sagte, diesen Antrag noch einmal an den Ausschuss überweisen. Es ist nämlich wichtig, sich damit konkret auseinanderzusetzen. Diese Bedingungen gibt es bisher nicht, das hat Frau Demirel klug und gut ausgeführt.

Falls der Antrag angenommen wird, muss ich Ihnen sagen, dass wir nicht in allen Punkten mit dem Antrag übereinstimmen. Sie haben völlig richtig ausgeführt – ich möchte aus dem Antrag zitieren –:

"Die Liberalisierung hat in der Tat zu Preissenkungen geführt, allerdings auch zu massiven Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und zu Reallohnverlusten bei den Beschäftigten im Bereich der Bodenverkehrsdienste. Zeitarbeit, Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse haben zugenommen."

Das ist völlig richtig in der Analyse. Meine Damen und Herren von der SPD, dann verstehe ich aber nicht, warum Sie in Ihrem Petitum unter Punkt 1 ausführen:

"Die Bürgerschaft hält die jetzige Struktur der Bodenverkehrsdienste auf dem Hamburger Flughafen für angemessen[…]."

Das ist doch ein Widerspruch. Wenn es zu Verschlechterungen von Arbeitsbedingungen geführt hat, dann können wir nicht gleichzeitig sagen, dies würden wir für angemessen halten, sondern müssen dies dann kritisch diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der SPD, geben Sie sich einen Ruck und lassen Sie uns diesen Widerspruch auflösen. Lassen Sie es uns gemeinsam, meinetwegen auch im Nachhinein, im Ausschuss diskutieren. Es ist im Interesse der Beschäftigten in dieser Stadt. Eine kritische Diskussion über die EU ist absolut notwendig, denn eine EU, die auf Sozialdumping aufbaut, darf keine Realität werden. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Senator Horch bekommt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Abgeordneten! Bevor ich zu dem Antrag Stellung nehme, möchte ich kurz den aktuellen Stand auf der europäischen und der bundesweiten Ebene bezüglich des Themas darlegen.

Die Europäische Kommission wird voraussichtlich Ende Oktober 2011 ein sogenanntes Flughafenpaket vorlegen. Mit ihm sollen verschiedene Richtlinien überarbeitet werden. Eine davon ist die Richtlinie über die Bodenabfertigungsdienste. Die geltende Richtlinie von 1996 war als erster Schritt zur stufenweisen Liberalisierung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste gedacht. Sie sollte zur Senkung der Betriebskosten der Luftfahrtunternehmen und zur Verbesserung der Dienstleistungen beitragen.