Protocol of the Session on December 17, 2014

Der vom Senat vorgelegte Einzelplan 2 unterstreicht geradezu Ihre politische Lethargie. Trotz aller öffentlichen Proteste und Warnungen vonseiten der Gerichte und der Staatsanwaltschaften versuchen Sie mit aller Kraft, noch mehr Saft aus der Zitrone zu quetschen, und das in einem Bereich, der schon jetzt teilweise am Rande seiner Funktionsfähigkeit agiert. Dieses ist kein Verdienst, sondern politisches Versagen auf Kosten des verlässlichen Rechtsstaates. Lediglich einmal haben Sie, Frau Schiedek, in den vergangenen vier Jahren eine weitreichende Entscheidung im Justizbereich gefällt, und zwar in der Frage der Gefängnisstruktur. Sie haben gegen den Rat aller Experten und aller anderen Fraktionen in diesem Haus entschieden, die gut funktionierende Frauenvollzugsanstalt aus der JVA Hahnöfersand in die Männeranstalt Billwerder zu verlagern. Sie haben auch damals mein Angebot für einen gemeinsamen Gefängnisstrukturfrieden, also eine durch breiten Konsens getragene Entscheidung, ausgeschlagen. Dieses wird sich rächen, denn nach der Neuwahl werden wir diese Frage sicherlich wieder auf dem Tisch haben. Wenn man sich die Wahlprogramme aller anderen Parteien anschaut, dann ist das zwangsläufig. Da haben Sie einmal etwas entschieden und dann noch nicht einmal richtig. Das ist schon bitter, aber diese Erfahrung war für Sie anscheinend Anlass, zukünftig keine weitreichenden Entscheidungen im Justizbereich mehr zu treffen, sondern nur noch die Einsparpolitik des SPD-Senats zu exekutieren.

Meine Damen und Herren! Bereits in den letzten Haushaltsberatungen habe ich auf die Arbeitsbelastung bei der Staatsanwaltschaft und den Gerichten hingewiesen. Unsere Kritik stieß bei der SPD leider auf taube Ohren. Unsere damaligen Haushaltsanträge für eine bessere Personalausstattung haben Sie vollständig abgelehnt. Eine durchschnittliche Wochenarbeitszeitbelastung von fast 48 Stunden haben unsere Hamburger Staatsanwälte – deshalb auch der öffentliche Alarmruf der Staatsanwaltschaften in Form eines Briefes des Generalstaatsanwalts und des Leitenden Oberstaatsanwalts, die sich gegen weitere Einsparverpflichtungen gewandt haben und sogar befürchten, ihren rechtsstaatlichen Aufgaben in Zukunft nicht mehr gerecht werden zu können. Sie, Frau Schiedek, haben erst aufgrund dieses öffentlichen Drucks vor 14 Monaten eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine – ich zitiere –

"Verbesserung von Abläufen und Strukturen sowie der Arbeitszufriedenheit innerhalb der Staatsanwaltschaften"

erreichen soll. Konkrete Ergebnisse und Handlungsfolgen liegen jedoch nach über einem Jahr immer noch nicht vor. Der Senat spricht lediglich davon, dass der bislang vorliegende Berichtsentwurf – ich zitiere –

"eine Reihe von Maßnahmen, durch die nach Ansicht der Projektgruppe die Effizienz der Staatsanwaltschaft gesteigert werden könnte",

beinhaltet.

Für die weiterhin hochbelasteten Staatsanwälte muss dieses geradezu wie blanker Hohn klingen. Sie können noch so viele Effizienz-, Arbeitszufriedenheits-, Steigerungs- oder Lenkungsdiskussionsgruppen einrichten, an einem kommen Sie letztendlich nicht vorbei: Hamburg braucht mehr Staatsanwälte.

(Beifall bei der CDU und bei Farid Müller GRÜNE und Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)

Meine Damen und Herren! Bereits 2012 äußerten die Gerichtspräsidenten während der Haushaltsberatungen im Justizausschuss und auch in der Öffentlichkeit, dass die Gerichte die Grenze der Belastbarkeit erreicht haben. Sie, Frau Schiedek, sahen jedoch keinen Handlungsbedarf. Das Ergebnis dieser fatalen Lethargie ist, dass sich die Situation an den Gerichten bis heute nicht verbessert, sondern vielmehr noch weiter verschärft hat. Während der jüngsten Haushaltsberatungen im Justizausschuss über den Haushaltsplan-Entwurf, den wir debattieren, haben die Gerichtspräsidenten die dramatische Situation der Hamburger Gerichte wiederum sehr ausführlich geschildert. Dem unbeachteten Hilferuf von vor über zwei Jahren folgt mittlerweile eine gewisse Resignation darüber, dass die Gerichte trotz angespannter Situation, weiter ansteigender Verfahrensdauern, ständig ansteigender Komplexität der Verfahren und einer daraus resultierenden Überlastung aller Mitarbeiter und Richter trotzdem weiterhin Einsparverpflichtungen vonseiten des SPD-Senats unterliegen. Was muss noch passieren, damit Sie endlich reagieren und erkennen, dass die Grenze der Belastbarkeit bereits lange überschritten ist?

Wir stellen daher einen Antrag, um die Personalausstattung für Hamburgs Gerichte und Staatsanwaltschaften bedarfsgerecht zu erhöhen, sodass diese ihrer Arbeit in ausreichendem Maße nachkommen können. Damit nicht gleich wieder der Vorwurf der hohen Mehrausgaben erhoben wird, sagen wir auch dezidiert, wie wir die Mehrausgaben gegenfinanzieren. Wir machen damit gern Ihre Arbeit, liebe Hamburger Sozialdemokraten, Sie brauchen nur noch zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Auch im Strafvollzug geht es drunter und drüber. Florierender Drogenhandel, Schmuggel, Ausbruch, Entweichungen, Fluchtversuche, ansteigende Gewalt unter den Insassen und gegen Strafvollzugsbedienstete und zuletzt Bestechung von leitenden Mitarbeitern. Die Liste der Vorkommnisse in den Hamburger Justiz

vollzugsanstalten ist zu lang und meine Redezeit zu kurz, um sie hier umfangreich zu schildern. Dabei ist doch offensichtlich, dass die katastrophalen Zustände der totalen Überlastung des allgemeinen Vollzugsdienstes geschuldet sind. Aber auch hier ist keinerlei Abhilfe erkennbar; stattdessen reagiert bei Ihnen die Methode "Augen zu und durch".

Auch beim wichtigen Thema Opferschutz steht es schlecht um Ihr Engagement – deshalb unser Antrag. Es kann nicht sein, dass Opfer in Hamburg überwiegend von studentischen Hilfskräften betreut werden und keine angemessene Unterstützung bekommen.

Meine Damen und Herren! Gäbe es nicht in unseren Gerichten, bei der Staatsanwaltschaft, im Strafvollzug sowie in der Justizbehörde viele engagierte Menschen, die mit großem Fleiß und Einsatz ihre Arbeit tun, ginge der Rechtsstaat schnell in die Knie. Diesen Frauen und Männern herzlich zu danken, dafür bietet die Haushaltsdebatte eine gute Gelegenheit, und diesen Dank möchte ich damit für die CDU-Fraktion ausdrücklich aussprechen.

(Beifall bei der CDU und bei Juliane Timmer- mann SPD)

Meine Damen und Herren! Justizpolitik braucht aber eben auch Leidenschaft und Einsatz. Das sind wir nicht nur den Justizangehörigen schuldig, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt. Ihre Politik und Ihr Haushalt, Frau Schiedek, werden diesen Anforderungen allerdings nicht gerecht. Wir können deshalb dem hier vorgelegten Justizhaushalt nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Farid Müller GRÜNE und Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)

Das Wort bekommt nun Herr Tabbert von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Justizhaushalt ist zwar, verglichen mit dem Sozialhaushalt, traditionell ein kleiner Haushalt, aber er ist auch einer, in dem es um für das Gemeinwesen zentrale Aufgaben geht, bei denen wir im Vergleich zu den drei Vorgängerregierungen überdurchschnittlich viel geleistet haben.

(Beifall bei der SPD)

Das kommt auch im vorliegenden Entwurf des Justizhaushalts zum Ausdruck. Ich beginne mit dem Justizvollzug, den Sie, Herr Kollege Trepoll, gerade schon angesprochen haben. Aber Sie haben nur einen kleinen Ausschnitt angesprochen wie die Verlegung des Frauenvollzugs nach Billwerder. Ich glaube, diese Schlacht ist geschlagen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Nee!)

Da müssen wir jetzt schauen, dass die Umsetzung, die schon läuft, ordentlich vonstatten geht, und natürlich sind wir alle hier im Parlament gut beraten, darauf auch weiterhin unseren Blick zu richten. Aber das Entscheidende bei der Neustrukturierung war, dass wir das schwarz-grüne Konzept der unsinnigen Stationierung des offenen Vollzugs in Santa Fu aufgegeben haben, des Vollzugs hinter den Mauern der JVA Fuhlsbüttel, völlig unsinnig und im Übrigen 20 Millionen Euro teurer als die von uns beschlossene Schließung des Hafthauses in Fuhlsbüttel und der Ausbau des offenen Vollzugs in der JVA Glasmoor, den Sie bezeichnenderweise nicht angesprochen haben, obwohl das der entscheidende und jedenfalls auch finanziell größte Teil der Drucksache war, die wir hierzu beschlossen haben. Das Ganze ist in der Umsetzung, läuft gut und ist auch im Haushalt entsprechend abgebildet.

(Beifall bei der SPD)

Dasselbe gilt im Übrigen für die dringend erforderliche bauliche Sanierung des B-Flügels in der Untersuchungshaftanstalt, die mit 15,3 Millionen Euro – und das ist kein Pappenstiel, Herr Kollege Trepoll – in den Justizhaushalt eingestellt ist. Die endgültige Sanierung kann damit bereits im nächsten Jahr beginnen.

Zu Beginn der Legislaturperiode hatten wir in einigen Haftanstalten, insbesondere in der JVA Billwerder, einen Krankenstand von über 20 Prozent vorgefunden. Dieses Problems haben wir uns in der Bürgerschaft unter anderem durch Expertenanhörungen hierzu angenommen, und die Justizbehörde hat Maßnahmen eingeleitet, mit denen der Krankenstand um fast die Hälfte reduziert werden konnte.

(Beifall bei der SPD – Farid Müller GRÜNE: Welche denn?)

Herr Kollege Müller, mit dazu beitragen sollen auch die sich im Haushalt wiederfindenden – man höre und staune – 70 Stellenanhebungen von A7 auf A9, was insgesamt 140 Beförderungen ermöglicht. Damit zollen wir der hervorragenden und manchmal auch sehr schwierigen Arbeit unserer Justizvollzugsbeamten Respekt.

(Beifall bei der SPD)

Im Gegensatz zum Vorgängersenat sind diese Maßnahmen auch alle solide gegenfinanziert. Ich erinnere nur an Gegenfinanzierungsmodelle von Schwarz-Grün über Einnahmen aus dem Gerichtskostengesetz, obwohl noch nicht einmal ein entsprechender Gesetzentwurf, weder im Bundestag noch im Bundesrat, vorgelegen hat.

(Dietrich Wersich CDU: Globale Minderkos- ten, das ist sehr konkret!)

Wir haben es nicht zuletzt unserer Justizsenatorin Jana Schiedek zu verdanken, die sich im Bundes

(André Trepoll)

rat erfolgreich für die Verabschiedung des Gerichtskostenmodernisierungsgesetzes eingesetzt hat, dass dadurch annähernd 10 Millionen Euro für den Justizhaushalt extra bereitgestellt werden können.

(Beifall bei der SPD)

Dazu ist zu sagen, dass es seit 1994 zu keiner Gebührenerhöhung mehr gekommen war. Diesem Umstand haben wir es auch zu verdanken, dass im Bereich der Justiz im vorliegenden Haushalt keine nennenswerten Personaleinsparungen vorgenommen werden müssen. Wo Personalbedarfe erkennbar akut steigen, steuern wir kurzfristig, wie in unserem Haushaltsantrag zu den drei neuen Verwaltungsrichterstellen abgebildet, entsprechend nach.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle gilt mein Dank auch der hervorragenden Arbeit der hamburgischen Justiz, die, und das darf an dieser Stelle auch nicht zu kurz kommen, in vielen Bereichen – dazu zähle ich zum Beispiel die Eilverfahren am Verwaltungsgericht oder am Sozialgericht, aber auch das Finanzgericht und den gesamten Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit – bundesweit wirklich gut dasteht. Schauen Sie sich einmal die Vergleichszahlen an.

(Beifall bei der SPD)

Im Bereich der Gesetzgebung haben Senat und SPD-Fraktion die uns vom Verfassungsgericht aufgegebenen Hausaufgaben zum Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz – das haben wir zusammen mit Ihnen beschlossen, Herr Trepoll – und auch zum Jugendarrestvollzugsgesetz allesamt in dieser Legislaturperiode erledigt. Das Jugendarrestvollzugsgesetz wollen wir heute mit den Änderungsanträgen der SPD-Fraktion, die die Anregungen aus den dazu im Justizausschuss erfolgten Expertenanhörungen aufgreifen, auf den Weg bringen. Wir sind dabei nie einer einseitigen Ideologie gefolgt, sondern haben immer gleichermaßen Sicherheitsinteressen der Bevölkerung sowie Resozialisierungsgesichtspunkte berücksichtigt, wobei wir zwischen beiden keinen Widerspruch sehen, denn Resozialisierung ist der beste Opferschutz.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Sehr gut!)

So sind wir auch stolz darauf, in dieser Legislaturperiode eine bundesweite Vorreiterrolle im Bereich der Resozialisierung von Gefangenen mit einer Endstrafe, also solchen, die bislang von keinen Bewährungsmaßnahmen profitieren, eingenommen zu haben dadurch, dass wir für diese Klientel ein Übergangsmanagement etabliert haben, das effektive Hilfestellungen für deren Grundbedürfnisse in puncto Wohnraum, Arbeit, Sucht und Schuldnerberatung leistet.

(Beifall bei der SPD)

Was die Zahl der Bewährungshelfer angeht, so haben auch wir zu Beginn der Legislaturperiode Handlungsbedarf gesehen, da wir damals bei einem Verhältnis von ungefähr 107 Probanden zu einem Bewährungshelfer bundesweit ziemlich am Ende lagen. Allerdings hat sich dieses Verhältnis durch eine Aufstockung der Bewährungshelferzahl und, das muss man der Ehrlichkeit halber hinzufügen, durch einen bundesweiten Rückgang der Falleingangszahlen auf ein Verhältnis von 80:1 verbessert – so viel zu den Anträgen der FDP und der LINKEN, die sich dazu positioniert hatten.

(André Trepoll CDU: Böse, böse!)

Bei den Rechtsreferendaren haben wir erstmals seit 2008 wieder für eine Anpassung der Bezüge an die Lebenshaltungskosten gesorgt und deren regelmäßige Anpassung in der Zukunft rechtlich abgesichert. Außerdem haben wir den unter der CDU-Schill-FDP-Regierung abgeschafften Familienzuschuss wieder eingeführt.

(Beifall bei der SPD)

Darüber hinaus hat die SPD-Fraktion das bereits vor zwei Jahren auf den Weg gebrachte stationäre soziale Training im Jugendarrest, das sich bewährt hat, auch in diesem Haushalt wieder abgebildet, und dasselbe gilt für die Förderung der exzellenten Arbeit des Hamburger Fürsorgevereins.

(Beifall bei der SPD)

Mit einem weiteren Antrag setzt sich die SPD-Fraktion für die Arbeit des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit ein. Der Datenschutz sowie die Informationsfreiheit sind elementare Bürgerrechte, für deren Durchsetzung sich der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit mit seiner hervorragenden Arbeit einsetzt. Daher haben wir gleich zu Beginn der Legislaturperiode die Unabhängigkeit seines Amtes gestärkt.