Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde einige Punkte anders setzen, als sie hier debattiert worden sind, und ich bin auch etwas erstaunt über diesen Einheitsbrei, der mir eben dargestellt worden ist. Ich möchte erst einmal sagen, wo wir einer Meinung sind, denn es ist immer schön, wenn man damit anfängt. Ich bin deutlich der Meinung, dass der Hafen für Hamburg zentral ist. Wir haben in der letzten Legislaturperiode immer wieder gesagt, dass Schwarz-Grün diesen Hafen vernachlässigt hat und vor allen Dingen das Konzept "Hafen finanziert Hafen" ein falsches Konzept war. Und ich stimme Herrn Balcke gerne zu, dass bei der Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen im Bundesbereich insgesamt der Hafenbereich im Verhältnis zu vielen anderen Bereichen unterbelichtet ist und wir dementsprechend eine gewisse Benachteiligung des norddeutschen Raums festzustellen haben. Ich bin mit den verschiedenen Wirtschaftssenatoren auch der Meinung, dass der Hafen in der Beurteilung dessen bundesweit größeres Gewicht haben müsste; soweit sind wir einverstanden.
Außerdem freue ich mich darüber, wenn wir einmal ein bisschen mehr über den Hafen diskutieren und es nicht so läuft wie in der letzten Legislaturperiode, wo dies unheimlich gern in den privaten Berichten der HPA versteckt wurde, die plötzlich eine eigenständige Gesellschaft war und man nur noch einen Unternehmensbericht bestimmen konnte. Die Tendenz ist richtig, dass wir das als politisches Feld stärker in Hamburg regelmäßig im Wirtschaftsausschuss bestimmen.
Wir haben da einiges nachzuholen und ich freue mich auch, dass wir das gemeinsam angehen können, zumal es genug Probleme im Hamburger Hafen gibt, die man diskutieren muss und die schwierig genug sind.
Jetzt komme ich zu dem Bereich, den ich überhaupt nicht verstehe, und zwar nicht, weil ich so wenig Grips im Kopf habe, sondern weil ich einfach anderer Meinung bin. Als erstes muss ich feststellen, dass die Reeder im Jahre 2003 gesagt haben, sie seien stark genug
und verpflichteten sich dazu, regelmäßig 600 Schiffe unter deutscher Flagge fahren zu lassen. Die Bundesregierung hat Bilanz gezogen und es wurde festgestellt – Herr Balcke, Ihre Zahl ist nämlich falsch –, dass es in letzter Zeit gerade einmal 440 Schiffe waren und vorher auch nicht viel mehr. Das heißt, wir haben einen typischen Fall, wo eine Wirtschaftsorganisation gesagt hat – sie erhält unheimlich viele Vorteile, das wurde schon aufgezählt –, sie vereinbare freiwillig, selbst 600 Schiffe zu organisieren, und sie hat es nicht eingehalten.
Wie soll eine Bundesregierung – ich verteidige in diesem Fall die schwarz-gelbe Bundesregierung – darauf reagieren, wenn die Wirtschaftsverbände das nicht einhalten? Das geht nicht, und zwar nachhaltig nicht, weil es nicht so ist, dass die Reeder etwa weniger Schiffe hätten, sondern die Schiffe, die insgesamt von deutschen Reedern verwaltet werden, haben sich in der Zwischenzeit mehr als verdoppelt, während es kaum noch Schiffe gibt, die unter deutscher Flagge fahren. Herr Rickmerks ist leider ein seltenes Ausnahmeexemplar. Insgesamt ist es nicht eingehalten worden. Das ist eine Katastrophe für diesen Wirtschaftsverband, nicht in der Lage zu sein, großspurig gemachte Versprechen einzuhalten. Wir sollten gemeinsam als Politik feststellen, dass wir so etwas nicht akzeptieren können.
Ich finde auch, dass das eine kleine Klatsche für die Politik gewesen ist, wenn ein Wirtschaftsverband Absprachen nicht einhält und die Politik sagt: Das tut uns leid, ihr seid aber so süß und wichtig, deshalb belassen wir trotzdem alle Geschenke so wie bisher. Was ist denn das für ein Selbstbewusstsein von Politik und vor allen Dingen von der FDP, die solche Dinge doch sonst immer so hochhält?
Wie kann das überhaupt passieren? Man kann sich die Gesetze ansehen, dort gibt es einen Paragrafen, der sagt, dass man im Ausnahmefall, wenn eine wirtschaftlich kritische Situation vorhanden ist, zeitlich begrenzt ausflaggen darf. Das ist der Wortlaut. Seit Jahren und Jahrzehnten wird massenwei
se ausgeflaggt, und zwar von allen gemeinsam, und die Regierung sagt dazu auch noch: Schön, dass ihr das macht, wir brauchen das maritime Bündnis weiterhin, so wie ihr das wollt. Was ist denn das für ein Kniefall der Politik vor diesen Interessen- und Lobbyverbänden, die uns gegenwärtig beherrschen.
Wir müssen auch darauf bestehen, dieses Gesetz durchzusetzen und einzeln zu prüfen. Ansonsten haben diese Menschen, auch wenn es Hamburger Pfeffersäcke sind, hier nichts zu suchen. Dann sollen sie sich meinetwegen eine andere Stadt suchen. Es kann aber nicht sein, dass wir an der Art und Weise, wie man hier Steuern zu zahlen hat, nicht beteiligt sind.
Das muss man sich einmal ganz deutlich ansehen. Noch etwas zu den Schifffahrtsregistern. Es ist ja nicht so, dass zum Beispiel der Hamburger Reeder, der seine Schiffe gegenwärtig unter der Flagge von Antigua fahren lässt, irgendwann einmal nach Antigua gefahren ist, um sich dort wenigstens anzumelden. Die Flagge von Antigua beantragt man in Oldenburg im bremischen Land. Dort meldet man sich an und sagt, hier ist Antigua, hier flagge ich das ein, bezahle kaum noch Geld und deutsche Arbeitskräfte, sage aber, ich sei deutscher Reeder. Das ist eine Frechheit und das sollte die Politik auch selbstbewusst kritisieren.
Jetzt einmal zur Tonnagesteuer. Das hört sich irgendwie so an, als bezahlte man immense Steuern. Diese Tonnagesteuer muss man sich einmal genau ansehen. Ein Hamburger Reeder – oder eben nicht nur Reeder, das werde ich gleich noch ein bisschen erklären –, der im Jahre 2008 für eine bestimmte Beteiligung 200 000 Euro pro Jahr bekommen hat – für eine große Beteiligung von 1 Million Euro war das im Jahre 2007 oder 2008 durchaus möglich und normal –, hat dann dafür an Steuern vielleicht 2 000 Euro bezahlt. Jeder normal Beschäftigte hätte dafür 42 Prozent, also fast 100 000 Euro, an Steuern bezahlen müssen. Der hat mit seiner Tonnagesteuer nur 2 000 Euro Steuern zahlen müssen. Das muss man sich einmal vorstellen, das mit der Tonnagesteuer hört sich so wunderbar an. Das ist eine Art und Weise, den öffentlichen Haushalt auszubluten, Lobbygruppen das Geld praktisch in die Hand zu geben, damit die in der Lage sind, gut zu existieren.
Sie, die immer so gerne dafür kämpfen, dass dieser Staat einigermaßen schuldenfrei über die Runden kommt, müssen dafür kämpfen, dass diese Einnahmeseite auch an dieser Stelle verbessert wird
und wir nicht akzeptieren können, dass hier Leute, die 200 000 Euro bekommen, meinen, gute deutsche Staatsbürger zu sein und dafür 2 000 Euro Steuern zahlen. Das ist Lobbyismus pur.
Mir ist völlig klar, dass das eine Art und Weise ist, über die man in Hamburg nicht gerne spricht, weil man nämlich dann von der gemeinsamen Hamburger Suppe und davon spricht, dass wir doch irgendwie alle zusammengehörten. Aber die Erfahrung der Menschen in dieser Stadt ist: Wir gehören nicht alle zusammen.
Diejenigen, die dieses Geld in den letzten Jahren abgezockt haben, sind zum Teil weniger Reeder, als wir denken. Es sind im Wesentlichen Leute, die in der Lage sind, einmal eben 100 000 Euro im Jahr für so etwas ausgeben zu können, die berühmten Zahnärzte aus alten Zeiten, all die Leute, die praktisch nicht viel an Steuern bezahlen wollen, die Reichen in dieser Stadt. Das hat übrigens auch zu katastrophalen wirtschaftlichen Entwicklungen geführt, weil wir merken, wie diese Geldgier, die man dort produziert hat, zu wirtschaftlich nicht gesunden Bestellungen geführt hat.
So weit ist es und dementsprechend ist es notwendig für uns in Hamburg, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Jeder, der möchte, dass wir in der Lage sind, die öffentlichen Aufgaben in dieser Stadt zu finanzieren, dass wir auch in der Lage sind, die wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben im Zusammenhang mit Armut, Bildung und Kultur vernünftig leisten zu können, muss auch die Einnahmeseite klären und dieses Lobbyistenloch stopfen.
eine starke Rede, als wären wir hier in der Situation, gerade einen Antrag zu diskutieren, wie der Hamburger Senat die Branchenpolitik der maritimen Wirtschaft auf den Kopf stellen soll gegenüber dem, was bisher falsch gelaufen ist, und als ob wir die Frage der Einnahmeseite der Branche der ma
ritimen Wirtschaft und der Seeschifffahrt in Hamburg klären könnten. Lieber Kollege, das ist keine hamburgische, das ist keine bundesdeutsche, sondern eine internationale Branche, in der wir bei diesem Thema zu Hause sind. Deswegen will ich auf die Frage, welche Bedeutung die Subventionen haben – übrigens nicht nur für die Reichen in dieser Stadt, sondern auch für die Kollegen und Seeleute auf diesen Schiffen –, noch einmal zurückkommen. Auf jeden Fall hätte ich allen Seeleuten, die in Hamburg zu Hause sind, gerne einmal gewünscht, diese Rede heute zu hören und dann zu schauen, was das für ihre konkrete Arbeitsplatzsituation bedeuten würde, würde man den Gedanken folgen. Was wir gerade gehört haben, ist eine erhebliche Infragestellung der Arbeitsplätze der Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich und das wollen wir jedenfalls gerade nicht, lieber Kollege.
Noch eine Bemerkung zur Rede des Kollegen Ohlsen. Von Jan Balcke sind keine Halbwahrheiten verkündet worden. Schauen Sie sich einmal genau an – das ist von Herrn Kluth schon gesagt worden –, wie die Frage der maritimen Wirtschaft vom bisherigen Senat in den letzten Jahren in dieser Stadt an die Wand gefahren worden ist. Und dann stellen Sie sich hier hin und greifen den Kollegen Balcke an und sagen, er hätte irgendwelche Halbwahrheiten verbreitet. Es ist umgekehrt: Auf der Maritimen Konferenz wurde das, was an Verschlechterungen gegenüber der Sicherung der Arbeitsplätze stattgefunden hat, nicht zurückgenommen, sondern soll in den nächsten Jahren noch einmal verdoppelt werden. Es wurde nicht gesagt, wir wollen uns mit den Betroffenen zusammensetzen und mit ihnen darüber reden, ob es andere Möglichkeiten gibt. Am Tag nach dieser Konferenz titelten zum Beispiel die "Frankfurter Allgemeine Zeitung":
Das waren die Reaktionen in den Schlagzeilen auf diese Art von Politik. Das ist eine Politik, die das maritime Bündnis ganz klar infrage gestellt hat, und das ist ein massiver Rückschritt für die Betroffenen und auch für die Arbeitsplätze in diesem Bereich und das wollen wir nicht. Das ist eine falsche Politik, die das fortsetzt, was bisher gegolten hat, und da müssen wir einen Wechsel herbeiführen.
gung in der deutschen Seeschifffahrt". Wir alle wissen, dass Deutschland und vor allem die deutschen Unternehmen unter dem Strich große Gewinner der Globalisierung sind. Doch damit davon auch die breite Masse der Menschen, der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer profitiert, muss Deutschland seinen Platz und seine Strategie innerhalb dieser Globalisierung definieren. Diese Strategie kann nicht darin liegen, im globalen Lohndumpingwettbewerb voll mitzuspielen; das haben uns die letzten Jahre vor Augen geführt. Unsere erfolgreiche Strategie kann nur darin liegen, hoch qualifizierte Ausbildung und Beschäftigung in Deutschland zu sichern und zu stärken, kurz gesagt: Gute Arbeit statt Lohndumping und gnadenlosem Verdrängungswettbewerb muss unsere Strategie sein, allgemein und auch im Bereich der Seeschifffahrt.