Wir stehen sicherlich nicht am Anfang, aber auch noch längst nicht am Ende. Wir stehen heute vor einer wichtigen Entscheidung. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, es ist ein Paradigmenwechsel. Das Thema war uns allen im Parlament sehr wichtig und im Sozialausschuss ganz besonders. Mir persönlich liegt sehr daran, dass wir versuchen, in diesem Themenbereich einen Konsens zu erzielen, dass wir versuchen, gemeinsam für die Menschen mit Behinderung in Hamburg viel zu erreichen.
Worum geht es heute? Die Bundesrepublik Deutschland hat die UN-Konvention für Menschen mit Behinderung mit unterschrieben. Insofern ist es nationales Recht und wir in Hamburg müssen uns Gedanken machen, wie wir dies in dieser Stadt umsetzen. Das haben wir im Sozialausschuss getan. Wir wollen heute mit der Drucksache, wenn wir sie verabschieden, zum einen beschließen, dass der Leitgedanke der Inklusion zukünftig dem staatlichen Handeln zugrunde liegen soll. Hierzu soll ein Landesaktionsplan entworfen werden, der zum Beispiel die Bereiche Bauen, Wohnen, unabhängige Lebensführung und Bildung umfasst. Bei Letzterem haben wir bereits beim Schulgesetz mit der Änderung des Paragrafen 12 einen großen Schritt getan. Es betrifft aber auch die Bereiche Arbeit, Gesundheit und vieles mehr. Bei dieser Aufzählung stellt man fest, dass es eine echte Querschnittsaufgabe ist.
Ich betone ausdrücklich, dass wir sonst immer viel von Integration in diesem Bereich sprechen, aber der Begriff, den wir nun benutzen wollen, ist Inklusion. Das bedeutet noch mehr als Integration. Früher wurden Menschen mit Behinderung eher in Sondersystemen untergebracht, am Rande der Gesellschaft. Das könnte man als Separation bezeichnen. Danach hat man die Sondersysteme in die Gesellschaft integriert. Wir wollen aber, dass die Menschen mit Behinderung Bestandteil der Gesellschaft sind. Heterogenität als Vielfalt soll ein Normalfall sein, dahin wird sich die Gesellschaft entwickeln. Das bedeutet aber auch ein Umdenken, und hier sind wir erst am Anfang, es ist ein weiter Weg. Wir müssen klar machen, dass jeder Mensch Gottes Geschöpf ist, das ist uns als Christdemokraten besonders wichtig. Daher ist gerade der Gedanke von Inklusion von großer Bedeutung.
Zurzeit sehe ich unsere Hauptaufgabe darin, die Thematik bekannt zu machen, zum Beispiel, was die UN-Konventionen bedeuten. Es geht um das Werben für die Inklusion, es geht aber auch darum, Ängste abzubauen und zu informieren. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, und es muss klar sein, dass nicht alles sofort umgesetzt werden kann. Das ist auch nicht die Idee der UN-Konvention, sondern wir begeben uns auf einen Weg, auf dem wir diese Gedanken umsetzen. Dieser Weg wird sicher auch einmal mit Rückschritten und Enttäuschungen verbunden sein; das ist aber so, wenn man etwas Neues macht. Deswegen möchte ich ausdrücklich dafür werben, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir bei diesem wichtigen Thema immer einen großen Konsens zwischen allen Parteien haben.
Der Sozialausschuss hat sich in acht Sitzungen intensiv damit befasst. Wir haben es heute leider nicht geschafft, ein gemeinsames Votum hinzubekommen.
Vielleicht ist dies aber auch dem Zeitablauf geschuldet. Ich vermute, wenn die Legislaturperiode etwas länger gewesen wäre, hätten wir es noch gut geschafft. Wir waren uns vom Weg, von den Grundsätzen und auch vom Ziel her einig, nur hatten wir unterschiedliche Ansichten, wie die Umsetzung gestaltet werden sollte. Es ist aber trotzdem von einem breiten Konsens getragen.
Abschließend möchte ich mich ausdrücklich bei Herrn Grund bedanken, der gleich als Nächster reden wird. Da er nicht wieder kandidiert, wird es seine letzte Rede hier sein. Ich möchte ihm ausdrücklich meinen Dank für die gute Zusammenarbeit im Ausschuss als Ausschussvorsitzenden kundtun. Es war eine gute Zusammenarbeit und wenn es einmal hakte, haben wir doch immer wieder einen Konsens gefunden. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit im Sozialausschuss.
Wir stehen heute vor einer wichtigen Entscheidung und ich möchte Sie deswegen um Zustimmung für das Petitum des Sozialausschusses bitten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit knapp 20 Jahren gehöre ich dem Parlament an und auch immer dem Sozialausschuss. Ich war lange Zeit Vorsitzender dieses Ausschusses. Dass die 20 Jahre nicht ganz voll geworden sind, verdanken wir der GAL, aber ich nehme das jetzt mit leichtem Herzen hin.
Ich muss feststellen, dass die Debatte, um die es heute geht, eine der wichtigsten für mich in diesen 20 Jahren gewesen ist, jedenfalls, wenn man das Thema Behindertenpolitik ernst nimmt. Es ist ja nicht nur so, dass die Bundesrepublik Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben hat, sondern inzwischen hat auch das Europäische Parlament die Konvention ratifiziert. Es ist das erste internationale Menschenrecht, das von der gesamten EU akzeptiert und unterschrieben wurde. Das macht vielleicht ein bisschen die Bedeutung klar.
Der Bundesregierung liegt ein Entwurf für einen Bundesaktionsplan vor. Im März will sie ihn veröffentlichen und zur Debatte stellen und zum Jahresende soll er in Kraft treten. So weit sind wir in Hamburg leider nicht gekommen, das bedauere ich sehr. Es wurde schon gesagt, dass wir acht Ausschusssitzungen hatten, in denen wir uns mit dem Thema befasst haben. Darunter waren zwei sehr qualifizierte Sachverständigenanhörungen, bei de
nen man das Engagement, den Einsatz und die Kompetenz der Betroffenen deutlich zu spüren bekommen hat.
Es ist richtig, was Herr von Frankenberg sagte. In der Sache selbst gibt es wahrscheinlich relativ wenig Streit im Parlament und unter den Sozialpolitikern, in den Fraktionen wahrscheinlich ohnehin nicht. Die Frage war allerdings, wie wir aus dieser Debatte herausgehen. Wir hatten dieses angestoßen und alle Anträge und Große Anfragen stammen aus der Feder der SPD-Fraktion in diesem Zusammenhang – das will ich denn doch noch einmal erwähnen. Wir waren der Hoffnung, dass es uns gelingt, in relativer Kürze so etwas wie einen Landesaktionsplan zustande zu bringen. Rheinland-Pfalz hat das übrigens im Gegensatz zu uns geschafft. Andere Parlamente haben es schon beschlossen, wir werden es dann wahrscheinlich heute tut.
Was uns an dem Petitum nicht gefallen hat, Herr von Frankenberg, war, dass es sehr unverbindlich und allgemein geblieben ist. Die CDU und die GAL haben geschrieben, welche Artikel in der UN-Konvention stehen und dass man dazu einen Aktionsplan machen müsse. Dazu braucht man keine eineinhalb Jahre Beratungszeit im Parlament, sondern das hätten wir wesentlich früher haben können.
Wir wollten gerne den Senat auffordern, konkret zu sagen, was er meint, wenn von gleicher Augenhöhe bei der Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen die Rede ist. Hier ist nur die Rede davon, dass der Landesbeirat bei der Senatskoordinatorin für Behindertenfragen mit eingeschaltet wird. Das ist uns zu wenig, meine Damen und Herren. Wir wollen, dass die Betroffenen selbst in der eigenen Sache nicht nur mitwirken dürfen, sondern als echte Beteiligte gesehen werden. Wir wollen, dass sie Befassungs- und Auskunftsrechte haben, dass sie Initiativrechte gegenüber Senat und Behörden haben und dass es Fortschrittsberichte bei der Umsetzung gibt. Der Landesaktionsplan soll nicht nur wiederholen, was in den Artikeln der Konvention steht, sondern es soll gesagt werden, was das für Hamburg bedeutet. Wie sieht es beispielsweise mit der Qualifizierung der Behördenmitarbeiter aus, welches Qualitätsmanagement wollen wir uns gönnen? Wie sieht es mit den Zielen und Kennzahlen aus? Wie sieht es mit den Sanktionsmöglichkeiten aus? Dies ist übrigens ein Problem der Konvention, dass sehr viele hehre Ziele genannt werden, aber kaum die Chance besteht, bei Verfehlungen gegen die Konvention auch wirklich nachzufassen. Wir wollen etwas über Handlungsempfehlungen bei den Beschwerdemöglichkeiten hören und genau wissen, wie das Thema barrierefreies Bauen künftig neu gefasst wird in der Stadt. Wir haben
Renovierungsbedarf im Bereich barrierefreies Bauen. Wir wollen ein Förderprogramm und wollen genau wissen, was dies für Frauen bedeutet, die behindert sind, oder welche Auswirkungen es auf den Integrationsbereich hat. All das ist untergegangen in der Ausschussberatung.
Und – es tut mir leid, es ist meine letzte Rede – das ist zu wenig und zu schmal; das bedaure ich sehr.
Das Thema Konvention ist mit der Feststellung, dass wir einen Landesaktionsplan wollen, nicht beendet; das wurde völlig zu Recht gesagt. Das nächste Parlament wird sich damit intensiv auseinandersetzen müssen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, ich werde nicht vom Präsidenten abgeklingelt, wenn ich eine letzte Bemerkung sozusagen neben der Tagesordnung mache.
Ich würde eine wissentliche Unwahrheit verkündigen, wenn ich sagen würde, dass ich mich bei allen entschuldige, denen ich auf die Füße getreten bin. Ich entschuldige mich bei allen, denen ich unwissentlich und versehentlich auf die Füße getreten bin. Es hat mir viel Freude gemacht. Ich bedanke mich bei allen, die mitgewirkt haben. Ich wurde mehrmals gefragt, was für mich bei allem Engagement und Zeiteinsatz auf der Habenseite übriggeblieben ist. Ich will es Ihnen verraten: Am tollsten fand ich, dass ich mit so vielen Menschen zusammengekommen bin – nicht nur hier im Parlament und in den Behörden, sondern vor allem in der Stadt –, die sich qualifiziert und engagiert für ihre Stadt einsetzen, und dass ich mit ihnen zusammenarbeiten durfte. Und zweitens gibt es nichts Schöneres, als jeden Tag zu lernen. Das habe ich getan. Ich hoffe, es geht Ihnen auch so. Machen Sie es gut und einen schönen Wahlkampf übrigens.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Uwe, es ist eine Bürde, nach so einem Abgang zu reden. Ich möchte mich erst einmal bei dir für die sehr faire und gute Zusammenarbeit und deine mediativen Kräfte in den Ausschüssen bedanken. Es hat Spaß gemacht, mit dir zusammenzuarbeiten und dich näher kennenzulernen. – Vielen Dank.
Als du die Rede hieltst, dachte ich, der Antrag ging nicht weit genug, ihr hättet mehr machen können, es besser machen können und schneller sein kön
Es ist gut, dass wir diesen Sozialausschussbeschluss haben. Ich bin nicht wie du 20 Jahre dabei, sondern erst seit sieben Jahren für Menschen mit Behinderungen zuständig, und für mich ist die UN-Konvention eigentlich das Größte, was in diesem Bereich passiert ist. 147 Staaten haben sie weltweit ratifiziert. Wir sind dabei, sie umzusetzen. Wir sind vielleicht ein bisschen zu langsam gewesen und nicht so schnell, wie du es gern gehabt hättest und wie ich es mit meiner naturgegebenen Ungeduld auch gern gehabt hätte, aber es besteht – auch wenn wir im Sozialausschuss nicht in jedem Detail übereingekommen sind – ein großer und breiter Konsens bei den Zielen, die wir haben, und das finde ich schön.
Wichtig ist, dass nicht nur Politik die UN-Konvention umsetzt, sondern dass wir das gesellschaftlich ganz breit auf die Füße stellen. Das spielt in viele Bereiche hinein, ob es der barrierefreie Nahverkehr ist, Wohnungsbau, Schulen und Hochschulen, Kultur – eigentlich in alle Bereiche. Wir haben da ein sehr großes Paket. Die Grundpfeiler für den Aktionsplan sind gegeben und wir sollten alle dafür Sorge tragen, dass er gut wird und umgesetzt wird, und zwar in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden, dem Landesbehindertenbeirat und dem Senat, wie immer er dann aussehen mag. Wir sollten auch darauf achten, dass nicht nur im öffentlichen Bau auf Barrierefreiheit geachtet wird, sondern auch mehr im privaten Bereich und zum Beispiel in der Gastronomie.
Debatten alleine helfen nicht, wir müssen auch investieren. Es nützt beispielsweise keinem, wenn wir fragen, ob wir barrierefreie Toiletten brauchen und ob dann auch ein behinderter Mensch vorbei kommt. Wir müssen Fakten schaffen, das heißt, wir müssen sie aufstellen, denn sie werden benötigt.
Wir müssen die Menschen dabei mitnehmen. Inklusion ist ein so großes Thema, an dem alle teilhaben müssen. Die gesamte Gesellschaft muss sich verändern. Jeder muss die Schranken in seinem Kopf beiseite räumen. Ich habe mich einmal an einer Definition von Inklusion versucht. Inklusion ist der Ausdruck einer Gleichwertigkeit eines jeden Menschen, der Anerkennung der Verschiedenheit, der Solidarität einer Gemeinschaft und der Vielfalt von Lebensformen. Daran sollten wir alle zusammen arbeiten.
Wir haben einen Ausschuss zum barrierefreien Rathaus gehabt. Es liegen jetzt gute Konzepte vor, die natürlich Geld kosten, und auch der Denkmalschutz ist mit vielen Lösungen nicht ganz glücklich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien wir offen. Wir haben einen schwierigen Haushalt, aber wer Inklusion will, der kann die Taschen nicht zuhalten. Wir müssen akzeptieren, dass alle einen Beitrag zu leisten haben. Wir müssen die Gesellschaft so verändern, dass nicht der behinderte Mensch sich anpassen muss, sondern dass wir uns anpassen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen hier über den SPD-Antrag "Hamburg setzt die UN-Behindertenrechtskonvention um – Inklusion als Leitorientierung staatlichen Handelns" und wir sprechen über den Änderungsantrag der CDU und der GAL.
Meine Damen und Herren! Zulasten der behinderten Menschen in dieser Stadt wird die gescheiterte Koalition von der GAL weitergeführt. Dieser SPD-Antrag wurde am 2. Dezember letzten Jahres im Sozialausschuss behandelt. Die GAL stimmte mit der CDU gemeinsam für ein Petitum, das den Vorstellungen der Behindertenverbände in wesentlichen Teilen nicht entspricht. Mit vagen Argumenten wurde auf eine Anbindung an die faktisch einflusslose Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen beharrt und die Einrichtung eines wirklich unabhängigen Gremiums zur Erarbeitung eines Landesaktionsplans durch die Behinderten- und Sozialverbände verhindert. SPD und DIE LINKE hatten sich auf ein gemeinsames Petitum verständigt, das für Hamburg ein sehr gutes Verfahren für die Erarbeitung des dringend benötigten Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gebracht hätte.
Noch einmal zur Erinnerung: Diese unendliche Geschichte begann am 13. Mai 2009. An diesem Tag überwies die Bürgerschaft den Antrag der SPD an den Sozialausschuss. Und, oh Wunder, kaum waren anderthalb Jahre vergangen, versandte die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen am 31. Januar 2011 ein Schreiben an alle gesellschaftlichen Akteure, in dem sie mitteilte, dass sie sich freuen würde, wenn man ihr in den nächsten Wochen und Monaten Anregungen und Vorstellungen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Hamburg zukommen lassen würde – und das nach über anderthalb Jahren.