Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zwei Punkte vorab. Erstens ist der Titel dieses Antrags sperrig und zweitens möchte ich ergänzen, dass wir durchaus eine Abstimmung über den von der GAL-Fraktion vorgelegten Antrag wünschen und eine nachträgliche Überweisung an
den Innenausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss. Ich hoffe, dass wir das noch entsprechend korrigieren können.
Das Thema, das wir unter diesem Tagesordnungspunkt zu diskutieren haben, ist eines, das schnell politischen Streit hervorruft. Es nimmt uns alle aber gleichzeitig auch in die Verantwortung, uns für den betroffenen Personenkreis einzusetzen.
Wir haben in dieser Stadt – das gilt zumindest für diejenigen mit langjähriger parlamentarischer Erfahrung – schon Ende der Neunzigerjahre heftige Debatten über die Unterbringung von Flüchtlingen geführt. Wir haben uns über die Unterbringung in Hotels und auf extra angemieteten Schiffen im Hafen gestritten und dann im Jahr 2006 die letzte längere Debatte zu diesem Thema in der Bürgerschaft gehabt, als die alleinregierende CDU den Staatsvertrag mit Mecklenburg-Vorpommern über die Nutzung der Unterkunft in Nostorf/Horst geschlossen hat. Der Inhalt von Staatsverträgen ist nicht öffentlich, das war damals der eine große Aufreger bei diesem Thema. Ein anderer war die grundsätzliche Frage, wo das Bundesland Hamburg seine Flüchtlinge unterbringen soll. Seit dieser Zeit ist das Thema insgesamt etwas ruhiger und in kleineren Kreisen diskutiert worden. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Zahl der Flüchtlinge, die unsere Stadt erreichen, bis in das Jahr 2008 hinein kontinuierlich zurückgegangen ist.
Seit 2010 haben wir eine veränderte Situation. Es ist schlicht und einfach festzustellen, dass die öffentliche Unterbringung, einschließlich der Erstaufnahme von Flüchtlingen, in Hamburg überfüllt ist. Die vorgehaltenen gut 8500 Plätze für Wohnungslose und Flüchtlinge reichen nicht mehr aus. Aus ganz unterschiedlichen Gründen ist der Bedarf bei Wohnungslosen und Flüchtlingen im Vergleich zu 2009 gestiegen. Ich werde mich in dieser Debatte auf den Personenkreis der Flüchtlinge konzentrieren.
In diesem Jahr haben wir nicht nur in Hamburg, sondern bundes- und sogar europaweit einen starken Anstieg neu eingereister Einzelpersonen und Familien. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erwartet, dass in diesem Jahr rund 25 Prozent mehr Asylanträge gestellt werden. Außerdem müssen natürlich auch die Personen berücksichtigt werden, die mit dem Aufenthaltsstatus der Duldung in Hamburg leben. Unabhängig von ihrer Aufenthaltsperspektive muss Hamburg für angemessene Standards bei der Unterbringung von Flüchtlingen sorgen; familiengerecht ist dabei sicherlich das wichtigste Stichwort. In Hamburg haben wir, der Logik des Ausländerrechts folgend, die sogenannte Zentrale Erstaufnahme in der Sportallee und die Wohnaußenstelle Nostorf/Horst, und zwar seit 2003, damals unter der Verantwortung der Behörde für Inneres. Heute heißt sie Behörde für Inneres
In unserem Antrag liegt der Schwerpunkt auf der eben skizzierten Situation: Die Zentrale Erstaufnahme, einschließlich der Außenstelle Nostorf/ Horst, ist hinsichtlich ihrer Kapazität über ihre Leistungsgrenzen hinaus beansprucht. Das Hauptproblem dabei ist die fehlende Möglichkeit, Menschen in Folgeeinrichtungen unterzubringen. Politisches Ziel für die Zentrale Erstaufnahme ist aus meiner Sicht, dass der Aufenthalt neu eingereister Flüchtlinge dort so lange wie nötig ist, aber eben auch so kurz wie möglich. Im September 2009 hatten wir eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von zehn Tagen. Diese Zielzahl sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Deswegen begrüßen wir, dass es nun parallel zu unserem Antrag einen Lösungsvorschlag für eine kurzfristig realisierbare Aufstockung der Plätze in der öffentlichen Unterbringung gibt. Sie konnten davon in der Presse lesen. Die Diskussionen in den bezirklichen Gremien haben bereits begonnen. Der Vorschlag, den "fördern und wohnen" uns vorgelegt hat, bezieht sich auf das ehemalige Pflegezentrum am Alsterberg, wo sehr kurzfristig 260 Plätze realisiert werden können. Manchmal ist der Senat schneller als die Bürgerschaft und in diesem Falle begrüßen wir das.
Was passiert aber nun in dieser Stadt? Die Kolleginnen und Kollegen, die dem Bezirk Hamburg-Nord nahestehen, werden es erlebt, andere aus den Medien entnommen haben. Es sind die wildesten Spekulationen ausgebrochen. Anstelle einer Berichterstattung, die in den Mittelpunkt stellt, dass es zum Glück und womöglich gerade noch rechtzeitig gelungen ist, der Überfüllung der Zentralen Erstaufnahme durch dieses Angebot über Folgeunterbringungen Luft zu verschaffen, haben wir plötzlich eine ganz andere Debatte, nämlich darüber, welche langfristigen Planungen es zur öffentlichen Unterbringung gibt und ob und wie die Zentrale Erstaufnahme insgesamt verlagert werden kann und sollte.
Wir haben in unserem Antrag die Prüfung als dringlich herausgestellt, wie die Erst- und Folgeunterbringung von Flüchtlingen in Hamburg erweitert und verbessert werden kann, damit insbesondere die Belange neu einreisender Flüchtlingsfamilien und ihrer Kinder berücksichtigt werden können. Ein Fokus liegt dabei auf der unzureichenden Ausweichunterbringung in Nostorf/Horst. Dafür gibt es eine Lösung, die schnelle Realisierungsmöglichkeit bei zwei Gebäuden mit einer Kapazität von 260 Plätzen. Das brauchen wir aktuell in dieser Stadt und das schafft Abhilfe bei der überfüllten Zentralen Erstaufnahme.
Dass es sich nicht um eine Verlagerung im Verhältnis 1:1 von Nostorf hin zum Alsterberg handelt, sondern selbstverständlich um eine durchdachte Belegung der insgesamt über 8500 Plätze, die "fördern und wohnen" zur Verfügung stellt, brauche ich Ihnen sicherlich nicht zu erklären, zumindest nicht den Kolleginnen und Kollegen, die sich mit dem System der öffentlichen Unterbringung auskennen. Nur eine gut und heterogen zusammengestellte Belegung kann in dem Sinne funktionieren, dass die Menschen auch miteinander klarkommen.
Was wir darüber hinaus brauchen – und deswegen werden wir die beiden Anträge an die Ausschüsse überweisen –, ist langfristig natürlich möglicherweise eine grundlegende Neuorientierung des Konzeptes der öffentlichen Unterbringung. Wir haben uns heute zu Beginn der Bürgerschaftsdebatte mit dem Thema Wohnen und fehlende Wohnungen auseinandergesetzt. Ein Ziel der öffentlichen Unterbringung, sozusagen der letzte Schritt, ist es, die Menschen in eigenen Wohnraum zu bringen. Eines der Hauptprobleme ist, dass wir da einen Engpass haben – über Lösungsmöglichkeiten haben wir vorhin diskutiert –, an dem wir weiter arbeiten müssen.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, möglichst interfraktionell. "fördern und wohnen" entwickelt einen Vorschlag für die beiden Häuser am Alsterberg mit insgesamt 260 Plätzen, genau die Kapazität, die wir dringend brauchen. Eine interfraktionelle Zustimmung würde es unterstützen, das gemeinsam zu tragen. Wie wir dann konzeptionell weiter diskutieren, können wir in den Ausschüssen beschließen. Ich würde mich freuen, wenn Sie alle mit diesem Vorschlag einverstanden wären, der sich aus dieser Notsituation ergeben hat. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um neun Uhr abends sollte man die Debatte nicht unnötig in die Länge ziehen. Ich will deswegen versuchen, das so kurz wie möglich zu machen, auch weil die Kollegin Möller das Thema umfassend beschrieben hat.
Auf einen Aspekt will ich aber noch einmal besonders hinweisen, weil ich glaube, dass er wichtig ist. Wir werden erleben, dass wir uns in der anstehenden Diskussion einig sind, dass wir die prekäre Aufnahmelage in der Zentralen Erstaufnahme, wie wir sie jetzt haben, schnellstens lösen müssen.
Schwieriger wird es werden, lieber Kollege Buss, wenn wir darüber reden, wo wir das denn lösen sollen. Aufgrund der ersten Reaktionen, die man aus den Stadtteilen hören kann, ahne ich, dass jeder sagen wird: Wir brauchen eine Lösung, und zwar sofort, aber bitte schön nicht vor meiner Haustür. Diese Debatte wird vor Ort geführt und dabei geistern abenteuerliche Belegungszahlen herum. Dazu will ich von dieser Stelle aus deutlich sagen: Das, was wir jetzt mit dem Senat gemeinsam anstreben müssen, ist eine schnelle Lösung und dafür bieten sich die Räumlichkeiten im ehemaligen Pflegezentrum am Alsterberg an, nicht mehr und nicht weniger.
Wir haben eine prekäre Lage, die durch einen relativ hohen Zustrom an Flüchtlingen entstanden ist. Darauf müssen wir jetzt schnell reagieren, und zwar noch in diesem Jahr; das muss sichergestellt werden. Alle anderen Überlegungen, wie wir strukturell künftig mit der öffentlichen Unterbringung umgehen werden, welche Ideen und welche Bedarfe wir noch haben, müssen diskutiert werden, sind aber nicht Gegenstand dessen, was wir jetzt akut in den nächsten Wochen vor Ort am Alsterberg lösen müssen.
Wir wissen, dass in absehbarer Zeit zwei bisherige Unterkünfte in Hamburg-Nord und in Wandsbek, die für andere Zwecke, zum Beispiel für den Wohnungsbau, gebraucht werden, aufgelöst werden müssen. Wir müssen also auch darüber reden, ob die Möglichkeit besteht, für Unterkünfte an einem anderen Standort zu sorgen. Das ist eine Frage öffentlicher Diskussion und gemeinsamer Kommunikation, auch und gerade mit den Bürgern vor Ort, aber keine Priorisierung zum jetzigen Zeitpunkt und für das, was wir jetzt brauchen, nämlich eine schnelle Lösung. Diese müssen wir in den nächsten Wochen hinkriegen und über alles Weitere werden wir hoffentlich gemeinsam reden. Es mag sein, dass der Alsterberg eine gute Lösung ist, es mag aber auch sein, dass wir bessere Lösungen in Hamburg finden. Klar ist allerdings, dass wir darüber reden müssen. Wir werden dafür Lösungen finden und ich würde mich freuen, wenn unser gemeinsamer Konsens, dass wir etwas für die Flüchtlinge tun müssen, nicht daran scheitert, dass einzelne Parteien und Fraktionen vor Ort sehr schnell ausscheren und sagen, man müsse zwar etwas tun, gerne in Hamburg-Nord oder wo auch immer, aber bitte nicht bei ihnen. Das darf nicht sein und ich hoffe, dass sich der Konsens, den wir in der Sachfrage haben, dann auch in der Standortfrage, die wir kurzfristig lösen müssen, fortsetzen wird. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Senat ist manchmal schneller als die Bürgerschaft; wir wollen mal sehen, wie schnell er ist. Noch einmal ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag vom April 2008 als Paradebeispiel dafür, wie schnell der Senat ist – ich zitiere –:
"Bis zum Ende der Beteiligung Hamburgs an der Aufnahmeeinrichtung in Nostorf/Horst soll nur noch die vertraglich vereinbarte Mindestbelegung genutzt werden. Familien mit Kindern sollen grundsätzlich in Hamburg in familiengerechtem Standard untergebracht werden."
"[…] werden zurzeit mehr als die Mindestbelegungsplätze in der Wohnaußenstelle in Nostorf/Horst genutzt, dies ist jedoch kein geeigneter Ansatz für eine längerfristige Lösung. Auch Familien werden zurzeit dort untergebracht."
"wie die Erst- und Folgeunterbringung von Flüchtlingen in Hamburg erweitert und verbessert werden kann,
"… insbesondere die Belange neu einreisender Flüchtlingsfamilien und ihrer Kinder zu berücksichtigen […]."
Wir werden das im Ausschuss gemeinsam besprechen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Fegen Sie die Scherben Ihres Koalitionsvertrags zusammen. Die SPD wird versuchen, Ihnen dabei zu helfen.
An die GAL gerichtet: Ich weiß nicht, wer sich im Koalitionsvertrag durchgesetzt hat, was die eben vorgelesene Vereinbarung angeht, aber Tatsache ist, dass Sie jetzt schon wieder hinter diesen Zielen zurückbleiben. Jetzt ist es nämlich nur noch eine Prüfung.
Ich hoffe sehr, dass wir vor Ort keine Probleme haben werden, diese dringend notwendige Lösung durchzusetzen, und zwar wegen Ihres Versagens,
Ich hoffe, dass wir dabei nicht so viel Gegenwind bekommen, und dass, bevor das irgendjemand an die Presse durchsteckt, auch einmal mit den bezirklichen Stellen gesprochen wird, sodass keine Widerstände ausgelöst werden, nur weil Sie jetzt unter Zeitdruck geraten, nachdem Sie zweieinhalb Jahre lang das Problem nicht gelöst haben.