Protocol of the Session on January 20, 2010

Zweitens: Einige parlamentsdramaturgische Punkte lassen einen Oppositionspolitiker aufhorchen, insbesondere aufgrund der von Schwarz-Grün gegebenen Regieanweisung, die Überweisung würde erfolgen. Das bedeutet im Grunde genommen, man sei schon auf der richtigen Spur. Allerdings ist man auch in der Sache auf der richtigen Spur, wenn man sich ansieht, wie insbesondere die Finanzbehörde in Fragen der Beteiligung von Ortsausschüssen in dieser Frage agiert hat, und zwar von den LINKEN bis hin zu den Christdemokraten. Diese gesamten Verfahren waren immer einstimmig. Seit dem 21. Januar 2008 wünschen LINKE, GAL, SPD und CDU von der zuständigen Fachbe

hörde eine Auskunft über die Situation der Amsinckvilla. Resultat: Funkstille.

(Ekkehart Wersich CDU: Was sagt denn die FDP dazu?)

Die FDP war ebenfalls dabei, Sie sagen es, Herr Kollege, ich wollte niemanden unterschlagen, also alle Fraktionen.

Im Februar 2008 wird dieser Wunsch von allen Fraktionen wiederholt ausgesprochen.

(Antje Möller GAL: Ein paar Wahlkreisabge- ordnete vielleicht!)

Frau Kollegin, wir reden zum wiederholten Mal über den Ortsausschuss.

Im Juli 2008 baten wir noch einmal um Auskunft und wieder war niemand von der Finanzbehörde bereit, sich über das Nutzungskonzept Amsinckvilla zu unterhalten. Gleichzeitig teilte im Juli 2008 die Finanzbehörde dem Ortausschuss und der Kommunalpolitik mit, man habe in einem Höchstgebotsverfahren unter drei Investoren entschieden und die Amsinckvilla als denkmalgeschütztes Gebäude dem Verkauf preisgegeben. Man habe sich für einen Investor namens "Mare Marina Ltd." entschieden, der nach Prüfung der Finanzbehörde alle Anforderungen der Ausschreibungsmodalitäten erfüllt hätte. Dem Wunsch des Ortsausschusses, der Kommunalpolitik durch einen Vertreter der Finanzbehörde Auskunft darüber zu geben, entspricht man nicht. Es erscheint niemand, ohne Angabe von Gründen.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Dies stellen übrigens im Zeitraum von 2008 bis 2009 sämtliche Fraktionen des Ortsausschusses Lokstedt mehrfach fest. An dieser Stelle könnten wir sagen, soweit ist das alles irgendwie eine Provinzposse. Irgendwann haben dann die Kollegin Schaal und ich mehrere Anfragen zur Zukunft der Amsinckvilla gestellt. Auch an dieser Stelle hätte man sagen können, was soll das Ganze? Als wir im Dezember dieses Jahres einen Antrag gestellt haben, das Höchstgebotsverfahren zu stoppen, im Grunde genommen alles wieder auf Null zu setzen, eine Ausschreibung vorzunehmen und auch sicherzustellen, dass das Ganze in den Bereich der öffentlichen Nutzung hineingeht, was der Wille der Kommunalpolitik vor Ort ist, hätte man sagen können, das gehört nicht in die Bürgerschaft.

Das hat sich geändert, wie man als aufmerksamer Zeitungsleser in der "Hamburger Morgenpost" vom 8. Januar 2010 lesen konnte. Dort heißt es – ich zitiere –:

"Dubioser Deal mit einer Villa

Blamage für Hamburgs Verwaltung: Die Finanzbehörde hat sich beim geplanten Verkauf der historischen Amsinckvilla in Lok

(Norbert Hackbusch)

stedt mit einem verurteilten Betrüger eingelassen!"

Es geht weiter:

"Der Geschäftsmann saß nach Auskunft der Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Versicherungsbetrugs mit Immobilien drei Jahre und sechs Monate im Knast. Er hatte in Süddeutschland ein historisches Gebäude abfackeln lassen, um die Versicherung zu kassieren."

Nun hätte man sagen können, das sei schlecht recherchiert von der "Hamburger Morgenpost". Es war aber auch in der "Bild"-Zeitung zu lesen.

(Vereinzelter Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Und es ging weiter. Man fand nämlich noch eine weitere Aussage zu dem Investor. Die Finanzbehörde hatte mit einem Investor über den Verkauf einer Villa und die Renovierung einer Villa verhandelt, der eine Mutter besaß in England, eine Limited.

Die Finanzbehörde hatte dem Ortsausschuss übrigens über die Bezirksversammlung mitteilen lassen,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Böwers Kriminal- stück!)

dass alleine die fachgerechte und denkmalschutzgemäße Renovierung der Villa Amsinck zwischen 1,4 und 2 Millionen Euro koste – neben dem Kaufpreis. Die Finanzbehörde des Herrn Senator Freytag verhandelte mit einer Limited, die über, so sagte die "Bild"-Zeitung, gerade mal ein Gesamtstammkapital von 100 britischen Pfund verfüge.

(Jörn Frommann CDU: Immerhin!)

Das ist natürlich das Hundertfache der Mindestzeichnungssumme, die man für eine Limited braucht, aber 100 britische Pfund sind eine überschaubare Größe angesichts der sonstigen Zahlen, die wir in Sachen HSH Nordbank gewohnt sind. À la bonne heure, wirklich á la bonne heure! Man verhandelt über Wochen und Monate mit einer solchen Limited.

Ich darf daran erinnern, was wir vorhin schon gelernt hatten, nämlich dass die Finanzbehörde die ganze Zeit, obwohl die Kommunalpolitik sagte, erläutert uns einmal das Konzept, nicht auftauchte. Das erste Mal war ein Vertreter der Finanzbehörde am Freitag, dem 15. Januar, um 15 Uhr vor Ort, weil nämlich zu diesem Termin das "Hamburg Journal" da war und eine Stellungnahme haben wollte. Es war der Pressesprecher und das war der bisher einzige Vertreter der Finanzbehörde, der sich geäußert und an dieser Stelle gesagt hat, man könne alles stoppen. Das finde ich klasse, weil wir das in der Tat auch stoppen wollen. Er hat allerdings einen zweiten Satz gesagt, der mich wieder

schon fast hat zweifeln lassen. Er hat nämlich gegenüber dem "Hamburg Journal" gesagt, man wolle sich jetzt mit der britischen Muttergesellschaft des Investors ins Gespräch begeben. Bei britischer Mutter denkt man an England, weil Mare Marina Ltd. in England sitzt. Und der Pressesprecher der Finanzbehörde sagt, wir reden dann mit England. Ein Blick ins Handelsregister dieser Limited zeigt, dass der Geschäftsführer zwar Stephan Perry heißt, was sich nach London und Bankenviertel anhört, dass er aber in der Nähe von Heidelberg wohnt. Er hat mit England gar nichts zu tun und wohnt auch gar nicht da. Der zweite Geschäftsführer wohnt übrigens in Dänemark und hat mit England auch nichts zu tun.

(Antje Möller GAL: Aber was genau wollen Sie damit sagen?!)

Ich will damit sagen, Frau Antje Möller, dass offensichtlich zwei Jahre lang erstens der Wunsch der Kommunalpolitik ignoriert worden ist, ernsthaft mit über die Nutzung einer denkmalgeschützten Villa zu reden. Zweitens geht es darum, dass wir uns fragen, ob wirklich ernsthaft geprüft worden ist.

Nun haben wir es mit einem CDU-Antrag zu tun, wo man sagen könnte, das ist eine Supernummer. Wir überweisen beides an den Haushaltsausschuss, bringen das Ganze wieder auf Null, nehmen als ein Lehrstück mit, dass man in bestimmten Bereichen erstens mit Kommunalpolitikern reden muss, auch wenn sie aus dem Ortsausschuss kommen, und zweitens mit denkmalgeschützten Gebäuden, die sich im Zentrum eines Stadtteils befinden, möglicherweise anders umgehen muss als über das Höchstgebotsverfahren. Deswegen fand ich es bis heute Vormittag gut, dass es einen ähnlichen Antrag seitens der CDU und GAL gibt. Als ich dann allerdings erfuhr, dass bezüglich dieses Antrags eine interne Regieanweisung aus der Finanzbehörde existiert,

(Jörn Frommann CDU: Wer sagt Ihnen das denn?)

die besagt, der SPD-Antrag müsse abgelehnt werden, weil man das Investorenverfahren so ohne weiteres nicht stoppen könne, habe ich die Angst – aber das kann der Kollege Heintze gleich klären –, dass wir mit einer Überweisung an den Haushaltsausschuss die ganze Sache nur verzögern, um sie hinterher doch zu beerdigen. Aufgrund der zweijährigen, von allen Parteien geführten Diskussion in Lokstedt, ist das der Punkt, wo wir die Möglichkeit haben, etwas zu stoppen, was offensichtlich eine Fehlentwicklung war, auch bei der Auswahl des Investors, und das nicht wieder durch die Hintertür aufzuheben. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit zur späten Stunde.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Heintze.

Herr Böwer, ein vermeintliches Kriminalstück kurz vor Toresschluss mit geheimen Regieanweisungen aus der Finanzbehörde, Schurken, die irgendwo in London sitzen, und eine Limited, die nur 100 Euro auf dem Konto hat,

(Zurufe von der CDU)

vorverurteilten Akteuren, einem missachteten Kommunalausschuss – und der Aufklärer Böwer betritt das Feld. Und jetzt erstarren alle und denken, du meine Güte, was hat der Böwer so spät noch mit dem Ortsausschuss Lokstedt hier zu suchen und was will er eigentlich dem Haus sagen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich muss ehrlich gestehen, ich habe nicht ganz verstanden, was er dem Haus sagen will,

(Michael Neumann SPD: Das glaube ich!)

außer, dass er ein Kriminalstück aufführen möchte. Ich würde daher der Bürgerschaftskanzlei empfehlen, bei der Neuauflage dieser Detektiv-CD, die demnächst kommt,

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Herrn Böwer zumindest als Geschichtenerzähler vorzusehen. Damit würden wir seinen Auftritt hier würdigen.

Nichtsdestotrotz haben wir ein Kriminalstück und wollen uns ein bisschen um Aufklärung bemühen, ohne in die Pose des Sherlock Holmes zu verfallen. Wir haben die Historie richtig dargestellt bis zu dem Punkt, wo das Kriminalstück begann. Als Wahlkreisabgeordneter habe ich mich mit der Veräußerung der Amsinckvilla nebenbei immer beschäftigt; es ist in der Tat ein imposantes Gebäude. Das muss meines Erachtens auch verkauft und einer vernünftigen Nutzung zugeführt werden, die sowohl die Interessen der Liegenschaft, der Stadt als auch der Menschen vor Ort berücksichtigt und das Haus in seiner Substanz erhält. Das war auch alles geändert und da war es nicht weiter schlimm, dass ein Investor eine Limited hat und dass eine Limited, weil sie Limited heißt, in London eingetragen ist, der Geschäftsführer dieser Limited aber deswegen nicht in London zu finden sein muss. Das weiß eigentlich jeder, der einmal im Leistungskurs Wirtschaft in der Oberstufe zugehört hat.

(Michael Neumann SPD: Das ist jetzt in der reformierten Oberstufe abgeschafft!)

Also keine bösen Investoren in London. Kommen wir zur Substanz Ihrer Vorwürfe, Herr Böwer. Sie sagen, wir würden mit unseriösen Menschen Geschäfte machen und dazu gäbe es Regieanweisungen an die Regierungsfraktion. Ich fange mit Letzterem an. Es mag so viele Regieanweisungen

an die Regierungsfraktion geben wie es will, ich habe sie nicht zur Kenntnis genommen und werde es auch nicht tun, weil unsere Fraktion sich nicht an Regieanweisungen des Senates hält, sondern eigenständig Politik macht.

(Beifall bei der CDU und der GAL und ver- einzelt bei der SPD – Heiterkeit bei der SPD)

Wenn Sie das aus Ihrem persönlichen Erfahrungsschatz aus früheren Regierungszeiten anders kennen, dann ist das ein Problem der SPD-Fraktion. Seien Sie sicher, dass wir den Fehler nicht machen. Sie haben ihn lange genug gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zum nächsten Punkt. Sie werden sehen, wie wir diese Regieanweisung – sollte es sie jemals gegeben haben – ignorieren; kommen Sie in die Haushaltsausschusssitzung. Zur Substanz der Sache: Es kann passieren, dass bei Verhandlungen mit Investoren irgendwann Dinge bekannt werden, die vorher auch einer Finanzbehörde nicht klar waren, schließlich verhandelt die ein bisschen mehr am Tag. Und auch Situationen bei Investoren ändern sich. Jeder, der sich in dieser Stadt jemals intensiv mit Vergabe und Verkäufen von Grundstücken beschäftigt hat, und das haben die Haushälter der SPD – wie das bei Ihnen ist, Herr Böwer, weiß ich nicht –, weiß, dass dort Fehler passieren können.