Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was Sie hier gleich mit Ihrer parlamentarischen Mehrheit beschließen werden, ist ein eklatanter Wortbruch gegenüber Hamburgs Eltern.
Sie haben schon den versprochenen Rechtsanspruch für die Zweijährigen gestrichen, fast 2000 sogenannte Kann-Kinder vom beitragsfreien letzten Kita-Jahr ausgeschlossen, den Ausbau der Hortbetreuung auf die nächste Legislaturperiode verschoben und werden künftig nur noch Kinder bis zwölf, nicht mehr bis 14 Jahre, in den Hort lassen. Sie erhöhen die Gebühren und für alle Hamburger Kinder das Essensgeld. Eltern behinderter Kinder haben bisher aus gutem Grund nur einen Mindestbeitrag bezahlt und bekommen jetzt Erhöhungen von bis zu 700 Prozent. Die Begründung des Senats: Es werde eine Normalisierung im Umgang mit Menschen mit Behinderungen angestrebt.
Hamburg war bisher schon unter den teuersten Städten, was die Kita-Gebühren anging. Nun setzen Sie sich endgültig an die traurige Spitze. In keiner anderen Stadt werden mehr als 500 Euro pro Monat für einen Kita-Platz verlangt, so wie Sie es tun. Nirgendwo sonst zahlen Eltern bis zu 75 Prozent der Kosten eines Kita-Platzes selbst. Vierköpfige Familien mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2500 Euro gelten bei Ihnen künftig als Besserverdienende und werden kräftig zur Kasse gebeten. Dadurch verbessert sich nichts, sondern dieselbe Kita kostet künftig einfach mehr. Es wird für jeden teurer und es gibt an keiner Stelle Qualitätsverbesserungen.
Natürlich braucht es mehr Geld, wenn mehr Eltern ihre Kinder in die Kindergärten schicken wollen oder auch müssen, weil sie arbeiten. Und da finden Sie, diesen Luxus sollten doch die Eltern bitte schön solidarisch untereinander mitfinanzieren.
Meine Damen und Herren! Hamburg investiert viele Millionen, um das Schulsystem grundlegend zu reformieren. Das ist gut und bringt Hamburg voran; darüber haben wir heute schon in zwei Debatten gesprochen. Es ist aber wirklich hirnrissig, den gleichen Kindern den Zugang zu Bildung vor der Schule durch Gebühren, die sich viele Familien nicht leisten können, abzuschneiden.
Wenn es heute bis in die Gymnasien hinein Kinder mit Sprachförderbedarf gibt, dann liegt das vor allem daran, dass diese Kinder nicht schon in der Kita hinreichend Deutsch gelernt haben, entweder, weil sie nicht da waren, oder weil sie in viel zu großen Gruppen untergebracht wurden. Wir haben
gemeinsam die Klassenfrequenzen der Grundschulen in den benachteiligten Gebieten auf maximal 19 Schülerinnen und Schüler gesenkt, aber in der Kita werden die Drei- bis Sechsjährigen nach wie vor in Gruppen mit 25 oder 26 Kindern gestopft; das sind fast 40 Prozent mehr, als in den ersten Klassen. Das ist Ihrer Standardabsenkung von vor fünf Jahren geschuldet. Während die Lehrerinnen und Lehrer über das ganze Jahr gesehen rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Vor- und Nachbereitung des Unterrichts verbringen, was angemessen ist und was ihnen niemand streitig macht, verlangen Sie von den Kita-Erzieherinnen hundertprozentige Präsenz. 38,5 Stunden Arbeitszeit heißt 38,5 Stunden am Kind mit 40 Prozent mehr Kindern in der Gruppe als in der Grundschule. Sie sollten sich nicht wundern, wenn viele Eltern Ihnen nicht mehr abkaufen, dass Sie es gut meinen mit Hamburgs Kindern.
Die Volkspetition gegen Ihre Gebührenerhöhung hat, das können wir gar nicht oft genug betonen, 42 500 Unterschriften erhalten, aber auch das hat Sie leider nicht beeindruckt. In einer Facebook-Gruppe, der inzwischen fast 4000 Mitglieder angehören, tauschen sich Betroffene täglich über die schlimmen Folgen Ihrer Politik aus. Ich will ein Beispiel zitieren.
"Weil alleine der Grundbeitrag mehr als doppelt so hoch ist, ganz zu schweigen von dem Essensgeld. Im Elementarbereich kosten Frühstück und Mittag zusammen 21 Euro, jetzt zahle ich nur für Mittag 42 Euro. Gleiches Essen, gleicher Ort."
Diese Koalition öffnet die Bildungsschere. Sie versuchen, sogar Mindestbeitragszahlern künftig 56 Euro mehr im Monat abzuknöpfen, wenn sie zwei Kinder im Hort haben; das sind die Zahlen. Möglicherweise werden Sie diese 56 Euro am Ende gar nicht bekommen, weil die Leute nämlich hingehen und ihre Kinder abmelden werden. Die
ersten erschreckenden Zahlen darüber gibt es schon, nur wollen Sie sie nicht wahrhaben und haben auch im Ausschuss geleugnet, dass es diese Abmeldungen gibt. Wir haben deshalb bei der letzten Sitzung zur ersten Lesung einen Zusatzantrag eingebracht, mit dem wir Sie auffordern wollten, von der Gebührenerhöhung und den Kürzungen der Rechtsansprüche abzusehen. Sie haben diesen Antrag abgelehnt.
Ich möchte kurz auf den Antrag der LINKEN eingehen. Dieser Antrag ist auch für uns nicht annehmbar, weil er erstens, anders, als die Überschrift hoffen lässt, nicht die Rücknahme der aktuellen Gebührenerhöhung fordert, zweitens im Gegensatz zu dem, was wir von der SPD-Fraktion mehrfach gefordert haben, das Essensgeld beibehält, außer bei SGB-II- oder SGB-XII-Bezug, und er drittens neue Ungerechtigkeiten schafft, indem Bezieherinnen und Bezieher von SGB-Leistungen vollständig von den Gebühren freigestellt werden sollen, während diejenigen, deren Einkommen leicht darüber liegt, für Betreuung und Essen sogar erhöhte Gebühren zahlen müssten. Diese Ungerechtigkeit würde zur Besserstellung der Bezieher von SGB-Leistungen führen. Wir können uns dem deshalb so nicht anschließen und lehnen diesen Antrag der LINKEN ab; das nur zur Klarstellung.
Abgesehen davon, dass die Gebührenerhöhung und die Reduzierung von Rechtsansprüchen durch CDU und GAL einen Rückschritt für die frühe Bildung in Hamburg bedeuten, der Chancengerechtigkeit für Hamburgs Kindern schaden, eine erschreckende Unkenntnis des Senats über die Situation von Hamburgs Familien zeigen und gegen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerichtet sind, gibt es einen Punkt, der Eltern noch zusätzlich wütend und fassungslos gemacht hat: Ihre Sprache und Ihre Aussagen, das Leugnen und scheibchenweise Einräumen der Konsequenzen und Ihre Verharmlosungen der Folgen für die Eltern. Ich will das an einigen Beispielen festmachen.
Erstes Beispiel, zur Einschränkung der Hortbetreuung: Sie haben zunächst behauptet, Kinder zwischen zwölf und 14 Jahren seien nur sehr selten im Hort anzutreffen.
(Thomas Böwer SPD: Ja, hat Herr Wersich behauptet! – Gegenruf von Dr. A. W. Hein- rich Langhein CDU: Das ist aus dem Zusam- menhang gerissen!)
Mit der offiziellen Senatsmitteilung musste dann eingeräumt werden, dass davon im Jahr 2010 rund 600 Betreuungsverhältnisse betroffen sind.
Zweites Beispiel, zur Sprache: Es gab die öffentliche Aufforderung, Hamburgs Eltern sollten doch bitte einfach einmal nachdenken. Sie haben außerdem behauptet, die Rechtsansprüche blieben er
halten. Erst spät und per Pressemitteilung kam dann die Korrektur. Nun heißt es, die Rechtsansprüche blieben – Zitat –:
Das dritte Beispiel, in jeder Hinsicht der Gipfel, kommt aus dem Hause des Sozialsenators. Unter der Überschrift "Anpassung der Kita-Gebühren" beantwortet die Sozialbehörde in einem Informationspapier sich selbst gestellte Fragen. Es geht auch um die Gebühren für die Eltern behinderter Kinder, die, wie wir wissen, um bis zu 700 Prozent erhöht werden.
Senator Wersich, Herr von Beust und Sie alle reden im Zusammenhang mit den Kita-Gebühren besonders gern davon, dass es unverantwortlich sei, Schulden auf Kosten der kommenden Generationen zu machen. Das teilt meine Fraktion, vor allem, wenn es um explodierende Baukosten oder um fehlende Wirtschaftlichkeit bei Großprojekten geht; der Rechnungshof hat es Ihnen ja aufgeschrieben. Unsinnige Investitionen, die unsere Kinder oder deren Kinder bezahlen müssen, darf es nicht geben, aber es ist einfach Unfug, wenn da die Kosten für die Kitas mit einbezogen werden, wie Sie es immer tun. Es gibt wohl keinen anderen Bereich, in dem Ausgaben so direkt den kommenden Generationen zugutekommen. Frühe Bildung ist die beste Investition. Herr Senator, kommen Sie bitte zur Vernunft. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Veit, es zeugt auch nicht gerade von Bodenhaftung, wenn man hier theatralische Kommentare aus Facebook zitiert und das als sachliche Debatte darstellt.
(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Das sind betroffene Eltern! Wenn das für Sie Theatralik ist!)
Es zeugt ebenfalls für wenig Bodenhaftung, wenn man behauptet, durch die Gebührenerhöhung würde die schwarz-grüne Regierung den Zugang zu Bildung abschneiden. Das ist kompletter Unfug