Protocol of the Session on January 20, 2011

Das Wort bekommt Frau Dobusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren hier eine Senatsmitteilung vom Dezember 2010, mit der der Senat nun endlich die lange erwartete Fortschreibung des Opferschutzplans und zugleich die Antwort auf ein Ersuchen der Bürgerschaft zum Thema Gewalt gegen Frauen vorlegt. Meine Fraktion hatte im Juni 2009 einen Antrag vorgelegt, in dem wir einen eigenständigen Landesaktionsplan Gewalt gegen Frauen gefordert haben. Wir haben in diesem Antrag eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, wie die Wahrung des Menschenrechts auf ein Leben ohne Gewalt für Frauen in Hamburg besser durchgesetzt werden kann. Einige von diesen Vorschlägen finden sich jetzt in diesem Aktionsplan; darüber sind wir natürlich erfreut. Ich möchte auch den Hinweis auf den Wunsch nach einer Verbesserung der Datenlage, der Qualitätsentwicklung und der Täterarbeit hervorheben; das ist alles sehr lobenswert, doch ich komme auch gleich auf das Aber zu sprechen.

Unsere Vorschläge waren vom Juni 2009. Seither lagen sie auf dem Tisch und seither hat der Senat uns immer wieder hingehalten. Ich erlaube mir, Sie beispielsweise an eine Sitzung des Sozialausschusses Ende 2009 oder Anfang 2010 zu erinnern, in der die Senatsseite um Zustimmung für eine kleine Verschiebung des Themas gebeten hatte. Sie wollten das Thema erst ungefähr drei Monate später behandeln, also im März oder April, weil die lange überfällige Aktualisierung des Opferschutzplans angeblich kurz bevorstünde und es daher wünschenswert wäre, unseren Antrag auf einen Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen erst danach, quasi auf Folie dieses dann aktualisierten Landesaktionsplans, zu diskutieren und auf die Tagesordnung zu nehmen. Ich habe mich damals unter der Bedingung darauf eingelassen, dass der Opferschutzplan vor dem 8. März, dem Internationalen Tag der Frauen, vorgelegt wird, weil es mir unzumutbar erschien, die Frauen noch weiter zu vertrösten. Die Behördenvertreterinnen und -vertreter – ich habe das noch einmal nachgelesen – signalisierten damals auch Zustimmung, dass das zu schaffen sei. Nun ist der 8. März 2010 verstrichen, ohne dass von Senatsseite irgendetwas vorgelegt worden wäre. Sie werden also meine doch mäßige Begeisterung verste

hen, dass im Dezember 2010 auf den allerletzten Drücker diese Aktualisierung des Landesaktionsplans Opferschutz, der tatsächlich noch aus dem Jahr 2007 stammt, vorgestellt wurde, quasi mit einem Jahr Verspätung – das sehe ich doch richtig? –, denn ich vermute nicht, dass den Vertretern des Senats damals schon bekannt war, dass der 8. März 2010 gar keine realistische Option war.

Man könnte jetzt glauben, was lange währt, wird endlich gut. Wir waren also einigermaßen gespannt auf das Ergebnis, aber Sie werden es schon vermuten. Die Aktualisierungen, die der Senat nun vorgestellt hat, sind aus unserer Sicht nicht ausreichend.

(Olaf Ohlsen CDU: Tatsächlich?)

Sie zeichnen sich durch die erstmalige Berücksichtigung neuer Opfergruppen und neuer Gewaltphänomene aus; Frau Koop hat bereits darauf hingewiesen. Es finden sich darin Abschnitte zur Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen und auch die Gewalterfahrungen von Männern werden angesprochen. Als neue Gewaltphänomene werden zum Beispiel Hasskriminalität, Genitalverstümmelung bei Frauen und die Rolle des Internets angesprochen. Ich sage ausdrücklich, dass mir das gut gefallen hat. Ich sage aber genauso ausdrücklich, dass mich die vorgelegte Fortsetzung im Ganzen nicht überzeugt.

(Rolf Harlinghausen CDU: Kleine Raupe Nimmersatt!)

Das Aufzählen vielfältigster Gewaltphänomene wird den einzelnen Phänomenen nämlich nicht gerecht. Mit der Benennung von Problemen alleine ist es nicht getan. Wenn überhaupt konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden, dann werden diese erst jetzt, in diesem Quartal, angefasst oder es handelt sich um die beliebten Prüfaufträge, die dann irgendwann in ferner Zukunft umgesetzt werden sollen. Das kann es doch nicht sein.

(Olaf Ohlsen CDU: Lieber spät als nie!)

Ich komme noch einmal auf das Thema Gewalt gegen Frauen zurück. Auf Seite 6 dieses Landesaktionsplans wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass im Fokus dieser Fortsetzung die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen stehen soll. Diesen Eindruck hatte ich nach der Lektüre des Landesaktionsplans nicht.

(Beifall bei Kersten Artus und Mehmet Yildiz, beide DIE LINKE)

Frau Koop, auch Ihrer Rede konnte man entnehmen, dass mittlerweile der Schwerpunkt auf ganz anderen Themen liegt und das Thema Gewalt gegen Frauen zu einem Randphänomen geworden ist. Das wird der Sache nicht gerecht. Ich möchte deshalb einfach noch einmal ein paar Fakten in Erinnerung rufen. Jede vierte Frau erlebt in ihrem Leben mindestens einmal Gewalt durch einen Leben

(Karen Koop)

spartner. Es handelt sich also bei Gewalt gegen Frauen nicht um ein Randphänomen, sondern um etwas, was sich inmitten unserer Gesellschaft abspielt und keineswegs nur ein Thema im Zusammenhang mit benachteiligten Gruppen ist. Die Folgekosten dieser von Männern ausgeübten Gewalt, ich möchte das ausdrücklich so noch einmal benennen, werden in der Bundesrepublik auf etwa 14,5 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Hierin enthalten sind dann etwa die Kosten für Justiz und Polizei, aber auch für ärztliche Behandlungen und Ausfallzeiten am Arbeitsplatz.

Angesichts dieser Zahlen möchte ich sagen, dass der hier vorgelegte Opferschutzplan unsere Vorstellungen eines wirksamen Schutzes von Frauen vor Gewalt nicht erfüllt. Das Thema Frauenhäuser, das in den letzten Monaten noch einmal eine unerfreuliche Aktualität gewonnen hat, wird zum Beispiel gar nicht weiter erwähnt. Diejenigen, die an der Anhörung teilgenommen haben, in der wir mit Expertinnen und Experten über die Situation in den Frauenhäusern in Hamburg, aber auch im Umland gesprochen haben, werden sich daran erinnern, dass wir alle mitgenommen haben, dass dringend etwas getan werden muss und dass das eine völlig unbefriedigende Situation für die Frauen ist. Über diese Tatsachen kann unseres Erachtens auch die Aufnahme neuer Problembereiche, so lobenswert das ist, nicht hinwegtrösten.

Ich möchte aber zum Schluss noch ein paar positive Fakten hervorheben. Ich habe mich natürlich gefreut, dass ab 2011 nun doch bei den Staatsanwaltschaften, wie in unserem Antrag gefordert, Sonderdezernate für häusliche Gewalt eingerichtet werden sollen. Das kommt spät, aber es ist außerordentlich erfreulich, dass dieses so entschieden wurde.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Schön, das ist doch gut!)

Unser Vorschlag zum Thema Workplace Policy, etwas, das in Berlin, wie wir in der Anhörung gehört haben, sehr erfolgreich durchgeführt wurde, ist in diesem Opferschutzplan erwähnt. Es gibt natürlich noch keine konkrete Planung, was wir bedauern, aber immerhin wurde es als Idee und Vorschlag aufgegriffen. Es freut mich persönlich auch ganz besonders, dass das Thema Menschenhandel gerade zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft ebenfalls berücksichtigt wurde.

Mein last, not least, Frau Koop, lautet so: Ich hoffe, dass wir das Thema Gewalt gegen Frauen ab März mit dem nötigen Elan und auf der Grundlage neuer Mehrheiten dann endlich gezielter und wirkungsvoller angehen können. Bis dahin bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Das Wort hat Herr Lieven.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Koop, Frau Dobusch, dieser Landesaktionsplan Opferschutz ist, auch wenn Sie etwas länger darauf gewartet haben, ein wirklich sehr gutes und rundes Ergebnis geworden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Der Umstand, dass der Aktionsplan nicht, wie Sie es gefordert haben und wie auch in Ihrem Wahlprogramm jetzt zu lesen steht, nur auf Gewalt gegen Frauen ausgerichtet ist, sondern dass er auch die anderen möglichen Opfergruppen, Männer, Jungen und Mädchen, mit in den Blick nimmt, ist richtig. Er entspricht auch dem Ansatz und dem Gedanken von Gender Mainstreaming, das nicht herauszulösen, sondern im gesellschaftlichen Kontext zu betrachten. Auch Ereignisse der letzten Jahre – ich denke da an die Diskussion um Missbrauch, sei es in Bildungseinrichtungen, sei es im kirchlichen Umfeld – zeigen, dass man den Blick durchaus weit machen muss, dass auch gerade Jungen Opfer von Missbrauch sein können und dass es richtig ist, dass ein Landesaktionsplan das in seiner Gesamtheit berücksichtigt. Das stellt nicht in Abrede, dass Frauen häufiger Opfer von Gewalt werden als andere Gruppen. Sie haben richtig gesagt, dass ein Viertel aller Frauen gewalttätige Übergriffe in Partnerschaften erlebt. Über 85 Prozent der Opfer von Sexualdelikten sind Frauen. Das findet sich im Landesaktionsplan auch eindeutig wieder und der Großteil der Maßnahmen geht in diese Richtung.

Frau Dobusch, wenn Sie sagen, Sie würden zwar vieles im Einzelnen wiederfinden und auch der Ansatz sei richtig, aber Sie könnten dem insgesamt doch noch nicht viel abgewinnen, dann verstehe ich das nicht. In Ihrem Wahlprogramm gibt es ein kleines Kapitel zum Thema Landesaktionsplan. Das Sonderdezernat, das Sie da fordern, ist mit Jahresbeginn 2011 eingerichtet worden. Auch die Workplace Policy findet sich darin. Das ist ein neuer Ansatz für Hamburg und dementsprechend ist er noch nicht endlos weit ausgeführt, aber man wird sich diesem neuen Ansatz jetzt auch stellen. Die interkulturellen Gewaltberatungsstellen sind vorhanden. Die Mittel dafür sind um 185 000 Euro auf 275 000 Euro aufgestockt worden. Im Grunde genommen sind Ihre Forderungen doch mit diesem Landesaktionsplan bereits weitestgehend abgearbeitet worden, und ich finde, das könnte man dann auch so sehen und sagen.

Dieser Landesaktionsplan ist nicht nur dreimal so umfangreich wie der Landesaktionsplan von 2007, er ist auch wirklich um einiges gehaltvoller. Er beschreibt und analysiert Gewalt im sozialen Nahraum und im öffentlichen Raum und bildet Maßnahmen zur Prävention und Intervention ab. Der

(Gabi Dobusch)

Schwerpunkt der nächsten Jahre wird auf die Bekämpfung der Gewalt im sozialen Nahraum gelegt, auf die Gewalt in Paarbeziehungen, auf das Thema Zwangsheirat – wie Sie richtig dargestellt haben, ist das jetzt neu aufgenommen worden –, auf Gewalt gegen junge volljährige Frauen und Männer, auch gerade aus traditionell patriarchalischen Familien, auf Genitalverstümmelung, Menschenhandel, Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen, Gewalt gegen Ältere und in der Pflege – das ist auch ein Aspekt, der bisher wenig berücksichtigt wurde – und die sexualisierte Gewalt, die besonders Kinder und Jugendliche in den Fokus rückt. Das sind die Handlungsfelder des Aktionsplans, der erst einmal bis 2013 gelten wird, und wir freuen uns, dass er jetzt noch fertig wird. Eine Ausschussüberweisung wäre hier nicht hilfreich, sondern er soll dann durch Kenntnisnahme auch zügig wirksam werden.

Zentral ist bei der Fortschreibung der Blick auf die Prävention. Die Expertenanhörung im Sozialausschuss hat gezeigt, wie wichtig eine stärkere Einbeziehung des Gesundheitswesens ist, um schneller intervenieren zu können. Zur besseren Prävention und früheren Intervention soll die Kooperation mit den Akteuren im Gesundheitssystem durch Fortbildung und auch durch Überarbeitung des Leitfadens "Häusliche Gewalt" der Ärztekammer verbessert werden.

Im dritten Teil des Landesaktionsplans geht es unter anderem um spezielle Gewaltphänomene wie Hasskriminalität und Rechtsextremismus. Opfer rechtsextremer und rassistischer Übergriffe treten bisher in den Hamburger Opferberatungsstellen kaum in Erscheinung, es gibt dort ein sehr großes Dunkelfeld. Hier hat die Arbeitsstelle Vielfalt gerade mit einer Erhebung des Feldes begonnen und es ist uns sehr daran gelegen, dass wir dieses auch stärker sichtbar machen, weil es häufig extrem traumatisierende Gewalterfahrungen für die Betroffenen sind und wir ein stärkeres öffentliches Augenmerk darauf bekommen müssen.

Ein weiterer Punkt ist mir im Kontext Schutz vor Gewalt wichtig, und zwar das Thema Frauenhäuser. Wir hatten eine Anhörung im Sozialausschuss, bei der deutlich wurde, dass die Situation in den Hamburger Frauenhäusern und auch im Umland kritisch ist und die Frauenhäuser stark überlaufen sind, was vor allen Dingen auch damit zu tun hat, dass die Frauen keine Wohnungen im Anschluss an ihre Zeit im Frauenhaus finden. Der Aufenthalt dort soll eine kurze Zeit sein, aber das kann nur dann gelingen, wenn es eine Möglichkeit gibt, auch auf dem Wohnungsmarkt an Wohnungen zu kommen. Das ist in Hamburg momentan nur sehr eingeschränkt möglich und hier sehen wir ein Problem. Vielleicht es sinnvoll, uns ein Berliner Haus als Vorbild zu nehmen, in dem den Frauen eine mittlere Zeitperspektive von drei Jahren für die Klärung ihrer Berufsperspektive und die Sicherstellung

eines eigenständigen Erwerbs angeboten wird und auch die Vermittlung in Wohnraum erfolgen kann, denn der entscheidende Punkt ist letztlich, die Anschlusssituation an die Zeit im Frauenhaus zu verbessern.

Gerade ist auch die erste Bilanz der Notunterkunft für junge Migrantinnen mit Namen Zuflucht bekannt geworden. Über 54 Mädchen, junge Migrantinnen im Alter von 14 bis 21 Jahren, die aus ihren Familien geflüchtet sind, haben in der Zeit von Oktober 2009 bis September 2010 dort Zuflucht gefunden. Viele sind wieder zurück in ihre Familien gegangen, auch weil sie keine Anschlussperspektive hatten. Diese Einrichtung bietet Unterkünfte nur für einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen und hier brauchen wir dringend die sogenannte zweite Wohnstufe, damit die jungen Frauen nicht in die Situation geraten, in ein unerträgliches Familienumfeld zurückgehen zu müssen. Nach Auskunft der Einrichtung haben über 160 junge Zuwanderinnen dort im vergangenen Jahr um Aufnahme ersucht. 54 sind dann tatsächlich da gewesen, aber diese Einrichtung fährt quasi schon im ersten Jahr ihres Bestehens offensichtlich an der Kapazitätsgrenze. Das macht für uns deutlich, dass wir hier offensichtlich noch Handlungsbedarf haben, dass der Ansatz zwar richtig ist, wir aber dort noch stärker darauf schauen müssen, diese wichtigen Hilfseinrichtungen so auszurichten, dass sie auch gut funktionieren können.

Meine Damen und Herren! Auf Initiative der GAL hat die Hamburgische Bürgerschaft Ende 2010 einstimmig beschlossen, die Europäische Charta zur Gleichstellung der Frau zu unterzeichnen. Die Charta fordert die Erarbeitung und Umsetzung eines Gleichstellungsaktionsplans innerhalb von zwei Jahren. Artikel 22 dieser Charta sieht vor, sich mit dem Thema geschlechterspezifische Gewalt auseinanderzusetzen. Es bietet sich daher aus unserer Sicht an, nicht nur mit der Implementierung von Frauenförderung und Gender Mainstreaming im Kontext dieses Aktionsplans zu arbeiten, sondern auch den in Artikel 22 formulierten Maßgaben zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt weiter nachzugehen. Damit haben wir quasi ein Anschlussregime, mit dem wir weiter an der Verbesserung der Interventionsmöglichkeiten und unserer Aktivitäten hinsichtlich der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, Minoritäten und Menschen insgesamt arbeiten können.

In diesem Sinne freuen wir uns, dass der Senat es noch geschafft hat, den Aktionsplan vorzulegen, und wir diese Aufgabe, die von der Bürgerschaft ersucht worden war, damit zum Abschluss bringen können. Ich würde mich freuen, wenn das hier auch breite Würdigung findet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU und ver- einzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt dann Frau Artus.

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Von Beginn an hat sich DIE LINKE dafür eingesetzt, dass der Gewalt gegen Frauen ein besonderes Augenmerk zuteil wird. Der Senat hatte aber von vornherein abgeblockt und eine der größten Gesundheitsgefährdungen von Frauen unter das Stichwort Opferschutz summiert. Nun hat er eine Fortschreibung des Landesaktionsplans Opferschutz vorgelegt. Die Ursachen von Gewalt gegen Frauen werden darin ziemlich deutlich dargelegt und ich möchte sie hier noch einmal verkürzt wiedergeben. Jüngere Frauen und Frauen im mittleren Alter sind überproportional betroffen. Wer als Kind körperliche, sexuelle und psychische Gewalt erlebte, selbst wenn sie weitgehend zwischen den Eltern stattfand, ist später doppelt so häufig von Gewalt betroffen als Mädchen und Frauen, die in einem gewaltfreien Umfeld aufwachsen durften. Schwere Formen von Gewalt und schwere Misshandlungen werden gezielt eingesetzt, um traditionelle Geschlechterrollen aufrechtzuerhalten und ihre Auflösung oder Veränderung zu behindern. Überproportional findet häusliche Gewalt dort statt, wo es wenig Einkommen, keine Erwerbstätigkeit und einen geringen Bildungsgrad gibt. Frauen, die sich trennen wollen oder sich getrennt haben, haben ein besonders hohes Risiko, angegriffen, bedroht, misshandelt oder getötet zu werden. Erste Gewaltanwendungen erleben Frauen oft in der Schwangerschaft und nach der Geburt des ersten Kindes. Isoliert lebende Frauen sind auch sehr gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden, weil sie sich aufgrund fehlender sozialer Einbindungen nicht aus Gewaltbeziehungen befreien können. Wenn es zu Übergriffen kommt, stehen sechs von zehn Männern unter Alkoholeinfluss.

Das grobe Fazit, das sich aus der Ursachendarstellung ableiten lässt, lautet: Gewalt findet statt, um Macht und Kontrolle über Frauen auszuüben. Sie findet statt, wo Familien und Paare auswegslose und frustrierende Lebensbedingungen haben. Gewalt findet statt, wo Menschen gedemütigt wurden und werden und wo kein anderes Konfliktlösungsmuster erlernt und erlebt wurde. Ältere Frauen sind genauso betroffen wie Frauen mit Studium. Der Migrationshintergrund, verehrte Abgeordnete, spielt im Übrigen keine Rolle bei den Ausmaßen von Gewalt. Auch bei der Genitalverstümmelung und bei der Zwangsheirat geht es vornehmlich darum, die weibliche Sexualität und die Persönlichkeit des Mädchens beziehungsweise der Frau zu kontrollieren.

Bei den Hilfen und bei der Prävention gegen häusliche Gewalt gilt es, die unterschiedlichen Betroffenengruppen zu berücksichtigen. Hier finden wir in Hamburg durchaus eine Vielfalt von Angeboten.

Nur lassen die sich alle auf einen Punkt reduzieren: Sie reichen nicht aus. Es fehlt an Geld und an Personal. Es fehlt an ausreichender Fortbildung, vor allem bei der Polizei. Die Beamtinnen und Beamten sind häufig die ersten, die den Kontakt bekommen. DIE LINKE ist der Meinung, dass in der Art und Weise, wie unsere Polizei sensibilisiert ist, Frauen zu schützen, gewalttätige Männer sofort aus dem Umfeld der Opfer zu entfernen und umgehend Hilfsangebote zu machen, ein Schlüssel zu schneller konkreter Hilfe liegt. Und das ist noch nicht in erforderlichem Umfang geschehen.

Was nützt ein Landesaktionsplan Opferschutz, wenn wir überfüllte Frauenhäuser haben, und die haben wir. Dann werden die Frauenhäuser in Wedel und Lübeck auch noch geschlossen und die Frauenhäuser in Ahrensburg und Schwarzenbek zusammengelegt. Aber einen Antrag von uns LINKEN dazu haben GAL und CDU am 11. November letzten Jahres abgelehnt. Was stand Schlimmes darin? Gar nichts Schlimmes, es hätte nicht einmal Geld gekostet, ihn anzunehmen. Der Senat sollte mit den anderen Landesregierungen Kontakt aufnehmen, vor allem mit dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein. Es sollte geprüft werden, wie sichergestellt werden kann, dass es schnell genug Plätze in Frauenhäusern gibt. Was nutzt aber nun dieser ganze Landesaktionsplan, wenn konkrete schnelle Hilfe nicht einmal geprüft wird und nicht einmal Gespräche mit einer Landesregierung geführt werden, die 14 Prozent ihrer Frauenhausplätze mit dem Argument wegkürzt, dass diese vornehmlich von Frauen aus Hamburg eingenommen werden. Es klafft eine große Glaubwürdigkeitslücke zwischen dem, was der Senat veröffentlicht, und dem, was er tut. Dieses doppelbödige Verhalten stößt auf unsere schärfste Kritik.

(Frank Schira CDU: Das musste ja mal ge- sagt werden!)

Es sind zum Teil auch problematische Ansätze im Landesaktionsplan Opferschutz zu finden. So ist es zum Beispiel umstritten, welche Folgen die Strafverschärfung bei Genitalverstümmelung hat. Erfahrungen zeigen, dass aufgrund einer strafrechtlichen Verfolgung diese Praktik an immer jüngeren Mädchen durchgeführt wird oder dass Betroffene später die schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen geheim halten. Sie haben da ein Heft erstellt, dessen Inhalt leider nur sehr bedingt tauglich ist, um wenigstens erfolgreichen Opferschutz zu betreiben.

Es kann zudem auch nicht nur um Opferschutz gehen. Es muss eben darum gehen, dass der Mensch gar nicht erst zum Opfer wird. Das wird aber im Landesaktionsplan Opferschutz gänzlich außer acht gelassen und in dieser Frage trennen uns wirklich Welten. Wirksame Maßnahmen gegen die Ursachen von Gewalt wären zum Beispiel effektive Schritte zur Gleichstellung der Frau, Verhin

derung von prekären Einkommen und Arbeitslosigkeit, Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen und ausreichend günstiger Wohnraum, aber auch bessere Hilfen gegen Alkoholsucht.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei einer richtigen Ursachenanalyse müssten Sie vieles von dem, wofür Sie sonst auch noch stehen, hinterfragen, vor allem Ihre halbherzigen Vorstellungen zur Verwirklichung der Gleichstellung der Frau oder Ihre eingeschränkten Maßnahmen zur Beendigung von Arbeitslosigkeit und Armut. Sie hätten ausreichend Gelegenheit gehabt. Zehn Jahre sind wirklich mehr als genug gewesen und Sie haben leider auch in dieser Sache versagt. Was wir brauchen, sind endlich wieder eine geschlechtsdifferenzierte Betrachtung von Ursachen und Auswirkungen von Gewalt und einschneidende Maßnahmen, um die Spaltung der Gesellschaft zwischen Arm und Reich sowie männlich und weiblich aufzuheben. Kurzum: Mehr Feminismus braucht die Stadt und mehr LINKE im Parlament.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Das Wort bekommt Herr Senator Wersich.