Protocol of the Session on January 21, 2010

(Beifall bei Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Nein, Kollege Hackbusch, es sind nicht nur Politik und Verwaltung angesprochen. Ich spreche auch Investoren an, die den Gedanken, dass Nutzer auch Projektentwickler sein könnten, zumindest einmal erwägen müssten.

(Glocke)

Ich sehe die rote Lampe. Ich kann nun meine Ausführungen nicht ganz zu Ende bringen.

(Glocke)

Ziehen Sie auch eine Schlussfolgerung aus der Lampe?

– Ja. Dann komme ich zu meinem Schlusssatz, den ich bitte, noch sagen zu dürfen. Es geht darum, dass wir uns eine offene Planungskultur wünschen, spannende und interessante Prozesse und hoffentlich gute Ergebnisse. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und der CDU und bei Karl Schwinke SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Wankum.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren heute eines der wichtigsten Zukunftsthemen unserer Stadt. Um gleich mit dem Ende anzufangen: Hamburgs Kreative und seine kreativen Milieus sind eine Chance für unsere Stadt.

Die diskutierte Studie zeigt heutige und zukünftig mögliche kreative Quartiere in unserer Stadt auf. Sie zeigt uns einmal mehr, wie wichtig die Kreativwirtschaft und deren Unterstützung für das Wachstum und die Lebensqualität in unserer Stadt sind. Dass wir das nicht erst vor zwei Jahren erkannt haben, ist sicherlich auch eine der Grundlagen dafür, dass wir eine der wenigen noch wachsenden Städte in Deutschland sind.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wer aus der gegenwärtigen Krise gestärkt hervorgehen will, muss sich mit der Kreativwirtschaft auseinandersetzen, Kreativen dabei helfen, sich zu vernetzen und Talenten aus ganz Deutschland, aus Europa und aus aller Welt aufzeigen, dass unsere Stadt die Stadt ist, in der sie sich ansiedeln können.

Die Kreativwirtschaft, das hat Senator Gedaschko hier gestern noch einmal hervorgehoben, ist eben nicht im Gegensatz zur traditionellen Industrie, zur Hafenwirtschaft oder zum Handel zu sehen. Diese unterschiedlichen Zweige bedingen einander, sie sind additiv zu sehen und dahin zu führen, dass sie die Lebensqualität und den Wohlstand in unserer Stadt multiplizieren.

Bereits ein kurzer Blick in die Studie zeigt, welch ungeheuer vielfältiges Flächenpotential unsere Stadt bietet. Wer sich mit diesem Thema und mit der Entwicklung der erfolgreichen "Creative Cities" beschäftigt, wird auch feststellen, dass die von uns

insbesondere Ende letzten Jahres geführte Diskussion eine viel zu kurz gesprungene war und in die falsche Richtung ging. Wir stellen fest, dass es in der Natur der Sache liegt, dass erfolgreiche kreative Milieus gleichzeitig zu einer gesamtstädtischen Aufwertung führen, dauerhafte künstliche Schutzzonen hingegen genau zum Gegenteil dessen, was man eigentlich will. Kreative und Kreativwirtschaft müssen unterstützt werden, aber nur als Hilfe zur Selbsthilfe, ansonsten würden Kreative nie Kreative sein und nie über den Status des ewigen Talents hinwegkommen.

(Beifall bei der CDU)

Das Gängeviertel heißt eben Gängeviertel und nicht Boulevardquartier. Hier lebten einst die ärmsten der Armen zusammengepfercht ohne Luft und Licht. Wer denkt, dass das dauerhaft ein kreatives Milieu sein kann, der muss schon einen sehr verklärten Blick haben. Es gehört deswegen auch dazu, dass Kreative von Zeit zu Zeit ihren Arbeitsstandort wechseln und sich die kreativen Milieus verschieben. Es kann keine Garantie auf einen bestimmten Zustand geben, zu dem man an einem bestimmten Zeitpunkt lebt. Eine Metropole muss sich wandeln, sie muss sich dauerhaft neu erfinden und Experimente wagen. Das ist mein Verständnis vom Leitbild unserer Politik in diesem Bereich.

Die Studie zeigt im Übrigen auf, dass unsere Stadt eine Vielzahl von potenziell herausragenden kreativen Milieus hat, alle mit dem Alleinstellungsmerkmal des Wassers. Ein Blick auf das Wasser hat Menschen von jeher in ihrer Kreativität befördert. Deswegen ist es gut, dass sich unsere Stadt endlich mit dem Gesicht dem Wasser zuwendet und nicht, wie in der Vergangenheit allzu oft, mit dem Hintern. So werden wir uns gemeinsam mit den Kreativen und der Kreativwirtschaft durch die in Kürze ihre Arbeit aufnehmende Kreativagentur der Zukunft und der Stabilisierung unserer Stadt zuwenden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Oldenburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Becker, Sie haben recht, wir haben gestern hier über den Hafen gesprochen. Die SPD sorgt sich aber nicht nur um den Hafen und die damit verbundenen Arbeitsplätze, auch wir richten unseren Blick auf die Kreativwirtschaft und ihre kreativen Milieus und auch wir halten diesen Wirtschaftszweig für einen Zukunftsmarkt.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL – Michael Gwosdz GAL: Super!)

Herr Kerstan, das ist so.

(Horst Becker)

Welche Chancen hat das kreative Milieu in Hamburg? Die vorgestern vorgestellte Studie "Kreative Milieus und offene Räume in Hamburg" zeigt eines ganz deutlich: Markt und Standortentwicklung dieser Bereiche sind mit großer Unsicherheit und ständigen Veränderungen verbunden. Die Studie stellt dar, dass Wirtschaftsförderung, Kulturförderung und Stadtplanung in Hamburg nicht ausreichend auf die Kreativen ausgerichtet sind.

Die Frage ist doch: Sollen wir die Kreativen nur aus der Perspektive der Wirtschaftsförderung und der ihrer Verbände betrachten? Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren. Sprechen wir hier nur von den Lokalisierungsprofiten, wie das so schön heißt, die man sich von der Anwesenheit von Kreativen in einem bestimmten Wohnviertel erhofft, oder fragen wir auch die Kreativen selbst, welche Ressourcen ihnen ein urbanes Milieu vermitteln kann? Ein urbanes und kreatives Milieu beschreibt nicht nur die Konzentration von Künstlern, Wissenschaftlern und Webdesignern in einem Stadtteil, einer Straße oder einem Büro, sondern auch die offene und tolerante Atmosphäre in einer Stadt.

Wenn wir hier über die Chancen des kreativen Milieus für Hamburg reden, dürfen wir vor allem eines nicht ausblenden. Die Situation von kulturell orientierten Kreativen in Hamburg ist häufig durch ihre prekäre ökonomische Lage gekennzeichnet, für deren Beseitigung es im Augenblick keine geeigneten Instrumente und Methoden gibt. Die negative Folge ist die Gentrifizierung, die letztlich die kulturellen Pioniere verdrängt. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE und Farid Müller GAL)

Ohne erneut ausführlich auf die Situation im Gängeviertel einzugehen, zeigt dieses Beispiel, dass es der Senat versäumt hat, Räume für die Kreativen bereitzustellen, die offene Strukturen zur Selbstorganisation innerhalb dieser Milieus ermöglichen. Stadtplanung in Hamburg muss vielmehr auf die Stärke der Selbstorganisation setzen und dabei nicht nur auf den ökonomischen Mehrwert der Stadt fixiert sein. Das Zulassen von Eigenentwicklung an Orten durch die kreativen Milieus sollte gleichzeitig begleitet werden von Maßnahmen, die ökonomisch schwächere Bevölkerungsgruppen schützen.

Es ist auch keine Lösung, die Künstler von Gebieten mit hoher Nutzungskonkurrenz in – so heißt es nun einmal im Soziologendeutsch – kontrastreiche Räume mit Nischenpotenzialen zu verschieben, also von St. Pauli nach Hammerbrook oder Wilhelmsburg. Es kann nicht angehen, dass eine Künstlerkarawane von einer städtischen Grauzone zur nächsten ziehen muss; das ist es nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Ich komme noch einmal auf die Vorhersage der Studie zur künftigen Gestaltung der Großwetterlage der kreativen Milieus in Hamburg. Die sei schwer vorherzusagen, heißt es dort. Nun soll die Kreativagentur alles richten. Das kann nicht klappen. Wenn man sich einmal den Aufgabenkatalog der Kreativagentur anschaut – Dachmarketing, Immobilienvermittlung, Förderprogramme und noch vieles mehr –, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, dass sie völlig überfrachtet und hoffnungslos überfordert sein wird. Statt an einer Stelle alle Fäden zusammenlaufen zu lassen, da stimme ich der Studie ausdrücklich zu, sollte es vielmehr Ziel sein, die bestehenden Netze konstruktiv zu verbinden.

Wir werden die Arbeit der Kreativagentur kritisch begleiten. Wir werden beobachten, ob es in dieser Stadt einen gleichberechtigten, interdisziplinären Dialog geben wird, und zwar zwischen allen Akteuren. Wir werden auch beobachten, ob der Senat bereit ist, neue Denkansätze aufzunehmen. Wir sind auf jeden Fall gespannt auf die weitere Entwicklung. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit Monaten ist es immer das gleiche, wenn die GAL hier ein Thema anmeldet.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Antje Möller GAL: Das stimmt doch gar nicht! – Heiterkeit bei der LINKEN)

Die Kreativität von oben und unten ist auch ein schöner Ansporn, ich beklage mich gar nicht so sehr darüber.

Als Vorsitzender des Kultur-, Kreativwirtschaftsund Tourismusausschusses versetzt es mich aber schon ein wenig in Schwierigkeiten, dass es uns seit Monaten nicht gelingt, die Kreativagentur und ihre Arbeit einmal kritisch im Ausschuss würdigen und darüber diskutieren zu können, weil diese Agentur noch immer nicht richtig arbeitet. Wir haben da also ein paar Defizite, aber trotzdem rede ich natürlich gerne über die Kreativität in dieser Stadt und freue mich auch daran, dass dieses Thema so eine große Aufmerksamkeit erfährt.

Jeder, der sich das einmal anschauen möchte mit der Kreativität und nicht nur Studien durchlesen will, kann jetzt einfach ins Kino gehen und sich den neuen Heimatfilm "Soul Kitchen" ansehen. Er wird dort die kreativen Plätze dieser Stadt finden: Wilhelmsburg, das Gängeviertel und, für manchen vielleicht überraschend, das Frappant in Altona. All das kann man in diesem Film bewundern und sich dann seine Gedanken zur Kreativität machen.

(Dr. Christel Oldenburg)

Nach den ersten Einblicken zu urteilen gefällt mir auch die Studie gut und sie bietet eine Menge Stoff für weitere Diskussionen.

Zunächst möchte ich aber noch einmal auf Herrn Wankum zurückkommen. Mir gefällt nicht, wenn man andeutet, Kreativität komme daher, dass kreative Menschen dort in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen leben müssen. Ich finde es sehr schön, dass Frau Oldenburg diesen Punkt noch einmal aufgegriffen hat. Wir sollten uns einmal darüber unterhalten, wie wir das verbessern können.

(Andreas C. Wankum CDU: Sie verwechseln Kreativität mit Hungerkünstlern!)

Sie müssen sich einfach einmal mit den dortigen Verhältnissen auseinandersetzen, Herr Wankum. Wir haben das bereits im Kulturausschuss gemacht und damals waren Sie, wenn ich mich recht erinnere, auch ziemlich erstaunt darüber.

Mir missfällt ebenfalls, dass Sie andeuten, Kreativität sei nur dann erreichbar, wenn die Kreativen möglichst schnell und häufig ihre Standorte wechseln. Das ist kein Kriterium für Erfolg, eher, ob wir in der Lage sein werden, Plätze zur Verfügung zu stellen, die auch längerfristig nutzbar sind.

Entscheidender ist aber etwas anderes, für mich ein Kernpunkt der Studie. Wenn Sie sich das einmal anschauen, finden Sie dort in einer Art Großwetterkarte Hamburgs die Struktur der kreativen Milieus in Hamburg. Diese Karte zeigt vor allem zwei Bereiche: Ottensen mit einem großen Hoch und St. Pauli mit einem großen Hoch. Dort, wo diese beiden Hochs miteinander kommunizieren, haben wir einen Wirbelwind – wunderschön anzusehen. Dieser Wirbelwind ist das Frappant. Dieses Gebäude wird kulturell aktiv genutzt und ist auch nach der Studie ein wichtiges Zentrum von Kreativität und Kulturaktivitäten. An dieser Stelle, wo gegenwärtig ein aktives kreatives Cluster ist, droht in diesen Tagen nun die Entscheidung, eines der einfallslosesten, dümmsten und monotonsten Rieseneinkaufszentren zu bauen, gerade so, als wären wir in den Siebzigerjahren und würden einen Karstadtklotz planen. Wenn Sie auch nur ein wenig von Kreativität verstanden haben, dann werden Sie wissen, dass derlei Siebzigerjahre-Baulogik keine Zukunft haben kann und es für die Stadt fürchterlich werden wird, wenn das realisiert wird.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

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