Ole von Beust war derjenige, der sich sehr intensiv und mit sehr viel Herzblut für längeres gemeinsames Lernen eingesetzt hat. Davon hat die CDU sich verabschiedet. Sie, Herr Bürgermeister, haben uns nicht mitgeteilt, ob Sie sich auch davon verabschiedet haben.
Ole von Beust hat als Bürgermeister gesagt, er wolle, dass die Schichten mit hohem Einkommen an den Folgen der Krise beteiligt werden. Wir finden das völlig logisch, weil es ein Verursacherprinzip gibt: Wer die Krise verursacht, muss sie auch bezahlen. Natürlich haben wir einen hohen Anspruch an Gerechtigkeit, auch an Steuergerechtigkeit. Uns bleibt genau besehen gar nichts anderes übrig, wenn wir weiterhin von Staats wegen demokratisch-politische Entscheidungen fällen wollen. Dazu haben Sie keine einzige Silbe verloren. Stattdessen habe ich gelesen, dass die CDU neue Ideale habe: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Das verschlägt einem den Atem. Wenn ich nur an Steuergerechtigkeit denke, so ist Hamburg Lichtjahre davon entfernt. Ich vernehme aber sehr wohl, Herr Kerstan, dass Sie sich endlich durchgesetzt haben und die Anzahl der Steuerprüfer erhöht wird. Das ist eine Forderung, die wir schon seit
Monaten stellen, und auch die SPD hat dazu eine Große Anfrage gestellt. Dass Sie da erfolgreich sind, begrüßen wir sehr, aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Ole von Beust hatte vorgeschlagen, eine Reichensteuer einzuführen und den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Wir haben in der letzten Sitzung einen entsprechenden Antrag eingebracht, aber Sie haben sich davon verabschiedet und es schon wieder zu den Akten gelegt.
Wenn man Ihre Reden hört – Aufschwung, Auftragsbücher und sprudelnde Steuereinnahmen –, dann scheint es, als hätten sich für die Reichen die Folgen der weltweiten Finanzkrise schon erledigt. Diejenigen, die sie nicht verursacht haben, die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, sollen die Zeche zahlen. Die einzige konkrete Sparmaßnahme, nein: Kürzungsmaßnahme – sparen können Sie gar nicht, das kann man nur, wenn man genug Geld hat –, die Sie benannt haben, ist, dass Sie den Beamten ab A13 ans Portemonnaie wollen und das Weihnachtsgeld streichen. Das entspricht teilweise einer Gehaltskürzung von bis zu 5 Prozent. Nach unserer Auffassung ist es ein völlig falscher Weg, wenn Mitarbeiter bei der Feuerwehr und der Polizei, in den Behörden und an den Schulen für die Krise zahlen sollen, die die Finanzmärkte angerichtet haben.
Nach einer Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung DIW wird das Geldvermögen in Deutschland im ersten Quartal 2010 mit rund 4,8 Billionen Euro beziffert, so hoch wie nie. Auch die Zahl der Vermögensmillionäre liegt nach einem kurzzeitigen Rückgang nun wieder auf einem neuen Rekordhoch. Das heißt, dass es in Deutschland noch nie so viele Einkommensmillionäre gab wie jetzt. Man muss wissen, dass es in Hamburg, gemessen an der Einwohnerzahl, die meisten Millionäre gibt. Statt über Steuergerechtigkeit reden Sie dem Mäzenatentum und der Spendenbereitschaft das Wort. Wenn ich das richtig verstanden habe, sehen Sie darin einen wichtigen Lösungsansatz für die Bewältigung der Zukunftsprobleme. Wir sagen dazu: Jeder, der es kann und will, kann und soll gerne etwas spenden. Das kann aber kein Ersatz für gerechte Steuern sein, die man nun einmal nicht freiwillig zahlt, das wäre ein Rückfall ins wilhelminische Zeitalter.
"Ich will, dass die Menschen mit Zuversicht auf ihre persönlichen und beruflichen Ziele in Hamburg blicken und sich in allen Lebenslagen in unserer Stadt wohl fühlen."
Angesichts dessen, dass im Durchschnitt 13 Prozent der Hamburger Einwohner von staatlichen Transferleistungen abhängig sind – im Stadtteil Veddel sind es fast 30 Prozent – und jedes vierte Kind unter der Armutsgrenze lebt, ist diese Aussage geradezu zynisch. Hamburg ist eine gespaltene Stadt. Das DIW hat auch für Hamburg festgestellt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Armut findet in Ihrer Regierungserklärung nicht statt. Armut nehmen Sie überhaupt nicht zur Kenntnis, deshalb kann von Bodenhaftung bei Ihnen nicht die Rede sein.
Wir fordern soziale Gerechtigkeit und Solidarität der Starken mit den Schwachen ein. DIE LINKE hat ein Landesprogramm gegen Armut vorgelegt. Wir möchten wissen, was Ihre Konzepte sind. Was wollen Sie dagegen tun, wollen Sie überhaupt etwas dagegen tun? Die Antwort haben wir nicht gehört.
Auch die Bildungsgerechtigkeit steht weiter auf der Agenda. Trotz und gerade wegen des Volksentscheids bleibt sie eine große Herausforderung. Das Problem fehlender Bildungsgerechtigkeit in dieser Stadt ist nicht gelöst. Einige wenige Beispiele: In den Förderschulen finden wir hauptsächlich Jungen mit Migrationshintergrund; das kann nicht sein. Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund bekommen keinen Ausbildungsplatz. Wir haben außerdem Probleme im Bereich Universität. Als eines von wenigen Bundesländern haben wir immer noch Studiengebühren. Es hat sich herausgestellt, dass gerade die jungen Menschen aus Verhältnissen, in denen es weniger Einkommen gibt, von Studiengebühren abgeschreckt werden. Das ist nicht bildungsgerecht und deswegen müssen die Studiengebühren fallen. Auch dazu haben Sie kein Wort gesagt.
Ganz wichtig in dem Zusammenhang ist auch, dass ausländische Berufsabschlüsse in Hamburg anerkannt werden müssen. DIE LINKE hat einen Vorstoß gemacht für Lehrer, die ihre Examen in Ländern außerhalb der EU abgelegt haben. Eine Regelung vonseiten der Behörde ist angekündigt. Das begrüßen wir, das kann aber nur ein Anfang sein. Es müssen Lösungen für Ärzte, Ingenieure und andere Akademiker gefunden werden, die ihre Examina nicht in Deutschland gemacht haben. Gerade die Drittländer sind dort besonders benachteiligt.
Der neue Wirtschaftssenator hat ein Senatskonzept zur Eingliederung von Migranten vorgelegt. Nun kommt es auf die Umsetzung an.
"Nach Angaben des Bundes wollen sich 10 bis 15 Prozent nicht in Deutschland integrieren, verweigern die Teilnahme an Integrationskursen und schotten sich ab. Hier müssen wir sofort einhaken. Das heißt, dass wir in Zukunft mehr Gewicht auf die Integrationsfähigkeit und den Integrationswillen legen müssen."
Wir hätten gern erläutert, was Sie damit meinen und welche Maßnahmen Sie da im Auge haben, denn das könnte auch sehr kritisch sein.
An anderer Stelle haben Sie heute ausgeführt, dass Hamburg auch bei der Förderung junger Familien stark sei. Angesichts der Erhöhung der Kita-Gebühren ist das geradezu eine Verhöhnung. Erfolgreiche Volksinitiativen werden dafür sorgen, dass auch die Kita-Gebühren wieder abgeschafft werden. Der erste Schritt ist schon getan und es wird weitergehen. Wir wissen nicht, wie Sie damit umgehen.
Sie nehmen in Kauf, dass auch hier eine Chance verpasst wird. Das wird teurer, als wenn Sie die Kita-Gebühren senken oder sogar abschaffen. Gerade für die ganz Kleinen muss die Chance gewährleistet sein, sich an der Bildung zu beteiligen, und das geht nur mit niedrigen bis gar keinen Kita-Gebühren.
(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Neumann SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: Wollen Sie denn gar nicht sparen?)
Drei weitere Initiativen sind auf dem Weg, und zwar sehr erfolgreich. Die Initiative für die Rekommunalisierung der Netze hat über 17 000 Unterschriften bekommen. Ich habe vernommen, dass sowohl die Senatorin Hajduk als auch die Koalitionsparteien sich darum kümmern wollen, dass wir das in den Ausschuss bekommen und dann versuchen, da etwas hinzubekommen. Wir sind sehr gespannt, ob das etwas wird.
In Ihrer Regierungserklärung haben Sie zu den Beteiligungsrechten der Bürger ausgeführt, dass Sie hinter bestimmten Initiativen Einzelinteressen vermuten und über die konkrete Ausgestaltung wünschenswerter Bürgerbeteiligung nachdenken. Wir haben bereits aus den Bezirken gehört, dass die CDU dort darüber nachdenkt, bestimmte Beteiligungsrechte der Bürger einzuschränken. Da wüs
sten wir auch gern, wie Sie das genau gemeint haben. Wir werden nachhaken und nicht locker lassen, denn Beteiligungsrechte der Bürger dürfen nicht eingeschränkt werden, auch wenn einem einzelne Initiativen nicht passen.
Der Hauptgrund, warum die Regierungserklärung eigentlich hätte gehalten werden müssen, ist, dass der Hansestadt pro Jahr über eine halbe Million Euro im Haushalt fehlen. Die genaue Zahl haben Sie uns leider nicht genannt. Es halten sich stattdessen hartnäckig Gerüchte über ein rigoroses Sparprogramm des schwarz-grünen Senats. Sie hätten hier zumindest seine großen Linien vorstellen müssen. Von den Bezirken wird, wie wir gehört haben, bis 2014 ein Sparvolumen von 65 Millionen Euro erwartet. Sie selbst haben dazu bereits Vorschläge gemacht, nämlich Gebührenerhöhung und Leistungsbeschränkung. Herr Kerstan hat das jetzt wieder zurückgenommen und gesagt, das sei keine grüne Politik und werde auf keinen Fall gemacht.
Der Finanzsenator fordert von den Bezirken zusätzliche Einsparungen in Höhe von knapp 13 Millionen Euro. Herr Kerstan, ich weiß wirklich nicht, ob da noch so viel Luft ist, dass man durch eine Umgestaltung der Strukturen in den Bezirken Mittel freibekommt, um den Haushalt zu stopfen.
Außerdem kursiert eine Liste mit Sparvorschlägen, aufgeteilt in Hauptliste und Reserveliste, die erst greift, wenn die Hauptliste verworfen wird. Dazu hätten wir heute auch gern Konkretes gehört.
(Klaus-Peter Hesse CDU: Wie sieht denn Ih- re Liste aus? – Gegenruf von Olaf Ohlsen CDU: Aus der Verantwortung stehlen!)
Charakteristischerweise sind in der Hauptliste umfangreiche Kürzungen im Sozialbereich vorgesehen. Darin werden unter anderem, das haben wir auch schon in den Zeitungen gelesen, die Seniorenberatung, die Mütterberatung, die Elternschulen und die Jugendhäuser zur Disposition gestellt. Das ist unverantwortlich.
Was Sie hier betreiben, ist die Zerstörung sozialer Strukturen, und wenn die erst einmal weg sind, dann sind die weg, dann können wir sie nicht wieder aufbauen.
Grund ist, dass dieser Senat und seine Vorgänger auch in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen immer mehr ausgegeben haben, als sie eingenommen haben. Ole von Beust nannte es so, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt hätten. Wenn er mit "wir" alle Hamburgerinnen und Hamburger meint, dann ist das falsch. Die Hamburgerinnen und Hamburger haben nicht über ihre Verhältnisse gelebt. Wenn er jedoch den Senat meint, dann ist es richtig, der hat allerdings über seine Verhältnisse gelebt. Die Steuersenkungspolitik der letzten Jahrzehnte in der ganzen Bundesrepublik hat dazu geführt, dass den öffentlichen Haushalten jedes Jahr über 50 Milliarden Euro fehlen. Diese falsche Steuerpolitik zugunsten von Reichen und Konzernen hat dazu geführt, dass es seit Langem, nicht erst seit der Krise, eine Misere der öffentlichen Finanzen gibt.
Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist das Ganze noch einmal verstärkt worden. Der Gestaltungsraum für Politik steht auf dem Spiel. Das hat Roland Koch gesagt, deswegen hat er seinen Hut genommen und geht in die Wirtschaft. Sie sagen in Ihrer Regierungserklärung, dass auch Kürzungen wie diese aktuellen eine kreative Gestaltung seien und dass man mit diesen Kürzungsmaßnahmen hier auch Gestaltungsspielraum gewinnen könne, Herr Ahlhaus.
Ich frage mich, wo Sie da Gestaltungsspielraum gewinnen wollen. Eine weitere Kürzung der öffentlichen Mittel führt ausschließlich dazu, dass der Staat seine Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr wahrnehmen kann.
Weitere Kürzungen zerstören die Infrastruktur für die soziale Absicherung in der Gesellschaft und somit wird die Solidarität in dieser Gesellschaft, die schon sehr stark angegriffen ist, gänzlich gefährdet und wir gefährden auch die Demokratie.