Protocol of the Session on August 24, 2011

Alle sind sich einig, dass dieses Verbrechen in seiner Brutalität, in seiner Bestialität und Monstrosität singulär ist, allenfalls vielleicht noch vergleichbar mit den Anschlägen von Madrid und London aus den Zweitausenderjahren. Es ist aber die Tat eines Einzeltäters und ich weigere mich, dessen wirres Geschreibsel auf 1500 Seiten im Internet in irgendeiner Weise ernst zu nehmen. Seine Motive sind für mich gänzlich ohne Belang. Der Verbrecher will doch nur, dass wir uns mit dem Zeug auseinandersetzen, und wir sollten ihm diesen Gefallen nicht tun und uns nicht von so einem Mann instrumentalisieren lassen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Aus meiner Sicht gibt es nur eine Instanz, die Anlass bietet, sich mit den Motiven von Breivik auseinanderzusetzen, das sind die urteilenden Gerichte und das sind die damit befassten Psychiater. Da gehört der Fall hin und nicht in eine Parlamentsdebatte.

(Beifall bei der CDU – Heike Sudmann DIE LINKE: Sie machen sich das ein bisschen einfach!)

Gerade in Deutschland sind wir viel zu schnell bereit, aus so einer Tat auch politische Forderungen abzuleiten. Irgendjemand, ich weiß nicht mehr genau wer, kam sofort auf das Thema NPD-Verbot. Gibt es ein kleineres Karo, als nach so einer Tat mit einer solchen Forderung, über die man natürlich diskutieren kann, zu kommen? Und jetzt kommen Sie mit Ihren Forderungen.

Das sind sicherlich alles Forderungen, die diskutabel sind, aber ich weigere mich, diese Fragen im Kontext Breivik zu erörtern, und deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat nun Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Vahldieck, ich denke schon, dass man sich mit einem Petitum auseinandersetzen sollte. Ich teile allerdings Ihre Ansicht, dass es natürlich sehr weit hergeholt ist, die Geschehnisse in Norwegen in diesen Kontext zu bringen und sie so zu instrumentalisieren. Da haben Sie recht.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Auch die weiteren Verhandlungen über Vereinbarungen und Staatsverträge – ich komme noch darauf zurück, um das fachlich vernünftig einzuordnen – werden nicht verhindern, dass es weiter solche Internetforen gibt. Trotzdem müssen wir uns mit dem Petitum auseinandersetzen, weil es tatsächlich aktuell ist und weil es richtig ist, die Verhandlungen fortzuführen.

Natürlich werden wir alle hinter dem Grundrecht stehen, Religionsfreiheit verwirklichen zu können. Sie haben das Grundrecht auf Bekenntnisfreiheit genannt, Frau Schneider, Artikel 4 – ja. Der Islam allerdings und dessen religiöse Gruppen haben bisher keinen anerkannten Platz in Deutschland im Religionsverfassungsgesetz. Deshalb ist es auch schwierig, über Staatsverträge zu sprechen, weil trotz des Grundrechts auf Religionsfreiheit, das verankert und individuell garantiert ist, es eben keine Anerkennung als Religionsgemeinschaft gibt.

Da sind wir auch beim Knackpunkt, weswegen wir Punkt 1 des Antrags nicht zustimmen, sondern uns nur enthalten können. Natürlich wäre es gut, wenn wir auf gleicher Augenhöhe, wie das mit der Katholischen Kirche, der Jüdischen Gemeinde und der Evangelischen Kirche stattgefunden hat, Staatsverträge schließen könnten. Zurzeit geht es darum, Vereinbarungen zu treffen und natürlich alles zu

(Ekkehard Wysocki)

tun, damit die entsprechenden Religionsgruppen auch als Religionsgemeinschaften anerkannt werden. Dazu sind bestimmte Maßnahmen und auch Anpassungen noch notwendig.

Dies ist natürlich eine große Herausforderung in unserer pluralistischen Gesellschaft. Ich sage noch einmal ganz deutlich, dass es auch notwendig ist, diese Vereinbarungen zu führen, um den sozialen Frieden zu sichern. Ich kann nur den Senat auffordern – in dem Fall ist es die Senatskanzlei, Herr Dr. Krupp –, schnellstens diese Verhandlungen zu führen und weiterzuführen.

Herr Vahldieck, Sie haben sich überhaupt keinen Vorwurf zu machen, weil die CDU tatsächlich in der vorletzten Legislaturperiode vorangegangen ist, und zwar bundesweit vorangegangen ist, dieses Thema anzupacken und die Verhandlungen zu führen. Wir sind in Hamburg kein nur mehr christlich-abendländisches Land, denn nur noch knapp 50 Prozent unserer Hamburgerinnen und Hamburger sind christlich – Freikirchen, katholisch und evangelisch. alle anderen haben andere Religionen oder sind konfessionsfrei. Wir können hier nicht so tun, als reiche es, wenn wir Staatsverträge mit den Katholiken oder den Protestanten abschließen.

(Beifall bei der GAL und bei Norbert Hack- busch und Dora Heyenn, beide DIE LINKE)

Es ging sehr gut los mit der Deutschen Islamkonferenz. Herr Schäuble hat im O-Ton damals gesagt, der Islam sei Teil Deutschlands und Teil Europas, er sei Teil unserer Gegenwart und Teil unserer Zukunft. Sinngemäß hat das der Bundespräsident im letzten Jahr im Oktober auch gesagt.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Leider hat der neue Innenminister das mit Füßen getreten und wieder alles zunichte gemacht. Es ist schade, dass das vertan wurde.

Jetzt komme ich zum Thema "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit". Man kann auch deutlich sagen, dass es Eurozentrismus ist, der uns leider Gottes in Deutschland immer wieder begegnet. Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass die islamfeindlichen Tendenzen extrem zugenommen haben. Es gibt drei Studien, die das unterstreichen, eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung, eine Emnid-Studie und auch eine sehr neue Studie der Uni Bielefeld, die besagt, dass insbesondere bei Personen aus höheren Einkommensgruppen und guter Bildung die Islamophobie besonders verbreitet ist. Das gibt natürlich zu denken. Der Deutsche Kulturrat hat gerade Anfang 2011 gesagt, dass es sich um aufgeklärte Islamophobie handele. Dazu hat Herr Sarrazin natürlich reichlich beigetragen und dieses noch geschürt. Das heißt, wir haben akut zu tun mit diesem Thema.

Ich muss zum Schluss kommen. Nachdem in Hamburg diese Verhandlungen geführt worden sind, haben wir letztes Jahr ein Gutachten in Auftrag gegeben noch unter Schwarz-Grün. Ich frage mich, Herr Dr. Krupp, was aus dem Gutachten geworden ist. Wie wir erfahren haben, ist es da. Es sollte dazu dienen, die Anerkennungs-Procedere für Religionsgemeinschaften überprüfen zu lassen von einem Professor, der von beiden Seiten der Verhandlungspartner anerkannt war.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Der zeigt dann Lösungswege auf!)

Insofern wäre es gut, wenn wir darüber Informationen bekämen, ohne die Verhandlungen zu gefährden. Ich fordere Sie auf – schade, dass wir den Senat treiben müssen –, diese Verhandlungen weiterzuführen. Es gab schon einmal andere Zeiten in der SPD, als Frau Özoguz noch hier war, da war so etwas selbstverständlich. Also tun Sie das, um den sozialen Frieden in Hamburg im Kontext mit der Gleichberechtigung des Islam in Richtung Staatsverträge und in Richtung Vereinbarungen weiterzubringen.

Wir werden uns bei Punkt 1 des Antrags enthalten. Erstens haben Sie nämlich die Aleviten vergessen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist schlicht nicht wahr!)

das geht gar nicht, die führen genauso Verhandlungen. Zweitens können wir noch nicht über Staatsverträge sprechen, solange der Religionsgemeinschaftsstatus nicht anerkannt ist. Wir werden den anderen Berichtspunkten zustimmen, sie sind gut und richtig. Es wird auch dringend Zeit, dass wir mehr darüber erfahren, wie weit der Stand ist, nachdem die neue Regierung schon sechs Monate im Amt ist.

Wir werden dem letzten Punkt nicht zustimmen, weil vor allen Dingen die über 25-Jährigen islamophob sind und nicht die unter 25-Jährigen. Insofern ist es Unsinn, noch einmal ein Landesprogramm für die Schulen aufzulegen. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL)

Vielen Dank, Frau Goetsch. – Das Wort hat Frau Kaesbach.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Fraktion schließt sich den Worten der Trauer um die Toten in Oslo und Utøya an. Wir sind aber auch genauso der Auffassung, dass dieses furchtbare Massaker mit dem Petitum des Antrags nicht vermischt werden sollte; das ist vollkommen unangebracht. Das Massaker sollte nicht politisch instrumentalisiert werden.

(Beifall bei der FPD, der SPD und der CDU)

(Christa Goetsch)

Ich komme nun zum Antrag. Eine offene Gesellschaft, für die wir Liberalen einstehen, setzt voraus, dass ein Dialog zwischen allen gesellschaftlich relevanten Gruppen stattfindet. Hierzu gehören auch die Vertreter der islamischen und der alevitischen Verbände. Dafür aber einen Staatsvertrag abzuschließen, halten wir aus unterschiedlichen Gründen für nicht notwendig.

Erst einmal ist es umstritten, ob ein Staatsvertrag rechtlich überhaupt zulässig ist. Es handelt sich bei den bisherigen Gesprächspartnern aus der schwarz-grünen Epoche um den Landesverband Hamburg von DITIB, der SCHURA, den Verband der Islamischen Kulturzentren und der Alevitischen Gemeinde Hamburg. Dies geht aus der Senatsantwort zu meiner Anfrage vom 31. Mai hervor. Hierbei handelt es sich nicht um Körperschaften des öffentlichen Rechts und es ist fraglich, ob mit der DITIB als Dachverband ein solcher Staatsvertrag rechtsverbindlich abgeschlossen werden kann.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Mit dem Vatikan ging es doch auch!)

Außerdem muss der Senat zugeben, dass eine Gewährleistung der rechtlichen Repräsentation aller gläubigen Muslime in Hamburg unmöglich ist. Wir stellen außerdem fest, dass die Verhandlungen, die der Vorgängersenat aufgenommen hat, mit einem sehr pragmatischen Ansatz aufgenommen wurden, nämlich ohne sich um die in diesem Zusammenhang anstehenden religions-verfassungsrechtlichen Fragen zu kümmern. Genau solch eine pragmatische Herangehensweise begrüßen wir. Man sollte dann jedoch auch dabei bleiben und nicht staatstragend großartige Verträge abschließen.

Worum geht es denn bei diesen Verhandlungen? Zum Beispiel geht es um die Erteilung von Religionsunterricht, den Bau von Moscheen, Kinder- und Jugendarbeit, Sozialarbeit, Seelsorge in Gefängnissen und Bestattungen. Dafür ist kein Staatsvertrag notwendig. Dafür gibt es andere, pragmatischere und auch schnellere Wege, das hat die Vergangenheit gezeigt.

(Beifall bei der FDP)

Hierfür reichen Gesetze und Verordnungen aus. Der Staat sollte grundsätzlich seinem Verfassungsgrundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität nachkommen und nicht noch weitere Verträge mit religiösen Vereinen eingehen, sondern sich viel mehr zurückziehen. Letztendlich gilt dies auch für den Staatsvertrag mit der Kirche.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sollen wir den jetzt zurücknehmen, oder was?)

Was die Möglichkeit betrifft, dass muslimische Verbände ihren kulturellen Gewohnheiten Raum geben können, stellen wir für Hamburg fest, dass bereits in einigen Bereichen rechtliche Anpassungen

vorgenommen worden sind. Beispielsweise sind im Gegensatz zu anderen Bundesländern in Hamburg bereits islamische Bestattungen ohne Sarg möglich und auch Wasch- und Gebetshäuser wurden bereits eingerichtet. Grundsätzlich ist eine seelsorgerische Betreuung im Strafvollzug aufgrund der gesetzlichen Regelungen bereits heute möglich.

Zum Landesprogramm gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sagen wir, dass man in Zeiten knapper Kassen auch sparen muss, und das kommt den LINKEN nicht in den Sinn. Die SPD hat in ihrem Arbeitsprogramm angekündigt, ein Landesprogramm gegen rechts aufzulegen. Außerdem gibt es bereits heute im Rahmen des Bundesprogramms viele andere Maßnahmen gegen rechts. Jetzt auch noch ein Landesprogramm gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aufzulegen, ist nicht nur blinder Aktionismus, sondern überflüssig und auch teuer. Entscheidend ist die Integration unserer Mitbürger mit Migrationshintergrund. Je erfolgreicher diese verläuft, desto weniger Islamophobie wird es geben. Daran müssen wir arbeiten und uns nicht in weiteren Arbeitsgruppen verlieren.

(Beifall bei der FDP und bei Dietrich Wersich CDU)

Wir sind insofern der Meinung, dass dies auch ohne einen überhasteten Abschluss eines Staatsvertrags möglich ist.

(Beifall bei der FDP und bei Dietrich Wersich CDU)

Vielen Dank, Frau Kaesbach. – Das Wort hat Herr Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kaesbach, das wesentliche Argument, das Sie eben vorbrachten, war, dass eigentlich ein Staatsvertrag mit allen, auch mit der Evangelischen oder Katholischen Kirche, völlig unsinnig sei. Dementsprechend wäre dann diese Frage besonders wichtig zu diskutieren, weil es einer der wichtigsten Grundsätze dieses Bundeslandes ist. Sie können nicht mit dem Hinweis, dass Sie das bei denen schlecht finden, dann die anderen einfachen wegwischen. Das funktioniert doch nicht. Man muss es besprechen, ebenso die Gleichstellung, und das halte ich für den entscheidenden Moment.

(Beifall bei der LINKEN)