Protocol of the Session on February 10, 2010

(Ingo Egloff SPD: Sie würde ich als Bau- rechtler nie engagieren!)

Das alles wird nur noch getoppt durch die Aussage des Kollegen Neumann oder war es Ihre, Herr Tschentscher,

(Dirk Kienscherf SPD: Das wissen Sie schon gar nicht mehr!)

so etwas muss man sich auch nicht merken –, der Senat möge doch einfach die Verträge kündigen. Das ist sicherlich ein guter Rat. Wir kündigen einen Bauvertrag mit einem Volumen von vielleicht 200 Millionen Euro, der noch im Raum steht. Und was passiert – das weiß vielleicht der Techniker nicht, aber Sie hätten sich juristisch beraten lassen müssen, Herr Egloff war zumindest einmal Rechtsanwalt und ist juristisch tätig –, wenn ich etwas kündige und die Kündigung ist nicht berechtigt? Schadensersatz kommt um die Ecke, vielleicht 200 Millionen Euro, aber mit dem Gutachten und Ihrer festen Überzeugung, dass der Senat alles falsch gemacht hat, kann ja gar nichts geschehen. Ihr Rat ist, die Stadt möge einfach den Vertrag kündigen. Das bedeutet ein Risiko in Höhe von mindestens 200 Millionen Euro und weitere Baukosten. Wenn Sie so fest von diesem Rat überzeugt sind wie von dem Gutachten, dann kommen Sie jetzt nach vorne und sagen Sie ins Plenum, wir kündigen den Vertrag, liebe Stadt, und nehmen das auf unsere SPD-Kappe. Jeder einzelne von Ihnen kommt nach vorne und erklärt: Ich hafte persönlich dafür, weil ich all das glaube, was hier steht, ich hafte mit meinem persönlichen Geld und mit meinem Namen. Wenn Sie das nicht wollen, dann lassen Sie derart unsinnige Behauptungen. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kerstan.

(Dirk Kienscherf SPD: Alles super bei der Elbphilharmonie, alles läuft gut!)

(Jörg Hamann)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Öffentliche Bauprojekte, die den Kostenrahmen nicht einhalten, erregen die Öffentlichkeit in vielen Fällen, und das zu Recht. Natürlich fragen sich die Bürger, was dort passiert. Sie haben eine ganze Reihe von Bauprojekten der letzten Jahre angeführt, aber man kann diese Liste natürlich auch beliebig verlängern in die Zeiten, in denen die SPD den Bürgermeister stellte.

(Karl Schwinke SPD: Mit der GAL!)

Der Bau des Unger-Museumsgebäudes wäre ein schönes Beispiel, auch die damals unter Führung der SPD gestartete Planung der S-Bahn zum Flughafen. Aber auch in noch weiter zurückliegenden Jahren bei der Einführung der City-S-Bahn oder beim Bau der Brücke des 17. Juni hat es dramatische Kostensteigerungen gegeben und eine berechtigte öffentliche Debatte, woran es denn gelegen hat.

Worum geht es jetzt bei diesem Antrag? Doch eigentlich nicht darum, wirklich herauszufinden, wie man in Zukunft Kostensteigerungen vermeiden kann, sondern es geht um einen relativ pauschalen und billigen Angriff, um diesem Senat vorzuwerfen, er mache wieder einmal alles falsch. Das lässt sich ganz einfach an einem Beispiel belegen, lieber Michael Neumann. Es ist leicht, einfach die Behauptung aufzustellen, in diesem Senat gebe es einen Kuhhandel, man bekäme dieses Bauprojekt oder das andere und wenn es teurer werde, dann mache das nichts. Aber wenn Sie eine solche Behauptung aufstellen, dann müssen Sie mindestens ein einziges Beispiel dafür nennen.

(Michael Neumann SPD: Die Elbphilharmo- nie ist doch das beste Beispiel!)

Wenn noch nicht das einmal gelingt, dann erwarte ich von einem Fraktionsvorsitzenden der Opposition, solche Behauptungen nicht nur zu unterlassen, sondern sie zurückzunehmen, denn das ist wirklich eine unfaire und böswillige Art und Weise, eine Debatte zu führen; das sollte man in diesem Haus nicht machen.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Michael Neumann SPD: Ein Armutszeugnis!)

Wenn man sich die Beispiele ansieht, die in dem SPD-Antrag aufgeführt werden, erkennt man, dass dort viele Punkte einfach zusammengemengt werden und von Kostensteigerungen gesprochen wird, die so überhaupt nicht zutreffend sind. Im Zusammenhang mit der Ortsumgehung Finkenwerder wird auf eine gewisse Kostensteigerung hingewiesen, aber dann – das finde ich doch sehr spannend – wird der Entschädigungsfonds, der dort aufgelegt wird, um zu vermeiden, dass Grundstücke enteignet werden, als Kostensteigerung gewertet. Das ist nun wirklich eine unseriöse Vermengung von Tatbeständen, die miteinander nichts zu tun haben. Das zeigt ganz deutlich, dass

dieser Antrag inhaltlich und sachlich überhaupt nicht gerechtfertigt ist.

Kommen wir zum Kern Ihres Antrags, zur Elbphilharmonie. Was Sie dort vorschlagen, hat dieser Senat bei anderen Projekten in vielen Punkten berücksichtigt, um nicht noch einmal die gleichen Fehler zu machen. Die erste Kostensteigerung bei der Elbphilharmonie in Höhe von 70 Millionen Euro bestand darin, dass der damalige Projektverantwortliche auf der Grundlage einer Machbarkeitsstudie, noch nicht einmal auf der Grundlage einer Vorplanung, Zahlen in die Welt gesetzt und gesagt hatte, so viel werde das kosten.

(Ingo Egloff SPD: Damit Sie ein Bauernopfer haben!)

Wer damals schon im Parlament oder in den Ausschusssitzungen dabei war, wird sich daran erinnern, dass auch vonseiten der Opposition gesagt wurde: Wie können Sie auf Grundlage einer Machbarkeitsstudie eine solche Zahl in die Welt setzen?

Und was macht dieser Senat bei anderen Bauprojekten? Er wiederholt diesen Fehler nicht. Das ist Ihnen allerdings auch nicht recht, das erkennen wir am Beispiel der Stadtbahn. Bei der Stadtbahn gibt es noch keine fertige Planung und wie wir gelernt haben, soll man noch nichts über die Kosten sagen, wenn die Planung noch nicht fertig ist. Das ist – ich komme gleich dazu – eines der großen Probleme bei der Elbphilharmonie, dass dort Preisverhandlungen geführt wurden auf der Grundlage noch nicht fertiggestellter Planungen.

(Beifall bei Martina Gregersen und Farid Müller, beide GAL)

Was macht jetzt die Opposition? Anstatt zu sagen, richtig, lieber Senat, da haben Sie einmal aus Fehlern in der Vergangenheit gelernt, drehen Sie den Spieß um und es ist Ihnen schon wieder nicht recht. Jetzt werfen Sie uns vor, dass wir die Kosten verschweigen. Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie über Kostensteigerungen reden oder wollen Sie nur billige Polemik, liebe Kollegen von der SPD?

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Bei der Elbphilharmonie muss man feststellen, dass es in der Tat Festpreisverhandlungen mit den Investoren zu einem Zeitpunkt gegeben hat, als die Planung noch nicht zu 100 Prozent stand.

(Arno Münster SPD: Das ist völlig egal bei einem Festpreis!)

Nein, das ist es nicht.

Ein Investor, das wird Ihnen jeder bestätigen, wird sich auf einen Festpreis nur einlassen, wenn klar und auch vertraglich vereinbart ist, wofür dieser Festpreis gelten soll.

(Ingo Egloff SPD: Das ist doch ein dynami- scher Festpreis, Herr Kollege!)

Das war nur zu 40 Prozent der Fall. Insofern muss ich mich wirklich sehr darüber wundern, dass Sie jetzt sagen, man solle aus dieser Vereinbarung, Nachtrag vier, aussteigen, denn letztendlich ist in dieser Vereinbarung das erfüllt worden, was in der Phase davor nicht gelungen war, nämlich die verschiedenen Vertragswerke durch die ReGe so zu koordinieren, dass keine Mehrkosten entstehen.

Es ist inzwischen schon fraglich – und das ärgert mich wirklich, das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen –, ob wir als öffentlicher Bauherr nicht allein deshalb bei Auftragnehmern im Nachteil sind, weil es nicht gelingt, die gemeinsamen Interessen der Bürgerschaftsfraktionen, die dafür sorgen sollten, dass die Steuerzahler nicht weiter belastet werden, solidarisch zu definieren,

(Ingo Egloff SPD: Daran erinnern wir Sie mal, wenn Sie wieder in der Opposition sind!)

um gegenüber einem Investor mit unberechtigten Ansprüchen wie HOCHTIEF aufzutreten und zu erklären, wir – die politisch Verantwortlichen, aber auch die Opposition – lassen uns nicht auseinanderdividieren. Von unserem Streit profitiert doch nur der Investor. Dass es bei einem so wichtigen Bauvorhaben nicht gelingt, dass Regierung und Opposition sich gegenseitig in die Hand versprechen, diesen billigen Versuchen des Baukonzerns nicht nachzugeben, dass Sie nicht dazu bereit sind und stattdessen die Verhandlungsposition der öffentlichen Hand durch den politischen Streit geschwächt wird, auch das ist eine Art Versagen. Diese Art des Politikversagens liegt allerdings auf Seiten der Opposition.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Es ist immer die alte Leier! – Ar- no Münster SPD: Das ist nicht unsere Auf- gabe! – ~ Unsere Aufgabe ist es, Sie zu kontrollieren!)

Die neuerlichen Preissteigerungen hat HOCHTIEF bisher durch keinerlei Unterlagen belegt, außer dass eine Pressekonferenz einberufen wurde, bei der man Behauptungen in die Welt setzte, ohne entsprechende Unterlagen vorzulegen. Wenn wir unsere städtische Gesellschaft fragen, was daran begründet ist oder auch nicht, erhalten wir die Antwort: Wir können das gar nicht prüfen, es gibt keinerlei begründete Unterlagen, die einen solchen Anspruch untermauern.

Zumindest in einer solchen Situation fordere ich von einer Opposition, die behauptet, im Interesse des Steuerzahlers zu handeln, Solidarität mit der Regierung.

(Ingo Egloff SPD: Herr Kerstan!)

Damit, dass Sie dazu nicht bereit sind, erweisen Sie dem Steuerzahler einen Bärendienst; das müssen Sie sich auch einmal sagen lassen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Man mag bestimmten Prozessen kritisch gegenüberstehen, aber wenn Sie in einem Antrag formulieren, der Senat solle jede Art von Mehrkosten des Generalunternehmers pauschal ablehnen, dann fordern Sie den Senat auf, vertragsbrüchig zu werden. In diesem Vertrag gibt es zwei Punkte, in denen ganz klar die Bedingungen genannt sind, unter denen ein Generalunternehmer Mehrkosten geltend machen kann. Wenn zum Beispiel durch höhere Gewalt – wir haben vorhin über den Winterdienst gesprochen – im Winter über eine längere Phase die Temperaturen unter Minus fünf Grad sinken, kann man keine Betonarbeiten mehr durchführen.

(Thomas Böwer SPD: Das ist wahr!)

Daher steht im Vertrag, dass der Generalunternehmer Mehrkosten geltend machen kann, wenn das über eine längere Phase der Fall ist. Da sagen Sie jetzt, der Senat solle so etwas ablehnen, er solle also vertragsbrüchig werden. Ist das kostensteigernd? Mit Sicherheit nicht.

(Ingo Egloff SPD: Da haben Sie ja Glück, dass wieder Winter ist, Herr Kerstan!)

Bei dem anderen Punkt geht es um Fassadenarbeiten. Für die Installation von Glaselementen ist dort ein Schwellenwert der Windgeschwindigkeit festgelegt. Wenn der an einem Tag dauerhaft überschritten wird, dann wird an diesem Tag nicht gearbeitet. Wenn der Generalunternehmer diesen Tatbestand nachweisen kann, kann auch das unter Umständen zu vertragsgemäßen Mehrkosten führen. Auch das soll der Senat nicht zugestehen, aber man kann mit diesen schwierigen Problemen nicht so umgehen, dass man juristische Tatbestände einfach leugnet. Damit mögen Sie die Lufthoheit über Stammtischen erringen, eine Lösung für schwierige Probleme bieten Sie damit aber keinesfalls an.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Andy Grote SPD: Was ist denn Ihre Lösung, Herr Kerstan?)

Natürlich kann man jetzt fordern, ein Schiedsgerichtsverfahren einzuleiten. Das würde bedeuten, dass für die Dauer des Verfahrens die Arbeiten am Bau ruhen und wir wahrscheinlich mehrere Monate lang jeden Schritt praktisch gegen den Generalunternehmer vor Gericht einklagen müssten.

(Ingo Egloff SPD: Da fragen Sie mal Ihren Baurechtsexperten Hamann, der wird Ihnen das erläutern!)

Dass ein solcher Prozess die Bauzeit verlängert, ist sicherlich unbestritten. Klar ist aber auch, dass

der Bau dadurch mit Sicherheit nicht billiger wird. Auch das ist also ein Vorschlag, der im ersten Moment ganz vernünftig klingt, in letzter Konsequenz aber die Kosten für die öffentliche Hand nicht begrenzen, sondern im Gegenteil erhöhen würde. Auch aus diesem Grund ist Ihr Antrag unverantwortlich.

Und wenn Sie jetzt ernsthaft behaupten, in der jetzigen Situation könne man einfach so den Vertrag mit dem Generalunternehmer kündigen – im vollen Bewusstsein dessen, dass es in der ganzen Welt wahrscheinlich nur zwei, drei andere Konzerne gibt, die einen solchen Bau durchführen können –, ist auch das ein ganz unrealistischer Vorschlag. Glauben Sie im Ernst, dass es billiger wird, wenn Sie mit einem neuen Generalunternehmer noch einmal einen ganz neuen Vertrag aushandeln? Das Gegenteil wäre doch der Fall.

Alle Ihre Forderungen sind wirklich nur auf eines ausgerichtet, und das belegt auch die Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden. Es geht Ihnen um die Lufthoheit der Stammtische. Das wird aber den ernsten Problemen, denen wir uns im Interesse der Steuerzahler stellen müssen, nicht gerecht.