Protocol of the Session on November 11, 2010

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, sag ich doch!)

und mehr nicht.

Zweitens haben Sie inhaltlich in Ihrer Suada ein kleines Detail übersehen. Die Altersgrenze wurde nicht von uns neu eingeführt, sondern es gab sie seit vielen Jahren und es hat sie auch unter der Zuständigkeit der SPD-Senatorinnen Frau Roth und Frau Fischer-Menzel gegeben. Wir haben also keine neue Altersgrenze eingeführt, sondern den Status quo fortsetzen wollen. Dieser Punkt ist also nicht der Untergang des Abendlandes.

Drittens bin ich auch als Sozialsenator, der für die älteren Menschen zuständig ist, froh über die Gesetzesänderung, die das Parlament verabschieden wird. Ich habe mit der ÖRA-Leitung im Vorfeld sehr intensiv diskutiert und ihrem Wunsch nachgegeben, aber noch mehr freue ich mich über das klare Bekenntnis, die Altersgrenze nicht mit in das Gesetz aufzunehmen, auch wenn das der ÖRA dann etwas mehr Arbeit macht.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir helfen immer ger- ne, Herr Senator!)

Ansonsten ist alles gesagt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich stelle fest, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer der Ausschussempfehlung folgen und das Gesetz über die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle aus Drucksache 19/6085 mit den vom Ausschuss empfohlenen Änderungen beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Den sehe ich nicht.

Wer das soeben in erster Lesung beschlossene Gesetz in zweiter Lesung beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Gesetz ist damit auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 5, Drucksache 19/7271, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Berufliche Bildung und Übergangssystem in Hamburg – Schwachstellen und Perspektiven.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Berufliche Bildung und Übergangssystem in Hamburg – Schwachstellen und Perspektiven – Drs 19/7271 –]

Die SPD-Fraktion möchte diese Drucksache an den Schulausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Ernst, bitte.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Seit vielen Jahren gelingt es einer großen Zahl von Jugendlichen in Hamburg nicht, nach der Schule eine Berufsausbildung zu beginnen, obwohl sie das gerne tun würden. In der Altersgruppe der 15- bis Unter-25-Jährigen sind viele Menschen arbeitslos, darunter viele sogenannte Altbewerber. Es fehlen immer mehr echte duale Ausbildungsplätze. In konjunkturell guten Zeiten werden die Rückgänge der Vorjahre nie vollständig ausgeglichen, sodass der langfristige Trend bei den Ausbildungsplätzen negativ ist. Das hat sich auch bei den Jugendlichen herumgesprochen. Viele sehen schon während ihrer Schulzeit keine berufliche Perspektive und kennen in ihrem Freundeskreis nur Jugendliche, denen es misslungen ist, eine Ausbildungsstelle zu finden.

Viele Hamburger Jugendliche verlassen die Schulen mit unzureichenden Kenntnissen. Wir können uns zwar darüber freuen, dass die Quote der Jugendlichen, die die Schulen ohne Abschluss verlassen, auf 8 Prozent gesunken ist, aber wir wissen aus empirischen Untersuchungen, dass die Gruppe der Risikoschüler, denen die Basiskompetenzen zum Lesen, Schreiben und Rechnen und damit die Voraussetzungen, um eine Ausbildung zu beginnen, fehlen, rund 25 Prozent umfasst.

Als Reaktion auf diese Missstände hat sich in den letzten Jahren ein sogenanntes Übergangssystem aufgebaut, das viele Maßnamen umfasst, die den Jugendlichen helfen sollen. Dieses System ist sehr

(Christiane Schneider)

groß geworden, viele Jugendliche landen dort. Wir wissen aber, dass dieses System den Jugendlichen häufig nicht hilft, sondern sich eine Warteschleife an die andere reiht.

Wir stehen hier vor einem der wichtigsten Probleme in Hamburg. Wer es nicht schafft, einen Beruf zu erlernen, wird immer Schwierigkeiten haben, sein Leben eigenverantwortlich zu organisieren und wird auch immer wieder von Arbeitslosigkeit bedroht sein. Wir wollen, dass alle Hamburger Jugendlichen, die nicht studieren wollen, in Hamburg eine Ausbildung machen können.

(Beifall bei der SPD und bei Michael Gwosdz GAL)

Wie das zu schaffen ist, gehört nach unserer Auffassung ganz oben auf die politische Tagesordnung.

Hamburg hat sich auf den Weg gemacht, das Übergangssystem umzustrukturieren mit dem Ziel, allen Jugendlichen eine Perspektive zu ermöglichen, die Maßnahmen neu zu konzipieren und die Warteschleifen zu verbessern. Diese Ziele sind richtig und werden von der SPD-Fraktion auch unterstützt. Die Antwort auf unsere Große Anfrage zeigt allerdings, dass dieser Prozess erst begonnen hat. Ich möchte daher auf einige Themen näher eingehen.

Über 60 Millionen Euro werden in diesem Übergangssystem ausgegeben. Es ist das Verdienst des Rechnungshofes, diese Zahlen zusammengestellt zu haben, und ich meine, dass sein Bericht wichtig ist. Er zeigt das enorme Volumen an Geld, er zeigt aber auch, dass wir diese Mittel sicherlich effizienter anwenden könnten, um mehr Jugendlichen besser zu helfen, denn die aufgewendete Summe ist erheblich. Wenn wir uns anschauen, wie vielen Jugendlichen es wirklich gelungen ist, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, dann können wir das sicherlich noch besser hinbekommen.

(Beifall bei der SPD und bei Michael Gwosdz GAL)

Der zweite Punkt berührt den Bereich der Umstrukturierung des Übergangssystems. Die Schulbehörde sagt – und das finde ich auch völlig richtig –, dass die Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden und noch Förderbedarfe haben, eine Ausbildungsvorbereitung bekommen sollen. Das ist zwar eine Reparaturmaßnahme, aber solange wir die allgemeinbildenden Schulen nicht noch besser machen, werden wir das brauchen. Die Jugendlichen, die weder im dualen System noch im schulischen System einen Ausbildungsplatz erhalten, sollen dann im Rahmen des Hamburger Ausbildungsplatzmodells eine Perspektive bekommen. Das ist der Kern der Reform der Schulbehörde und diese Reform finden wir auch richtig.

Etwas enttäuscht waren wir dann aber über die Zahlen. Gerade einmal 50 Jugendliche profitieren von dieser neuen Ausbildungsgarantie, die ein Kernstück der Reform sein soll, und nur 98 Jugendlichen wurde im Rahmen des Hamburger Ausbildungsmodells ein Ausbildungsplatz angeboten. Angesichts der großen Problemlage sind das eher bescheidene Zahlen. Wir hätten uns gewünscht, dass insbesondere die Ausbildungsgarantie die erfolgreichen Maßnahmen von QuAS und EQJ früher mit einbezieht. Das ist wichtig, damit sich unter Hamburgs Jugendlichen herumspricht, dass der Staat sie nicht alleine lässt, und damit wir der fehlenden Motivation, die sich häufig schon in Klasse 7 einstellt, entgegenwirken können.

Als nächstes möchte ich kurz auf die Produktionsschulen eingehen. Wir haben zu den Produktionsschulen einige Daten abgefragt und die Antworten haben uns ehrlicherweise nicht so erfreut. Frau Senatorin Goetsch, Sie wissen, dass wir es mit gewisser Skepsis begleitet haben, dass Sie die Anzahl der Produktionsschulen auf zehn ausweiten wollen. Durch die Senatsantwort auf unsere Große Anfrage sehen wir uns darin auch bestätigt. Die Produktionsschulen haben ausdrücklich nicht das Ziel, Jugendlichen zu einem Hauptschulabschluss zu verhelfen, sondern sie eine Anbindung an Ausbildung finden zu lassen. Wenn wir aber einmal auf die Bilanz der vier Produktionsschulen schauen, die nach Altona auf den Weg gebracht worden sind, so haben, das sagen Sie selber in Ihrer Senatsantwort, 94 von 304 Jugendlichen den Besuch dieser Schulen abgebrochen. Das sind über 30 Prozent, Frau Senatorin, und das ist eine Größenordnung, bei der man nicht einfach so weitermachen kann wie bisher. Wir brauchen keine neue Warteschleife mit einem tollen Namen, sondern Maßnahmen, die wirklich eine Verbesserung bringen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben eine Ausbildungsplatzlücke in Hamburg. Das liegt auch daran, dass die Hamburger Wirtschaft trotz vieler Anstrengungen nicht genügend ausbildet. Wir haben aber auch das Problem, dass der Staat dort, wo er selber ausbildet – in den Bereichen Kranken- und Altenpflege und im Erziehungsbereich – in seiner Ausbildungsbereitschaft stagniert. Diese Entwicklung lässt sich leider bundesweit beobachten. Es werden Maßnahmen im sogenannten Übergangssystem angeboten, aber dort, wo wirklich Ausbildungen gemacht werden könnten und wo wir als politische Gestalter nicht von der Privatwirtschaft abhängig sind, stagniert es. Das Schulberufssystem, so nennt es sich, stagniert in Hamburg bei 16 Prozent und diese Quote liegt sogar unter dem Bundesdurchschnitt. Hier muss auf jeden Fall mehr ausgebildet werden. Wir brauchen die Fachkräfte, gerade im pflegerischen Bereich, und wir sollten auch mit gutem Beispiel

vorangehen, wenn wir von der Privatwirtschaft weitere Ausbildungsanstrengungen verlangen.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres Thema, über das wir gerne im Ausschuss beraten wollen, ist die Berufsorientierung an den Stadtteilschulen. Es ist eine richtige Entwicklung, dass an allen Hamburger Stadtteilschulen mit der Berufsorientierung begonnen wird. Wer aber in Hamburg unterwegs ist und sich darüber informiert, was denn in der Praxis gemacht wird, der findet neben viel Licht auch viel Schatten. Wir müssen erreichen, dass das Licht sich in die Fläche ausbreitet und die Schatten reduziert werden. Es gibt zwar Konzepte, die auf dem Papier stehen, die aber nicht wirklich dazu beitragen, dass Jugendliche eine bessere Berufsorientierung bekommen.

Trotz aller Bemühungen ungelöst – und das trifft uns als Schulpolitiker immer hart – ist weiterhin das Problem der Statistik. Wir würden es gern erreichen, dass die Zahlen auch irgendwie zusammenpassen, wenn wir Dokumente verschiedener Träger zur Hand nehmen. Das ist nach wie vor nicht so, da gibt es großen Handlungsbedarf. Wir wissen, dass die Schulbehörde das nicht anders sieht, und hoffen da auf Besserung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Auf einen letzten Punkt wollen wir unser Augenmerk legen; auch der Rechnungshof hat ihn angesprochen. Es tagen eine ganze Menge Arbeitsgruppen zu diesem Thema. Es gibt ein Planungsteam – ehemals AG Zusammenarbeit –, in dem sich die verschiedenen Behörden mit den Bezirken und team.arbeit.hamburg treffen und die Lenkungsgruppe des "Aktionsbündnisses für Bildung und Beschäftigung", in der noch einmal die gleichen Leute zusammensitzen, allerdings mit Handelskammer, Handwerkskammer und den Gewerkschaften. Natürlich gibt es auch im HIBB, das den Prozess gestaltet, Arbeitsgruppen – insgesamt acht – plus einer Koordinierungsgruppe. Wenn man das unstrukturierte Übergangssystem neu und gut strukturieren will, dann sollte man das nicht mit einer Arbeitsstruktur machen, die selber unübersichtlich ist und in der es lauter Überschneidungen gibt. Es wäre deshalb klug, dem Rat des Rechnungshofs zu folgen und diese immense Anzahl von Arbeitsgruppen zu reduzieren, in denen häufig dieselben Leute sitzen, die sich in verschiedenen Runden über die gleichen Themen unterhalten. Das ist doch Ressourcenverschwendung.

Soweit unsere Einblicke. Eines noch zum Schluss: Die Klagen der Wirtschaft über den drohenden Fachkräftemangel sind nicht zu überhören. Aufgrund des demografischen Wandels haben wir jetzt die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass alle Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, auch einen Ausbildungsplatz finden. Wir müssen

dieses Zeitfenster sehr energisch nutzen, denn sonst vernachlässigen wir ein wichtiges Potenzial an Arbeitskräften. Da passiert nichts von alleine; der Fachkräftemangel auf der einen Seite und die unausgebildeten Jugendlichen auf der anderen Seite werden nicht automatisch zusammenfinden. Deshalb ist die Politik gefragt, gerade jetzt aktiv zu werden. Wir wünschen uns, dass die Schulbehörde da noch ein bisschen mehr Schwung in die Sache bringt und freuen uns auf die Beratung im Schulausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Lemke.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem der Wahlkampf durch Herrn Scholz mit lautem Gedröhne eröffnet worden ist, hatte ich eigentlich wenig Hoffnung auf eine sachliche Debatte, aber ich muss zugeben, Frau Ernst, dass Sie Ihren Diskurs sachlich geführt haben. Ich freue mich darüber und werde auch aus meinem Beitrag alle Polemik streichen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Bleibt dann noch etwas übrig? Das wird dann ja eine kurze Rede!)

Natürlich ist das Thema der Debatte auch für die CDU-Fraktion sehr wichtig. Ich fange einfach einmal mit einer Zahl an. Rund 3500 Jungendliche haben im Jahr 2008/2009 den Übergang Schule/Ausbildung nicht geschafft und wurden daraufhin in eine Berufsvorbereitungseinrichtung aufgenommen. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und diese Vielschichtigkeit macht es so schwierig, konkrete Maßnahmen für dieses Problem vorzusehen; aber zu den Maßnahmen komme ich noch. In den vergangenen Jahren war sicherlich einer der Gründe für diese Situation ein in Teilbereichen zu geringes Ausbildungsplatzangebot. Teilweise lag auch eine mangelnde Ausbildungsreife der Jugendlichen vor. Dieses Problem wird von der Wirtschaft immer sehr stark reflektiert und auch an uns herangetragen, das kennt wohl jeder Abgeordnete, der einen Betrieb besucht. Zum Teil spielt natürlich auch eine unzureichende Berufsorientierung eine Rolle.

(Wilfried Buss SPD: Das haben Sie zu ver- antworten!)

Meine Damen und Herren! Wir können nicht einerseits einen Fachkräftemangel beklagen und andererseits akzeptieren, dass 3500 Jugendliche nicht in eine Ausbildung einsteigen.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Gwosdz GAL)

Senat und Regierungsfraktionen sind nicht bereit, diese Situation zu akzeptieren. Sie wissen so gut

(Britta Ernst)