Protocol of the Session on May 5, 2010

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Genauso unseriös ist Ihre Behauptung, wir würden den Rechtsanspruch entziehen. Die Rechtsansprüche bleiben in Hamburg erhalten und – der Senator hat es ausgeführt – damit sind wir bundesweit

(Thomas Böwer)

an der Spitze. Wir reduzierenden den Rechtsanspruch bis zum vierzehnten Lebensjahr auf das Ende der sechsten Klasse, da sind die Kinder im Durchschnitt zwölf und das ist vertretbar. Das wird morgen noch einmal im Ausschuss debattiert und wir haben es auch der Öffentlichkeit verkündet. Ich kenne das selbst, meine drei Kinder würden mir etwas husten, wenn ich ihnen sagen würde, sie sollten mit 13 oder 14 noch in den Hort gehen.

Wir haben ein gut ausgebautes Netz an Jugendhilfeeinrichtungen, wir haben den pädagogischen Mittagstisch,

(Zurufe von der SPD)

wir haben Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit und viele andere Jugendhilfeeinrichtungen. Ein Wechsel ist für die Kinder, wenn sie dann noch Hausaufgaben in der Betreuung machen, durchaus gegeben, Hamburg bietet dafür Möglichkeiten. Wir haben uns deshalb entschieden, den Rechtsanspruch aus Gründen der Ausgabenbegrenzung wieder von 14 Jahren auf das Ende der Primarschulzeit zu reduzieren. Das halte ich für vertretbar und deswegen stehen wir zu dieser Maßnahme.

Aber diese pauschale und unsinnige Behauptung von Ihnen, wir entzögen den Eltern und Kindern die Rechtsansprüche, ist einfach nur platt und plakativ.

(Michael Neumann SPD: Aber richtig! Sie senken ab, haben Sie gesagt! Abgesenkt ist abgesenkt!)

Ich erwarte von Ihnen einfach eine dezidierte Darstellung und nicht immer diese Plattitüden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Yildiz.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Die Redner der Opposition haben deutlich gemacht, warum frühkindliche Bildung wichtig ist. Seit wir in Hamburg das Kita-Gutscheinsystem haben, sieht man auch im Bereich der Hilfen zur Erziehung wie die Kosten steigen. Wenn ein kluger Senat mit seiner Kinder-, Jugend- und Familienpolitik anders umgehen würde, würde er in vielen Bereichen langfristig wesentlich mehr sparen, ohne Kürzungen vornehmen zu müssen.

Wenn wir uns ansehen, dass wir jährlich Hunderte von Millionen Euro in den Bereich Hilfen zur Erziehung geben und wenn wir einmal zurückblicken, wie viele dieser Kinder den Rechtsanspruch erst ab dem dritten Lebensjahr haben und nicht früher und diese Familien mit Kindern nicht entlastet werden können, dass die Kinder von dieser frühkindlichen Bildung nicht rechtzeitig profitieren, dann

sieht man, wo eigentlich der Fehler liegt. Senator Wersich vergleicht immer mit anderen Bundesländern. Berlin hat ein Beispiel gegeben, es hat in Zeiten der Finanzkrise nicht gekürzt, sondern im Gegenteil 70 Millionen Euro investiert. In Berlin wurde der Rechtsanspruch auf zwei Jahre heruntergesetzt und nicht nur auf fünf, sondern auf sieben Stunden erhöht. Dort wurde Sprache als ein Kriterium für die Kita-Gutscheine genommen und was haben Sie gemacht?

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Yildiz, entschuldigen Sie, dass ich unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stephan Müller?

Er kann gern fragen.

Herr Kollege Yildiz, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie eben einen Vergleich gezogen haben und sagten, seitdem es das Kita-Gutscheinsystem gäbe und somit wesentlich mehr Kinder im System seien, wäre zugleich der Bereich der Hilfen zur Erziehung gestiegen. Sie ziehen also den Schluss, dass Kinder, die mehr in der Betreuung sind, auch mehr auf die schiefe Bahn geraten?

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ha- ben Sie sich aber jetzt ausgedacht!)

– Wenn Sie sich das ausgedacht haben, kann ich nichts dafür.

Gleichzeitig hat auch Thüringen unter Schwarz-Rot beschlossen, mehr in den Kita-Bereich zu investieren. Wir sprechen über Bildung und vergleichen uns mit anderen Bundesländern, ob wir günstiger oder teurer sind. Bildung sollte von Anfang an gleich nach der Geburt eines Kindes bis zum Zeitpunkt des Studiums oder der Ausbildung kostenlos sein und durch Steuern finanziert. Statt die Gelder anderweitig zu verschwenden, sollten Sie sie in unsere Zukunft und in unsere Kinder investieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Böwer.

Frau Blömeke, wer eine Antwort bestellt, soll sie auch bekommen. Sie haben gefragt, wieso man dazu käme, an dieser Stelle einen Zusammenhang herzustellen zwischen Beitragserhöhungen und dem Aushöhlen eines Rechtsanspruchs. Dazu muss man nur ins Archiv gehen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und GAL heißt es, es solle geprüft werden, wie durch Anpassung der Gebührenstruktur Familien, die jetzt durch die Gebühr abgeschreckt würden, be

(Christiane Blömeke)

wegt werden könnten, ihre Kinder in die frühere Förderung einer Kita zu geben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das hat ja super geklappt!)

Nichts weiter habe ich gesagt. An der Stelle waren Sie schon einmal so weit festzustellen, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanspruchs auch etwas mit dem Preis zu tun hat. Die Anpassung der Gebührenerhöhung haben Sie im Augenblick nur etwas anders interpretiert und das nenne ich zynisch.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Jens Kerstan, du warst auch Mitglied der Fraktion. Im Übrigen sind die Aussagen nicht im Dezember 2008, sondern im Dezember 2006 gemacht worden. An der Stelle führt in der gleichen, von mir vorhin genannten Drucksache die GAL aus:

"Wir wollen, dass die heutigen Mindestbeitragszahlerinnen und -zahler zukünftig weder den Betreuungs- noch den Verpflegungsanteil zahlen müssen. Mit kostenlosen Betreuungsplätzen möchten wir einkommensschwache Familien finanziell entlasten und zugleich vermeiden, dass die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes von der finanziellen Lage der Eltern abhängig ist."

(Christiane Blömeke GAL: Das war 2006, jetzt haben wir 2010!)

Frau Kollegin Blömeke, einer der wesentlichen Punkte einer leidvollen Geschichte, die die Sozialdemokratie mitgemacht hat: Das, was man in der Opposition verspricht, muss man in der Regierung auch halten, sonst wird man unglaubwürdig und Sie sind in Ihrer Familienpolitik völlig unglaubwürdig geworden.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Ich sehe zum ersten Thema keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Dann kommen wir für sieben Minuten zum zweiten Thema, angemeldet von der GAL-Fraktion

Leistungsstärker und gerechter: Eine bessere Schule für unsere Kinder!

Wer wünscht das Wort? – Herr Kerstan, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Deutschland ist ein Land ohne Rohstoffe und deshalb sind unser Kapital gut ausgebildete Menschen. Deshalb geht es auch um die

Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, wenn wir über die Bildung unserer Kinder reden. Das ist ein gängiges Zitat aus der Sammlung der Sonntagsreden zur Lage der Nation, wie wir es schon seit vielen Jahren in diesem Land gehört haben.

Wir in Hamburg wollen uns jetzt auf den Weg machen, endlich aus schönen Reden Taten werden zu lassen. Dieser Senat, alle Fraktionen und Parteien der Bürgerschaft machen sich endlich auf den Weg für eine bessere Schule, die gerechter und leistungsfähiger ist. Wir wollen alle Anstrengungen unternehmen und sehr viel Geld in die Hand nehmen, damit unsere Kinder in dieser Stadt bessere Chancen bekommen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Eine bessere Schule, das heißt, dass alle Schülerinnen und Schüler besser werden müssen, die Starken wie auch die Schwachen, denn wir alle wissen schon lange, dass unsere Schulen sich verändern müssen.

Die innovative Idee unseres derzeitigen, gegliederten Schulsystems ist 200 Jahre alt. Seitdem hat sich die Welt verändert, unser Schulsystem ist das gleiche geblieben. Dieses Festhalten an einem alten System hat der Leistungsfähigkeit unserer Schulen nicht gut getan. Wenn sich im 19. Jahrhundert durch die Humboldtschen Reformen Deutschland im Bildungssektor international an die Spitze gesetzt hat, dann sind deutsche Schulen im 21. Jahrhundert im internationalen Vergleich zurückgefallen, sie hinken hinterher. Wenn man das ändern will, dann muss man zum Glück nicht nach neuen Ideen und Lösungen suchen, sondern den Schlüssel zum Erfolg haben wir in der Hand. Längeres gemeinsames Lernen, individuelle Förderung, kleinere Klassen und mehr Lehrer, all das, was wir gemeinsam beschlossen haben, ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Bürgerinnen und Bürger können darüber abstimmen und das ist auch gut für eine bessere Schule in dieser Stadt.

(Beifall bei der GAL und bei Hartmut Engels CDU)

Wir reden dabei nicht nur über die Struktur, wir reden insbesondere darüber, die Kinder individuell zu fördern. Das ist manchmal schwierig, denn die Schule heute kann viel mehr als wir Erwachsene, die wir als Kinder Schüler des Frontalunterrichts waren, jemals selbst erlebt haben. Die individuelle Förderung der Kinder nach ihren Talenten und ihren Fähigkeiten ist möglich. In der Schule, wie wir sie wollen, sieht es völlig anders aus als das, was wir selbst in der Schule erlebt haben. Kinder spielen darin eine weit wichtigere Rolle. Sie lernen nach ihrem eigenen Tempo, nach ihren eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten und sie lernen voneinander und miteinander. So helfen die Starken den Schwachen, lernen dabei kennen, was sie können und was sie noch nicht können und da

(Thomas Böwer)

durch lernen die Stärkeren eigentlich auch von den Schwachen.

Meine Damen und Herren! Alle in diesem Parlament vertretenen Fraktionen haben sich dem Ziel verschrieben, für eine bessere Schule zu kämpfen. Aber es geht bei diesem Volksentscheid nicht darum, Politik gegen Bürger zu machen. Parteien, Gewerkschaften, Handwerkskammer, Sozialverbände und viele Hunderte engagierte Bürgerinnen und Bürger, alle wollen eine bessere Schule. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sagen: Ja, ich bin ein Schulverbesserer, ja, ich bin eine Schulverbesserin, denn sie haben verstanden, dass sich unsere Schulen ändern müssen und glauben daran, dass wir diese Schulen nicht nur besser machen müssen, sondern dass wir es können, wenn wir es denn wollen und weil sie einen Beitrag dazu leisten können.

Meine Damen und Herren! Die Befürworterinnen einer besseren Schule werden von Tag zu Tag immer mehr. Diesen Impetus müssen wir in den nächsten Wochen auf die Plätze und Straßen unserer Stadt tragen.

(Beifall bei der GAL und der CDU und ver- einzelt bei der SPD und der LINKEN)