Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir reden heute nicht zum ersten Mal über das Thema Energienetze in dieser Stadt. Wir wissen alle, worum es geht. Es geht um die Energiewende in Hamburg und wer dabei die Richtung vorgibt, die Politik oder die Gewinninteressen privater Konzerne. Wir Grüne haben Argumente für unsere Position hier schon oft vorgetragen.
In unserem heutigen Antrag geht es um einen weiteren Aspekt der Auseinandersetzung, kein Nebenaspekt, sondern wie es mit der politischen Kultur in unserer Stadt bestellt ist. Es geht darum, wie eine von der Mehrheit der Bevölkerung gewählte Regierung damit umgeht, wenn ihr Bürgerinnen und Bürger durch Elemente der direkten Demokratie mitteilen, dass sie anderer Meinung sind.
Sie, Herr Scholz, haben bei Ihrer Nominierung als Bürgermeisterkandidat der SPD gesagt, Sie seien ein Befürworter der direkten Demokratie, sie mache Politik besser und sie sorge dafür, dass eine Regierung nicht an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger vorbeiregieren könne. Und jetzt, sechs Monate, nachdem Sie Ihre Regierungserklärung gehalten haben, haben Sie den Fall, dass Sie zwar in Ihrem Regierungsprogramm gesagt haben, Sie möchten die Netze nicht mehrheitlich zurückkaufen, Ihnen aber 115 000 Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt durch ihre Unterschrift mitgeteilt haben, dass sie die Energienetze in öffentlicher Hand wissen wollen. Seitdem ist nichts passiert. Es hat keine Gespräche zwischen dem Bürgermeister, dem Senat, und der Initiative gegeben. Wir haben in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage nachgehakt, warum das so ist. Die Antwort des Senats lautete, dass es keine Gespräche gegeben habe, weil eine Gesprächsanfrage seitens der Initiative nicht vorliege.
Welches Demokratieverständnis steckt eigentlich hinter dieser Aussage? 115 000 Bürgerinnen und Bürger sagen klar, dass Sie Ihnen in diesem Punkt nicht folgen wollen. Das sollte doch für einen Bürgermeister mit absoluter Mehrheit genug Grund sein, mit diesen Bürgerinnen und Bürgern zu reden.
(Beifall bei der GAL – Dirk Kienscherf SPD: Das sagt genau der Richtige! – Anna-Elisa- beth von Treuenfels FDP: Das kommt von Ihnen!)
Wer über Bürgerbeteiligung redet, der muss auf die Vertreter eines erfolgreichen Volksbegehrens auch zugehen. Der schwarz-grüne Senat hat das damals getan und nicht darauf gewartet, dass Bürgerinnen und Bürger um eine Audienz bitten.
Andererseits reden dieser Bürgermeister und dieser Senat mit den Gegnern des Volksbegehrens, den großen Energiekonzernen, sehr intensiv. In der erwähnten Anfrage haben wir auch die Antwort auf die Frage bekommen, wie oft Gespräche zwischen dem Senat und E.ON oder Vattenfall stattgefunden haben. Es hat Gespräche gegeben am 2. August, am 4. August, am 9. August, am 18., am 23, am 24., am 25., am 29. und am 30. August sowie am 1., am 2. und am 3. September. Einziges Ziel dieser Gespräche ist es, Fakten zu schaffen,
Herr Bürgermeister, Sie nehmen sich noch nicht einmal zwei Stunden Zeit, um die Bürgerinnen und Bürger überhaupt anzuhören, und deshalb heute unser Antrag. Es wird Zeit, dass dieser Senat, dass dieser Bürgermeister mit der Initiative redet.
In der Debatte zur Regierungserklärung haben Sie persönlich, Herr Bürgermeister, und auch Sie, Herr Dressel als Fraktionsvorsitzender der SPD, gelobt, dass Sie verantwortungsbewusst mit der absoluten Mehrheit umgehen werden. Wir müssen feststellen, dass Sie dieses Versprechen bereits bei der ersten Gelegenheit gebrochen haben, es hat noch nicht einmal ein halbes Jahr gedauert.
Dieser Umgang mit den Initiatoren des Volksbegehrens ist ein weiteres trauriges Kapitel der Missachtung von direkter Demokratie durch die Regierenden. Damit beschädigen Sie nachhaltig die politische Kultur in Hamburg.
Auch wenn Sie etwas anderes möchten als die Initiative, gibt es doch viele Punkte, über die es sich zu reden lohnt. Nachdem dieser Senat ins Amt gekommen ist, wurden jede Menge Gutachten über verschiedene Themen veröffentlicht, nur eines nicht, obwohl es schon seit einem Monat vorlag, nämlich ein Gutachten darüber, wie man auf gesellschafts- und finanzrechtlicher Grundlage den Rückkauf der Netze finanzieren kann, ohne den Haushalt großartig zu belasten.
Das kann ich Ihnen gern sagen, weil das Gutachten erst einen Monat vor dem Ende der Koalition fertig geworden ist. Man muss es selbst erst einmal lesen und auswerten, bevor man es öffentlich macht. Sie haben jetzt mehr als sieben Monate gebraucht, um es zu veröffentlichen.
Ich begrüße sehr, dass dieses Gutachten nun vorgelegt wurde. Jetzt kann es nicht nur die Öffentlichkeit lesen, sondern auch der Bürgermeister, bei dem man manchmal den Eindruck haben kann, dass er Entscheidungen trifft, ohne sich mit den Fakten zu beschäftigen, oder den Daten, die in der BSU vorliegen.
Es gibt eine Alternative zu 25,1 Prozent Minderheitsbeteiligung und hundertprozentigem Rückkauf der Netze. Man könnte nämlich eine Trennung zwi
schen den Eigentums- und Betreibergesellschaften vornehmen. Die Betreibergesellschaft gehörte dann zu hundert Prozent der Stadt, an der Besitzgesellschaft wird möglicherweise teilweise ein seriöser Finanzinvestor beteiligt, der keinen Einfluss auf den Betrieb nimmt. Damit würde das städtische Finanzierungsvolumen dramatisch reduziert, und gleichzeitig behielte die Stadt die absolute Kontrolle darüber, was in der Energiepolitik passiert.
Das ist in der Tat etwas anderes als das, was die Initiative fordert. Die will die Netze zu hundert Prozent im Besitz der Stadt haben, damit die Politik Einfluss auf den Betrieb der Netze gewinnt. Deshalb, Herr Bürgermeister, lohnt ein Gespräch mit den Vertretern des Volksbegehrens durchaus. Sie müssen sich entscheiden, mit wem Sie reden wollen, weiterhin mit den großen Energiekonzernen mit dem Ziel, ihnen das Ruder in der Hand zu lassen, oder mit den Bürgerinnen und Bürgern, die einen anderen Weg einschlagen wollen.
Es gibt einen gangbaren Weg zur Rekommunalisierung der Netze, einen Weg ohne die von Ihnen behaupteten Haushaltsrisiken, ohne eine überflüssige Konfrontation in dieser Stadt heraufzubeschwören und ohne die Demokratie und Bürgerbeteiligung zu beschädigen. Darum fordere ich Sie heute auf, Herr Bürgermeister, mit der Initiative zu reden und eine gemeinsame Lösung zum Wohle unserer Stadt zu suchen und das jetzt zu tun. – Vielen Dank
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frei nach Goethes Faust sage ich zum GAL-Antrag: Die Botschaft hör ich wohl, allein hier fehlt die Grundlage.
"Die Bürgerschaft befasst sich mit dem Anliegen des Volksbegehrens. Die Volksinitiatoren erhalten Gelegenheit, das Anliegen in einem Ausschuss zu erläutern."
Herr Kerstan, Sie verlangen, dass der Bürgermeister mit der Initiative redet. Ich habe allerdings noch nicht gehört, dass die Initiative den Wunsch dazu geäußert hat. Genauso wenig habe ich gehört, dass ein entsprechender Wunsch an ihn herangetragen worden ist. Wir Abgeordnete sind der
Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuss hat beschlossen, am 18. November im Festsaal zusammen mit dem Umweltausschuss eine Anhörung durchzuführen, damit wir uns dann im Parlament mit dem Anliegen des Volksbegehrens befassen können. Einzelheiten müssen wir natürlich noch besprechen. Eines soll nicht wieder vorkommen: Wir haben vor einem Jahr die Initiative angehört und es gab eine derartig drangvolle Enge, weil die GAL-Vorsitzende des Umweltausschusses offensichtlich völlig unterschätzt hatte, dass es ein großes Interesse an dem Thema in der Öffentlichkeit gab. Es war so eng, dass die Menschen teilweise auf den Fluren stehen oder nach Hause gehen mussten. Das soll uns nicht wieder passieren. Das ist auch eine Form von Intransparenz, Frau Hajduk, und darum haben wir jetzt den Festsaal angemietet, damit alle Interessierten an der Anhörung teilnehmen können.
Wir wollen das Konzept der Initiative erörtern und dazu einen Faktencheck durchführen. Wir werden dann sehen, wo es Gemeinsamkeiten mit dem Modell des SPD-Senats gibt und was beide Konzepte trennt. Im Ziel einer vorrangig dem Gemeinwohl verpflichteten Energieversorgung sind wir uns mit den Initiatoren einig. Wir sind uns auch darin einig, dass der Betrieb der Verteilnetze für Gas, Strom und Fernwärme Teil der Daseinsvorsorge ist. Das ist alles in unserem Antrag von Ende März dieses Jahres nachzulesen. Die Vorstellung jedenfalls, alles könne beim Alten bleiben, so wie es die rechte Seite dieses Hauses sieht, kann nicht aufrecht erhalten bleiben. Die hat weder hier noch in der Öffentlichkeit eine Mehrheit.
Mir scheint, es gibt eine klare Alternative zu dem Beteiligungsmodell der SPD und dem Übernahmemodell der Initiative. Bei einem möglichen Volksentscheid können dann beide Modelle zur Abstimmung stehen.
Die Initiative hat den Wunsch nicht geäußert. Ich gehe davon aus, dass sie ihr Modell nicht zur Disposition stellt.
Die Einzelheiten unseres Modells sind keine Geheimsache. Bereits am 23. März 2011 hat das Parlament auf Antrag der SPD dem Senat den Auftrag erteilt, ein Konzept zur Beteiligung an den Verteilnetzen zu erarbeiten, und dabei Eckpunkte formuliert, die auf eine Drucksache in der letzten Legislaturperiode zurückgehen. Diese Drucksache bezie
hungsweise diese Eckpunkte hatten wir in der letzten Legislaturperiode diskutiert, wir haben sie am 23. März angesprochen, wir haben sie wiederholt in zahlreichen Debatten erörtert und sind damit in die öffentliche Diskussion eingetreten. Wer will, kann die Drucksache jederzeit in der Parlamentsdokumentation einsehen, oder er kann uns Abgeordnete bitten, dass wir sie besorgen; da ist gar nichts geheim.
Der Senat hat in seiner Antwort auf die Große Anfrage der CDU mitgeteilt, dass er den Erwerb eines strategischen Anteils von mindestens 25 Prozent,
mindestens 25,1 Prozent, vielen Dank, an den Verteilnetzen für Gas, Strom und Fernwärme anstrebt, um die Handlungsspielräume in der Energiepolitik zurückzugewinnen. Der Senat hat zugesichert, dass er zügig Verhandlungen mit Vattenfall und E.ON aufnehmen will. Wie Sie eben sagten, Herr Kerstan, hat der Senat das bereits getan. So steht es im Arbeitsprogramm, und das wird umgesetzt.