Protocol of the Session on February 4, 2015

Dieser Antrag ist offensichtlich aus der Feder der LINKEN, anders kann man es sich gar nicht erklären. Ich frage mich auch, Herr Dressel, wie können Sie sich als früherer innenpolitischer Sprecher für so einen Antrag hergeben, auf dem Sie als Erster stehen? Solche Anträge hätten wir von Ihnen vor einigen Jahren nicht gesehen.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage mich, ob das wirklich Ihr Ernst ist. In Ihrem Petitum steht keine einzige Silbe zu Straftaten und keine einzige Silbe zum Schutz der Bürger. Das, was Sie dort über Maßnahmen schreiben, erinnert stark an die erlebnispädagogischen Reisen der Neunzigerjahre. Wir fragen uns, ob Sie aus dieser Zeit nichts gelernt haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann es aber verstehen, man muss die Flügel in der eigenen Partei ruhig halten. Ihren linken Parteiflügel, die Roses und andere, mögen Sie mit dem Antrag vielleicht beglücken, aber den betroffenen Bürgern, über die Sie heute wieder im "Hamburger Abendblatt" sehr eindrücklich lesen können, ist mit solchen Anträgen wirklich keinen Schritt geholfen. Das sollten Sie sich überlegen, wenn Sie solche Anträge stellen.

(Beifall bei der CDU)

Damit will ich zum Schluss kommen. Mit diesem Antrag haben Sie wirklich eindrucksvoll gezeigt, dass Sie nicht willens und auch nicht in der Lage sind, für die Sicherheit der Bürger in der Feuerbergstraße und anderenorts zu sorgen. Das ist klar geworden.

(Beifall bei der CDU)

Nun hat Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Nach Ihrer Rede, Herr de Vries, fehlen mir etwas die Worte.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Sören Schumacher SPD: Das kann ich verstehen!)

Das war wirklich allerunterste Schublade, und ich glaube, da höre ich die Sprache der AfD, das will ich ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Es ist schön, dass die Kolleginnen und Kollegen der SPD klatschen, aber ich schließe mich Frau Möller ausdrücklich an. Wir hatten zuerst wirklich überlegt, ob man dem Antrag zustimmen kann, und dann dachten wir, dass das doch nicht geht, denn es sind schöne Worte, aber die Taten sind dann andere. Dann haben wir überlegt, ob wir uns enthalten. Wir sind dann dazu gekommen, dass wir

uns nicht enthalten, sondern dass wir diesen Antrag ablehnen, weil Sie die Debatte nicht ermöglichen. Ich finde den Antrag auch nicht aufrichtig. Ich will das an einem Beispiel benennen, genau am Beispiel dieser straffällig gewordenen, wirklich sehr problematischen jungen Flüchtlinge, die jetzt auf den Bullerdeich 6 verlegt werden sollen.

Der Bullerdeich 6 ist ein Recyclinghof, er ist umgeben von verfallenen Lagerhallen. Es gibt keine Freizeiteinrichtung in der Gegend.

(Nikolaus Haufler CDU: Denken Sie doch mal an die Opfer der Gewalttaten!)

Ich weiß nicht, was für Schlussfolgerungen Sie daraus ziehen.

Es gibt keine Freizeiteinrichtungen, aber es gibt in relativ enger Nachbarschaft – der Senat sagt, einen Kilometer entfernt – einen Straßenstrich mit seiner gesamten Problematik und natürlich auch der Gefahr, dass Jugendliche direkt in die kriminelle Karriere hineingedrängt werden. Das ist kein Standort, an dem man minderjährige, jugendliche Flüchtlinge unterbringen sollte.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Erst recht nicht, weil der Senat auf eine Schriftliche Kleine Anfrage von uns im Juni 2014 noch geantwortet hat, dieser Recyclinghof Bullerdeich 6 sei für eine wohnähnliche Nutzung ungeeignet und werde nicht weiter geprüft. Nun aber wird gerade die Unwohnlichkeit dieses Standorts als Ausgangspunkt eines angeblich pädagogischen Konzepts genommen. Dieses Konzept heißt Belohnen und Strafen, und es wird tatsächlich argumentiert, dass die Jugendlichen sehen sollten, wie schlecht es ihnen dort ginge, wie isoliert sie seien, wenn sie straffällig werden. Und wenn sie sich besser benehmen, dann kommen sie erst einmal von einem Zweier-Container in einen Einer-Container. Irgendwann kommen sie dann auch noch in ein anderes Gebiet. Ich sage Ihnen, das ist kein Konzept, das ist keine Hilfe und Unterstützung, das ist kein pädagogisches Konzept, sondern es bedeutet einfach Isolieren, Belohnen und Strafen. Das zeigt, dass wir gegenüber diesen im Großen und Ganzen traumatisierten und sehr problematischen – das will ich gar nicht bestreiten – Jugendlichen als Gesellschaft versagen, wenn wir das machen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christiane Blömeke und Antje Möller, beide GRÜNE)

Ich will auf einen Gesichtspunkt hinweisen, der mir sehr wichtig ist. Ich hatte in der Schriftlichen Kleinen Anfrage gefragt, welches Sicherheitskonzept es gibt. Das ist nämlich ein sehr unwegsames Gelände. Der Senat antwortete, ich solle einmal in die Schriftliche Kleine Anfrage von Herrn de Vries schauen. Da geht das Sicherheitskonzept, die Sicherung der kleinen Betriebe, die es in der Nachbarschaft gibt, diesen Jugendlichen vor. Das ist

(Christoph de Vries)

auch ein Gesichtspunkt, das will ich nicht bestreiten. Aber ich hatte etwas anderes im Auge. Ich schaue mir ab und an die Seite einer Partei an, die am Samstag hier in der Innenstadt provoziert. Sie hat eine Karte von Hamburg mit sämtlichen Unterkünften. Und wir alle wissen, dass von dieser Partei, die es hoffentlich nicht mehr lange gibt, ständig eine Gefährdung für die Unterkünfte ausgeht. Ich halte es für eine wirklich große Gefährdung, wenn man Jugendliche in solch ein Gebiet bringt und nicht einmal ein Sicherheitskonzept hat, gar nicht auf den Gedanken kommt, dass das gefährlich ist.

Deswegen appelliere ich wirklich dringend an Sie – wir bieten gern Unterstützung an, und es gibt viele Fachleute und Fachverbände –: Arbeiten wir an einem pädagogischen Konzept. Natürlich müssen wir potenzielle Opfer schützen, darin bin ich völlig mit Ihnen einig.

(Zurufe)

Mit Ihnen bin ich überhaupt kein bisschen einig.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Mit Ihnen bin ich völlig einig, das brauchen wir, aber wir dürfen diese Politik der Isolierung und der Gefahrenaussetzung von Jugendlichen einfach nicht betreiben.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Nun bekommt das Wort Frau Blömeke von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD ist keine Kleinigkeit, das muss man schon sagen. Und deswegen müssen wir an dieser Stelle noch einmal darüber sprechen, weil er eben nicht überwiesen wurde. Ich würde gern das Stichwort Konzept noch einmal aufgreifen, das Frau Schneider gerade genannt hat. Der Grund, warum auch wir – wir haben genau denselben Prozess gemacht wie DIE LINKE, wir haben auch diskutiert, ob wir uns enthalten oder ablehnen – diesen Antrag jetzt ablehnen werden, ist, dass wir nicht erkennen können, dass dahinter wirklich ein Gesamtkonzept steht. Das heißt, in dem SPD-Antrag wird ein scheinbares Konzept gestrickt, das im Moment weder mit Fachleuten durchgesprochen noch auf breiter Basis entwickelt wurde. Der Antrag drückt eine Scheinlösung durch für ein Problem, das es in der Stadt gibt und auch thematisiert wird, es ist aber keine Lösung. Das können wir so nicht mittragen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was wir in diesem Zusammenhang brauchen, ist eine breite Diskussion. Ich will zu einigen Punkten deutlich sagen, dass dieses Durchpeitschen in der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode eines so

wichtigen Themas der Sache nicht würdig ist. Wenn man sich den SPD-Antrag noch einmal genau anschaut, dann sieht man, dass die Begründung und das ganze Vorwort überhaupt nicht zum Petitum passen. Ich glaube, man muss zur Kenntnis nehmen, dass die Punkte des Petitums eine ganz andere Intention haben als die Begründung. Die Begründung – über die stimmen wir nicht ab, völlig richtig – zeigt aber, was zu diesem Thema gedacht wird.

Aus jugendpolitischer Sicht will ich dazu sagen: Die Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ist nun wirklich keine Kleinigkeit. Sie wird einmal eben so, auch in der Begründung, so verpackt. Wir wissen auch, dass die SPD darauf hinsteuern will, aber das muss doch diskutiert werden. Das muss im Ausschuss diskutiert werden, und das wird natürlich auch auf Bundesebene diskutiert. Aber das können wir doch in Hamburg nicht einfach einmal eben so durchwinken. Das geht wirklich nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Am Ende gibt es natürlich den Punkt der geschlossenen Unterbringung für die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge. Ich muss mich wundern, denn ich habe noch Senator Scheele im Ohr, wie er im "Hamburger Abendblatt" sagte, dass es für die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge die geschlossene Unterbringung nicht geben solle, die jetzt jedoch entsteht. Nun lesen wir in dem SPDAntrag, dass sich das dafür dann auch anbiete, die Jugendlichen könnten dann auch dorthin. Ich will jetzt das Fass nicht ganz aufmachen, aber reicht es nicht, dass wir zweimal eine geschlossene Unterbringung hatten, die beide Male krachend gescheitert ist, sowohl die Feuerbergstraße als auch die Haasenburg? Die Jugendlichen kommen traumatisierter aus dieser Unterbringung heraus, als sie hineingekommen sind. Gewalt addiert sich in dieser Einrichtung. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum Sie nicht dazulernen und einsehen, dass das nicht die richtige Art ist, um Jugendlichen eine Hilfe zur Erziehung angedeihen zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Am Ende muss ich mich wirklich wundern, warum minderjährige unbegleitete Flüchtlinge anders behandelt werden als alle anderen Kinder und Jugendlichen. Bei dieser Einrichtung am Bullerdeich, von der auch Frau Schneider und Frau Möller sprachen, würden wir nie auf die Idee kommen, sie als Sondereinrichtung für andere Kinder und Jugendliche aus Hamburg zu schaffen. Das geht nicht. Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche wie alle anderen auch. Sie unterliegen dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, für sie gibt es die Hilfen zur Erziehung wie für alle anderen auch. Sie brauchen keine Sondereinrichtung, sie brauchen eine intensive Betreuung ihrer

(Christiane Schneider)

erlebten Traumata. Sie brauchen eine sofortige Weiterreichung in Wohngruppen, in denen sie intensiv betreut werden, und zwar verbindlich, Herr de Vries, sie brauchen eine verbindliche, enge Führung, genauso, wie es andere schwierige, problematische Kinder und Jugendliche erfahren.

(André Trepoll CDU: Es ist alles gut! Es geht die Sonne auf!)

Sie können herumunken. Aber Sie können auch einmal erklären, warum diese Kinder und Jugendlichen anders sind als andere.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Deswegen, Herr Dressel, brauchen sie sehr viel mehr Traumabetreuung. Sie brauchen eine intensivere Zuwendung, noch mehr als die anderen, aber bitte nicht in einer Sondereinrichtung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Aus diesem Grund kann man Ihren Antrag nur ablehnen. Er ist keine Lösung für die Probleme. Und wenn Sie einsichtig wären, würden Sie das in die nächste Legislaturperiode verschieben und mit allen Fraktionen zusammen ein Gesamtkonzept erstellen. Nur dann kommen wir der Lösung näher.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)