Protocol of the Session on September 28, 2011

(Senatorin Jana Schiedek)

Drs 20/1590 –]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion federführend an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Balcke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Unternehmen rund um den Hamburger Flughafen beschäftigen circa 15 000 Mitarbeiter, und der Hamburg Airport gehört mit einem Gesamtumsatz von 224 Millionen Euro in 2009 bei einem Ergebnis von 35 Millionen Euro zu den profitabelsten Airports in Deutschland und stellt einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor für die Metropolregion dar. Doch gerade in diesem prosperierenden Wirtschaftszentrum kommt die Absurdität europäischer Liberalisierungswut zum Ausdruck. Nur am Rande will ich auf die enorme Einkommensdiskrepanz zwischen den Höchstverdienern auf den Towers einerseits, wie den Fluglotsen, und dem Bodenpersonal direkt am Flieger andererseits hinweisen, tragen doch beide Berufsgruppen maßgeblich zur Sicherheit im Flugbetrieb bei.

Mir geht es an dieser Stelle vor allem um jene Beschäftigten, die nicht auf den ersten Blick sichtbar und nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, jedoch einen Flughafen am Leben halten. Sie leben im Takt der immer stärker rationalisierten Abläufe am Airport in Hamburg, der im Jahr rund 12 Millionen Passagiere bei fast 160 000 Flugbewegungen abfertigt. Daher braucht es zahlreiche Arbeitskräfte, die sich um all diese Dienstleistungen rund um den Verkehr am Boden kümmern, wie zum Beispiel Betankung, Rangieren von Flugzeugen, Gepäcklogistik, Flugzeugreinigung sowie das Passagier- und Cargohandling. In Hamburg sind es rund 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den unterschiedlichen Bereichen rund um unseren Flughafen, in dem Bereich, auf den wir uns jetzt konzentrieren, 650 feste Mitarbeiter, insgesamt 900 inklusive der Zeitarbeitsbeschäftigten.

Die Europäische Kommission diskutiert seit einigen Jahren auch die Rolle der Flughäfen im Hinblick auf deren Entwicklung und die Wettbewerbsorientierung des europäischen Luftverkehrbinnenmarkts. Ein Teil dessen ist die 1996 erstmals beschlossene Bodenverkehrsrichtlinie, deren Überarbeitung den Wettbewerb noch weiter verschärfen soll. Was sich so unverbindlich anhört, hat jedoch handfeste Auswirkungen auf die Arbeitskräfte am Hamburger Airport. Noch sind nicht alle Fakten bekannt, aber es ist zu erwarten, dass eine Verschärfung der Bodenverkehrsrichtlinie zu einem überstarken Wettbewerbsdruck auf die Hamburger Unternehmen in diesem Sektor führt. Die Erfahrung der ersten Welle haben wir noch präsent. Die Preise sind zwar gefallen, aber ebenso stark haben sich die Arbeitsbedingungen und Löhne nach un

ten entwickelt. Der Londoner Flughafen Heathrow sollte uns mit mehr als zehn Anbietern für Bodenverkehrsdienstleistungen im Wettbewerb ein mahnendes Beispiel sein, wir denken da an das Winterchaos im Jahr 2010/2011. Ohne klare Qualitätsstandards und europäische Regelungen – und diese auf deutschem Niveau – droht ein neuer Billiglohnsektor, der sich auf Qualität, Verlässlichkeit und nicht zuletzt auch auf die Sicherheit der Passagiere in den Flugzeugen auswirkt.

(Beifall bei der SPD)

Das ist brandgefährlich. Hamburg beteiligt sich nun an dieser Diskussion und muss sich auf nationaler sowie auf europäischer Ebene aktiv für die Qualität und Sicherheit an den Flughäfen und damit für die Beschäftigten hinter den prächtigen Fassaden der Airports einsetzen. Wir halten die heutigen Standards für angemessen und richtig und stellen uns entschieden gegen eine europäische Regelung, die hinter Hamburger oder deutschen Richtlinien und Qualitätsmerkmalen zurückbleibt.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Punkt sind beispielsweise der Gesamtbetriebsrat am Hamburg Airport und die Geschäftsführung vollkommen einer Meinung und wenden sich eindeutig gegen die zu erwartende Richtlinie. Nicht zuletzt bedeutet Sicherheit gerade auch im Luftverkehr, am Boden sowie in der Luft, dass sich die Fluggäste auf ordentliche und gute Arbeit verlassen können.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt auch faire Löhne für die Beschäftigten hinter den Kulissen. Sicherheit fängt nicht erst im Cockpit und im Tower an, sondern beginnt buchstäblich auf dem Vorfeld. Unterstützen Sie unseren Antrag und senden Sie gemeinsam eine starke Solidaritätsadresse an die Beschäftigten der betroffenen Unternehmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Herr Hecht.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann den Worten des Kollegen Balcke eigentlich nur beipflichten.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss Ihre Begeisterung leider ein wenig dämpfen, denn der Ziffer 3 werden wir nicht folgen. Die Ziffern 1 und 2 aus dem Petitum werden wir annehmen.

Die Bedeutung der Bodenverkehrsdienste ist uns allen im Hause klar, wir wissen, was am Flughafen geleistet wird von der Belegschaft. Maschinen werden fachgerecht abgefertigt, getankt, gereinigt, und

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel)

es wird dort ein sehr guter Service geliefert. Das Ergebnis dieser präzise abgestimmten Arbeit ist ein gut funktionierender und leistungsfähiger Flughafen, den wir als Metropole Hamburg unbedingt brauchen. Dieser gut funktionierende Flughafen wäre massiv gefährdet, wenn eine Vielzahl von Dienstleistern, wie von der EU-Kommission möglicherweise vorgesehen, miteinander konkurrieren würde und es würde dann nicht mehr das eine Zahnrad in das andere greifen.

Bei allem Verständnis für den notwendigen Wettbewerb kann dieser nur akzeptiert werden, wenn er fair abläuft, weder zulasten der Mitarbeiter noch zulasten der Sicherheit. Nicht jeder Anbieter kann hohen Ausbildungsstand, angemessenes Lohnniveau und sehr guten Service bieten. Durch den Preiskampf werden Festanstellungen zu Leih- und Zeitarbeitsverträgen auf niedrigem Lohnniveau, und das ist nicht das, was wir wollen, auch nicht als CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Vizeprä- sidentin Kersten Artus übernimmt den Vor- sitz.)

Die EU-Kommission ist aufgefordert, erst einmal für die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie aus dem Jahr 1996 in allen 27 Mitgliedsstaaten zu sorgen. Wir fordern eine klare Analyse der Vorund Nachteile einer Liberalisierung sowohl für die Beschäftigten als auch für die Fluggäste. Außerdem kritisieren wir, dass die EU-Kommission sich schon 1996 lediglich 15 EU-Mitgliedsstaaten angeschaut hat und nicht die damals schon in die Erweiterung eingeplanten Staaten.

Insoweit kommt es uns als CDU auf eine klare Wirkungsanalyse an. Darüber hinaus geht es uns darum, für faire und gute Arbeitsbedingungen am Flughafen mit den anderen Parteien im Hause zu kämpfen. – Danke.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Frau Demirel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die EU-Kommission plant, einen Vorschlag zur Revision der Richtlinie von 1996 einzubringen, der allerdings noch nicht veröffentlicht wurde. Aus dem Bericht der EU-Kommission von 2007 ist zu erfahren, dass die Preise für die Bodenabfertigung in fast allen Mitgliedsstaaten seit Annahme dieser Richtlinie gesunken sind. Dabei ist es besonders auffällig, dass der Preisrückgang in jenen Mitgliedsstaaten deutlicher ausfiel, in denen es vor 1996 ein Monopol für die Bodenabfertigung gab beziehungsweise der Markt stark reguliert war.

Es herrscht dahingehend ein Konsens, dass sich diese Richtlinie positiv auf den Wettbewerb, der die Ursache für diese Senkung sein kann, ausgewirkt hat. Dennoch wird auch angemerkt, dass die Entwicklungen in der Luftverkehrsbranche in den letzten Jahren einen Einfluss auf die Preise gehabt haben können. Um das festzustellen, muss man kein Hellseher sein, es reicht ein Blick in die Richtung, wie oft ein Billigflieger in Richtung Mallorca abhebt.

Dem Bericht der Kommission ist zu entnehmen, dass sich die Qualität der Dienste an verschiedenen Flughäfen in unterschiedlichem Maße geändert hat. Die Beteiligten vertreten voneinander abweichende Meinungen und Auffassungen aus der jeweiligen Sicht ihrer Wettbewerbsposition auf dem Markt. Dies war so vor und nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie.

Den größten Vorteil haben offensichtlich die Luftfahrtunternehmen. Sie haben die Liberalisierung in erster Linie dazu genutzt, die verschiedenen Dienstleistungsanbieter gegeneinander auszuspielen und so die Kosten zu senken. Die Qualität der Dienstleistungen trat dabei in den Hintergrund. Die Konkurrenz zwischen den Fluggesellschaften wächst ständig und jede Gesellschaft versucht, günstigere Preise anzubieten. Unter diesem Wettbewerb leiden meistens die Beschäftigten, weil bei der Bodenabfertigung etwa drei Viertel der Gesamtabfertigungskosten aus Personalkosten bestehen. Da kann man woanders nicht kürzen.

Die EU-Mitgliedsstaaten beobachten das Ganze mit Sorge, denn diese Bodenabfertigungs-Dienstleister haben Probleme, qualifiziertes Personal zu finden und es auch zu halten. Es gibt EU-weit eine starke Personalfluktuation. Der durch diese erste Richtlinie gestärkte Wettbewerb hat auch dazu geführt, dass etablierte Luftfahrtunternehmen oder Dienstleister einen Teil ihrer Belegschaft entlassen haben, während die Neueinstellungen bei den neuen Dienstanbietern dann für niedrigeren Lohn erfolgten.

Es sollte auch nicht das Ziel sein, durch eine Ausweitung des Wettbewerbs die Arbeitsverhältnisse, das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen der Belegschaft zu verschlechtern und damit auch das Leistungsniveau insgesamt.

(Beifall bei Antje Möller GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Öffnung des Wettbewerbs sollte zu mehr Qualität führen, dem Service und der Sicherheit dienen und nicht Lohndumping begünstigen.

(Beifall bei Wolfgang Rose SPD)

Ohne klare Regelungen und einen gesetzlichen Mindestlohn kann eine weitere Liberalisierung zu unfairen Bedingungen auf Kosten der Belegschaft,

(Heiko Hecht)

der Qualität, vor allem der Umwelt und der Sicherheit nicht akzeptiert werden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wir brauchen vor allem einen gesetzlichen Mindestlohn, damit dieser Wettbewerb für alle Beteiligten gerecht gestaltet werden kann. Die Liberalisierung der Bodenabfertigungsrichtlinie kann nicht im Zusammenhang mit der Vergrößerung der Kapazitäten der Luftflughäfen und damit verbundenen Förderung des Luftverkehrs diskutiert werden. Die Öffnung des Marktes muss Qualität und Sicherheit garantieren und darf keine Benachteiligung für die Belegschaft und für die Umwelt zur Folge haben.

Dazu gehören auch neben den Beschäftigungsverhältnissen die Festlegung von Versicherungsanforderungen und Qualitätsnormen für Flughäfen und eine weitere Verbesserung des Verfahrens für die Auswahl von Dienstleistungsfirmen. Angemessene Ausbildung und Sicherheitsstandards sind eine Selbstverständlichkeit für einen Flughafenbetrieb. Für weitere Schritte bedarf es in der Tat einer präzisen Analyse der Auswirkungen hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse auf dem Hamburger Flughafen seit dem Inkrafttreten der ersten Richtlinie.

Wir hatten letzte Woche eine Schriftliche Kleine Anfrage zu den Beschäftigungsverhältnissen auf dem Hamburger Flughafen eingereicht. Aus der Antwort des Senats ergeben sich leider keine nützlichen Anhaltspunkte bezüglich der Beschäftigten, deren Zahl konstant geblieben ist. Wir konnten aus der Antwort nicht entnehmen, wie viele Beschäftigte darunter in Teilzeit arbeiten, wie viele in Vollzeit und wie viele durch Leiharbeitsfirmen.

Daher beantragen wir die Überweisung des Antrags an den Sozialausschuss und mitberatend an Wirtschaftsausschuss, damit wir eine präzise Diskussion führen können hinsichtlich der Bodenverkehrsrichtlinie, bevor wir von einer neuen Liberalisierungswelle überrollt werden. Daher bitte ich die SPD, dass sie der Überweisung zustimmt und dass wir auch eine Analyse in Auftrag geben können, vielleicht auch eine Expertenanhörung machen können. Präzisere Zahlen und präzisere Arbeit wären sehr angebracht. Daher bitten wir als GAL-Fraktion um die Überweisung des Antrags. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Herr Dr. Kluth, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Balcke, es war eine sehr martialisch gehaltene Einbringungsrede für diesen Antrag. Wir sind gänzlich anderer Meinung in dieser Frage. Wie ich

die Vorredner verstanden habe, sind wir scheinbar die einzige Fraktion, und auch bei der Links-Fraktion würde ich vermuten, dass sie mit keiner Überraschung aufwartet.

Wer diesen Antrag verfasst hat, der leidet offenkundig nicht nur an selektiver Wahrnehmung, sondern er leidet vor allen Dingen an arbeitsmarktpolitischer Kurzsichtigkeit. Ich werde den Versuch unternehmen, dies kurz aus unserer Sicht zu begründen.

Die EU-Bodenverkehrsrichtlinie aus dem Jahre 1996 hatte zwei wesentliche Ziele, nämlich Entmonopolisierung und zugleich Wettbewerbsöffnung. Wobei es sich im Bereich der Bodenverkehrsdienste handelt, ist bereits zutreffend beschrieben worden. Er beinhaltet Gepäckverladung, Enteisung, Schleppdienste, Betankung und Reinigung, um nur einige Bereiche zu nennen. Wie das bei der Beseitigung von staatlichen Monopolen und der Schaffung von Wettbewerb nun einmal so ist, hat dies für alle Beteiligten nur Vorteile gebracht.

(Wolfgang Rose SPD: Welche denn?)