Von konservativer Seite ist diese Entwicklung in den letzten Jahren allerdings immer wieder gefordert worden. Wir brauchen einen größeren Niedriglohnsektor, hieß es, denn nur so sei die Arbeitslosigkeit angeblich zu bekämpfen. Das Versprechen lautete:
"Wer sich auf einen Billigjob einlässt, der wird schon bald aufsteigen können und eine besser bezahlte Tätigkeit bekommen."
Doch die aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt ganz klar, dass dieses schöne Bild vom Niedriglohnjob als Sprungbrett in die Höhe ein Trugbild ist. Es gibt kein Sprungbrett, es gibt für die allermeisten noch nicht einmal eine Leiter. Nur jeder achte Betroffene konnte in den letzten Jahren die Niedriglohnschwelle überwinden. Wie so viele der neoliberalen Heilsversprechen hat sich auch dieses in der Wirklichkeit als falsch erwiesen.
Aber vielleicht geht es auch gar nicht um die realen Verbesserungen. Mir scheint, wir haben es in Deutschland seit einigen Jahren vielmehr mit dem Versuch zu tun, den sozialen Konsens unserer Nachkriegsordnung nach und nach auszuhöhlen und stattdessen wieder klare Klassenunterschiede zwischen einer wohlhabenden Oberschicht einerseits und einer breiten Masse dienstbarer und untertäniger Geister andererseits zu etablieren. Dafür
symptomatisch sind auch die mageren Antworten des Senats auf unsere Anfrage zur Lage in Hamburg. Wie die Kollegin Badde schon treffend feststellte, dokumentieren Sie ein offenkundiges Desinteresse an diesem Thema.
Jedenfalls können Sie, meine Damen und Herren von der CDU und auch von der GAL, sich nicht darauf zurückziehen, dass die Hamburger Politik da leider nichts tun könne. Es gibt vieles, was für Hamburg möglich ist. Sie können und müssen – das ist schon mehrfach gesagt worden – endlich Ihren Widerstand gegen einen gesetzlichen Mindestlohn aufgeben. Das trifft nach dem letzten Beitrag für die CDU zu. Ihr Gegenargument, dass Mindestlöhne angeblich Arbeitsplätze kosten, ist entweder eine Milchmädchenrechnung oder ein Erpressungsversuch von Konzernen – wie beim Beispiel der Briefzustellung bei der Post. Die empirische Wirklichkeit in allen europäischen Ländern mit Mindestlöhnen belegt, dass sie dort eher Arbeitsplätze schaffen helfen, als dass sie welche kosten. Frau Hochheim, diese 20 europäischen Länder sind nicht welche, die nicht rechnen können, sondern sie haben seit vielen Jahren diese Mindestlöhne und diese sind im Schnitt höher, als sie in Deutschland sind. Wenn Sie sich die Situation in Großbritannien seit 1999 anschauen, dann werden Sie feststellen, dass die Zahl der Arbeitsplätze dort gestiegen ist, nachdem die Mindestlöhne eingeführt worden sind, und dass dort ein System vorhanden ist, das von den Arbeitgebern dort für richtig empfunden worden ist, und zu dem die Arbeitgeber erklären, dass es dazu führt, dass der Wirtschaftsaufschwung durch Mindestlöhne unterstützt wird.
Und da können Sie sich nicht hier hinstellen und sagen, das Gegenteil sei der Fall, wir brauchen keine Mindestlöhne, die würden die Arbeitsplätze vernichten.
70 Prozent der Bevölkerung und übrigens auch 70 Prozent in diesem Parlament befürworten die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen und das sind nicht alles mathematische oder wirtschaftliche Dummköpfe. Es ist an der Zeit – und das ist eine Handlungsmöglichkeit, die man nicht nur auf die Bundesebene abschieben kann –, dass zum Beispiel der Bundesratspräsident dafür sorgt, dass die Bundesratsinitiative, die von Rheinland-Pfalz ausgegangen ist, unterstützt wird und dafür gesorgt wird, dass Hamburg zu denjenigen gehört, die aufgrund der Situation in dieser Stadt Mindestlöhne auf Bundesebene entsprechend unterstützen.
Sie können zweitens durch eine aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik und durch den sinnvollen Ausbau öffentlicher Beschäftigung dazu
Sie müssen drittens auf Bundesebene dafür streiten, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen die Tariftreueregelung seine destruktive, seine Lohn drückende Wirkung nicht bei uns entfalten kann, gegebenenfalls durch europäische Initiativen, auf die man auch von Hamburg aus einwirken kann.
Last, but not least komme ich auf das Thema von vorhin zurück. Stoppen Sie die Privatisierungen, die in der Vergangenheit in dieser Stadt stets zu Lohndumping geführt haben. Damit hätten Sie schon einiges erreicht, um das Abrutschen der Löhne und Gehälter in Hamburg zu verhindern. Halten wir also fest: Sie können etwas tun – vieles davon steht übrigens im Wahlprogramm der GAL –, wenn Sie es nur wollen, dann ist es Ihnen möglich, von Hamburg aus zu Initiativen zu kommen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wundere mich sehr, dass sich die Gewerkschaften freiwillig die Tarifautonomie von der Politik entreißen lassen wollen.
Wir sind uns alle einig in der Frage, dass man gegen Dumpinglöhne angehen muss. Es gibt hierfür auch eine Grundlage, nämlich das Entsendegesetz von 1952. Da sind wir uns einig und das ist auch ausreichend.
Das, was Sie hier als Wahlkampfschlager versuchen, im Vorgriff auf den Bundeswahlkampf darzulegen und auch bundesweit immer positionieren, ist, dass Sie so tun, als könne man mit dem Mindestlohn jegliche Probleme des Niedriglohnsektors beseitigen und das geht eben nicht.
Denn wenn man das so machen würde, wie Sie sagen, dass alle auf einmal aus dem sozialen Transferleistungssystem draußen sind, dann hat man das Problem, dass das in die Volkswirtschaft eingreift und dann tatsächlich und nachweislich Arbeitsplätze kostet und damit treffen Sie genau die Menschen, von denen Sie hier vorgeben, dass Sie für sie einstehen wollen.
Das ist eine Politik, die fatal, kurzsichtig und nur darauf aus ist, kurzfristigen Wahlkampf für 2009 zu machen.
Herr Rose, ich stelle noch einmal die gleiche Frage von vorhin. Welche Debatte führen wir eigentlich? Wen meinen Sie, wenn Sie uns aufrufen, etwas für den Mindestlohn zu tun. Es gibt viele eigene Nasen, an die sich hier gefasst werden muss.
Es ist absurd, wenn wir eine Debatte führen, die eigentlich auf Bundesebene geführt werden muss. Da kommen Sie mit der CDU nicht klar. Hier haben wir Ansätze mit der CDU vereinbart, die man in Hamburg umsetzen kann. Was würde es uns helfen, wenn es eine hamburgische Bundesratsinitiative geben würde.
Ja, und dann wird sie wieder von der großen Koalition ausgesessen. Es ist doch absurd, das jetzt auf den Bundesrat zu schieben.
Ich finde andere Modelle überlegenswert. Großbritannien hat diese Mindestlohnkommission. Es sitzen Sozialpartnerinnen und Sozialpartner, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zusammen mit der Politik, mit der Industrie. Lassen Sie uns an so etwas stricken. Vielleicht kann man das in Hamburg auch konkret umsetzen. Aber sich gegenseitig die Bälle zuzuschieben, finde ich wirklich lächerlich bei dieser Debatte. Wir kommen doch damit insgesamt nicht weiter.
Die zweite Frage in diesem Zusammenhang: Was machen wir eigentlich mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dass wir die in Hamburg geltenden Löhne, wenn wir denn in allen Branchen gute hätten, bei Ausschreibungen überhaupt nicht nutzen können, weil sie wettbewerbswidrig sind. Es reicht also nicht, in Hamburg etwas zu tun. Wir haben bestimmte Dinge vereinbart, die wir umsetzen wollen. Es muss auf Bundesebene etwas passieren und dafür muss eine gesellschaftliche Mehr
(Frank Schira CDU: Wie viele Seiten haben Sie da? – Gegenruf von Michael Neumann SPD: Große Buchstaben!)
Wolfgang Joithe–von Krosigk DIE LINKE: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das erklärte Ziel der Agenda 2010 war es, die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland zu stärken. Der Kollege Rose hat dazu geredet. Dazu gehört es vor allem, den Niedriglohnsektor drastisch auszudehnen und das ist mit Hilfe des SGB II erfolgreich gelungen. Paragraf 10 SGB II zwingt Erwerbslose, jeden noch so niedrig dotierten Job anzunehmen. Anderenfalls wirkt Paragraf 31 SGB II mit existenzbedrohenden Sanktionen. Die Hauptinitiatoren der Agenda 2010 beweinen nun den Erfolg ihrer Reformen.
Bei einer Veranstaltung der SPD im Dezember 2004 in Poppenbüttel – Herr Egloff, Sie erinnern sich daran –
schwadronierte der ehemalige Bürgermeister Ortwin Runde über die vielen Arbeitsplätze, die die sogenannte Reform schaffen würde. Heute beklagt seine Hamburger SPD die hohe Anzahl der Geringverdienenden in Hamburg. Es wechseln die Zeiten. Wir begrüßen den Sinneswandel innerhalb der Hamburger SPD.
Sozial ist, was Arbeit schafft. So steht es im Wahlprogramm der Hamburger CDU. Wir sprachen schon einmal darüber. Wir werden darüber auch noch öfter sprechen. Egal, zu welchen schlechten Bedingungen, zu welchem Hungerlohn, mit welchen Befristungen. So hätten es wohl diejenigen gerne, denen kein Dumpinglohn niedrig genug, kein Lohn zu gering ist.
Dass jeder Hartz-IV-Geschädigte dieser Willkürlichkeit der ARGE ausgeliefert ist, dient als Drohkulisse. Wer noch in Arbeit steht, akzeptiert schlechtere Arbeitsbedingungen, um den Job zu behalten und nicht zu den Ausgegrenzten zu gehören. Die Aufforderung des Arbeitgebers, zum Hungerlohn zusätzlich Transferleistungen zu beantragen, wird dann sogar als sozialer Hinweis gewertet. Da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Rose, dass nur ein flächendeckender gesetzlicher Min