Protocol of the Session on January 21, 2010

Es sind Einzelfälle gewesen, Herr Dressel, und wir haben da schon unsere kleinen Erfolge gehabt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nur die Künstler haben nichts davon gemerkt! Ich weiß nicht, mit wem Sie geredet haben!)

Umso besser, wenn wir jetzt dieses Gutachten haben.

Das Gutachten selbst – herzlichen Dank dafür – ist kreativ, denn die Form einer Wetterkarte, die diese kreativen Milieus wiedergibt, zeigt ganz klar die Atmosphäre, die wir in der Stadt neuerdings haben. Das ist ganz großartig.

(Unruhe bei der SPD)

Der Senat und die schwarz-grüne Koalition vollziehen – Herr Dressel, vielleicht nehmen auch Sie es wahr – einen Paradigmenwechsel. Ein Beispiel dafür ist das Gängeviertel, wo wir deutlich abkommen vom Höchstpreisgebot und hin zur Förderung von Kreativflächen, und zwar im Rahmen eines Konzepts, nicht in Einzelfällen. Da wird einem ganz häufig entgegengehalten, wie soeben auch, dass diese Vorhaben nicht glaubwürdig seien. Ich entgegne Ihnen darauf ganz klar: Unsere tatsächlichen Maßnahmen sprechen eine eindeutige Sprache. Wir gründen beispielsweise jetzt die Kreativagentur mit der vielfältigen Aufgabe, alle Branchen dort zu begleiten. Es wurde ein Fonds in Höhe von 300 000 Euro pro Jahr für die Unterstützung von städtischen Kreativ-Immobilien eingerichtet. Wir arbeiten an einem Modell, das eine solche Unterstützung auch für private Immobilien vorsieht.

Frau Oldenburg, Sie sagten, dass Sie die Entwicklung kritisch begleiten. Das ist schade, denn man sollte dem neuen Weg im Interesse der Künstler und Künstlerinnen eine Chance geben.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Grote.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man merkt, wie sehr der Koalition die Förderung der Kreativszenen am Herzen liegt und mit welchem Herzblut und welcher Leidenschaft Sie das hier vortragen. Das ist schon sehr beeindruckend.

(Beifall bei der SPD)

(Dr. Eva Gümbel)

Die Worte klingen erst einmal schön, auch wenn sie dem einem oder anderen, auch der Kultursenatorin, noch etwas schwer über die Lippen kommen. Es sind im Wesentlichen die Worte, die wir nun schon seit zwei Jahren hören. Die Kreativagentur steht schon im Koalitionsvertrag. Irgendwie ist sie jetzt auf den Weg gebracht worden, aber es gibt nichts Konkretes. Da das nun aber gerade für die GAL das zentrale Handlungsfeld ist, würde ich, ehrlich gesagt, gerne einmal ein paar echte Handlungen sehen.

Die Frage nach den Taten wird doch ein bisschen vage und unkonkret beantwortet, obwohl das Gutachten durchaus konkret ist. Ich sage noch einmal ausdrücklich, dass wir das Gutachten inhaltlich unterstützen. Ich bin sehr gespannt, inwieweit Sie auch dann noch hinter Ihrem eigenen Gutachten stehen, wenn wir Sie in einem halben oder in einem Jahr oder in anderthalb Jahren an das erinnern, was dort steht, und wir dann möglicherweise feststellen, dass nicht viel davon umgesetzt wurde.

Als es vor einem Jahr in Auftrag gegeben wurde, hatten wir noch einen anderen Diskussionsstand in der Stadt. Da wurde Kreativförderung überwiegend, auch von Ihnen, verstanden als Förderung von Kreativwirtschaft zum Nutzen der Stadt, also die ökonomische Seite betont. Herr Wankum hat noch einmal ganz deutlich gemacht, dass er das im Prinzip auch jetzt noch so sieht. Und als das Manifest "Not In Our Name" veröffentlicht wurde, für das sich Frau Martens jetzt geradezu als Mitautorin in Szene setzt, hat es von Koalitionsseite sehr empfindliche Reaktionen gegeben. Der zuständige Sprecher hat damals von "borniertem Kultursozialismus" gesprochen. Da hatte man nicht den Eindruck, dass darin genau das steht, was Sie immer schon gefordert haben.

Insofern lag die Betonung zu diesem Zeitpunkt noch mehr auf der Kreativität, mit der man auch Geld verdienen kann. Das ist bestimmt auch richtig und in diesem Sinn ist Gianni Versace auch ein Kreativer, aber ich glaube nicht, dass er das verkörpert, was hier gefördert werden soll.

(Beifall bei der SPD – Farid Müller GAL: Was ist denn nun Ihre Meinung, Herr Gro- te?)

Der eigentliche Schwerpunkt ist inzwischen ein anderer, auch in der Diskussion. Die spannendsten, lebendigsten und auch am meisten unterstützungsbedürftigen Teile der Kreativszene sind natürlich diejenigen, die noch nicht etabliert, noch nicht kommerziell erfolgreich sind und noch starke subkulturelle Prägungen und Ansätze haben. In diesem Bereich besteht auch der größte Förderbedarf, auch im Rahmen eines solchen Gutachtens, wenn Sie es damit ernst meinen.

Da zeigt sich natürlich schon, dass die Koalitionspartner unterschiedlicher Auffassung sind. Herr

Wankum zum Beispiel sagt, der ökonomische Nutzen müsse sich natürlich schon irgendwie einstellen; er könne sich nicht vorstellen, dass es hier um eine dauerhafte Förderung von kreativen Szenen auch in solchen Lagen wie im Gängeviertel gehe, das könne nur übergangsweise gemacht werden. Dazu haben wir eine ganz andere Auffassung und bisher habe ich die GAL so verstanden, dass sie dazu auch eine andere Auffassung hat. Insofern sind wir beim Gängeviertel auch noch nicht über den Berg und ich bin sehr gespannt, wie dieser Konflikt gelöst wird.

Es gibt natürlich eine Schlüsselfrage, die im Gutachten auch gestellt wird und auf die es immer wieder hinausläuft, das ist die städtische Flächenund Immobilienpolitik. Da zeigt auch die bisherige Erfahrung, dass gerade die städtischen Akteure, die auch nach der Logik der Studie die wichtigsten Förderer von kreativen Szenen sein müssten, nämlich das Immobilienmanagement der Finanzbehörde und die Sprinkenhof AG, in der Praxis am stärksten blockieren. Sie können mit jedem Kreativen und Künstler in dieser Stadt sprechen und das ist bei der Vorstellung des Gutachtens auch deutlich geworden: Alle wohlmeinenden Initiativen, die Sie in diese Richtung gestartet haben, tropfen bisher an den Pforten dieser beiden Institutionen ab wie ein vorüberziehender Regenschauer. Und da bin ich gespannt, wie Sie das ändern wollen.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE Hier ist das eigentliche Umsteuern erforderlich und da helfen nicht nur warme Worte. Ich glaube, dass der Tag, an dem es die Doppelseite im "Hambur- ger Abendblatt" gibt mit einem Interview mit dem Finanzsenator und Herrn Tants von der Sprinken- hof AG, in dem diese sagen, für die kreativen Sze- nen müssen wir wirklich mehr tun, das ist ganz schief gelaufen, da müssen wir uns mit den städti- schen Immobilien endlich einmal etwas einfallen lassen, ist noch nicht gekommen und ich glaube, das wissen Sie auch. (Beifall bei der SPD)

Der entscheidende Punkt ist – auch das ist in der Studie benannt –, ob wir es wirklich schaffen, offene Räume zu erhalten und zur Verfügung zu stellen, ob wir offene Planungsprozesse zulassen. Es ist ein entscheidender Bereich genannt worden, nämlich der Oberhafen; das ist ein zentrales Areal.

(Glocke)

Ich bringe den Satz noch zu Ende.

Und wenn Sie den in der Planungslogik der HafenCity belassen und ihn nicht aus dem Masterplan herausnehmen, dann können Sie alles vergessen, was in dieser Studie steht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Gümbel und liebe Kolleginnen und Kollegen von der GAL, Sie haben jetzt wieder versucht, der Opposition einen Gegenstandpunkt zuzuweisen in dem Sinne, dass wir – sowohl die Sozialdemokraten als auch die LINKE – immer nur traditionelle, fossile Wirtschaftsbereiche im Zentrum sehen, während Sie die modernen, kreativen Segmente fördern. Wir haben das schon ein paar Mal diskutiert und ich möchte noch einmal erklären, dass dies ein viel zu einfaches Schema ist. Es ist völlig klar, dass wir den Zusammenhang sehen. Wir beharren aber darauf – das möchte ich noch einmal betonen –, dass wir mitten in einer der schwersten Wirtschaftskrisen von der Koalition und vom Senat verlangen, auch die schwierige Situation der traditionellen Wirtschaftssektoren ernst zu nehmen, und dazu gehört nun einmal der Hafen. Das war die erste Bemerkung.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Frank Schira CDU: Das machen wir!)

Nun zur zweiten: Natürlich sagen Sie seit zwei Jahren, dass Sie das kreative Segment sehr viel stärker fördern wollen. Herr Grote hat erklärt, dass es da eine völlige Übereinstimmung gibt, und ich würde das unterstreichen. Unsere Kritik richtet sich dagegen, dass Sie bislang in diesem Sektor relativ wenig vorzuweisen haben. Die Kritik kommt sehr verhalten daher, weil auch wir von der Opposition sehen, dass es ausgesprochen schwierig ist, kreative Segmente zu fördern. Aber da Sie das zu einem Ihrer Merkmale in der Koalitionspolitik erklärt haben, müssen Sie auch den Beweis antreten, dass Sie auf der Strecke irgendetwas zuwege bringen. Es ist schön, Frau von Welck, dass Sie demnächst in den Ausschuss kommen, aber wir möchten dann auch wirklich sehen, was Sie in den zweieinhalb Jahren zustande gebracht haben.

Zum dritten Punkt: Ich finde es ziemlich ärgerlich, dass Sie über einen zentralen Punkt in dieser Studie hinweggehen. Ich möchte das kurz zitieren:

"Entscheidet sich eine Stadt, den Begriff der 'Creative City' zu einem Element ihrer Stadtentwicklung zu erheben, bewegt sie sich automatisch in einem gesellschaftspolitischen Spannungsfeld: Dieses wird durch die Dimensionen 'soziale Stabilisierung und behutsame Quartiersentwicklung' auf der einen Seite und marktliberale 'Imagepolitik und soziale Ausgrenzungsprozesse' auf der anderen Seite bestimmt."

Das ist der Punkt. Wenn Sie das machen – das attestiert Ihnen die Studie –, dann kommen Sie automatisch in dieses Spannungsfeld

(Farid Müller GAL: Wir sind schon drin!)

zwischen sozialer Ausgrenzung und Integration. Die Schlussfolgerung ist – auch das wurde Ihnen in die Agenda geschrieben –, dass Sie ein gleichberechtigtes Aushandeln von Interessen verschiedener sozialer Gruppen zustande bringen müssen. Da stehen die Stichwörter Gentrifizierung und soziale Ausgrenzung – Sie können gleich noch dazu Stellung nehmen, Herr Müller – und diese Gleichberechtigung ist eben elementar verletzt.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Sie betreiben Kreativförderung, machen sich aber keine Gedanken darüber, wie Sie die wachsende soziale Spaltung in dieser Stadt überbrücken wollen. Und wenn Sie Ihr Konzept durchführen, dann beziehen Sie bitte auch die Antworten ein, die in der Studie enthalten sind.

Und wenn Sie hier das Loblied auf "Not In Our Name" singen, frage ich Sie, ob Sie eigentlich wissen, was der Titel bedeutet? Er bedeutet, die Kreativen wenden sich dagegen, dass sie benutzt werden, um gegen die sozialen Interessen zum Beispiel in St. Georg und in Wilhelmsburg ausgespielt zu werden. Das ist der Punkt, um den es geht.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort erhält Senatorin Hajduk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im letzten Beitrag von Herrn Bischoff ist eines noch einmal deutlich geworden: Bei diesem Thema ist in der Debatte einerseits eine große Einhelligkeit erkennbar. Wenn es darum geht, wie wir zu den kreativen Milieus stehen, zeigen sich große Offenheit und starkes Interesse. Andererseits birgt die Gesamtthematik aber durchaus Kontroversen, da gebe ich Ihnen völlig recht. Und in dieser kontroversen Situation, die immer wieder aufscheint, muss sich dann Politik bewähren.

Es ist mir wichtig, dass durch das Gutachten und auch durch die Debatte hier im Hause deutlich wird, dass wir die Diskussion um die kreative Stadt oder die kreativen Milieus nicht eindimensional auf die Wirtschaftlichkeit beziehen wollen. Diese Betrachtungsweise, die es zweifelsohne auch gibt, wird jetzt ganz bewusst um eine soziale Dimension erweitert und vor allem – das ist Gegenstand des Gutachtens, das seit zwei Tagen der Öffentlichkeit vorliegt – um eine stadträumliche Dimension. Diesen integrierten Ansatz werden wir umsetzen müssen. Und wir alle, ob in Regierungsverantwortung oder in der Opposition, werden uns als fähig erweisen müssen, die dabei auftretenden Zielkonflikte zu bearbeiten.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Ich will darauf auch gleich eingehen, weil das aus meiner Sicht eine gute Botschaft in diesem Gutachten war. Hamburg hat nicht nur schon jetzt sogenannte kreative Stammzellen, sondern wir haben auch ganz viele Potenzialräume und insofern auch Räume, die von Künstlern und Kreativen angenommen werden; diese müssen wir vielleicht nur mehr zur Entfaltung bringen. Wir haben aber auch – da gehe ich noch einmal auf die schwierige Seite ein – eine Debatte um die Stadt, die durch berechtigte Sorge vor Gentrifizierung und hohen Mieten in den beliebten Stadtteilen gekennzeichnet ist, zum Beispiel, wenn ich auf die sogenannten kreativen Stammzellen zurückkommen darf, in Ottensen, im Schanzenviertel oder im Karoviertel.

(Michael Neumann SPD: Stammzellenfor- schung lehnen wir ab!)

In diesen Gegenden entsteht durch die Attraktivität der Lage und durch den Zuzug vieler junger Menschen – eigentlich etwas Gutes – ein starker Druck auf die Preise. Dieser Preisdruck trifft dann natürlich auch Künstler, die noch nicht so etabliert sind oder die per se nicht so viel Geld verdienen, sodass sie das Gefühl haben, sie können in diesem Quartier nicht bleiben.

Wichtig ist bei der Analyse der Lage aber zunächst, dass diese Aufwertungsprozesse die Folge einer Entwicklung darstellen, der eine positiv zu bewertende Motivation zugrunde liegt. Es handelt sich um einen beliebten, integrierten, attraktiven Stadtteil, es handelt sich um Zuzug von nicht nur, aber auch vielen jungen Leuten. Und dann stellt sich die Frage, wie wir damit umgehen.

Die eine Antwort wird sein – ich komme gleich noch einmal auf Kreativität zurück –, dass wir in der Wohnungspolitik weiterkommen müssen. Deswegen werden wir in diesen Stadtteilen genau entscheiden müssen, wo der Wohnungsbau Vorrang hat und wo wir offene Räume für kreative Milieus schaffen sollten. Auch das kann in einem Zielkonflikt stehen. Dieses Gutachten gibt sehr interessante und genaue Hinweise, wo es Chancen gibt, wo wir aber auch anspruchsvolle Entscheidungen zu treffen haben. Wenn man sich nämlich einmal eine der sogenannten Wetterfronten ansieht, das Areal Bahnhofsgelände Altona, dann ist das ein Raum, der geradezu für innerstädtisches Wohnen prädestiniert ist. Aber man erkennt auch, dass es auch ein Interesse geben wird, Wohn- und Arbeitsräume für verschiedene andere Nutzungen mitzuschaffen.

Ich möchte noch einen weiteren Gesichtspunkt betonen. Wir werden in dieser Studie auch darin bestätigt, so sehe ich es jedenfalls, dass es Sinn macht, nicht nur angestammte Stadträume zu betrachten und weiterzuentwickeln, sondern auch neue. Gerade die Erfahrungen aus Holland, die in

dieser Studie sehr eingehend vorgestellt werden, zeigen, dass man auch im Rahmen einer Konzeption, wonach der Staat oder die Stadt aktiv werden – Sie hatten das problematisiert, Herr Bischoff, wenn man in die aktive Rolle geht –, sehr wichtige Aktivitäten entfalten und Angebote zur Entwicklung des städtischen Raumes machen kann. Man kann zum Beispiel ein Gebiet, das am Wasser liegt, mit Fähren anschließen – so hat man es in Amsterdam und in Rotterdam gemacht – und dadurch einen bis dahin nicht attraktiven Raum für Studenten oder für künstlerische Milieus interessant machen und dieses Gebiet dann weiterentwickeln. Da sehe ich eine gewisse Parallele zu unseren Aktivitäten in Wilhelmsburg oder in östlichen Lagen der Stadt; daran müssen wir weiter arbeiten.