Protocol of the Session on May 5, 2010

Der einzige sachliche Satz, den ich mir aus Ihrer Rede gemerkt habe, war ein Satz aus dem von Ihnen zitierten Behördenschreiben: Die Verhältnisse haben sich geändert.

(Thomas Böwer SPD: Deswegen Hotelbet- ten statt Kindergartenplätze, ja?)

Das ist die Kernaussage. Das ist das, was CDU, GAL und der Senator versuchen, nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch den Medien und diesem Parlament deutlich zu machen: Die Verhältnisse haben sich geändert und jeder einzelne hier trägt eine Mitverantwortung.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Noch einmal zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Ich habe es schon angeführt, dass uns aufgrund dieses Projektes 130 Millionen Euro in der Kasse fehlen. Sie sollten nicht verhehlen, dass sich der Bürgermeister Ole von Beust gegen das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ausgesprochen hat. Das ist, so meine ich, eine wichtige Information.

(Zurufe von der SPD)

Ich bitte Sie, nicht ganz so laut.

– Ich muss lauter werden, weil die auch so laut sind. Okay, ich werde leiser.

Ich meine nicht Sie, Frau Abgeordnete, ich meinte die Zwischenrufer.

(Heiterkeit bei der SPD)

Sie können so fortfahren, wie Sie gesprochen haben.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

– Ich dachte, vielleicht ereifere ich mich zu laut und deswegen werde ich jetzt etwas leiser.

Ich möchte noch einmal zur Elbphilharmonie kommen. In der Tat erreichen uns sehr häufig Zuschriften von Bürgern, die fragen, warum wir, wo wir doch das ganze Geld in die Elbphilharmonie

(Arno Münster SPD: So ist das doch!)

und in die HSH Nordbank fließen ließen, die Mittel denn nicht von da nähmen. Ich finde es traurig – es wurde schon gesagt –, dass die Opposition wider besseres Wissen auf diesen Zug aufspringt. Es ist bedauerlich, dass Sie als Politiker das aufnehmen und auch noch weiterverbreiten.

Man kann zu der Elbphilharmonie stehen, wie man will. Die Verträge sind vor Jahren geschlossen und

(Dr. Friederike Föcking)

zumindest diese schwarz-grüne Regierung hatte keinen Einfluss auf sie.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Wir müssen jetzt mit dieser Elbphilharmonie leben. Was würde denn passieren, wenn wir den Bau stilllegen würden? Hamburg würde Schadensersatz in Millionenhöhe zahlen müssen und damit hätte keiner etwas gewonnen, auch die Kita-Eltern nicht.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Dasselbe, das möchte ich hier deutlich und für die Öffentlichkeit sagen, gilt auch für die HSH Nordbank. Natürlich sind da Millionen Euro hingeflossen, das war aber auch wichtig. Ich bin keine Finanzpolitikerin, aber soviel habe ich verstanden: Wenn die Rettung der HSH Nordbank nicht vollzogen worden wäre, hätte dies dramatische wirtschaftliche Folgen gehabt, die die Stadt erst recht nicht hätte verantworten können. Die Auswirkungen wären sicherlich verheerender gewesen als die Situation, die wir jetzt haben.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Kopf und Kragen!)

Ich finde, all das muss berücksichtigt und auch den Eltern, den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt gesagt werden. Das erwarte ich eigentlich auch von der Opposition, aber das passiert leider nicht.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Dass wir Ih- re Politik rechtfertigen?)

Es läuft eine Volkspetition und es geistert die Idee durch die Stadt, ein Volksbegehren zu machen, um die Verfassung so zu ändern, dass die frühkindliche Bildung komplett beitragsfrei ist. Das ist ein schönes Ziel, das wir langfristig auch haben. Aber wer sich jetzt dafür einsetzt, muss wissen, dass auch nach einem Volksbegehren nicht mehr Gelder zur Verfügung stehen werden. Die Gelder müssten – auf Kosten der Qualität – aus dem KitaEtat genommen werden. Alle die vom Senator und mir aufgezählten Leistungen wären dann so nicht mehr möglich. Ein erfolgreiches Volksbegehren wird notwendigerweise zu Einsparungen in der Qualität führen. Man muss da einfach ein Stück weiter denken und nicht nur aus einer Protesthaltung heraus sagen: Ein Volksbegehren muss her, frühkindliche Bildung muss kostenfrei sein.

Ich bin mir sicher, dass wir uns da alle einig sind und dass Sie hier keinen finden, der dies grundsätzlich verneinen würde, aber die wirtschaftliche Lage gibt es jetzt nicht her. Wer kostenfreie frühkindliche Bildung fordert, denkt nicht weit genug. Er fragt nicht, wo das Geld herkommen soll und belastet letztendlich die eigenen Kinder, weil die Kitas die Qualität der genannten Leistungen nicht mehr halten könnten. Wir als Solidargemeinschaft könnten uns dann auch keine Mindestbeitragszah

ler leisten, für die es aber auch sehr wichtig ist, eine Kita besuchen zu können.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will keine allgemeine Debatte über die Haushaltslage führen, sondern darauf eingehen, welche Bedeutung die Kitas in unserer Gesellschaft haben. Versuchen wir doch einmal, dabei Herrn Wersichs Beitrag aufzunehmen.

Das Entscheidende bei der Diskussion in dieser Stadt ist doch – da sind wir uns auch hier im Hause einig –, dass wir länger gemeinsam gebildet werden wollen und in gewisser Weise auch länger gemeinsam spielen. Es ist häufig genug in der Bürgerschaft darüber diskutiert worden, dass der so entscheidende frühkindliche Bereich weiterentwickelt werden muss. Wir haben ohne Zweifel zum Teil gute Kita-Einrichtungen, aber, Herr Wersich, Sie kennen auch die Schwachstelle. In den Kitas unserer Stadt ist, auch im nationalen Vergleich, die Teilhabe zu gering, vor allem die Teilhabe von Migranten. Alle Wissenschaftler, die wir dazu fragen, sagen, es sei existenziell notwendig, das auszuweiten auf diese Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Weil diese Gesellschaft auseinanderfällt – nicht nur im sozialen Bereich –, sondern auch, weil 50 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben, ist gerade für sie die frühkindliche und gemeinsame Bildung zentral. Alle Wissenschaftler sagen dazu, den entscheidenden Schritt, den man machen kann, um die gemeinsame frühkindliche Bildung weiter auszuweiten, ist, dass der Elternbeitrag so gut wie verschwindet.

Es geht hier nicht darum, dass Einzelne etwas dazu beitragen müssen, sondern dass es unsere gesellschaftliche Aufgabe ist, vom dritten Lebensjahr an, wenn nicht schon früher, möglichst viele Kinder in der Kita gemeinsam zu erziehen, und das erreicht man nur ohne finanzielle Beiträge. Das ist die einzige Chance und es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die wir erfüllen müssen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Jetzt kommt das berühmte Beispiel, dass wir schon griechische Verhältnisse hätten und deswegen die Kita-Beitragserhöhung erfolgen müsse. Das ist das einzige Argument, das Sie gegenwärtig präsentieren,

(Christiane Blömeke)

(Thomas Böwer SPD: Ein Ouzo für gute Freunde!)

griechische Verhältnisse.

Frau Blömeke, Sie haben selbst deutlich gesagt, worin der Skandal eigentlich bestehe und dass die Empörung der Eltern verständlich sei.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist doch keine Naturkatastrophe, sondern etwas, das in gewisser Weise politisch geschehen und zu verantworten ist. Entscheidend jedoch ist, dass der Wegfall von Steuern zum Teil politisch bewusst durchgeführt wurde.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist doch eine politische Entscheidung, 130 Millionen Euro weniger Einnahmen und Sie erklären, dass eine Naturkatastrophe passiert sei.

(Farid Müller GAL: Das ist richtig böse, was Sie da sagen!)

Frau Föcking, Sie stehen mit Ihrer sogenannten Ehrlichkeit da und sagen, wir müssten es von den Eltern der Kinder in dieser Stadt wieder hereinholen. Das sei Ehrlichkeit und Vernunft, aber das ist Unsinn, das ist ein politischer Skandal, den Sie lösen müssen.

(Beifall bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Da können Sie nicht nur sagen, leider entscheide die Regierung irgendwie über Steuererleichterungen für die Reichsten in dieser Gesellschaft, aber Sie müssten andererseits das Geld wieder hereinholen, weil Sie mit an der Regierung beteiligt seien. Das geht nicht, das ist die Art und Weise, wie wir nicht in der Lage sein werden, in dieser Gesellschaft solidarisch weiter zu existieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)