Die Fakten sind bekannt, einige hat Herr Rabe genannt. Ich füge noch den hohen Anteil an Jugendlichen hinzu, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen, den unglaublich hohen Anteil von Jugendlichen, die nach der Schule im Übergangssystem von teilqualifizierenden und nicht qualifizierenden Orten – kann man fast schon sagen – landen, wo man im Grunde schon die Langzeitarbeitslosigkeit auf Hartz IV vorbereitet.
Wenn ein Hamburger Schulkind ein Elternteil hat, das Akademiker ist, hat es bei gleicher Leistung mit einem Vergleichskind eine 4,5-mal höhere Chance, das Abitur zu machen. Das belegen auch alle Studien immer wieder; die Vergleichsstudien von PISA und OECD sprechen alle eine Sprache. Es wird ganz klar deutlich, dass in den westlichen Industrienationen Deutschland das Land mit der höchsten sozialen Auslese ist und es in Deutschland noch einmal Hamburg ist, was da besonders draufsattelt. Während in der Bundesrepublik der Faktor 3,6 ist, haben wir in Hamburg diesen Faktor von 4,5, der ein absoluter Skandal ist und mit Bildungsgerechtigkeit nicht das Allergeringste zu tun hat.
Nun ist es nicht so, dass in den letzten Jahrzehnten die Bildungspolitiker in Hamburg geschlafen haben, es ist an ganz vielen Stellen gedreht worden. Es sind viele kleine und größere Reformen – in Anführungsstrichen – auf den Weg gebracht worden. Das beunruhigt natürlich auch viele Menschen in der Stadt ein bisschen, weil nicht jede Reform auch gegriffen und den Erfolg gehabt hat, den man sich erhofft hatte. Deshalb gibt es natürlich auch ein ganz großes Misstrauen in der Stadt, was zum Beispiel die Beschlüsse der Schulbehörde an
betrifft. Das muss man einfach sehen, das ist in den Lehrerkollegien so, das ist bei den Eltern und auch bei den Schülern so.
Insofern kann man feststellen, dass die realisierten Einzelmaßnahmen und auch die Reformen in der Summe in den letzten zehn Jahren im Grunde nicht viel an diesem Grundproblem geändert haben. Es gibt keine Bildungsgerechtigkeit in dieser Stadt und – wie Herr Kerstan angeführt hat – sowohl die Spitzenbegabungen als auch die, die Schwierigkeiten haben zu lernen, sind nicht in der Art und Weise gefördert worden wie man es hätte machen müssen, wenn man es verantwortlich macht.
Eigentlich hat sich schon ganz früh die Frage nach dem Schulsystem gestellt und das ist auch nicht neu. Wir haben schon seit Anfang des vorigen Jahrhunderts in der Reformpädagogik diese Frage gestellt. Wir haben sie im Zusammenhang mit der Gesamtschuldebatte immer wieder erörtert und über Initiativen bis hin zur Enquete-Kommission, die 2007 ihren Bericht abgegeben hat, auch immer wieder in der Stadt neu diskutiert.
Die Gesamtschuldebatte hat uns eines ganz deutlich gezeigt: Wenn ich ein Schulsystem ändern will und mache es auf freiwilliger Basis und lasse zwei Systeme nebeneinander laufen und vergleiche permanent, dann passiert das, was mit der Lehmann-Studie passiert, dann vergleiche ich Äpfel mit Birnen. Wenn ich in der zehnten Klasse zum Beispiel die Leistungen in Mathematik im Gymnasium Hochrad mit denen an der Gesamtschule in Billstedt vergleiche, dann weiß ich vorher, was dabei herauskommt. Daraus den Schluss zu ziehen, dass die Gesamtschulen nicht so leistungsfähig wie die Gymnasien seien, hat letztendlich den Gesamtschulen ganz stark geschadet. Deshalb begrüßen wir von der LINKEN, dass die Regierung standfest geblieben ist und darauf besteht, dass die sechsjährige Primarschule flächendeckend und verbindlich eingeführt ist. Nur so kann das gut sein für die Kinder in Hamburg.
Schwarz-Grün hat jetzt ein Schulgesetz vorgelegt, in dem ein anderes Schulsystem angepeilt wird, nämlich dass die vierjährige Grundschule durch die sechsjährige Primarschule abgelöst wird. Das ist ein Weg in längeres gemeinsames Lernen, der uns zwar einen Schritt zu klein ist, aber es ist der richtige Weg in die richtige Richtung. Wenn wir das jetzt nicht hinbekommen, dann dauert das noch einmal zehn Jahre und das können wir uns für unsere Schüler überhaupt nicht leisten.
Ausgangspunkt für die ganzen Überlegungen ist einfach das Grundgesetz, wonach niemand wegen seiner Herkunft, Religion, Hautfarbe und Geschlecht benachteiligt werden kann. In unserem
Schulsystem haben wir aber täglich die Benachteiligung. In dem Zusammenhang bedauern wir von der LINKEN sehr – wir haben vorhin von Frau Senatorin Goetsch dieses Beispiel mit den Kindern gehört und dass ungefähr 50 Prozent aller Kinder in unseren Schulen einen Migrationshintergrund haben –,
dass die Eltern dieser Kinder, da sie häufig nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, nicht am Volksentscheid teilnehmen können. Wir müssen uns in Zukunft überlegen, wie wir es hinbekommen, dass auch diese Eltern bei solchen Volksentscheiden auf jeden Fall mitstimmen können, sonst ist das auch nicht repräsentativ und die Betroffenen müssen ihr Wort erheben können.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese schulpolitische Debatte in der Aktuellen Stunde ist aus zwei Gründen wichtig. Zum einen brauchen wir eine Veränderung der Schulstruktur im Bereich der Primarschule hin zum längeren gemeinsamen Lernen bis Klasse 6. Dieses entspricht auch voll und ganz den Notwendigkeiten der Hamburger Bildungslandschaft.
Zum zweiten, das sage ich auch, akzeptieren und respektieren wir natürlich den Volksentscheid, selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass er nicht zugunsten der Regierung ausgeht.
Wir haben zur Kenntnis genommen, und das möchte ich hier noch einmal unterstreichen, dass in den vergangenen Jahren in Hamburg erste Reformschritte notwendig waren, um die Bildungsqualität unserer Jugend zu verbessern. Dazu wurde der erste Schritt, die Stadtteilschule, schon 2006 geplant. Jetzt erfolgt eine Fortsetzung und Erweiterung dieser Reformbemühungen nach gründlichen Diskussionen und wichtigen, fachbezogenen Debatten. Diese Diskussionen wurden und werden, das sage ich freimütig, in und außerhalb von Parteien strittig und kontrovers erörtert. Das ist sinnvoll, denn es geht um Bausteine eines besseren Schulkonzepts. Deshalb wirbt die CDU auch offensiv in allen Bezirken und Stadtteilen für diese Schulreform. Eine Großstadt wie Hamburg darf die auftauchende Bildungsspaltung, die Kluft zwischen den 20 oder gar 25 Prozent wenig oder gar nicht richtig ausgebildeten Jugendlichen und den 70 Prozent erfolgreichen Schülern nicht länger tatenlos hinnehmen.
Wir würden auch weiterhin spalten, ob wir es wollen oder nicht, wenn wir an den starren bisherigen Übertrittsregelungen nach Klasse 4 festhalten. Das hilft niemandem, schadet aber vielen und entspricht nicht unserem Bild einer solidarischen Bildungsgesellschaft. Wir verspielen die Chancen vieler Kinder und Jugendlichen, die längere Zeit benötigen, sich den Kulturtechniken unserer modernen Zeit im Rechnen, Lesen und Schreiben anzupassen und diese aktiv zu erlernen. Wir verspielen die Chancen derjenigen, die den Schulabschluss nicht schaffen.
Gleichzeitig verhindern wir aber nicht, dass gute Schüler besser gefördert werden und aus diesem Grunde sagen wir auch, dass dieses neue Konzept von Schule beiden Gruppierungen hilft, den Schwachen wie den Starken.
Es ist eben kein Gegensatz, dass wir gleichzeitig leistungsstarke und -schwache Schüler fördern müssen. Das dürfen wir und wir müssen es. Jeder Lehrer, jede Lehrerin ist gezwungen, alle Talente besonders jetzt weiterzuentwickeln.
Es erscheint mir aber auch richtig, darauf hinzuweisen, dass in den ersten Schuljahren die Anzahl der Schüler verringert werden muss, die keinen Lernerfolg haben, und aus diesem Grunde erweitern wir diese Grundschule zur Primarschule. Das ist kein Vorwurf an die bisherige Lehrergeneration, sondern die Bekräftigung des organisatorischen Strukturdefizits unserer bisherigen Schulformen.
Meine Damen und Herren! Die Vorredner haben eben schon auf einige Punkte hingewiesen, ich erweitere sie. Kompetenzorientierung, Lernentwicklungsgespräche, regelmäßige partnerschaftliche Lerngemeinschaften müssen eingeübt werden, die Klassengrößen werden verringert, intensive Lehrerfortbildung – 9000 bis 10 000 Lehrerinnen und Lehrer sollen daran teilnehmen – wird stattfinden und Fachunterricht kann ab Klasse 4 eingeführt werden.
In aller Ernsthaftigkeit richte ich meinen Appell zur Unterstützung dieser Reform an Sie alle, an uns alle. Gehen Sie mit uns, sprechen Sie an Ihrem Wohnort mit Nachbarn und Freunden, den Arbeitskollegen, den Mitspieler/-innen im Sportverein, den Sonntagsskatrunden.
es hilft denen, die noch auf der untersten Schwelle der Bildungsleiter sind und es verpflichtet uns, kein Talent oben oder unten abzulehnen, zurückzusetzen oder zu übersehen. Diese Kinder sind unsere Zukunft. Sprechen wir nicht nur davon, sondern handeln wir. Setzen wir das Kreuz an die richtige Stelle, nämlich dahin, wo die Bürgerschaft sich erklärt hat. Das schadet keinem und es nutzt unserer jüngeren Generation. Schaffen wir eine leistungsfähige, eine moderne und zukunftsfähige Schule. – Vielen Dank.
Ich bin mir ganz sicher, dass die Enttäuschung groß ist, aber die Redezeit der Aktuellen Stunde ist erschöpft.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 32, Drucksache 19/5984, Antrag der SPD-Fraktion: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses "Elbphilharmonie".
[Antrag der Fraktion der SPD: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses "Elbphilharmonie" – Drs 19/5984 –]
Ich stelle fest, dass dieser Antrag mit dem nach Artikel 26, Absatz 1, Satz 1 der hamburgischen Verfassung erforderlichen Quorum gestellt worden ist. Wird das Wort gewünscht? – Frau Koeppen, bitte.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit großer Euphorie wurde am 2. April 2007 der erste Spatenstich am Kaispeicher A getätigt. Knapp ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl 2008 sollte mit dem Bau der Elbphilharmonie ein neues Wahrzeichen im Hamburger Hafen entstehen. Schon im Jahre 2010, so sah es der ursprüngliche Zeitplan vor, sollte die internationale Musikwelt Hamburg zu Füßen liegen, ein wunderbarer Traum an der Elbe. Heute, keine drei Jahre später, ist dieser Traum zerplatzt und wir stehen vor den Trümmern des Hamburger Millionengrabes. Der Anteil der Baukosten der Stadt Hamburg ist von 77 Millionen Euro auf mittlerweile 323 Millionen Euro angestiegen
und weitere Kostensteigerungen von HOCHTIEF sind bereits angekündigt worden. Diese Kostensteigerungen werden den schon jetzt angeschlagenen Haushalt noch weiter belasten.
Frau Blömeke hat uns zwar eben erklärt, wie es sich mit der Elbphilharmonie verhält, nämlich dass die Verträge bereits geschlossen sind und wir nichts mehr dagegen machen können. Doch ich sage, dass wir schon noch etwas machen können. Die Hamburgische Bürgerschaft ist verpflichtet, in dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss dafür zu sorgen, dass die Hamburger Bürgerinnen und Bürger endlich die ganze Wahrheit über den Bau der Elbphilharmonie erfahren.
Wir appellieren gleichzeitig an den Senat, den Ausschuss mit allen Kräften zu unterstützen und seinen Beitrag zu einer schonungslosen Aufklärung zu leisten. Gerade in bautechnischer Hinsicht wirft der Bau der Elbphilharmonie sehr viele Fragen auf, zum Beispiel, warum mit dem Bau am 2. April 2007 begonnen wurde, obwohl noch keine gültige Baugenehmigung für das Gebäude der Elbphilharmonie vorlag.
Diese Genehmigung wurde erst am 30. Januar 2008, fast ein Jahr nach dem Baubeginn, von der Behörde ausgestellt. Der letzte Änderungsbescheid wurde sogar erst am 14. Dezember letzten Jahres genehmigt und noch immer liegen nicht alle Genehmigungen für das Projekt vor.
So ist zum Beispiel immer noch nicht geklärt, wie die spektakuläre Fassade gereinigt werden soll. Die ursprüngliche Idee, Fassadenkletterer einzusetzen, wurde vom Amt für Arbeitsschutz abgelehnt. Warum gab es eine Nachgründung von 650 Holzpfählen, wenn doch in einer technischen Voruntersuchung festgestellt wurde, dass sich die Tragfähigkeit der vorhandenen Pfahlgründung des Kaispeichers A seit 1963 erhöht haben soll? In einem Interview sagte der Erste Bürgermeister Ole von Beust, dass, falls der mit dem Investor vereinbarte Preis nicht eingehalten werden sollte, das wirtschaftliche Risiko nicht bei uns läge, es sei denn, es gäbe auf unserer Seite Planungsfehler zu verantworten. Ich frage mich, warum dann die ReGe seit über einem Jahr die Pläne des Generalplaners pauschal freigab.
Diese Fragen sind nur beispielhaft. Die alles entscheidende Frage ist aber, warum die Ausschreibungsunterlagen bereits auf Grundlage der Entwurfsplanung ohne gültige Baugenehmigung erstellt wurden.