Protocol of the Session on December 17, 2014

Wer wünscht das Wort? – Herr de Vries von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SPD-Senat und die Fraktion haben sich im Regierungsprogramm vor knapp vier Jahren zum Ziel gesetzt, Hamburg zur kinder- und familienfreundlichsten Stadt Deutschlands zu machen. Es ist, glaube ich, ein guter Zeitpunkt, einmal Bilanz zu ziehen. Was ist davon geblieben? Ich will Ihnen drei Punkte nennen. Bei der Betreuungsqualität im Krippenbereich ist Hamburg Schlusslicht aller westdeutschen Bundesländer. Nirgendwo muss sich eine Erzieherin um mehr Kleinkinder kümmern als in Hamburg. Bei der Offenen Kinder- und Jugendarbeit wurden wichtige niedrigschwellige Angebote im vorigen Haushalt um 10 Prozent gekürzt, und in diesem Haushalt wurde dieser Fehler nicht korrigiert.

(Sylvia Wowretzko SPD: Ganztagsschulen!)

Das dritte Thema ist der Kinderschutz in Hamburg. Innerhalb von nicht einmal zwei Jahren sind mit Chantal und Yagmur zwei Mädchen zu Tode gekommen, die in staatlicher Obhut standen beziehungsweise unter ständiger staatlicher Beobachtung waren. Dabei stand erkennbar alles andere im Vordergrund als das Wohl dieser Kinder. Die Jugendhilfe und andere staatliche Stellen waren nicht in der Lage, diese Kinder zu schützen. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, Hamburg ist weiter als je zuvor davon entfernt, kinder- und familienfreundlichste Stadt in Deutschland zu werden. Das ist die Wahrheit nach drei Jahren.

(Beifall bei der CDU und bei Christiane Blö- meke GRÜNE – Dirk Kienscherf SPD: Blöd- sinn!)

Statt Strategie und Weitsicht regiert in der BASFI fachliches Desinteresse und blinder Aktionismus, wenn dann die Luft brennt. Eine seriöse Finanzierung gibt es auch nicht. Man muss insgesamt feststellen, dass der Haushalt der BASFI mehr als auf

knappe Kante genäht ist. Das ist keine gute Familienpolitik, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Ksenija Bekeris SPD)

Es tut mir leid, dass Sie das vermissen, aber das wird noch kommen, Frau Bekeris.

(Beifall bei der CDU)

Ich will die beiden wichtigsten Themen, die auch die Stadt in den vergangenen Monaten bewegt haben, ansprechen. Das ist einmal der Kinderschutz, die Frage, wie Hamburg imstande und willens ist, gute Jugendhilfe zu organisieren und Kinder optimal zu schützen. Und die zweite Frage betrifft die frühkindliche Bildung und Betreuung in Hamburgs Kitas.

Zum Kinderschutz: Aus unserer Sicht kann man nur die Bilanz ziehen, dass ein gut funktionierender Kinderschutz durch ordentlich ausgestattete Jugendämter bei Senator Scheele und bei der BASFI in den vergangenen zwei Jahren offensichtlich keine Priorität hatte. Zwei Jahre lang wurden die Jugendämter im Stich gelassen, obwohl Überlastung und Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bestens bekannt waren. Herr Scheele, Sie haben selbst 2012 ein Lagebild in Auftrag gegeben; das ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Arbeitsfähigkeit einiger ASD-Abteilungen in Hamburg nicht gegeben und daher das Kindeswohl in Hamburg nicht gewährleistet war. Dennoch haben Sie zwei Jahre bis zum Tod von Yagmur gewartet und keine einzige zusätzliche Stelle für die Aufgaben des Kinderschutzes geschaffen. Erst nach diesem Todesfall haben Sie sich überhaupt für das Personalbemessungssystem interessiert, das Sie selbst 2012 angekündigt hatten. Damals haben Sie uns gesagt, es würde bis Ende 2013 eingeführt werden. Was mussten wir im PUA erfahren? Im August 2013, ein Jahr später, wurde überhaupt einmal eine Arbeitsgruppe in Ihrer Behörde eingesetzt. Man würde meinen, sie hätte dann die Arbeit aufgenommen. Nein, sieben Monate später, am 1. April dieses Jahres, hat diese Arbeitsgruppe zum ersten Mal getagt. Das ist ein kapitales politisches Versäumnis, und hierfür tragen Sie auch unmittelbar und persönlich die Verantwortung. Das ist ein komplettes Steuerungsversagen, Herr Scheele.

(Beifall bei der CDU)

Dann sagt man, ein Personalbemessungssystem hätte die CDU auch schon angekündigt. Wir haben es nicht angekündigt, aber andere wollten das. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied. Wir haben die Personalverstärkung und die gute Ausstattung von Jugendämtern in Hamburg nach anderen Todesfällen nicht an ein solches Personalbemessungssystem gekoppelt. Es wurden zwischen 2005 und 2010 in Hamburgs Jugendämtern 90 Stellen zusätzlich geschaffen.

(Sylvia Wowretzko SPD: Aber nicht besetzt!)

(Antje Möller)

In Ihrer Regierungszeit keine einzige. Das ist Ihre Bilanz, Herr Scheele.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Nicht besetzt!)

Zuerst wurde das großspurig angekündigt.

Ich glaube, an der Stelle wäre etwas Zurückhaltung auch bei Ihnen, Herr Kienscherf, angebracht. Ich weiß, das fällt Ihnen schwer, aber ein bisschen Demut wäre wirklich angesagt.

(Beifall bei der CDU)

Zuerst wird gesagt, wir machen das vom Personalbemessungssystem abhängig, und dann werden keine Anstrengungen unternommen, um das auch einzuführen. Das ist ganz klar eine persönliche und politische Verantwortung, die Sie zu tragen haben. Wir werden die einzelnen fachlichen Dinge noch in der letzten Sitzung des PUAs beraten, und auch hier werden wir den Bericht debattieren, die Empfehlungen, bei denen große Einigkeit herrscht. Aber für uns ist ganz klar, dass dieses Totalversagen staatlicher Stellen bei der Ausübung ihres Schutz- und Wächteramts nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben kann. Sie, Herr Scheele, müssen die Konsequenzen ziehen und zurücktreten.

(Beifall bei der CDU)

Das ist das Ergebnis dieser Beratungen; wir haben es uns nicht leicht gemacht.

(Heiterkeit im Plenum – Dr. Andreas Dressel SPD: Nein?)

Herr Dressel, Sie können einmal Ihre Kollegin Frau Leonhard fragen. Ich war schon einmal in einem Sonderausschuss mit Frau Leonhard und anderen zusammen tätig. Wenn Sie sich ein bisschen informieren, dann wissen Sie, dass wir den Senator damals kein einziges Mal angegriffen haben. Wir haben fachlich sehr gut zusammengearbeitet. Wenn man aber selbst ankündigt, man werde die Jugendämter stärken, und tut es nicht, dann ist das eine andere Situation, und mit der müssen Sie sich auseinandersetzen, Herr Dressel. Das hat nichts mit Wahlkampf zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Der beste Beleg dafür ist, dass es jetzt, nachdem zum wiederholten Male ein Kind zu Tode gekommen ist, plötzlich Personalverstärkung gibt. Es gibt kein Personalbemessungssystem, aber Sie verstärken notleidende Jugendämter. Und genau diese beiden ASD-Abteilungen, die Yagmur betreut haben, werden nun als notleidend erklärt. Ein besseres Eingeständnis politischen Versagens kann es nicht geben.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt soll es auf einmal 56 neue Stellen geben, aber im Haushalt ist dafür kein einziger Cent ein

gestellt. Es heißt, das finanziere sich von selbst, denn wenn man mehr Mitarbeiter habe, würden auch mehr Hilfen bewilligt. Wir fragen uns, warum denn dann zwei Jahre lang keine zusätzlichen Mitarbeiter eingestellt worden sind. Ich kann wirklich nur sagen, schlimmer geht's nimmer. Das hat nichts mit solidem und seriösem Haushalten zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Alternative ist klar. Wir wollen nicht nur eine temporäre Personalverstärkung. Wir wollen mit dem von uns eingebrachten Antrag eine verlässliche, stabile und auf Dauer angelegte Personalverstärkung für die Hamburger Jugendämter. Das muss die Konsequenz sein. Deswegen wollen wir, dass die ASD-Stellen wie alle anderen Stellen in Hamburgs Jugendämtern auch aus den bezirklichen Etats finanziert werden und nicht aus dem Etat der Hilfen zur Erziehung, die jederzeit wieder gestrichen werden können. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der CDU)

Das zweite Thema: Betreuungsqualität in Hamburgs Kitas. Der Umgang des SPD-Senats und der Mehrheitsfraktion mit der berechtigten Forderung nach einer Qualitätsoffensive ist beispiellos. Ich glaube, unprofessioneller und unseriöser als diese Regierung und als diese Mehrheitsfraktion kann man ein Haushaltsaufstellungsverfahren nun wahrlich nicht bestreiten.

(Beifall bei der CDU)

Ich will das noch einmal rekapitulieren. Herr Dressel, Sie haben dazu schon einiges gesagt. Zuerst wird gegen die gesamte Expertenschaft und Opposition mehr als ein Jahr lang jede Verbesserung der Betreuungsschlüssel kategorisch abgelehnt, immer mit dem Hinweis auf die knappe Haushaltslage, die Sie im Übrigen selbst verursacht haben, weil Sie die Kita-Gebühren abgeschafft haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja!)

Dann gibt es immer mehr öffentlichen Druck. Wir setzen eine öffentliche Anhörung am 25. November 2014 durch, und ein bis zwei Tage vorher kommt die SPD und stellt ihren Plan vor. Ich will ihn hier noch einmal benennen. Sie wollten damals für alle Kinder bis 18 Monate, wobei Hamburgs Krippen kaum Kinder in diesem Alter haben, ganze 60 zusätzliche Stellen schaffen. Wissen Sie, was das bedeutet? Bei 1100 Kitas in Hamburg sind das 0,06 Erzieherstellen pro Kita. Das hätte bedeutet, 16 Kitas hätten zusammen eine einzige Erzieherin bekommen. Das ist Wählerverdummung par excellence, das will ich an der Stelle einmal sagen.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Und als dann dieser Schuss nach hinten losgeht und niemand dieses Placebo schlucken will, kommt die SPD fünf Tage vor den Haushaltsbera

tungen noch einmal mit einem neuen Plan um die Ecke. Den bringen Sie aber auch nicht richtig zu Papier, sondern wir bekommen am 15. Dezember während der Haushaltsberatungen im Plenum dann die dritte Fassung Ihres Haushaltsantrags zum Krippenbereich.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Es gibt nur zwei Fassungen!)

Ich sage Ihnen, ein solches wechselhaftes Vorgehen je nach politischer Wetterlage ist kein seriöses und glaubwürdiges Regierungshandeln.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Herr Dressel, Herr Kienscherf, das ist Politik nach Pressespiegel und das absolute Gegenteil von gutem Regieren. Das ist Politik ohne Kompass und ohne jede Überzeugung.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Dirk Kienscherf SPD: Sie wollen doch die Gebühren wieder einführen!)

Aber immerhin, wenn der Senator schon nichts tut, dann gibt es doch verdiente Fraktionsmitglieder bei Ihnen.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie wollen doch die Gebühren wieder einführen!)

Herr Kienscherf, Sie haben doch schon genügend Verwarnungen. Toben Sie sich sonst draußen aus, wenn Sie es nicht aushalten können; das wäre in Ordnung.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)