Die Linkspartei verliert sich im Weihnachtsgeld und im Hochschulbau und sagt, das sei ihr finanzpolitisches Konzept. Herr Dr. Tschentscher führt die BSU, die Schießstände, die Umwelthauptstadt und so weiter an; das haben wir alles schon einmal nachgerechnet und hier debattiert. Es bleiben 41 Millionen Euro im Betriebshaushalt, das reicht nach wie vor nicht. Und als ob Sie das wissen würden, wird die Einnahmeseite aufgerufen. Dann suchen wir doch einmal das Heil in Mehreinnahmen, ein Ansatz, den ich persönlich definitiv nicht teile. Wir haben geschaut, wo wir Gebühren erhöhen können. Wir haben versucht, es moderat und angemessen zu tun, aber es kann doch nicht sein, dass Ihr Konzept zur Haushaltssanierung in Hamburg Mehreinnahmen sind. Das ist eine falsche Haushaltspolitik.
Ganz skurril wurde es, Herr Dr. Tschentscher – ich habe anfangs überlegt, ob ich das in die Rede mit aufnehme oder nicht –, als Sie davon sprachen, dass 1997 unter Voscherau und Runde eine Haushaltspolitik gemacht worden sei, die grandios gewesen ist. Ich habe einmal nachgeschaut: Von 1997 auf 1998 ist unsere Neuverschuldung um 300 Millionen Euro gestiegen. Dann habe ich geguckt, was die beiden Herren denn zu ihrem Sparprogramm damals erzählt haben, und bin auf Überraschendes gestoßen. Wir haben einen Etat von 9,3 Milliarden Euro für das Jahr 1998 im Vorschlag gehabt und eine Neuverschuldung von 716 Millionen Euro und Ihre Parteikollegen haben in der "Hamburger Morgenpost" gejubelt, sie seien nicht nur gut, sondern sogar sehr gut. Wenn das der sozialdemokratische Maßstab ist, dann sind wir nach einer Wirtschaftskrise mit der Vorlage super.
716 Millionen Euro waren für Herrn Voscherau und Herrn Runde ein Sehr-gut-Wert, das wurde riesig in der "Hamburger Morgenpost" angepriesen.
Wenn Sie in unseren Vorschlag schauen, dann haben wir nach der Wirtschaftskrise für 2011 eine Neuverschuldung von 760 Millionen vorgesehen und für 2012 660 Millionen Euro; das müsste dann ein Sehr gut mit Dreifachsternchen nach sozialdemokratischer Lesart sein. Bei aller Liebe ist dieser
Kurz als Randnotiz zu Ihrer Aussage, Sie würden sozial angemessen sparen: Da habe ich auch im Haushalt 1997/1998 nachgeschaut. Wo wurden die Einsparquoten unter sozialdemokratischen Bürgermeistern erbracht? Ich kann es Ihnen sagen: 5 Millionen Euro im Hochschulhaushalt und 2 Millionen Euro bei Staatsoper und Museen. Da sehe ich eine total andere Schwerpunktsetzung, als Sie sie hier skizziert haben; irgendetwas stimmt da nicht. Bevor Sie hier Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung machen, reden Sie mit Ihren Fachpolitikern und fragen Sie noch einmal bei Herrn Runde nach, ob er vielleicht etwas vergessen hat, Ihnen zu erzählen.
Aber was ist neben den hier diskutierten Punkten nun die Herausforderung, vor der der jetzige Haushalt steht? An dieser Stelle gilt mein persönlicher Dank dem Finanzsenator. Er hat in den letzten Wochen und Monaten seines Wirkens eine Finanzpolitik an den Tag gelegt, die Kontroversen auf den Plan beschworen hat, das ist überhaupt keine Frage, die aber auch einen neuen Grad an Offenheit an den Tag gelegt hat, und es hat mich persönlich nicht gestört, dass in der Stadt täglich neue Sparvorschläge diskutiert worden sind. Das hat sehr dazu beigetragen, abschätzen zu können, wo die Akzeptanzgrenzen liegen. Wir können auch kontrovers über Haushalte diskutieren, das werden wir in den Haushaltsberatungen sehen, und da hat Senator Frigge ein sehr gutes Werk vollbracht. Er hat neuen Schwung in die Haushaltspolitik gebracht und dafür möchte ich ihm persönlich hier noch einmal danken.
Deswegen sehe ich diesen Haushaltsplan-Entwurf auch als eine Initialzündung für einen neuen Umgang mit Haushaltspolitik und kommunalen Haushalten nach der Wirtschaftskrise. Wir haben eine Situation, PSEPHOS hat es eingebracht, in der 55 Prozent der Hamburger sagen, Sparen sei in Ordnung. DIE LINKE sagt, Sparen sei nicht in Ordnung, aber sie macht wenigstens den Vorschlag – und den auch aus vollem Herzen, da bin ich mir bei Herrn Bischoff und Frau Heyenn sehr sicher –, an der Einnahmeschraube zu drehen, das würde schon irgendwie klappen. Die SPD will das eigentlich nicht, aber wenn es der Koalition hilft, dreht sie eben auch an der Einnahmeschraube. Das ist weniger konsequent als das, was DIE LINKE vertritt, denn da ist die Position wenigstens klar und da wissen wir, woran wir uns zu reiben haben. Diesen Weg, Herr Dr. Bischoff, gehen wir nicht mit, das ist für die CDU schon einmal klar.
Nichtsdestotrotz gibt es drei Punkte, die über dem aktuellen Haushaltsplan-Entwurf stehen und die für uns wichtig sind. Wir haben als Erstes die Frage einer laufenden Aufgabenkritik. Wir haben es im Koalitionsvertrag des Bundes, die Finanzbehörde hat es jetzt begonnen und versucht dem mit einer Controllinggruppe nachhaltig zu begegnen. Hamburg braucht Instrumente für eine laufende Aufgabenkritik, und zwar über den Tag einer Krisensituation hinaus. Da haben wir in den letzten Jahrzehnten geschlafen. Dieses Instrumentarium einer laufenden Aufgabenkritik, um unsere Haushalte nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, ist eines der wichtigen Metathemen, die wir hier in den nächsten Jahren in der Haushaltspolitik haben.
Das zweite wichtige Metathema ist die Disziplin bei Steuermehreinnahmen. Es kann nicht angehen, dass wir 6 Milliarden Euro Schulden im Sondervermögen aufgenommen haben. Am Ende wird es nicht ganz so viel sein, wie wir geplant haben, aber das ist egal, es reicht völlig aus und ist der Höhe nach inakzeptabel. Es kann aber nicht angehen, dass, wenn wir auf einmal 600 Millionen Euro Mehreinnahmen haben, sofort ein Politikerreflex kommt, der sagt, das ist super, dann können wir das ausgeben. Das kann es nicht sein, sondern wir müssen als eine der Metaaufgaben für alle Fraktionen dahin zurückkommen, dass wir sagen, wenn wir irgendwo Mehreinnahmen haben, dann sind die nicht zum Verfrühstücken da, sondern dann sind sie so lange zur Haushaltskonsolidierung einzusetzen, bis wir wieder eine akzeptable Haushaltssituation haben. Davon sind wir noch entfernt, aber dieser Entwurf ist ein wesentlicher Schritt dahin.
Das dritte Thema befasst sich damit, was wir zu wenig haben. Das dritte zentrale Metathema der Haushaltspolitik der nächsten Jahre muss sein, wie wir Wege finden, die Stadt vernünftig einzubeziehen, wie finden wir Wege, die Menschen mitzunehmen. Ich habe dieser Tage in meinem Wahlkreis den Versuch gemacht, 22 000 Postkarten zu verschicken mit der Frage, was denken Sie, wo wir sparen können? Ich bin zum einen etwas überrascht über die immense Rücklaufzahl und außerdem hatte ich gedacht, jetzt bekommen wir lauter Karten, wo Elbphilharmonie, Politikergehälter und andere Dinge, die wir schon kennen, draufstehen. Auch die sind dabei, aber es gibt auch sehr dezidierte Vorschläge von einzelnen Bürgern, die sagen, dass wir eine andere Steuerung bei den IT-Projekten der Stadt brauchen, dass wir übergeordnete einheitliche Steuerungsmechanismen brauchen, wie hier IT-Projekte stattfinden. Da haben sie recht, dieser Vorschlag ist richtig.
Ich habe letzte Woche damit begonnen, die Antworten zu sichten. Wir haben auch Vorschläge zu Einzelthemen, die wir uns anschauen sollten, ebenso wie das, was wir im Bürgerhaushalt unter der CDU-Regierung schon begonnen haben, mithilfe der TuTech online darzustellen. Wenn wir das zu einem regelmäßigen Instrument machen und auch als Bestandteil in unsere Beratungen und Anträge einfließen lassen, dann haben wir das dritte Thema, womit wir uns als Metathema in den nächsten Jahren in der Haushaltspolitik beschäftigen sollten.
Neben einem guten Etatentwurf, den wir in den nächsten Wochen und Monaten diskutieren werden und den ich für solide und belastbar halte, haben wir drei Themen, die wichtig sind: Wie beteiligen wir die Stadt, wie versagen wir es uns, Mehreinnahmen zu verbrennen, und wie kommen wir zu einer laufenden Aufgabenkritik? Wenn wir das hinkriegen, ist der vorgelegte Haushaltsplan-Entwurf eine Initialzündung zu einer Haushaltspolitik, die der ganzen Stadt deutlich mehr nützt, und da kann ich nur an alle appellieren, sich daran zu beteiligen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Tschentscher, an einigen Ihrer Kürzungsvorschläge wird deutlich, wer hier an dem Ast sägt, auf dem wir sitzen. Ihre Vorschläge in Bezug auf das Überseequartier und auch die BSU zeigen sehr deutlich, dass Sie sehr isoliert auf einzelne Vorhaben schauen und die wirtschaftliche Situation, in der wir uns befinden und die solche Projekte vielleicht auch befördern könnte, überhaupt nicht im Kalkül haben. Das gehört aber zu einer verantwortlichen Finanzpolitik dazu.
Herr Tschentscher, im Überseequartier haben wir gerade eine Situation hinter uns, wo private Investitionen weggebrochen sind und die öffentliche Hand in die Lücke gesprungen ist, um einen noch stärkeren Absturz der Wirtschaft zu verhindern. Es gibt andere Städte in diesem Land, die sich wünschen würden, überhaupt noch Investoren zu haben. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen damit, dass das Wachstum sich deutlich abschwächen wird, wenn jetzt die Konjunkturprogramme auslaufen. Ihr Vorschlag in der Situation ist, dass wir die paar privaten Investoren, die im Moment am Start sind, nicht brauchen, weil die Stadt Geld sparen muss. Das hätte gravierende Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit und auch auf die Entwicklung des Überseequartiers. Das hat mit nach
Eine ähnliche Situation besteht auch hinsichtlich der BSU in Wilhelmsburg. Sie haben dort mit der IBA diverse private Investoren, die Teil eines Gesamtkonzeptes sind, und die schauen im Moment sehr genau, ob die öffentliche Hand bereit ist, ihren Anteil zu erbringen. In dem Moment, wo die öffentliche Hand sich dort zurückzieht, werden wir einen Dominoeffekt bei privaten Investitionen haben. Eine verantwortungsvolle Finanzpolitik, Herr Tschentscher, bezieht solche Folgewirkungen und -entscheidungen der öffentlichen Hand mit ein. Sie tun das nicht und deshalb ist Ihre Politik, die Sie vorschlagen, nicht nachhaltig, unsere aber ist es.
Eines fand ich unglaublich bezeichnend, Herr Tschentscher. Als es um Einnahmeverbesserungen ging, haben Sie gesagt, darüber müssen Sie doch jetzt endlich einmal reden; wir tun das ständig. Sie reden ständig von der Vermögensteuer und vom höheren Spitzensteuersatz. Darüber reden kann ich den ganzen Nachmittag. Verantwortliche Regierungspolitik ist, dafür zu sorgen, dass Einnahmeverbesserungen auch wirklich eintreten. Wir sind inhaltlich überhaupt nicht auseinander, aber auch wenn dieser Senat, wofür es im Moment keine Einigkeit gibt, eine Bundesratsinitiative starten würde und man selbst im Bundesrat eine Mehrheit bekäme, wofür die Mehrheiten im Moment überhaupt nicht sprechen, dann bräuchte man, damit ein höherer Spitzensteuersatz und eine Vermögensteuer in Kraft treten, einen Bundestag, der dem zustimmt. Worüber debattiert diese Bundesregierung aber intern im Moment angesichts steigender Steuereinnahmen? Über Steuersenkungen. Das zeigt sehr deutlich, worauf Ihre Finanzpolitik eigentlich gründet: Darüber reden müsste man einmal. Wir könnten in dieser Koalition an einem Nachmittag einen Antrag produzieren und im Bundesrat einbringen. Dann wird darüber geredet und nichts passiert. Das ist nicht das, was wir tun.
Herr Tschentscher, Sie haben mich in der Tat falsch zitiert. Bei der letzten Debatte gehörte ich nicht zu denen, die gesagt haben, das sei die Privatmeinung des Bürgermeisters, sondern ich habe gesagt, dass er das im Rahmen einer Regierungserklärung für den Senat erklärt hat und diese Koalition sich daher daran gebunden fühlt. Im Moment laufen Gespräche darüber, nicht irgendeinen symbolischen Antrag vorzulegen, damit man sagen kann, wir haben etwas vorgelegt und wissen aber von vornherein, dass das keinen Erfolg hat, sondern wir reden über ein konkretes Konzept, wie es der Bürgermeister vorgeschlagen hat, nämlich den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Wir versuchen aber, bevor wir es einbringen, abzuschätzen und das so auszugestalten, dass man auch eine Chan
ce hat, andere Bundesländer an seiner Seite zu haben. So sieht verantwortungsvolle Finanzpolitik aus, Herr Tschentscher, und nicht einfach zu sagen, lasst uns einmal darüber reden, auch wenn wir wissen, dass nichts passiert. Das tun wir nicht.
Was wir aber tun, ist, da, wo wir handeln können, die Einnahmen zu verbessern. Es war richtig, eine Kulturabgabe in dieser Stadt einzuführen, die die falsche Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für die Hoteliers nicht nur zurückdreht, sondern auch notwendige Einnahmen für die Kultur generiert. Sie haben unsere Gebührenerhöhung als Abzocke bei den Bürgern gebrandmarkt. Sie haben es eben nicht erwähnt, aber das war ein Teil davon. Natürlich ist eine Blaulichtsteuer auch eine Steuer, über die man einmal nachdenken kann. Was soll denn daran falsch sein? Fahren Sie einmal mit Ihrem Auto über die Grenze Hamburgs nach SchleswigHolstein. Wenn Sie dort einen Unfall mit Blechschaden haben, die Polizei anrufen und sie bitten, den Unfall aufzunehmen, dann fragen die, wofür denn eigentlich. Wenn Sie dann sagen, ich habe hier einen Blechschaden, dann kommen die gar nicht.
(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das stammt aus der Zeit eines sozialdemokratischen Mi- nisterpräsidenten!)
Was soll daran falsch oder eine Abzocke von Bürgerinnen und Bürgern sein, wenn dieser Senat in einer Situation, wo andere Bundesländer diese Leistung gar nicht mehr erbringen, weil es im Grunde genommen eine Dienstleistung für eine Versicherung ist, angesichts einer schwierigen Finanzpolitik sagt, dass die Polizei dann auch kommt, aber die Bürgerinnen und Bürger oder letztendlich die Versicherungen dafür zahlen müssen. Das ist keine Abzocke, sondern vernünftige Finanzpolitik, Herr Tschentscher.
(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Das zahlen die Versicherten an- schließend über ihre Versicherungsprämi- en!)
Was Sie hier über die Hamburger Steuerverwaltung erzählen, wird auch nicht richtiger, je öfter Sie es wiederholen. Alle grünen Landtagsfraktionen haben in den letzten Monaten Große Anfragen über die Steuerverwaltung gestellt und – oh Wunder – es gibt dazu Ergebnisse, die man einmal vergleichen kann. Das sind nicht so gefühlte Annahmen, wie denn die Hamburger Steuerverwaltung ist, sondern ganz klare Zahlen: Wie viele Steuerprüfer gibt es pro eine Million Einwohner, wie viele Steuerfahnder gibt es, wer wird wie stark geprüft?
Wenn Sie sich die einmal anschauen würden, dann würden Sie feststellen, dass Hamburg das Bundesland mit den meisten Steuerfahndern pro eine Million Einwohner ist. Das ist so und daran kann man natürlich auch herumkritteln, aber Fakten helfen manchmal, bevor man eine Debatte anfängt.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Herr Kerstan, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Grund zu?
Herr Kerstan, die Zahl der Steuerbeamten hat mit der Einwohnerzahl nichts zu tun. Wir als Arbeitnehmer bekommen unsere Steuern alle abgezogen. Es geht um die Frage, ob genügend Personal für Steuerfahndung bei Unternehmen und vermögenden Menschen da ist. Vermögende Menschen gibt es in Hamburg deutlich mehr als irgendwo auf dem flachen Land. Ihre Zahlen sind völlig irreführend.
Wenn Sie mich hätten weiter ausführen lassen, dann wäre ich zu dem Punkt noch gekommen. Es ist doch ganz eindeutig, dass wir da bereits handeln, da sind wir gar nicht auseinander, Herr Grund. Aber ich habe eben auch nicht von den Steuerbeamten geredet, sondern von richtigen Steuerfahndern. Dort haben wir in Hamburg pro eine Million Einwohner deutlich mehr als andere und auch bei den Betriebsprüfungen von Groß- und mittleren Unternehmen liegt Hamburg im vorderen Drittel der Bundesrepublik.
In einem Punkt gebe ich Ihnen aber recht, Herr Grund: Wenn man Zahlen hat, dann braucht man diese doch nicht nur, um seine Meinung zu bestätigen, sondern um zu schauen, wo man besser werden muss. Und in einem Punkt ist Hamburg schlecht; da ist Hamburg so schlecht wie kein anderes Bundesland, da haben Sie recht.