Wer die Einigung Europas verzögert oder verhindert, schadet den Interessen der Menschen in Deutschland, allen voran in Hamburg. Das steht für mich fest. Dieser Vertrag von Lissabon hat – man kann über einzelne Formulierungen streiten – eine Historie, eine Geschichte. Die Geschichte ist die, dass in einigen Ländern die europäische Verfassung gescheitert ist. Da kann man sagen: gut oder schlecht, wie auch immer. Aber die Europäische Verfassung, die in wesentlichen Elementen in diesem Vertrag enthalten ist, hat zum ersten Mal – und das finde ich gut und wichtig für Europa – moralische, wertbezogene inhaltliche Elemente, die wir brauchen, um Europa weiter zusammenzuführen. Wir brauchen Moral und Werte. Und das wollen Sie mit Ihrem Beitrag verhindern. Das finde ich nicht in Ordnung.
käme. Natürlich kommt einiges wie immer zu kurz. Aber zum ersten Mal sind in diesem Vertrag in Artikel 2 Absatz 3 soziale Komponenten in das europäische Vertragswerk aufgenommen worden. Ich zitiere einmal:
"Die Union … wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. Sie fördert den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Sie bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz …"
"Sie bekämpft … Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz …"
Das ist genau der richtige Schritt, den wir in Europa brauchen. Und das steht doch drin, Herr Hackbusch.
Ich sage Ihnen: Auch aus Hamburger Interessen brauchen wir es. Natürlich gibt es Schwierigkeiten – da haben Sie recht – bei den Punkten, die Sie angesprochen haben, mit Handwerk, auch mit den Fragen der Besoldung und dem Verdienst der Hafenarbeiter. Darüber wird auch gerungen und gesprochen. Wir haben alle über Port Package II und diese Dinge diskutiert. Da ist auch viel verhindert worden, was uns in der Tat geschadet hätte. Aber es ist verhindert worden.
Ich komme gerade von einem Kongress der europäischen Vereinigung der Port Authorities, der Hafenverwaltungen. Auf diesem Kongress, der im Atlantic-Hotel tagt, wurde von den europäischen Hafenverwaltungen zum Beispiel gesagt, wir müssen als Europäer zusammenstehen, weil der Wettbewerb, der von Konkurrenzhäfen in Asien, in arabischen Ländern bis hin zu Russland ausgeht, groß ist, und es daher wichtig ist, dass wir als Hafenverwaltungen für gemeinsame verlässliche Standards sorgen, auch für soziale und ökologische Standards, und nicht als einzelne Häfen und Nationen in einen ruinösen Wettbewerb kommen, der uns Ökologie und soziale Standards vergessen lassen muss. Das wollen wir nicht, wir wollen hier eine europäische Zusammenarbeit.
Das ist wichtig für Hamburg, für Deutschland und für eine Wertebezogenheit der Europäischen Union. Natürlich sind nicht alle Träume wahr geworden, es gibt Dinge, die ich mir auch gewünscht hät
te. Es gibt Dinge, bei denen man sich fragen muss, wie weit dieser Einigungsprozess geht, wenn zum Beispiel auf den Gebieten Inneres und Recht viele Dinge auf europäischer Ebene gehen, aber teilweise in einem schwierigen Verhältnis zu unserem Grundgesetz zu werten sind, das aufgrund unserer historischen Erfahrungen in Deutschland besondere Formen der Bürgerrechte und der Rechte der Menschen gegen den Staat hat. Auch darüber muss diskutiert werden, gar keine Frage. Das ist ein Prozess, den man gemeinsam begleiten und gestalten und nicht aufhalten sollte; das ist der richtige Weg.
Herr Präsident, liebe Abgeordnete, liebe Abgeordneten! Das ist unser Weg, wurde eben gesagt. Unser Weg wäre aber auch gewesen, demokratisch über diesen Vertrag abstimmen zu können,
denn die meisten Menschen, die von diesen bevorstehenden einschneidenden Veränderungen betroffen wären, hätten gerne mitbestimmt. Diese Veränderungen betreffen unter anderem die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die Kostendämpfung bei den Renten, die Verlängerung der Arbeitszeiten und auch den Abbau des Kündigungsschutzes. Wir befürchten eine Verschärfung der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik, die ihre ersten Schritte der Umsetzung in den Hartz-Gesetzen und der Agenda 2010 gefunden hat.
Zur weiteren Umsetzung der Lissabon-Strategie haben die Arbeits- und Sozialminister im Dezember 2007 Grundsätze unter anderem für das Flexicurity-Konzept beschlossen und darunter versteht der Bundesrat eine Politik, die auf Ausgleich zwischen Flexibilisierung und Sicherheit gerichtet ist. Dabei geht es nicht um den Schutz des einzelnen Arbeitsplatzes. Wir befürchten, dass durch die konsequente weitere Umsetzung der Lissabon-Strategie mit allen Bestandteilen, also mit Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarkts, eine weitere Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse vorangetrieben wird und trotz Arbeit die Armut vorangetrieben wird. Auch das hat mit Moral nichts mehr zu tun.
Es muss endlich aufhören, dass Menschen durch Arbeit arm sind und am Monatsende nicht mehr wissen, wie sie ihre Sachen bezahlen sollen.
Aus diesem Grund ist auch die Besorgnis der europäischen Gewerkschaften verständlich und die sehen erheblichen Handlungsbedarf. Es muss sichergestellt werden, dass Grundrechte Vorrang vor freiem Kapital und Warenverkehr, Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit haben. Nationalstaatliche Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen dürfen nicht weiter den Bedürfnissen des Binnenmarkts untergeordnet werden. Die jüngsten EuGHUrteile haben gezeigt, dass es in eine andere Richtung geht.
Wir lehnen nicht Europa ab, wir lehnen die Art und Weise, wie mit diesem Reformvertrag umgegangen wird, ab.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Diese Debatte zeigt, dass die Partei DIE LINKE vielleicht nicht völlig politikunfähig ist, aber was die Europapolitik angeht, wird Ihnen niemand in diesem Hause bescheinigen, dass Sie irgendetwas einbringen, das uns voranbringen könnte; darüber besteht hier eine große Einigkeit.
Ich frage mich, warum Sie eigentlich dieses Thema mit diesem merkwürdigen Titel zur Aktuellen Stunde angemeldet haben. Faktisch ist Ihre Position doch, man hätte diesem Vertrag nicht zustimmen sollen – das haben Sie auch gesagt – und Sie verbinden das Ganze mit dem Instrument der Volksabstimmung, die Sie als Mindestbedingung anführen. Die reale Alternative war, diesem Vertrag zuzustimmen und deshalb zur realen Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Europa zu kommen oder diesem Vertrag nicht zuzustimmen und auf dem Niveau des Vertrags von Nizza zu bleiben. Es gibt eigentlich niemanden, der in dieser Debatte ernsthaft eine Rolle spielt, der nicht sieht, welche konkreten Verbesserungen dieser Vertrag von Lissabon bringt und deshalb war die Zustimmung richtig.
Ihre Beiträge zeigen auch einen grundsätzlichen europapolitischen Dissens. Für uns ist der Einigungsprozess der Europäischen Union notwendig, um die Menschen in Europa vor den Folgen der Globalisierung zu schützen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sind doch mit Billigkonkurrenz aus dem Ausland konfrontiert und wir schaffen das nicht, wenn wir uns darauf beschränken, eine Sozialgesetzgebung zu haben, die an den Grenzen endet. Das ist der wahre Grund,
warum wir um eine Vereinheitlichung der Sozialgesetzgebung ringen, die wir dringend brauchen, um zu einem einheitlichen Schutz und zu einheitlichen Standards in Europa zu kommen, und dazu hat dieser Vertrag einen Beitrag geleistet.
Ich finde es schlimm, dass Sie die Instrumente diffamieren, die Schutz bieten sollten und damit Populisten recht geben, die das Thema Europa benutzen, um Menschen weiter zu verunsichern; das finde ich falsch.
Generell ist diese Aktuelle Stunde keine Bekehrungsveranstaltung von Unbelehrbaren in dieser Frage. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir noch das zweite Thema diskutieren könnten. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Viele dieser Äußerungen, die eben in der Debatte uns und mir gegenüber gemacht worden sind, sind unverschämt.
Ich finde es unverschämt zu sagen, wir würden uns nicht für Moral und Werte einsetzen, denn jeder, der unsere Art und Weise kennt, wie wir als Partei oder als Personen Politik gemacht haben, sieht doch, dass wir diejenigen sind, die sich am Stärksten gerade für diejenigen in dieser Gesellschaft eingesetzt haben, die eigentlich kaum Rechte haben. Wir haben dafür gekämpft, dass diese Menschen auch Rechte bekommen. Das ist zumindest meine Tradition und das weiß Herr von Beust sehr genau.
Zweitens sind wir nicht diejenigen, die im Zusammenhang mit der sozialen Frage Europa verunsichern. Verunsichern tun – da können Sie viele Menschen in dieser Stadt fragen – diejenigen, die soziale Standards senken. Ich habe das Beispiel der Vergaberichtlinien genannt. Es hat übrigens niemand geschafft, darauf einzugehen, weil es die Art und Weise festlegt, wie die verfassungsrechtliche Debatte zu Europa gegenwärtig stattfindet. Dementsprechend sind die Urteile des Gerichtshofs und deshalb ist die Vertragssicherung auf regionaler Ebene gefährdet.
Für das Baugewerbe in Hamburg ist es ein großes Problem, was da auf uns zukommt, und das ist die soziale Verunsicherung. Für die Hochbahner in Hamburg gehen die Diskussion und die Auseinandersetzung seit Jahren darum, dass die öffentliche
Ausschreibung europaweit eine Bedrohung ihres sozialen Standards bedeutet und diesen Streit bringt nicht die LINKE ein, der ist in dieser Stadt. Für die Hafenarbeiter gibt es diese Auseinandersetzung im Zusammenhang mit Port Package schon monate- und jahrelang. Für alle Menschen, die etwas mit Dienstleistungen in dieser Stadt zu tun haben, gibt es die Auseinandersetzung, dass die sozialen Standards gesenkt werden. Es muss eine entscheidende Frage von Europa sein, soziale Standards nicht zu schwächen, sondern zu stärken.
Frau Ernst, natürlich ist dieser Vertrag besser als dasjenige, was vor 50 Jahren vereinbart worden ist oder in Nizza. Natürlich ist das besser, es steht aber nicht für das, was wir gegenwärtig in diesem Staat und in Europa brauchen und vor allen Dingen nicht für das, was wir sozial brauchen; das ist der Streit bei diesem Punkt.