Protocol of the Session on February 9, 2011

(Zurufe von der SPD: Ja!)

Ich habe nichts davon in seinen Reden gehört. Das ist zu wenig und darum fehlen im Angebot der SPD entscheidende Punkte.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Man könnte das der üblichen Gleichgültigkeit der SPD gegenüber Bereichen wie Umweltschutz, Bildung, Wissenschaft oder Kultur zuschreiben, aber leider ist es viel schlimmer. Die SPD gefährdet mit ihren Konzepten, insbesondere ihren Finanzierungskonzepten, wichtige Zukunftsbereiche in dieser Stadt. Ich will Ihnen ein paar Beispiele dazu nennen.

Energetisches Bauen ist gut für den Klimaschutz, bringt Arbeitsplätze im Handwerk und schützt die Mieter vor steigenden Warmmieten. Für Herrn Scholz ist es zu teuer, er gibt das Motto aus: Das brauchen wir nicht.

(Michael Neumann)

(Marino Freistedt CDU: Mit wem wollen Sie eigentlich koalieren?)

Der Ausbau der Ganztagsschulen in Hamburg ist ein umfassendes Programm. Das wird mit dem Finanzkonzept von Herrn Tschentscher und der SPD nicht gehen, denn da werden die Ausgaben auf 1 Prozent begrenzt. Es ist unklar, ob es mit dieser Begrenzung überhaupt möglich sein wird, mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, wie wir im Schulfrieden versprochen haben, um die Klassengrößen abzusenken.

Die gerade gegründete Wissenschaftsstiftung, die dafür sorgen soll, dass die über Jahrzehnte vernachlässigten Hochschulen dieser Stadt endlich wieder einmal in der Spitzenliga mitspielen können, sind nach Meinung der SPD völlig überflüssig. Sie wollen das ersatzlos streichen.

Liebe Kollegen von der SPD! Sich auf die Tradition zu besinnen, ist schön und gut. Aber Zukunftsbereiche dieser Stadt kaputtzusparen, ist kein Ausdruck von Vernunft, Verlässlichkeit und Verantwortung, sondern wäre verheerend für Hamburg.

(Beifall bei der GAL und bei Marino Freistedt [CDU] – Marino Freistedt CDU: Jetzt hat er recht!)

Auch in einem weiteren Bereich, der Verkehrspolitik, hat die SPD die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Wir haben einen öffentlichen Nahverkehr mit wachsenden Fahrgastzahlen – und das ist gut –, der mittlerweile aus allen Nähten platzt. Wir Grüne sind überzeugt, dass wir vor diesem Hintergrund den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und auch weiter über eine Stadtbahn reden müssen. Die SPD war jahrelang dafür. Dann kam Olaf Scholz und mit ihm die Kehrtwende: Die Umfragen sähen nicht gut aus, die Stadtbahn sei zu teuer und wir bräuchten sie nicht. Ich würde den Kollegen der SPD empfehlen, einmal einen Blick in das Zukunftskonzept der Handelskammer, "Hamburg 2030", zu werfen. Auf Seite 93 findet sich passend zum Ziel, den öffentlichen Personennahverkehr auszubauen, die Maßnahme "Stadtbahnnetz realisieren", gefordert von der Handelskammer Hamburg unter ihrem damaligen Präses Frank Horch,

(Elke Badde SPD: Was haben Sie denn dann gegen Herrn Horch?)

dem Schattenwirtschaftssenator der SPD.

Sehr geehrter Herr Horch: Recht haben Sie.

(Thies Goldberg CDU: Späte Einsicht!)

Andererseits sind Sie aber auch bekannt dafür, dass Sie die Schrottreaktoren in Krümmel und Brunsbüttel länger laufen lassen wollen und gegen die Einführung der Vermögensteuer und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes sind. Das war der SPD anscheinend völlig egal, als sie Sie nominiert hat; schon merkwürdig. Wir Grüne sehen das an

ders. Aber, Herr Horch, wenn Sie sagen, Hamburg braucht die Stadtbahn, dann haben Sie uns Grüne auf Ihrer Seite, notfalls auch gegen die SPD.

(Beifall bei der GAL – Marino Freistedt CDU: Stabile Koalition!)

Es ist gut, dass das neue Wahlrecht die Möglichkeit bietet, nicht nur Kandidaten zu wählen, sondern auch Parteien. Man kann seine Stimmen aufteilen und damit Koalitionen wählen. Wer in Hamburg aber rot-grüne Politik will, die auch wirklich rot-grün ist, der muss grün wählen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Darf ich herzlich bitten, dass der Geräuschpegel etwas abgesenkt wird. Es ist zu laut. – Jetzt hat das Wort Frau Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Worüber entscheiden die Hamburgerinnen und Hamburger am 20. Februar? Es ist nicht unbedingt bedeutend, darüber zu entscheiden, wer in welchem Sessel sitzt, sondern darüber, wie sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen in dieser Stadt in Zukunft gestalten werden, und die sehen zurzeit alles andere als gut aus.

Herr Schira hat auf die Erfolgsbilanz der CDU hingewiesen und von Herrn Wersich höre ich in fast jeder Podiumsdiskussion, bei der wir aufeinandertreffen, dass es 70 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gibt.

(Thies Goldberg CDU: Das sind Ihnen zu viele! Da müssten Ihrer Meinung nach zu viele Leute arbeiten, nicht?)

Das wird als Erfolg verbucht. Dabei übersehen Sie, dass die meisten dieser Arbeitsplätze Teilzeitarbeitsplätze sind. Davon kann keiner leben, davon gibt es auch keine nennenswerten Steuereinnahmen und sie bedeuten letztendlich Armutsrenten. Zudem sind die meisten der 70 000 neuen Arbeitsverhältnisse befristet. Damit wird dieser Trend in der Stadt noch verstärkt. Die Arbeitnehmer leben in Angst und Unsicherheit. Eine Lebensplanung ist unter solchen Bedingungen nicht möglich. Viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen können von ihrer Arbeit in Hamburg nicht in Würde leben.

Egal, wer nach dem 20. Februar regiert, im Prinzip soll alles so bleiben, wie es ist. Ein Politikwechsel ist weder von der SPD, der GAL und schon gar nicht von der FDP angekündigt.

(Beifall bei der LINKEN – Thies Goldberg CDU: Das ist auch gut so!)

Die LINKE wird ein Umsteuern aus der Opposition heraus einfordern. Die GAL-Spitzenkandidatin hat gesagt, Arbeit dürfe nicht das Leben kosten, und

(Jens Kerstan)

der SPD-Spitzenkandidat, Arbeit dürfe nicht krank machen. Wir wollen, dass Arbeit sinngebend und erfüllend ist und eine Existenz in Würde sichert.

SPD und GAL sind neuerdings für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Ich hoffe, das bezieht sich auf alle Branchen; das war bei der SPD nicht eindeutig herauszuhören. Die Einführung eines Mindestlohns wird auf Bundesebene beschlossen. Alle Bundesratsinitiativen, die DIE LINKE in diesem Hause eingebracht hat, wurden abgelehnt. Ich verbuche Ihre Position als Anerkennung guter Arbeit und bin dankbar, dass wir das heute vom DGB auf dem Tisch haben, aber diese Bekenntnisse von SPD und GAL sind für mich unseriöse Wahlkampfversprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass 245 000 Menschen in Hamburg Transferleistungen erhalten – davon 37 000, Tendenz steigend, als Aufstocker – und demzufolge jedes vierte Kind in Armut lebt, hat einen Grund. Dieser Grund hat einen Namen: Agenda 2010. Hartz IV muss endlich weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch dazu wird es von der LINKEN in der nächsten Bürgerschaft wieder Initiativen geben.

Es hatte einmal den Anschein, als hätte die Hamburger SPD aus zehn Jahren Opposition gelernt. So haben wir gehört, dass Ihnen die Privatisierungen leid täten. Aber insgesamt haben wir uns da gründlich getäuscht. Mit Olaf Scholz haben Sie einen der Architekten der Agenda 2010 zum Spitzenkandidaten gemacht.

(Ingo Egloff SPD: Gott sei Dank!)

Er hat angekündigt, für den Fall seiner Wahl – Herr Kerstan hat darauf hingewiesen – Frank Horch zum Wirtschaftssenator zu machen. Dieser ehemalige Präses der Handelskammer hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Deregulierung des Arbeitsmarktes und die Entrechtung der Arbeitnehmer nach seinem Geschmack sind. Diese Personalie zeigt, dass die schrödersche Doppelstrategie fortgesetzt wird, Arm in Arm mit den Wirtschaftsbossen den Eindruck erwecken zu wollen, die SPD sei die Partei für die Arbeitnehmer. Sie ist es nicht.

Die prekäre Beschäftigung im öffentlichen Dienst, die Vernichtung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen durch Ein-Euro-Jobs und die entwürdigenden Bedingungen für Familien in Armut, das alles muss aufhören. Dafür braucht Hamburg eine starke Opposition und das kann, liebe CDU, nur DIE LINKE.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür braucht Hamburg eine starke Verzahnung von parlamentarischer Opposition und sozialen Bewegungen. Die Gewerkschaften erhalten von uns alle Unterstützung. Wir hoffen, dass sie mit aller

Härte Rechte für Arbeitnehmer und Erwerbslosen einfordern.

Der Haushaltsansatz für Arbeitsmarktpolitik im Wirtschaftsressort ist in den Jahren der CDU-Regierung von 80 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro zurückgefahren worden. Auch da muss umgesteuert werden, aber auch da sehen wir nicht, dass die Parteien, die sich anschicken, die Regierung zu übernehmen, eine aktive Arbeitsmarktpolitik betreiben wollen.

Der Vorschlag, die Betriebskosten jährlich höchstens um 1 Prozent steigen zu lassen und gleichzeitig die Reserven für Tariferhöhungen abzuschmelzen, hat eine Konsequenz: Die Lohnforderungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst müssen unterhalb der Inflationsrate liegen. Das führt zu weiterem Reallohnverlust. So etwas nennen Herr Scholz und die SPD sozialdemokratische Politik, aber das ist es nicht. Soziale Gerechtigkeit gibt es nur durch Steuergerechtigkeit und wir werden nicht nachlassen, das einzufordern.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Goldberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Neumann, das war ein schöner demokratie-historischer Ausflug, den Sie mit uns gemacht haben, aber inhaltlich war eigentlich nichts dabei, was einen Hamburg-Bezug gehabt hätte.

Sie haben Ihre Ausführungen mit "ehrlich gesagt" eingeleitet und gefordert, es solle Schluss sein mit der Verschuldung. Als die CDU nach dem Regierungswechsel einen Schuldenberg übernahm, den die letzten SPD-Senate in zehn Jahren auf 18 Milliarden Euro verdoppelt hatten, haben wir Schulden obendrauf gesattelt. Das stimmt. Wir haben in unserer Regierungszeit ein Schuldenplus von 33 Prozent gemacht – nicht von 100 Prozent, wie Sie im gleichen Zeitraum – und 6 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Gleichzeitig haben wir annähernd 10 Milliarden Euro an Zinsen für die Schulden gezahlt, die Sie uns hinterlassen haben. Das gehört zu "ehrlich gesagt" dazu, Herr Neumann.

(Beifall bei der CDU)

Von diesen 6 Milliarden Euro sind über 2 Milliarden Euro krisenbedingt, Stichwort Weltwirtschaftskrise. Auch das wissen Sie. Wir haben im Krisenjahr 2009 mit 294 Millionen Euro eine geringere Neuverschuldung gehabt, als ein SPD-geführter Senat im Jahr 1996 mit über 900 Millionen Euro. Dabei war das ein ganz normales Jahr ohne irgendeine Krise. Auch das gehört zum Thema "ehrlich gesagt" dazu, Herr Neumann.